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Nummer 7

Heimwelt

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17. februar 1921

Unterhaltungsbeilage des des Vorwärts

Also sprach Buddha Gotamo:

" Der Sieger schafft nur Feindschaft sich, Denn der Besiegte trägt es schwer, Daß er von seinem Gegner ward Bestegt trop tapfrer Gegenwehr. Nur der wird wirklich glücklich fein, Der wahren Frieden recht genießt, Der weder andre hat bestegt

Noch selber auch Besiegter ist."

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Schiller( lächelnd): Franen fönnen bas nicht verstehen; sie weinen, wenn sie dem Manne die Hand geben, der das Mädchen vernichtet und das Weib aus ihr bildet; sie weinen, wenn sie das Kind gebären, das sie zur Mutter macht; bei jedem Schritt in ble Höhe weinen sie. Auch Kinder können das nicht verstehen, ihnen ist der Tod unnatürlich, denn fie haben sich noch nicht geschaffen und haben ihre Arbeit noch nicht getan. Ach, Freund, welche Nuhe ist in mirt Nie habe ich diese Ruhe verspürt, denn bis nun mußte ich immer meine Arbeit tun. Nun ist meine Arbelt getan. Auch diese

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Dhammapada Bers 201 in der Buddhistenbibe Ruhe währt ja nur wohl menige Stunden.

Das Ende des Lebens.

Ein erdachtes Gespräch Schillers. Bon Paul Ernst  .

Unter bem Titel Erbachte Gespräche" läßt Paul Ernst   bei Georg Müller in München   demnächst ein Buch erscheinen, in dem er die großen Geister der Geschichten über bie ewigen Fragen der Menschheit in tief­finnig- gelfivoller Weise sich äußern lagt. Als Probe set hier der Dialog wiedergegeben, in dem Schiller auf bem Sterbebett bem thn pflegenden Heinrich Boß sein lektes Bekenntnis ablegt.

Schiller: Sagen Sie nichts meinen Angehörigen. Gle er innern sich aus dem Phaethon, wie Sokrates die Frauen und Kinder fortfahidt, weil er das Wehflagen nicht passend findet im Angesicht

des Todes.

Boß: Ich werde schwelgen.

Schiller: Mir ist sehr viel besser. Die Schmerzen sind ver­schwunden. Sie wären auch störend gewesen, denn ich möchte mir noch über so vieles flar werden.- Wie, Sie weinen?

Boß: Ich dachte, daß Sie noch so lange Jahre hätten leben follen.

Schiller: Ich dachte das auch, noch gestern. Heute ist mir flar, das mein Leben beendet ist, trohdem ich mitten aus meiner Arbelt gerufen wurde, von der ich meinte, sie werde meine beste, und trofdem meine Kinder unversorgt sind.

Boß: Sie sagen bas, um mich zu beruhigen? Schiller: Nein, ich kann niemanden mehr beruhigen, ich habe zuviel zu benfen. Es ist so, wie wenn einer aus einem Stind plök lich in einem Tag ein Mann würde. Alle geplante Arbeit des Kindes erscheint ihm dann überflüssig, alle Sorgen des Kindes haben dann keine Bedeutung mehr. Ja, ein solcher Mensch müßte daun so frei und heiter sein, wie ich jezt bin, denn er hat ja noch keine neue Arbeit und Sorge des Mannes.

Boß: Für Ihre Lieben werden die Freunde sorgen. welche Werke hätten Sie noch schreiben können!

Aber

Schiller: Meinen Ste? Wie alt wurde Homer  ? Man sagt an hundert Jahre; Alexander wurde nur dreiunddreißig alt; der eine hat das Wert Homers   getan, der andere das Werk Alexanders. Sie sind beide fertig geworden mit ihrer Arbeit, und ich habe nie an ihr Leben gedacht, ob es lang oder furz war. Wir irren, lieber Freund, wenn wir die Jahre zählen. Wie könnte ich so ruhig sein, wenn mein Werf nicht getan wäre? Nur in unserer beschränkten Anschauung verteilt sich das Leben auf Jahre, in Wahrheit ist das Leben unser Wert.

Boß: Bielleicht bin ich noch zu jung.

Schiller: Nein, Ihre Jahre können das schon verstehen. Wenn ein Gedante mich burchbllyt, dann ist es gleich, ob das in Gefunden ist oder in Jahrzehnten. Nur das Tier, nur der tierische Mensch lebt in der Zeit, denn sie leben für Augenblicke des Gids; aber gerade das Tler und der tierische Mensch zählen nicht ihre Jahre, fle wiffen nicht, wie alt sie sind, wenn sie sterben. Freund, welches Leben habe ich geführt! Es war wundervoll! Ich bin immer ein freier Mensch gewesen. Uub auch jest zwingt mid der Tod nicht, ich rufe, ihn; er tommt lächelnd, faßt meine Hand und sagt: Nun wirst Du einen neuen Weg gehen.

Voß: Ihre Augen glänzen, Ihr Puis geht fieberisch; der Aczt hat ein Beruhigungsmittel gebracht.

Schiller: Ach, guter Bof, was reden Sie da? Soll ich mich betäuben und den freundlichen Tod ohne Bewußtsein empfangen? Die Kerze flammt höher in den letzten Sekunden ist der letzte Tropfen Wachs denn so kostbar, daß man das verhüten müßte? Ach, Ihr seid doch alle nur Menschen! Wie? Bin ich selber denn tein Mensch mehr? Fassen Sie meine Hand, Voß, ich bin doch noch ein Mensch, ich spreche doch noch mit Ihnen? Boß( wendet sich weinend ab).

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Schiller: Wieder Tränen! Ach ja, Ihr könnt es ja nicht verstehen, ich will nicht ungeduldig über Euch werden.... Nicht wahr, Sofrates starb ven den Füßen an ab... lieber Boß, Gie sollten mir ein Rissen auf die Füße legen; ich habe ja teine Schmerzen, aber es ist ein störendes Gefühl, diese Kälte; ich möchte nicht abgelenkt werden von meinen Gedanken; meine Gedanken sind noch nötig, es fehlt wohl noch ein Baustein in meinem Hause, ben muß ich jetzt noch einsetzen sprechen wir nicht schon seit Stunden zusammen?

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Boß: Nur feit Minuten. Schiller: Merkwürdig. Aber nein, es ist nicht merkwürdig. Wie gütig ist die Naturt Denken Sie, Boß, mir scheint, Ich sebe meine Mutter. Gewiß wird unser Leib in seiner letzten Not uns das Bild heraufbeschwören, das wohl am tiefsten in uns ruhen muß. daß die Mutter uns helfen kann. Das ist so schön; sie fommt mir entgegen, sie winft zurüc; es wird der friedliche Tod sein, dem sie winft. Ich weiß és ja, dieses Bild ist eine Ausgeburt meines Ge­hirns, aber ist es nicht ein wunderbar schönes Gleichnis, baß der sterbende Mann die Erscheinung seiner Mutter hat? So gütig ist alles. Ja, seine Mutter, welche ihre Kinder aufgezogen hat, muß boch dasselbe gelebt haben wie der Mann, sie ist dann ja auch so ehrwürdig wie der Mann. Und dann darf sie nachher noch am Sterbebett ihres Kindes stehen sich ja

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nein, meine Gedanken verwirren

Boß( legt ihn etwas höher). Schiller: Guter Voß, Sie haben erraten, was ich gern wollte, ich wollte Sie nur nicht schon wieder beläftigen. Jetzt werde ich wieder flarer. Gewiß ist doch jedes Leben da für ein Wert oder es ist ein Werk; wenn es auch noch so bescheiden ist. Ich erinnere mich an einen alten Marm aus meiner Kindheit, er hatte so sanfte Augen; nichts weiß ich von ihm, er hat vielleicht auch nichts Besonderes ge­tan, das einer wissen fönnte; aber er hat gemacht, daß er alter Mann diese sanften Augen hatte. Rte habe ich gewußt, bis mun, daß diese Augen Lehrer für mich gewesen sind, daß ich ohne sie ein anderer Mensch geworden wäre. Manchem mögen sie wohl Lehrer gewefen sein. Ach, wenn ich denken könnte, daß meine Schriften Lehrer für Menschen würden, daß mein Leben nicht erlöschte in einem kleinen Zimmer! Nim, für den Mann waren die Augen das Wert; vielleicht find meine Werte gar nicht meine Schriften, sondern irgend etwas anderes; jener Mann wußte ja auch nicht von seinem wirklichen Wert. Wir wollen geduldig fein, night wahr? 2ẞir können ja ge­duldig sein, denn wir sind so wunderbar ruhig. So oder so, mek Wert habe ich getan, ich weiß es.- Sehen Sie, Beß, meine Mutter führt einen Jüngling an der Hand, einen freundlichen Jüngling. Mutter, ist es ter Tob? Du siehst es, ich fürchte mich nicht. Cine

Bo B( begeistert): Soll ich nicht doch Ihre Gattin und Ihre Blume bat er in der Hand, er berührt meine Stirn mit der Blunte Kinder rufen?

ist dieses bas Enbe? Wie schön, wie schön ist das Cnbe!