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Für unsere Mütter und Hausfrauen

landwirtschaftlich benutte Fläche in Deutschland im Jahre 1895 32 517 941 Hektar, im Jahre 1907 aber nur 31 834 874 Hektar. Wie hieraus ersichtlich, ist die landwirtschaftlich benutte Fläche seit dem Jahre 1895 bis zum Jahre 1907 um 683067 Hettar zurüdgegangen. Das Ödland war dagegen um 275 836 Heftar angewachsen. Diese Verkleinerung der Anbaufläche würde eine absolute Herabsetzung der Leistungsfähig­keit der Landwirtschaft bedeuten, wenn nicht eine Verbesserung der Bodentechnik dies ausgliche. Ungünstig beeinflußt wird die Anbau­fläche noch durch die ständig sich vermehrenden Fideikommisse, das find landwirtschaftliche Besitzungen von großem Umfang, die nicht geteilt werden dürfen. Nach einer Aufstellung der Statistischen Korrespondenz " vom Jahre 1910 betrug in Preußen die Gesamt­fläche des gebundenen Bodens 2 401 737 Hektar gegen 2379 547 Hektar zu Ende 1909, 2 348 069 im Jahre 1908 und 2 299 793 Hektar im Jahre 1907; es hat also in den vier Jahren eine Zu­nahme von 101 944 Hektar, das sind 4,4 Prozent, stattgefunden. Am Schlusse des Jahres 1910 waren im ganzen 6,9 Prozent des Gesamtumfangs an Grund und Boden in Preußen fideikommis­sarisch gebunden. Bei diesen Fideikommissen ist die Beobachtung gemacht worden, daß ein großer Teil des Bodens angeforstet, also der Nutzbarmachung durch landwirtschaftliche Erzeugnisse ent­zogen wird. Im Jahre 1910 betrug der Anteil des Waldes an der gesamten Fideikommißfläche noch 46,6 Prozent.

Haben wir somit gezeigt, daß der Zollschuh keine Vermehrung der angebauten Fläche mit sich gebracht hat, so wollen wir im folgenden beweisen, daß seine wahre Tendenz, einem Bruchteil der Bevölkerung, und zwar den Besitzern landwirtschaftlicher Groß­betriebe, auf Kosten der großen Masse des Volkes große Einkom­men zuzuführen, bessere Erfolge erzielt hat. Das zeigt sich am besten in der Gegenüberstellung der Getreidepreise, denn Getreide wird hauptsächlich in landwirtschaftlichen Großbetrieben erzeugt. Stellt man zum Beispiel die Getreidepreise von 1903 und 1912 in Barallele, so zeigt sich in dieser Zeit an der Berliner Getreide­börse eine Steigerung bei Roggen von 132,3 auf 185,8 Mt., bei Weizen von 181,1 auf 217 Mt., bei Hafer von 136,6 auf 189,7 M. pro 1000 Kilogramm. Die gleiche Menge Mais tostete 1903 in Breslau 121,8 Mt., 1912 dagegen 169,7 Mt., und Gerste stieg dort in derselben Zeit von 128,3 auf 164,4 Mt. Daß diese Erhöhung der Getreidepreise nicht etwa auf eine gleichzeitige Erhöhung der Er­zeugungskosten zurüdzuführen ist, beweist die ständige Steigerung der Pacht- und Güterpreise. In einer von der staatswissenschaft­lichen Fakultät der Universität München ausgezeichneten Schrift hat der Oberstleutnant a. D. Dr. Franz Hörenz eine außerordent­lich intereffante Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Schutzzöllen und Güterpreisen angestellt. Er kommt darin zu dem Ergebnis, daß im nördlichen Oberbayern bis zum Jahre 1902 die Zahl der Kaufabschlüsse verhältnismäßig gering war, um nach erfolgter Bekanntmachung des neuen Zolltarifgefezes vom 25. De­zember 1902 sofort zu steigen und dann immer mehr zu steigen. Der Gewinn aus dem Güterverkauf war denn auch bei den größten Besitzungen am höchsten, denn, so sagt Dr. Hörenz, der Gewinn aus der Zollerhöhung ist naturgemäß für denjenigen Landwirt am größten, der das meiste Getreide auf den Markt zu bringen bermag; je größer also der Besiz und je ertragreicher der Boden, desto größer auch der Gewinn". Die Richtigkeit dieser theoretischen Behauptung wird durch die Tatsachen voll bestätigt. Die Güter­preise stiegen nach 1902 bis 1906 bei einer Ertragfläche von 20 bis 50 Hektar durchschnittlich um 35 Prozent, bei einer Ertragfläche bon 50 bis 100 hektar um 101 Prozent. Jm großen ganzen betrug die Steigerung der Güterpreise im nördlichen Oberbayern nach Hörenz rund 40 Prozent. Den unmittelbaren Anteil der Zollgesetz­gebung an dieser Preiserhöhung berechnet er auf 19 bis 20 Pro­gent. Der Getreidezol I", schlußfolgert Hörenz, ist so­mit der schwerwiegendste Grund für die Steige­rung der Preise landwirtschaftlicher Güter." Das stärkste übel bei diesem fortwährenden Besitzwechsel landwirtschaft­licher Güter beruht jedoch darauf, daß die leßten Besitzer schließ­lich infolge der ungeheuer in die Höhe geschnellten Güterpreise nicht mehr den überschuß herauswirtschaften können, den sie beim Kauf erwartet haben. Die Folge ist Unzufriedenheit bei ihnen und der Ruf nach neuer Unterstüßung der Landwirtschaft durch Er­höhung der Zölle usw. ( Schluß folgt.)

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Notizen.

Die Zahl der studierenden Frauen in Deutschland hat seit Ausbruch des Krieges überraschend zugenommen. Während von der studierenden männlichen Jugend rund 80 Prozent im Felde stehen,

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ist die Zahl der Studentinnen von 3920 im Vorjahr auf 4820, also um 23 Prozent gestiegen. Gegenüber dem Stand des Jahres 1910 bedeutet das eine Zunahme von 50 Prozent. Die studierenden Frauen betrugen im Wintersemester 1915/16 9 Prozent der ge­famten studierenden Jugend, während sie im Vorjahr nur 7,4 und im Jahre 1910 nur 4,4 Prozent betrugen. Da aber im letzten Winter von den 50 000 studierenden Männern nur etwa 10 000 auch wirklich an den Universitäten anwesend waren, so machte die Frauenwelt nicht nur ein Zehntel, sondern ein Drittel der ihren Studien obliegenden Studentenschaft aus. Also auch an den Uni­versitäten, wie überall, ein starkes Anschwellen der Frauenarbeit bereits seit mehreren Jahren und ein besonderes Hochschnellen der Ziffer seit Kriegsausbruch. Die Erscheinung hat im großen ganzen dieselben Ursachen wie die vasche Zunahme der proletari­schen Frauenerwerbsarbeit. Die fortschreitende kapitalistische Ent­widlung, die stetige Verteuerung der Lebenshaltung zwingt immer mehr auch die bürgerlichen Frauen, zumal in den Kreisen der Be­amten und akademisch gebildeten Kopfarbeiter, sich nach Erwerb, nach einem Lebensberuf umzusehen. Das alte bürgerliche Mädchen­ideal von der keuschen Blume, die bescheiden wartet, bis der Aus­erwählte kommt, um sie zu pflücken, ist längst vom brutalen Fuße der materiellen Notwendigkeit zertreten. Gerade in den Kreisen des gebildeten Bürgertums bildet sich ein neues Jdeal, das der geistig und materiell selbständigen, studierenden und erwerbenden Frau. Es ist heute nur noch ein kleiner Teil der weiblichen Studenten, der aus reiner Neigung, nicht für den Beruf, sondern aus Liebe zur Wissenschaft, vielleicht auch aus Koketterie und weil es modern ist, die Universität besucht. Weitaus der größere Teil folgt bewußt oder unbewußt der materiellen Notwendigkeit, um sich im Staats­dienst oder als Privatbeamtin eine Existenz zu gründen. Der Krieg hat diese Entwicklung beschleunigt. Er hat auf der einen Seite die Nachfrage nach akademisch gebildeten Frauen für staat­liche wie private Betriebe vergrößert, er hat aber auch den Zwang für viele bürgerliche Frauen, durch Fachstudium sich für einen selb­ständigen Beruf vorzubereiten, erhöht. Manche junge Witwe eines Privat- oder Staatsbeamten seht jetzt ihr bißchen Vermögen daran, um später als Chemikerin, Bibliothekarin, Ärztin und so fort ein Auskommen zu finden. Noch mehr ist das natürlich der Fall bei den Unverheirateten, die immer weniger Aussicht haben, in alter Weise einmal bersorgt" zu werden.

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Diese Tatsache springt bei einem Blick auf die einzelnen Wissens­zweige, denen sich die studierenden Frauen heute widmen, sofort ins Auge. Der Medizin widmen sich zurzeit 1182 Studentinnen gegen 527 im Vorjahr, das macht in Prozenten 24,5 gegen 21,8. Die Medizinerinnen haben also nicht nur überhaupt, sondern auch im Verhältnis zur Gesamtzahl der weiblichen Studierenden zu­genommen. Noch mehr ist das der Fall bei der Mathematik und den Naturwissenschaften. Diese haben sich 894 Frauen zum Lebensberuf erwählt gegen 356, oder 18,5 Prozent gegen 14,8 Prozent. Die 3 ahnärztinnen zählen 74 gegen 49, und die Studentinnen der Philosophie, Philologie und Geschichte erhöhten ihre Ziffer von 1370 auf 2393. Staats= wissenschaften und Landwirtschaft studieren 170 gegen 60, Rechtswissenschaft 96 gegen 38, evangelische Theologie 13 gegen 7 und Pharmazie 17 gegen 5. Die jüngste Erweiterung der Studienberechtigung der preußischen Oberlyzeen hat demnach einen zahlreicheren Übergang der Frauen zur Medizin und zu natur­wissenschaftlichen Studien bewirkt, wenn auch nicht in dem er­hofften größeren Maße.

Auf die einzelnen Universitäten verteilen sich die Frauen folgen­dermaßen: An den 12 preußischen Universitäten sind 3292 einge­schrieben, 553 befinden sich an den 3 baherischen, 406 an den 2 badi­schen und 569 an den übrigen 6 einzelstaatlichen, einschließlich Straßburg . Infolge des Krieges ist das Mehr an Studentinnen einzelnen norddeutschen Universitäten, insbesondere Berlin , Kiel , Münster und Bonn zugeflossen, während fast alle süddeutschen, ins­besondere aber Freiburg , Straßburg und Heidelberg von Frauen verhältnismäßig schwach besucht wurden. Berlins Anteil am Frauenstudium ist seit Kriegsausbruch von 20,3 auf 25,3 bom Hundert geftiegen, während in Freiburg diesen Winter nur 3,0 bom Hundert studierten gegen 6,5 vom Hundert, in München 9,7 gegen 12,0, in Frankfurt bereits 4,8, in Breslau 4,6, in Leipzig 5,5, in Halle 2,7. Die Besuchsziffern der einzelnen Universitäten sind: Berlin 1224, Bonn 457, Leipzig 265, Marburg 264, Münster 262, Heidelberg 258, Göttingen 254, Breslau 223, Frankfurt 193, Frei­ burg 148, Königsberg 151, Halle 133, Jena 120, Kiel 76, Tübingen 60, Straßburg 57, Greifswald 55, Würzburg 50, Erlangen und Rostock 34 und Gießen 33 Studentinnen. An der jüngsten Uni­E. versität, Warschau , find 95 Frauen eingeschrieben.