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vom meöeröeutsthen Schrifttum. Von Anton Jensen. lieber der niederdeutschen Dichtung unserer Tage liegt eine herbe Tragik. Der kürzlich erfolgte Tod des 5)amburgers Boßdorf   hat eine Lücke gerissen, die durch keines der lebenden Talente zu überbrücken ist. Boßdorf  , der nur ein Alter von sechsundvierzig Jahren erreicht hat, war der einzige niederdeutsche Dramatiker von stärkeren dichte- rischen Qualitäten. Er ähnelte hierin, wie überhaupt in seinem ge- samten dramatischen Schassen, seinem schon vor fünfundzwanzig Jahren gestorbenen Vorgänger Fritz Stavenhagen. In Stavenhagen, der gleichfalls Hamburger   und gleichfalls armer Leute Kind gewesen, haben wir den ersten niederdeutschen Bühnenautor von wirklicher Bedeutung. Bis dahin lebten sich niederdeutsche Wesensart und Sprache fast nur in der Erzählung und im einfachen Gedicht aus. Fritz Reutsr, Klaus Groth  , John Brinckmann ragten als starke Säulen aus dem Alllagsgestrüpp heraus. Ihnen gebührt das Aerdienst, das Plattdeutsche, wie wir es im Mecklenburgischen  , Schleswig-Holsteinischen  , Oldenburgischen und in den diese Gebiete umsäumenden Bezirken kennen, wieder zu Ehren gebracht, ja, es überhaupt in die neuere Dichtung eingeführt zu haben. Nicht immer hat dos Niederdeutsche solch gute Fürsprecher, ge- schweige denn Repräsentanten gehabt. Im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts zog der Jungdeutsche Ludolf Wienbarg  , da- mals Professor in Kiel   und einer der vom Deutschen Bundestag ge- ächteten Vertreter des damaligen oppositionellen Geisteslebens, mit einer scharfen Streitschrift gegen das Plattdeutsche zu Felde. Wien  - barg sah in dem partikularistischen Plattdeutschen   ein Hemmnis für die Bereinigung der verschiedenen deutschen   Landcsteile und führte aus diesem Grunde seine Fehde. In Klaus Groth   erstand zwei Dutzend Jahre später dem Niederdeutschen ein Rächer. Seine Gedicht- sammlungQuickborn" warb allenthalben Freunde. Dem Poeten folgte der Erzähler. Fritz Reuter   schuf in seinen Lebensbüchern für weiteste Kreise die fest im niederdeutschen Wesen und seiner Sprache wurzelnde breite, schöngeistige Prosa. Doch glückte es ihm in seinemKein Hüsung", auch eine poetisch� Dichtung sozialen Cha- rakters zu formen. Das klassische niederdeutsche Erzählungsbuch lieferte sein Landsmann John Brinckmann in seinem be- rühmt gewordenenKasper Ohm". So die Klassiker des Niederdeutschen  . Ihnen folgte wieder eine Schar solcher Zweiter und dritter Güte Ihre Schöpfungen lebten sich nur allzuoft in Hannlcsigkeitcn, ja in Banalitäten aus. Von stärkerer Bedeutung wurden dann der Hamburger   Eorch Fock(mit seincni wirklichen Namen: Kinau  ) und der Bremer   Georg Dorste. Gorch Focks Element war das Milieu der Finkenwärder Fischer. Er war selbst ein Fischersohn und verstand es, seine gemütvollen, aber auch schnurrigen Erzählungs- und Plaudecbüchcr mit echtester hamburgischer Wesensart zu durchtränken. Was für die Hamburger Fischer und Schiffer Fock bedeutet hat, das ist für die Bremer Kauf- leute Droste. Tragik umschattet auch diese beiden Vertreter niederdeutscher Zunge. Gorch Fock   fiel bekanntlich als Matrose in der Skagerrak- schlacht  , Droste aber ist seit langen Jahren gänzlich erblindet. Seine literarischen Arbeiten werden nach seinem Diktat von anderer Hand niedergeschrieben, die gleiche Hand führt ihn auch, wenn er am Vortragstisch niedersächsischcr Städte erscheint, um zu seinen Ber  - ehrcrn zu sprechen. Gorch Fock   hat einen Nachfolger in seinem Bruder Rudolf Kinau   erhalten. Dieser hat in den letzten Jahren in schneller Folge eine Reihe von plattdeutschen Plauder- büchern veröffentlicht, die zwar nicht das Höchste darstellen, jedoch immerhin recht rasch ganz ansehnliche Auflageziffern verzeichnen konnten.. Wiesen so Prosa und Lyrik seit langem beachtenswerte, ja sogar meisterliche Schöpfungen auf, so erstand dem niederdeutschen Drama, wie schon angedeutet, erst in Stavenhagen ein kraftvoller Gestalter. Stavenhagen war ein Dichter, dem es mit seinem Schaffen heiliger Ernst war und der Stoff und Form in gediegener Weise zu Meistern verstand. Seine vor über zwei Jahr- zehnten erschienenen DramenDer dütsche Michel" undMudder Mews" verraten einen starken Seelenzergliederer, der in seinen Charakterstudien nicht ohne Jbsenschen Einfluß geblieben ist. Es schien, als solle Stavenhagen berufen sein, den Niederdeutschen das wirklich große Drama, die schwere, ernste Schicksalstragödie zu schenken, da fällte ihn der Tod. Kaum dreißigjährig, ging er. arm und noch wenig gewürdigt. Der Faden riß ab und blieb es über zwanzig Jalne lang. Da kam vor knapp vier Jahren der Briefträgersohn Her- mann B o ß d a r f. Erst mit einer Anzahl kleiner Erzählungen. dann mit dem wuchtigen, symbolischen DramaDe Fährkrog". Seit Stavenhagen wurde hier das erstemal wieder eine verwöhnteren Ansprüchen genügende, bühnenfähige Arbeit dargeboten. Voller Er- folg ward ihm beschieden. Man jubelte dem Autor zu, auch in hoch- deutschen   Kreisen. Durch alle größeren Städte des niederdeutschen Sprachbezirks zog die von Dr. Richard Ohnsorg   herangebildete Dar- stellergruppe, überall das Stück zu Ehren zu bringen. Mit wenigen Mafien sei die knappe Handlung angedeutet: ImFährkrog" kehrt nächtlich ein Gast ein, dem man des Geldes halber ans Leben will. Ein reines Mädchen warnt und rettet den jungen Fremdling. Der innere Sinn der Geschichte berührt sich mit dem Faustmotiv:Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen." DemFähr- krog" folgte die TragödieBahnmeester Docd". Die Frau betrügt ihren Mann, dieser wirst sich vor die Lokomotive.   Schließlich schenkte uns der Autor auch noch eine Komödie, die zwar keine literarischen Qualitäten besitzt, aber von unverfälschtem Hamburger  Bolkstum erfüllt ist. Hermann Botzdorf ward ein Sieger auf den niederdeutschen Bühnenbrettern. Doch in elegischer Stimmung nahm er die ihm dargebrachten Ruhmeskränze entgegen. Ssst langem stand er mit Gevatter Tod, dem unheimlichen Gast aus seinen Stücken, aus Duz- und Brudcrfuß. Der hat ihn denn auch in diesen Herbstwochen zu sich hinabgezogen. Dos niederdeutsche Drama aber ist wieder verwaist. Denn die kleinen Möchtegern-Poeten zählen nicht mit. Wanöernöe Kontinente. Wer auf der Erdkarte die gegenüberliegenden Küstenlinien von Südamerika   und Afrika   vergleicht, dem muß der völlig gleiche Ber- lauf dieser Linien auffallen. Diese Betrachtung hat den Ausgangs- Punkt für eine neue Auffassung über die Natur unserer Erdrinde gebildet, die Prof. Alfred Wegener   in einem vielbeachteten wissenschaftlichen Werk vorgetragen hat und nunmehr in einem Aufsatz vonReclams Universum" für einen größeren Kreis behandelt. Nach dieser Anschauung schwimmen die zumeist aus Gneis und Granit bestehenden Kontinentalblöcke in einem zähflüssigen, nur oberflächlich erstarrten, etwas schwereren Tiefenmaterial von basalt  - artiger Zusammensetzung, das in den Tiessecböden zutage tritt. Diese Kontinente ragen nur etwa 5 Kilometer über die Oberfläche hervor, sind aber SO 200 Kilometer tief hinab gesenkt, verhalten sich also ähnlich wie ein Eisberg im Wasser, von dem auch nur ein kleiner Teil aufragt. So wie sich die Haut in einem Milchtopf durch Schütteln zusammenfaltet und einen immer kleineren Teil der Milch- obcrfläche bedeckt, so hat sich auch die äußerste Gesteinshaut der Erde im Laufe der Erdgeschichte immer mehr zusammengefaltet und bedeckt jetzt in Gestalt der Kontinente nur noch ein Drittel der gesamten Erdoberfläche. Sie hat sich bei diesem Prozeß noch immer weiter zerteilt, und das Ergebnis dieser Teilungen sind die heutigen Kon- tinente sowie die großen und kleinen Inseln, die durch Ticfsee ge­trennt sind. Das Umwälzende an der neuen Lehre besteht darin, daß diese einzelnen Schollen sich in horizontaler Richtung weit verschoben haben sollen, und zwar besonders in den letzten geologischen Zeiten, im Tertiär und Quartär. So wird z. B. der ganze Atlantik von Spitzbergen   bis zum Feucrland als eine einzige, riesig erweiterte Spalte aufgefaßt, die erst im Laufe dieser verhältnismäßig jungen Zeiten sich«ffnete, indem die beiden Amerika   sich immer weiter nach Westen fortschoben. An ihrem Vorderrand wurde dabei durch den Widerstand des alten Tiefseebodens das riesige Andengebirge auf­gefaltet. In älteren Zeiten lagen auch die Antarkiik, Australien   und Vorderindien dicht um Südafrika   gruppiert und bildeten mit diesem eine zusammenhängende Scholle, deren allmähliche Aufspaltung erst zur Absonderung der einzelnen Kontinente führte. Vorderindien berührte mit seiner Westküste Madagaskar  , mit seiner Ostküste Austra- lien und war mit Asien   durch eine lange Halbinsel verbunden. Wäh- rend sich Australien   schon früher abspaltete, zerriß im Tertiär der Zusammenhang Borderindiens mit Madagaskar  , und nun wurde das lange Verbindungsstück mit Asien   nach Nordosten zusammen- geschoben, so daß sich an seiner Wurzel die kalten Züge des höchsten Gebirges der Erde, des Himalaja  , auftürmten und Vorderindien bis zu seinem heutigen Platz vordrang. Es ist erstaunlich." sagt Pros. Wegener,wie das Kartenbild der Erdoberfläche durch diese neuen Vorstellungen Leben gewinnt. Die Wcstwandcrung Amerikas   kann man unmittelbar an dem Zurück- bleiben der schmalen Antillenketten erkennen>md ebenso an dem Südantillenboqen, der Feuerland und die Wcslanta.rktik quer über die Drakeftraße hinweg verbindet. Hier war die schmälste Verbindung zwischcm den beiden Kontinenten, und gerade hier sind sie vonein- andcrabgerissen, und einige abgelöste Kettenglieder sind stecken ge- blieben, während die Hauptschollen nach Westen weiterzogen. Auch die bisher so rätselhaften Jnselgirlanden Ostasiens   werden uns jetzt verständlich als sich ablösende Randketten bei der allgemeinen West- Wanderung der Kontinente. Neuseeland   war früher eine ebensolche, Australien   vorgelagerte Girlande, die sich aber völlig ablöste und steckenblieb, während die Hauplscholle nach Nordwesten weiterwan- derte." Durch diese neue Auffassung lassen sich ebenso verschiedene bisher unerklärte geophysikalische Gesetze wie erdmagnetische Beobach­tungen erklären. Auch für die Biologen und Geologen werden die Rätsel der heutigen Tier- und Pflanzenwelt sowie der Ecsteinslage- rungen gelöst. Der erste exakte Nachweis für dieses Wandern der Kontinente wurde durch die Ergebnisse der Danmark-Cxpedition erbracht. Die Abstondsänderungen der sich verschiebenden Kontinente lassen sich nämlich im Laufe einiger Jahrzehnte messen. Es ergab sich nun, daß der Abstand Grönlands   von Nordeuropa   zur Zeit dieser Ex- pedition(1907) um 1190 Meter größer geworden war als zur Zeit der zweiten deutschen Nordpolexpedition(1870) und um 1(511 Meter größer als zur Zeit Sabines(1823). Nach dieser Feststellung der Verschiebung der Kontinente werden sich auch an anderen Stellen die Abstondsänderungen der Kontinentalschollen messen lassen.