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Zu diefer Kultur gehört aber freilich auch der Ausgleich

Das wahre Verständnis der Naturkräfte. bes Menschen mit seiner Umwelt. Und ber fann nicht er

Bon R. Francé.

Daher

reicht werden, ohne das Berständnis der Natur. wird eine hohe Kultur, die auf Bollendung auch nur einigermaßen Das in der Nacht vom 14. zum 15. Mai über die ganze nörd liche Halbfugel hinweggegangene magnetische Gewitter" Anspruch macht, deffen nicht entraten fönnen, zu einem wirklichen hat die Aufmerksamkeit der Menschen wieder einmal auf Dinge ge- Berständnis der Naturerscheinungen vorzubringen. Was für tech­lenkt, denen sonst in den Nöten und Freuden des Alltags keine Benische Zwecke genügt, das ist noch keineswegs bas kulturelle Ideal. Und darin, daß diese Einsicht, wie ich in meinem Werke über achtung geschenkt wird. Es ist das auch natürlich, ja es ist sogar der Die Gesetze der Welt"( München  , F. Hanfstängl, 1921), des aus Ursprung alles Wissens und damit auch der Kultur. Nicht das All- führlichen dargestellt habe, keineswegs Gemeingut ist, sondern erst tägliche und stündlich Gewohnte, sondern das Seltene und Fremde die Errungenschaft weniger erfeuchteter Geister, steckt seine große. reizt den Menschen zur Frage und Forschung, die dann freilich von Gefahr, die man ja empfindet und in die Schlagworte vom Unter­da aus auch den Weg zu den Dingen findet, die uns ständig um gang des Abendlandes und dergleichen gekleidet hat, ohne aber auf geben. Und dieses Berständnis ist dann das eigentlich Wichtige den Kern der Sache zu beißen. Der ganze deutsche Schul- und und Notwendige. Wissenschaftsbetrieb, wie er sich in den letzten Jahrzehnten her­ausgebildet hat, weiß kaum mehr etwas von den höchsten kulturellen Notwendigkeiten und Zwecken des Wiffens, sondern schätzt alle Erkenntnis in einem grob materialistischen Sinne darauf hin ein, ob man es verwerten und technisch nutzbar machen kann oder nicht.

So auch hier. Wer über das magnetische Gewitter nachdenkt, mündet bei der Frage des Magnetismus überhaupt und kommt dann auf einmal darauf, daß uns darin Kräfte und Einflüsse auf unser Handeln und Leben umwittern, von denen wir legten Endes gar nichts wissen.

Das war früher nicht der Deutschen   Art. Ich möchte diese Denn was ist Magnetismus? Es ist so billig und nichts- Art von Forschen und Wissensschätzung Amerikanismus fagend, zu antworten, es set rine Naturfraft. Denn niemand weiß, nennen. Denn sie ist so typisch für die Menschen über'm Meer. was eine Naturkraft ist. Naturkräfte sind die Erscheinungen, Gie blenden uns dort durch die wunderbaren Stiftungen für wissen­welche uns umspielen. Und zu ihnen gehört auch die Tatsache, daß schaftliche Zwecke, sie haben dafür drüben eine freigebige Hand bestimmte Eisenstücke, die man zuerst in der antifen Landschaft sondergleichen. Aber es ist sehr auffällig, daß es noch nie einen Magnesia fand, die Eigenschaft haben, andere Eisenstücke anzuziehen. großen amerikanischen Denter gegeben hat. Und das nannte man Magnetismus. Nichts ist damit gewonnen, Wenn das einer einmal eingesehen hat, darf er nicht müde als daß eine bestimmte Eigenschaft der Welt damit festgestellt ist. werden, es seinen Volksgenossen immer wieder vorzusagen, da Es hat sich aber nun herausgestellt, daß diese Eigenschaft jedem es hier eine Gefahr für das Bolf gibt. Nicht die industrielle Den­Eisen verliehen werden kann, wenn man einen elektrischen Strom fungsart darf ein Bolt leiten. Sie führt immer zu Einseitigkeiten hindurchleitet. Man kann sie dodurch wenigstens für die Zeit und verliert langsam den eigentlichen Sinn des Lebens aus dem der Einwirkung zu außerordentlicher Stärke steigern. Die elek Auge. Um ein Bollmensch und dadurch glücklich zu sein, muß trische Klingel ist dem Wesen nach ein solches Eisenstück, das durch man auch stets das Ganze des großen Welterlebens vor sich als einen zeitweilig eingeleiteten elektrischen Strom magnetisch wird Ziel sehen; daher müssen dem Wissen wieder die früheren Sterne und dann ein anderes Eisenstückchen anzieht. Der Telegraph, das leuchten, fogar dann, wenn sie unerreichbar sind. Telephon, die großen Dynamos, die Mehrzahl aller Elektromotoren, die elektrische Trambahn, das alles beruht auf der Tatsache des Elektromagnetismus  .

Es hat sich aber auch herausgestellt, daß nicht nur das Eisen diese Eigenschaften besitzt. Der englische Naturforscher Faraday  , der seine Laufbahn als einfacher Laboratoriumsdiener begann und sie mit einem der glänzendsten Namen in der gelehrten Welt be­endigte, hat unter anderem gezeigt, daß man auch Kupfer oder Blei magnetisch machen könne. Sogar Glas oder Holz, auch Wasser ober Alkohol, ja segar die Flamme einer Kerze ober ein beliebiges Gas. Kurz: daß alles, was ein förperliches Sein hat, mehr oder minder magnetisch sei. Dei Magnetismus ist eine Welt­eigenschaft.

Bon da ab war es viel verständlicher, daß die ganze Erde sich wie ein Magnet benimmt, was sich durch das jedermann be­kannte Verhalten des Kompasses am einfachsten nachweisen läßt. Die Erde ist( im Berhältnis zum Kompaß) ein feststehender Magnet. Und zwar einer, dessen Kraft unaufhörlich wechselt. Denn alle elektrischen und magnetischen Erscheinungen werden von ihr bald starf, bald schwach beeinflußt. Offenbar wirkt etwas von außen auf den Erdmagnetismus Und alsbald entdeckte man, daß das die Sonne sei. Auch sie ist ein ungeheurer Magnet und wenn auf ihr Aenderungen eintreten, iste gelegentlich der Sonnenfiedenbildung, dann spricht man von einem magnetischen Gewitter". Denn die Grde bekommt das gewaltig zu fühlen.

Der Mensch ist seinem wahren Wesen in dem Augenblick näher, in dem er freimütig bekennt: Wir wissen nicht, was Mag­netismus, was das Zauberbild, das in unseren Sinnen als Welt hängt, überhaupt ist, als wenn er, wie es jetzt nach amerikanischem Muster Mode mire, sagt: ich will das gar nicht wissen, denn mir genügt es, durch Elektromagneten die Kunst des" Geldmachens" zu vervollkommnen.

Florenz   vor den Wahlen.

Bon Alexander Seidel. Votate, votate...!( Wählt! Wählt!)

Plakate überall, an den Mauern, an den Fenstern, auf der Erde, an den Straßenlaternen. Rote, grüne, grün- weiß- rote. Namen, Namen, Brogramme.

In den Straßen weiße Sonnenglut. Im Kaffee Eis und Babaione. Im Kaffee Musik: Cavalleria rusticana, Foxtrot, Fascistenhymne und Bajazzo. Quf den Straßen Fahnengeflatter, rot und grün- weiß- rot, Mufit, die Internationale, die Fascisten­hymne. Ein Bettler pfeift Santa Lucia. Auf den Pläzen Blumen­verkäufer und promenierende Halbwelt, Panzerautos, Baedeker, befliffene Engländerinnen, Militär und schlafende Bettler.

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Aus der Bia Por S. Maria biegt ein Zug Kriegsfrüppel, man führt sie zur Dantefeier. Die hilflosen Körper ruhen auf blinkenden Gestellen, und die Gummiräder der Selbstfahrer gleiten lautlos über Daß es gar nicht notwendig ist, die Ursache einer Erscheinung das Pflaster. Stille. Eine Rose taumelt durch die Luft, fällt zu kennen, um sie danach benutzen zu können, hat zu der verderb- dem elendsten der Armen in den Schoß. Stille. Taufende lichen und für die Seele des Menschen höchst schädlichen Berduftschwerer Blüten sinten auf die blassen Menschen nieder. In wechslung von Technik und Kultur geführt. Es ist ihren Haaren glühen Nelken, auf ihren Händen liegen fühle ganz unausrottbar geworden, der Glaube, daß Menschen die Tram- Lilien. Frauen meinen. Borbei. Jimmy, Foxtrot. bahnen besitzen und Eisenbahnen, daß die Menschen in Flug- An der Piazza Bittorio Emanuele entsteht ein Auflauf. Wildes zeugen durch die Luft reitern und Telephon benutzen, eine höhere Schreien, ein Schuß in nächster Nähe. Rasselnd schließen sich Roll­Kultur besitzen müssen als die Griechen des pythagoräischen Beitfäden über Schaufenster und Türen. Das Kaffeehauspublikum alters oder ein Leonardo da Vinci   oder die schweigsamen Denker, stürmt rückwärts in die Küche. Stille. Drei Minuten später: die in einer palmblattgedeckten Hütte am Ufer des Ganges   ften Lachen und Musik, Kaffeetassen flappern. Halbmelt promeniert. und tagelang durch unwegsame Wälder zu Fuß wandern müssen, Der Bettier schnarcht weiter. Ueber die Dächer klingen voll und wenn sie nach der Stadtmenschen Gesellschaft begehren. getragen die Domglocken. Aus meiner Tasche sind 200 Lire vers schwunden.

Aber Technik hat mit Kultur an sich nichts zu schaffen, und so wie man persönlich eine ausgezeichnete technische Bildung befizen und ein großer Erfinder sein kann, ohne deswegen ein fultivierter Mensch zu sein, so ist es von einem Zeitalter, das in der Technik so Unglaubliches leistet wie das unfere, feineswegs von vornherein ausgemacht, daß es auch eine Kultur befize.

Glückliches Bolt! Alles ist Fest. Man berauscht sich im Er­innern an Dante, man berauscht sich an den Wahlen, am Klang der fließenden Reden. Man wirft Blumen und läßt Fahnen wallen, man lacht, spielt Foxtrot und Jiminy, schiürft Eis und schläft.

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Kultur ist die harmonische Erfüllung des menschlichen Aber unter allem ein dumpfes Zittern, Wühlen und Grollen. Lebens, es kann daher ein ormer, mit Not und Mühsal beladener Aus schmutzigen Hütten flüstern verbitterte Stimmen, und einzelne Mensch unter allen denkbaren Lebensumständen ebenso zu seiner Schreie flingen bis hinauf an die Zinnen stolzer Paläste, Aus vollendeten Kultur aufsteigen wie die Reichen und vom Dasein engen Straßen fummen aufpeitschende Marseillaisentöne... In Begünstigten, denen man sie gewöhnlich allein zugebilligt hat. den Tiefen ballt es sich, und Ahnungen zittern durch das Land....