Einzelbild herunterladen
 
  
Nummer 32 **** r C-- AnterhaltuntzsbeLlags öes vorwärts ll.�ugusk 1H27 > An einem offenen Paradiesgärtlein geht der Mensch gleichgültig vorbei und wird erst traurig, wenn es ver- schloffen ist. Gottsried Keller. =C2 fichtstunöen-Nacht. Von Margarete Zingler. Es war im V.Zug von Breslau   nach München  . Der Herr Regierungsrat stand am Eingang des Kupees und dirigierte den Gepäckträger, der die mehr als zahlreichen Gepäckstücke des regie- rungsrätlichen Ehepaares in die Netze verstaute. Ein höchst miß- billigender Blick traf mich, als ich es wagte, mich zwischen der Hühnengestalt des RegierungsratesMarke deutscher Recke' und der auch nicht schlanken des Gepäckträgers hindurchzuzwöngen und mir glücklich doch noch einen Eckplatz zu erobern. Noch höher stieg der Unwille, als ich auch für mein Gepäck einen Platz im Gepäcknetz beanspruchte. Ja, wo wollen Sie denn hin?' fragte der Regierungsrat nicht eben freundlich. Nach Regensburg,  ' antwortete ich ebenfalls nicht gerade sehr liebenswürdig. Na, da können Sie doch auch in den Würzburger Wagen einsteigenl' Ich schwieg still, denn ich wußte, daß ich nicht über Regens- bürg komme, wenn ich nach Würzburg   fahre. Also setzte ich mich in meiner Ecke zurecht und betrachtete mir meine Reisegefährten. Sehr vergnüglich wird die lange Reise für mich wohl nicht ver- laufen, dachte ich. Das regierungsrätliche Ehepaar der weib­liche Teil war ganz Vorstandsdame des Berein» zur Hebung der Moral und Sittlichkeit machte es sich mit seinen Kissen, Decken und ungeheuren Lebensmiitelvorräten bequem im Wagen. Außer- dem war noch ein ganz gemütlich aussehender Herr in mittleren Iahren im Kupee, anscheinend ein guter Bekannter vom Regie- rungsrat. Vier Personen im ganzen, aber Gepäck für acht. Der Zug, besonders der Münchener Wagen, wurde sehr voll. Wiederholt steckte sich ein Kopf durch die Tür und jemand fragte, ob hier noch Platz sei. Immer antwortete das Ehepaar im Duett: Alles besetzt!" Da nahte der Schaffner. Erstaunt fragte er:Nur vier Per- sonen?" Regierungsrats murmelten, daß ein Herr im Speise- wagen sei. Im übrigen Frau Kommerzienrat zwinkerte dem Eheliebsten zu. Der verstand prompt die Zeichensprache, griff in die große Tüte, holte mit zwei Fingern einen Pfannkuchen heraus und hielt dem Schaffner das lieblich duftende Bestechungsobjekt unter die Nase. Mit verlegenem Lächeln wehrte der Schaffner ab: Er habe jetzt zu tun und so weiter. Na, dann holen se sich'n späterl" sagte der Herr Regie- rungsrat. In meiner Seele aber beschloß ich den Pfannkuchen-Be- stechungsplan zu durchkreuzen. Auf der nächst«, Station ging ich hinaus auf den Gang und wartete, ob jemand einsteigen würde, der nach München   wollte. Richtig, eine anscheinend jüdische Dame lief an dem Zug entlang und suchte verzweifelt einen Sitzplatz. Kommen Sie bitte hierher, ich verschaffe Ihnen einen Platz," rief ich ihr zu. Sie war natürlich hocherfreut und stieg ein. Gehen Sie in die zweite Abteilung und nehmen Sie sich einfach einen Platz," sagte ich ihr.Es wird Ihnen zwar- gesagt werden, daß der Platz von einem Herrn, der augenblicklich im Speisewagen ist, besetzt ist, aber das ist nicht wahr. Lassen Sie sich also nicht abweisen." Die Dame erkämpfte sich wirklich ihren Platz, ich aber wieder« holte das Manöver so lange, bis in unferm Kupee jeder Platz besetzt war. Zur Ehre des Herrn Regierungsrats fei es gesagt, daß der Schaffner trotzdem seinen Pfannkuchen bekommen sollte. Doch der anscheinend ein echter Berliner wurde jetzt deutlicher und sagte:Ne, lassen Sie det man, wenn ick Pfannkuchen effen will, denn toof Ick mir alleene welche, ick bin hier im Dienst." Da der Regierungsrat auch einenStandesgenossen" im Ab« teil fand, entwickelte sich bald ein politisches Gespräch. Ober« schlesten, die Orgesch, die Juden, die erdolchte Front und der Acht- stundentagl Besonders Frau Regierungsrat schien fleißig deutsch  « nationale Versammlungen besucht zu hoben, sie kannte alle Schlag- warte und wußte aufs Stichwort sie von sich zu geben. Namentlich der Achtstundentag schien es ihr angetan zu haben. Sie gebärdet« sich, als ob sie und ihr Ehegemahl mindestens 14 Stunden am Tag arbeiten müßten. Auf meinen bescheidenen Einwand, daß ich acht Stunden schwer« Berufsarbeit für ausreichend erachte und daß es nur menschlich gedacht sei, wenn dem Arbeiter auch noch einig« Stunden zur Erholung und für, die Beschäftigung seiner Neigung blieben, bekam ich die Antwort:Ein armer Staat kann sich den Luxus des Achtstundentags eben nicht leisten." Ja, dann wird aber doch die Arbeitslosigkeit noch weiter vermehrt,' entgegnete ich. Im Gegenteil, dann werden so und so viele Betriebe leistungs- fähig, die jetzt stillgelegt worden find.' Mein Einwurf, daß an diesen Stillegungen wohl mehr die Kapitalisten schuld seien, die die Rohmaterialien so ver- teuern, um genügend Dividenden zahlen zu können, begegnete nur einem ironischen Lächeln. Da machte ich noch einen letzten Versuch, meine Gegner zu überzeugen und führte die Bergleute an, die unter Tag ein so mühevolles Arbeiten haben, denen könne man doch wirklich eine verkürzte Arbeitszeit gönnen, zumal ihr Beruf so gesundheitsschädlich sei, duh die Bergleute meist schon mit 40 Jahren sterben. Da kam ich aber bei der Gnädigen schön an.Die sind immer so srüh gestorben," sagte sie achselzuckend(wasimmer' gewesen ist, ist bei den Herrschaften Gesetz)und was tun sie denn in ihrer fr«ien Zeit? Sie liegen nur in den Gasthäusern und be« trinken sich." Damit wickelte sich die Gnädige in ihren Mantel, legte sich In ihrer Ecke zurecht und bedeutete mir, daß sie das Gespräch als beendet betrachte. Ich aber dachte, warte nur, wer zuletzt lacht.... Die Nacht sank hernieder, der Schnellzug raste dahin, in dem Abteil herrschte eine drückende Schwüle, eng aneinandergepfercht saßen wir, keiner konnte sich rühren, auch die Frau Regicrungerat nicht. Bald hörte ich sie in ihrer Ecke seufzen und stöhnen:Wenn die Hitze doch nicht so groß wäre! Nicht zum Aushalten ist es." So muß es in einem Bergwertschacht sein," echote ich ganz scheinheilig. Wieder vergingen die Stunden, da klang es jämmerlich aus der Ecke:Kein Glied kann ich rühren, diese Lage ist entsetzlich unbequem." Nur gut, daß wir in dieser unbequemen Lage nicht Kohle von den Wänden schlagen müssen," entgegnete ich harmlos. Als wir acht Stunden Nachtzahrt hinter uns hatten, war die Gnädig« nur noch ein Häuflein Unglück, der Schweiß rann ihr über die Bäcklein, die schöne, kunstvolle Frisur war zerdrückt und selbst die politischen Schlagwörter waren ihr ausgegangen. Nur gerade zu einem Mutblick reichte es noch, als ich mich beim Aussteigen mit den Worten verabschiedete:Und nun wünsche ich den Herrschaften bald wieder einmal eine ebenso erquickende A ch t st u n d e n N a ch t."