Das Such und fein Gewand. Don Werner Peiser . In der letzten Zeit wurde von den verschiedensten Seiten die Feststellunq gemacht, daß es mit dem deutschen Buch wieder bergauf gehe. Diese erfreuliche Tatsache bezog sich weniger auf die litera- rische Seite— die leider noch immer zu wünschen läßt— als vielmehr auf die äußere Gestalt des Buches, die durch vier Jahre Krieg, Geldentwertung, Materialverteuerung, Abstumpfung der Menschen usw. schwer gelitten hatte. Das schöne Buch isb heute, so kann man mit Freuds konstatieren, nicht mehr eine Angelegenheit der Biblio- philen und der Büchersammler, sondern es ist eine Angelegenheit des Volkes geworden. Während die letzten Jahre durch das Streben nach weitestgehender Befriedigung praktischer Gesichtspunkte gekenn- zeichnet waren, macht sich heute allgemein eine Sehnsucht nach Schönheit geltend, die auch auf dem Gebiete des Buchwesens Er- süllung fordert. Aber Wunsch und Erfüllung klaffen weit auseinander. Jene unheilvollen Kriegsfolgen bestehen noch immer in vollem Umfange, und so entsteht für den Bücherfreund, der nicht mit den Biblio- philen identisch gedacht wird, ernste Sorgen, wse er ohne übergroße Inanspruchnahme seiner Finanzen seinen Büchern ein, auch äußer- lich, würdiges Gewand verleihen kann. In den folgenden Zeilen soll oersucht werden, auch dem unbemittelten oder minderbemittelten Bücherfreund ein paar praktische Winke zu geben. Das erste Gebot sollte lauten: Kaufe Dir alle Bücher, die Dir inhaltlich und sachlich besonders am Herzen liegen, ungebunden (broschiert). Es entstehen zwar durch die Notwendigkeit, sich die Bücher selbst binden zu lassen, etwas größere Unkosten, als wenn man das Buch gebunden bezieht, aber auf der anderen Seite er- wächst der gewaltige Borteil, daß man von dem Geschmack des Ver- legers unabhängig wird, für den bei der Herstellung von Massen- Produktion ganz andere Gesichtspunkte geltend sind und geltend sein müssen, wie für den einzelnen Bücherbesitzcr. Gerade die letzte Zeit hat eine bedeutende Hebung der handwerklichen Herste!- lung des Buches hervorgebracht. Während die ausgehenden Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts eine Uebersülle aus maschinel- lem Wege hergestellter Massenwaren aus den Büchermarkt warfen, wandten sich die Bücherfreunde seit Beginn dieses Jahrhunderts mehr und mehr der handwerksmäßigen Einzelherstellung des Buches zu, weil es immer deutlicher sichtbar wurde, daß nur die individuelle Behandlung des Buches eine Anpassung an den individuellen Ge- schmack des Bucheigentümers ermögliche. Hierdurch entstand eine innige Zusammenarbeit zwischen beiden Teilen, die durch Austausch wechselseitiger Erfahrungen und durch gegenseitige Anregungen von größtem Nutzen wurden. lieber die äußere Gewandung des Buches Ratschläge zu er- teilen, ist nicht ganz einfach, weil sie, wie schon erwähnt, abhängig von dem individuellen Geschmack des einzelnen ist. Dennoch seien ein paar Hauptgrundsätze zusammengestellt: Für wertvolle Bücher größeren wie kleineren Formats wähle man den Leder- bzw. Halblederband, der zur besseren Sicherung auf Bünden gc- arbeitet wird. Unter den Lederarten wähle man sorgfältig und scheide vor allem das berüchtigte„Spaltledcr" aus, dessen Lebensdauer eng begrenzt ist.— In den meisten Fällen wird sich ein Ganz- oder Halblederband zu teuer stellen: serner muß vor allem oermieden werden, daß für die Ausstattung des Buches ein Material von einer Kostbarkeit gewählt wird, die seinem Inhalt nicht entspricht. Gerade in dieser Hinsicht haben die viel zitierten Kriegsgewinnler und Sno- bistsn des Weltkrieges schwer gesündigt: war es Ihnen doch viel- sach gleichgültig, welchen Inhalt die Einbände hatten: entscheidend allein war der Gesichtspunkt, ob der braune oder schwarze Einband yuch— zu der neucrworbcnen Herrenzimmereinrichtung paßte.— Falls ein Leder- oder Halbledcreinband zu kostspielig wird, so ist der Leinwand- und Kalikoeinband bzw. Halbcinband zu emp- fehlen. Auch er gibt dem Buche eine gewisse Dauerhaftigkeit, deren es unter keinen Umständen entbehren darf, falls es nicht eines Tages ein Ansehen erhalten soll, das den Bücherfreund auf das empfindlichste verletzt. Um die einzelnen Bogen des Buches fest Miteinander verknüpft zu halten, wähle inan die Faden ziehung an Stelle der, leider noch immer beliebten, Drahtvcrtnüpfung, die nur zu leicht dem Verrosten und Zerbrechen ausgesetzt ist.— Als Borsatz papicr wähle man möglichst ein einfarbiges Papier, das mit dem Einband des Buches keinesfalls im Widerspruch stehen darf, möglichst aber seine Erscheinung ergänzt. Je schlichter das Ganze gehalten ist— dieses Prinzip sollte zum Gemeinplatz aller Bücherfreunde werden— um so vornehmer die Wirkung, um so dauerhafter aber auch die Neigung des Besitzers zu seinem Buch. Wenn man bei 5)albledcr- oder Halblcinwandeinbänden große Ecken aus dem gleichen Material vermeidet— wie es gegenwärtig üblich ist— so sollte man doch unter allen Umständen die Ecken ganz leicht und kaum sichtbar mit Pergament einfassen lassen, um hierdurch die Dauerhaftigkeit des Buches zu erhöhen. Unbedingt zu ver- meiden ist Goldschnitt bei wissenschaftlichen Büchern und schwere Goldocrzierung auf Rückendcckeln. Am vornehmsten wirkt stets der Titel des Buches in einfachen goldenen Buchstaben mit latcwischer Schrift. Desgleichen sollte man auf die jetzt beliebte Mode des Pergan! enteinbandes verzichten. Pergament gehört feinem Wesen nach nun einmal zu einem Buch, dos schon äußerlich gewaltig im Format und schwer im Inhalt iit. Gegen eine Bibel, ein la- teinischez Werk, auch einen Vorzugsdruck in Pergament ist wenig einzuwenden. Verstimmend muß es jedoch wirken, wenn man etwa lyrische Gedichte oder leicht hingleitende Novellen in den klassischen Einband des wuchtigeren Mittelalters gebunden sieht. Bei dem gedrängten Raum, der zur Verfügung stand, konnten hier nur ein paar der wichtigsten Anregungen gegeben werden, die für jeden Bücherfreund maßgebend sein sollten. Wer sich unter Zugrundelegung der hier gemachten Borschläge seine Bücherei aus- baut— wobei selbstverständlich stets das größte Hauptgewicht auf den Inhalt des Buches zu legen ist— wird auch äußerlich ein Wert erhalten, dessen er nie überdrüssig wird, und das Generationen über- lebt. Socklin 1S4S in Paris . Bon Alwin Rudolph. Wer In irgendeinem Museum vor einem der farbenleuchtenden. weltentrückten, in märchenhafter Schönheit strahlenden Gemälde Böcklins steht, der ahnt nicht, unter welchen bitteren Entbehrungen, in welchen schweren Leidensjahren der Meister zu dieser Höhe seines Schaffens gereift ist. Bernhard Wyß hat uns jetzt ein Büchlein„Er- innerungen an Böcklin " beschert, das neben vielen heiteren Episoden auch von der Verzweiflung des jungen Künstlers erzählt, der manch- mal für feine Familie nicht ein Stück Brot im Hause hatte. In dieser Verzweiflung hatte Böcklin einmal in Rom den Entschluß gefaßt, in die päpstliche Schweizergarde einzutreten und be- reits den Kontrakt ausgefüllt, den dann seine mutige und entschlossene Frau wieder rückgängig machte. Aber nicht besser erging es ihm als Junggeselle In Paris , wo er manchen Tag ohne Nahrung war, und besonders schlecht in den Tagen der Februarrevolution. Davon hat Böcklin später des öfteren mit heiterem Lächeln erzählt, und jedes Jahr hat er den Revolutionstag gefeiert. Was wir von ihm selbst nicht wissen, das hat uns sein Gefährte und Landsmann, der Tiermaler Rudolf Koller , berichtet, und der kürzlich verstorbene Schweizer Literar- Historiker Adolf Frey hat diese Berichte aufgezeichnet. So er- schließt sich uns nicht nur der Lebensweg eines Künstlers, sondern wir haben damit zugleich einen authentischen Bericht aus den Re, volutionstagen. Da er ebenso interessant wie lehrreich ist, bescnders für unsere Zeit, wollen wir daraus einen kleinen Auszug geben. „Wir zogen mit den Aufständischen weiter, gegen die Seine hin, überstiegen eine Unzahl Barrikaden und gelangten gegenüber der Notre-Dame-Kirche mit Mühe zum Flusse. In der Ferne, vom Pont neuf her, hörten wir starkes Pelotonfeuer: es krachte fürchter- lich. So schnell als möglich drangen wir mit den übrigen vorwärts, über mehr als zwanzig Barrikaden hinweg, bis wir in die Nähe des Feuers gelangten. Da waren wir Augenzeugen, wie das Volk mit Hilfe der Nationalgarden die Linientruppen und die Reiterei zurück- trieb und entwaffnete. Nun rückten wir weiter über den Pont neuf, wo man uns Gewehre anbot: wir wiesen sie ober zurück. Wir schlössen uns einem Trunv Aufständischer und Bürger an, und nun ging es gegen den Louvre und die T u i l e r i e n. Wir hielten uns auf dem Trottoir. Das Volk stürmte mit gefälltem Bajonett in den Louvre. Einige schössen auch hinein, weil sie Feinde darin zu sehen meinten. Wir waren in einer ganz schwierigen Lage. Von beiden Seiten, das heißt vom Pont neuf sowohl wie Pont royal, drang Volk in die weite Passage des Louvre hinein, der wir uns gerade gegenüber befanden. Im Rücken hatten wir die Seine, und in einemfort wurde hart gesckiosscn. Als der größte Teil durch die Possage hindurch war, die auf den Karussellplatz führt, entstand ein anhaltendes Gewehr- feuer. Wir, ganz ohne Waffen, beinahe an nichts denkend und dem Beispiel anderer Anwesender folgend, drangen auch in den von Rauch gefüllten Durchgang hinein, sahen aber auf dem Karussellplatz schon keine feindlichen Truppen mehr, sondern nur tote Pferde, Tschakos und einen gewaltigen Rauch. Das Volk zündete die Wachthäuschen auf dem Karussellplatz an und stürmte in die Tuilerien hinein: wir nach, besonders aus Neugierde, die königlichen Zimmer und all die Pracht zu sehen. Zuerst gelangten wir in die königliche Küche. Hier bot sich ein seltsames Schauspiel, drollig und merkwürdig. Schon beim Ein- gang und auf den Treppen kamen uns Blusenmänncr entgegen, die Schinken, Braten, ganze Rehe, Geflügel, Würste auf ihre Bajonette und Spieße aufgesteckt hatten. Für solche Herrlichkeiten waren wir schon etwas zu spät eingetroffen. Uns blieb nichts übrig als Ge- müse, noch in den Kefleln über dem Feuer, also noch ganz warm. Die Blusenmänner hatten sich recht gemütlich um die Schüsseln ge- lagert und fischten die Rüben, Kartofseln usw. mit den Säbeln her- aus. Wir drei gerieten in eine dunkle Speisekammer und eroberten nach langem Suchen in der Dunkelheit ein mächtiges Stück Parmesan- käse. Sofort in drei Teile zerschnitten und in die Tasche damit! Wir hatten die größte Freude, besonders Werdmiiller, der schon die Aus- gäbe für ein Mittagessen erspart glaubte. Dann stiegen wir die Treppe hinauf. Eine große, gedeckte Bahre wurde soeben von vier Männern heruntergetragen.„Respecu-z ies blessces!"(Achtung! Verwundete!) hieß es, und alles entblößte das Haupt. Es waren aber, wie wir später erfuhren, nicht Verwundete, die hier von den Nationalgarden in Sicherheit gebracht wurden, son- dern— Kleinodien. Nun ging's in die königlichen Gemächer, in die Salons und in den Thronsaal. Das Volk empfand das größte Vergnügen daran, sich auf die prachtvollen Sessel und Divans zu setzen. In den Schlaf- und Toilettenzimnicrn standen einige, die an den vielen Pomadentöpfen und Fläschchen rochen: einer versuchte sogar, den
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