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Wochsnrumme!. Von Hans Klabautermann. Der Preußische Landtag wird reformiert. Es ist genug der Worte, man will auch Taten sehen. Der Herr tominu» Nistische Abgeordnete Schulz aus Neukölln ging mit leuchtendem Beispiel voran. Nachdem er die Beratung über den Etat als über- flüssiges Gequatsche gebrandmarkt hatte, ging er zu praktischer Arbeit über. Zunächst goß er dem Zentrumsabgeordneten Dr. Porsch ein Glas Wasser ins Gesicht, dann zeigte er, was er im Box» kämpf gelernt hatte. Den Beginn der Vorstellung kündigte chcrr Kotz mit einer Glocke an, die er dem Präsidenten voller Geistes- gegenwart weggenommen hatte. Wenn die Kommunisten etwas Mehr Ordnung und System in ihre Darbietungen bringen, wird der Besuch des Landtages recht lohnend werden. Aehnliche Würde und Tatkraft zeigten die Hamburger Korps st udenten. Bekanntlich bilden die Studenten die. Blüte der Nation. Beileibe nicht alle! Vornehmlich die Korps und Burschenschaften halten darauf, daß dieser Name zu Recht besteht. Sie zeigen sich als Helden, indem sie mehr trinken, als sie ver- tragen können, und sich bei festlichen Gelegenheiten Ritterhand­schuhe anziehen und Straußenfedern an den Kopf stecken, so daß sie sast so vornehm aussehen wie der Portier am Eingang eines eleganten Tanzpalastes. Auf dies erhebende Bild mußten die Hamburger Bürger neulich verzichten. Well die Fahne der Re- publik auf der Universität flatterte, lehnten es die Herren hart- herzig ab, diese» Fest mit ihrem Fastnachtsschmuck zu verschönen. Manche Mädchensecle oergoß darob bittere Tränen. Dabei sein wollten sie aber doch. Sie straften die Proletarier, indem sie eine hehre Heldentat ohne Wichs ausführten. Unerschrocken holten sie die Fahne herunter und machten sie kampfunfähig. Hoffen wir, daß die Justiz dies edle Tun als völlisch-vater- tändisch auffaßt. Sollten weltfremde Richter aber die wackeren teutschen Recken ans Hmnmelbein kriegen wollen, so mögen sie es schnell tun, damit die Papas nicht allzu tief in den Beutel zu greifen brauchen. Wo olles steigt, kann sich auch der Staat nicht lumpen lassen. Der Pretskurant für Straftaten wird den Bedürfnissen der Zeit angepaßt. Die Geldstrafen er- hohen sich auf das Zehnfache des Friedenspreises. Dahin find nun die Zeiten, wo man dem lieben Nächsten für 3 M. eins hinter die Löffel geben durfte. Aber versöhnlich stimmt wieder ein Entwurf, der gleichzeitig beroten werden soll. Statt zu brummen, kann man blechen. Ein Monat Gefängnis kostet 80000 M. Wir werden also das Vergnügen haben, demnächst solche Gespräche zu hören: »Na, Maxe, wat is?"Ick Hab für 180 000 Em:n'n Geldschrank seknackt."Siehste, Orje, bei mir war'n s« billjer, mir ham se ne Erpressung mit 80 000 berechnet." So tröstlich der Gedanke auch ist,«in paar Wochen Kittchen mit Geld ablösen zu können, so wird doch das Leben allmählich unerträglich. Die Gebühren für Grabstellen sind auch erhöht war- den. Wenn sogar das Totsein teurer wird, dann will ich schon lieber gar nicht«rst sterben Oder man kann sich wünschen, eine Biene zu sein. Die Franzosen haben unsere Hinterlist längst erkannt. Da wir die all- gemeine Wehrpslicht nicht mehr haben, sind wir auf eine neue Idee verfallen. Wir erziehen die Bienen zum Haß gegen Frankreich . Ein vorausschauendes Genie hat aber rechtzeitig die Gefahr Frank- reichs erkannt, totgcpiekt zu werden. Daher müssen wir 28 000 Bienenvölker mit der Eisenbahn nach Frankreich schaffen. Das werden sich die Tiere auch nicht haben träumen lassen, daß sie nochmol Eisenbahn fahren und dann in einem so schönen Land leben dürfen. Geradezu erstaunlich sind die Erfolge der Washingtoner Konferenz. Als Ergebnis der Abrüstung ist bisher zu ver- zeichnen: Amerika wird voraussichtlich seine Flotte vermehren, und zwar im Verhältnis 3 zu 5. Die Spannung zwischen Amerika und Japan hat sich zu drohender Kriegsgefahr verdichtet. Frankreich erwartet Borschläge, seine Flotte zu verstärken. Wo ist der Mann, der endlich darauf kommt, daß, wenn eine Abrüstung zustande- kommen soll, nicht eine Abrüstungskonferenz die geeignete Stelle ist, da meistens dabei zum Krieg gerüstet wird. Wir brauchen einen Kriegsrat, um Frieden zu stiften. von billigen Suchern. Die Büchcrpreise steigen. Sie steigen in Höhen, wohin der wirt- schastliche Durchschnittsmensch, das heißt heute: der Proletarier, nicht folgen kann. Ihm bleiben nur noch die billigen Bücher, die in' den auf Masienabsatz rechnenden Sammlungen erscheinen. Seit zwei bis drei Jahrzehnten hat sich eine Strömung durch- gesetzt, welche die sogenanntePopularisierung" der Wisien- schoft bezweckt. In» Dienste dieser Strömung stehen, teils aus Men- schenfreundlichkeit. teils um des Verdienste« willen, teils wegen politische? Gründe, zahlreiche Gelehrte. Es sind nun die Früchte dieses Popularisterungsstrebens. die hauptsächlich die Reihe» der billigen Bücher auffüllen: volkstümliche Vorträge, gemeinoerständ- liche Einführungen, knappe Zusammenfassungen usw. Wenn man sie überblickt, sällt einem das absolut Planlose auf, die diese kapitalistischen Unternehmungen wie alle anderen im tiefsten kenn- zeichnet. Keine der Sammlungen schließt sich auch nur entfernt zu einer Art Weltbild oder zu einem systematisch angelegten Ueberbiick oder Lehrgang zusammen; keine davon ist einheitlich für einen bc- stimmten Grad der Vorbildung geschrieben, sondern in jeder finden sich leicht-, schwer- und fast»moerständliche durcheinander. Nicht minder wichtig ist es, sich klarzumachen, daß die bisherigen Samm- lungen in doppeltem Sinnebürgerlich" sind. Sie sind Iin all- gemeinen mehr berechnet für dasausstrebende Kleinbürgertum". Und ste sind in allen politischen Fächern mit wenigen Einzelavs- nahmen nahezu durchgehend politischgefärbt", tendenziös, einseitig, mindestens aber»bürgerlich" gedacht wie die ganze bisherige Wissenschaft. Das andere ist dieses: für den wirklich Unvorgcbildeten sind sie überhaupt großenteils nicht voll geeignet. Noch mehr: eine ganze Reihe von wichtigen Fragen und Gebieten, welche gerode die Arbeiterschaft angehen, wurde überhaupt nicht behandelt. Das hat natürlich seinen klaren Grund in der Struktur der bürgerlichen Gesellschaft. Aehnlich wie die wissenschaftlichen sind die unterhaltenden Sammlungen, obwohl hier die Züge und Gegensätze nicht so scharf ausgeprägt sind. Auch ste sind meist planlos und enthalten manch« sonderbare Häufungen und noch sonderbarere Lücken: auch ste sind bürgerlich", doch weniger infolge politischer Tendenz als infolge einer oft sehr starten Berücksichtigung des flachsten und dürftigsten, typisch bürgerlichen Unterhaltungs- und Zeittotschlagebedürsniffes oder infolge Aufnahme ausgefallener und wunderlicher Spezialitäten und Seltenheiten. Nach diesen allgemeinen Betrachtungen wenden wir uns nun einzelnen Sammlungen zu. Die älteste billige Saminlung Ist die R e c l a m s ch e Uni« versalbibliothek mit ihren mehr als sechstausend Bänden, Sie ist oft und laut gepriesen worden; die stärksten Worte wurden Sebravcht, um dieseKuliurerrungenschast" zu feiern. Aber mit der ieit fand man mancherlei an Reclam auszusetzen. Heut« sind diese Einwände im wesentlichen nicht mehr berechtigt. Druckart, Einband. Ausstattung der Reclambücher sind heute recht ansprechend»mb nicht mehr äugen- oder sinnverletzend. Seit eine kluge und zielbewußte Leitung die Erneuerung und Erweiterung der Nnioersalbibliothek in die Hand genommen hat, gewinnt aber auch der Inhalt mehr und mehr ein anderes Gesicht. Viele alteNummern" werden aus- gemerzt, und neues Gut strömt hinein: frei werdende Deutsche wie Storm. Anzengruber und Keller, große Ausländer wie Dostojewski , Gorki, Strindberg, lebende wie El. Biebig, H. Franck, W. Schmidt« bonn , W. Schäfer, Philosophen wie Wundt und Eucken , sogar«sozia- listen Marx und Lassalle. Das alles zeugt von neuem Leben, Aber nicht genug damit. Ganz neue, wertvolle Sonder-Reihen find eröffnet worden: eine staatsbürgerliche, die zunächst ältere und bedeutende Werke(List, Hegel, Dahlmann, Pufendorf u. a.) bringt, und eine naturwissenschaftliche, die weit darüber hinausgeht: zwar bringt auch sie ältere Bücher darunter eben jeßs Darwin in neuer, sachgerechter Uebersetzlmg!, ober vor allem enthält sie auch vorzügliche Originalarbeiten, etwa eine sehr brauch« bare Psianzenkunde von E. Ulbrich, eine Entwicklungsgelchichte de» Lebens von K. Campert: sogar berühmte Forscher wie Ostwald und Mesierschmibt haben für diese Reihe Bände geliefert,»Osttvald eine treffliche Einführung in seine Farbenlehre. Die leichte Gerina. schätzung Reclcims hat keinen Grund mehr; die neue Entwicklung ist in jeder Hinsicht aufrichtig zu priisen und nachhaltig zu fördern. Neben Reclams Universal-Bibliothek steht die Sammlung der Hendel-Bücher, dieBibliothek der G e s a m t l i t e r at u r", nach Billigkeit und Gehalt mit an erster Stelle lBeriag Hillger, Berlin -Leipzig ). Ihre Bündchen sind größer als die Redomschen und einwandfrei gedruckt Noch heute sind sie außerordentlich billig: ein Heft von ungefähr 80 Seiten kostet etwa 88 Pfennig, Doppelhefte l,?0 M. usw. An Umfang kann sich die Bibliothek nicht mit der Universal-Bibliothei messen; sie enthält nur etwa 2500Nummern". Ihren» Inhalt nach muß sie alles in allem als sehr wmooll gelten, Den Grundstock bilden, nne bei allen Sammlungen häufig, die Klassiker, die bis hinauf zu dem vor kurzem frei getvordenen Th. Slorm reichlich vertreten sind. Daneben findet sich eine reichliche Anzahl von allerlei Romanen, Lustspielen, Novellen, Gedichten usw., deren Höhenlage nicht'weiter imponierend, aber auch nicht al»sfallend tief ist: Unterhaltendes; man wird kaum mehr als etwa sünfzig ganz veraltete und überflüssige Verfassernamen sinden. Besonders stark berücksichtigt erschienen in ihr vor allem die Ausländer. Nicht nur die älteren und gangbaren Werke, sondern sehr zahlreiche weniger bekannte sind darunter, die in deutscher Sprache billig zu haben ein wirklicher Gewinn ist. Wir nennen etwa: Aha, Andrejew, Eats, Conftant, Disraelt, Echegaray , Eötvös, Griqorowiisch. Heijermans, Korolenko, Sonja Kowolewska, Madach. Mullatnli<36 Nummern!), van Erden(Der kl. Johannes"), Nekrassviv, Pctapenko, Petöfi , Slowacki , Stendhall Der nichtliterarische, mehr oder minder wissen« schaftliche Teil der Bibliothek ist geringfügig. Man begegnet wohl einer mit Recht als vorzüglich bekannten Emerson-Ausgabe, einigem von Kant, Schopenhauer , Flavius Josephus , sogar Henry George und neuerdings Lassalle, doch bildet das alles zusammen nur einen be- scheidenen Teil des Ganzen. Das Ganze aber, wie es ist, fei der Aufmerksamkeit unbemittelter Käufer nach alledem nachdrücklich empfohken. Wolsgang Schumann.