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Nummer 51

22. Dezember 1921

Heimwelt

Unterhaltungsbeilage des Vorwärts

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Die Feuerung herbeizuschaffen lag uns älteren Kindern ob.

Ein Tannenbaum im Schwarzwald steht Truppweise gingen wir in den Kiefernwald. Da bei ruhigem Wetter

Von Gottfried Keller .

Ein Tannenbaum im Schwarzwald steht,

Der wächst schon manches Jahr,

Sein Haupt empor ins Blaue geht, Da fliegt sein grünes Haar.

Die Wurzel hat den Erdengrund

Gar inniglich erfaßt;

Und darum bleibt der Baum gesund Wie Süd und Nord auch raft.

Doch alles, was auf Erden ist,

Muß haben seine Zeit:

Und auch der Baum zu feiner Frist

Zum Fällen ist bereit.

Dann schmüdt man ihn, dann führt man ihn Den grünen Rhein entlang,

Auf Donau , Spree , nach Wien , Berlin

Mit hellem Sang und klang.

O Maienluft, o Freiheitsbaum!

So jugendlich und grün:

Wie wirst du, aller Menschentraum, Dann ewig, ewig blühn.

Wintersonnenwende.

Eine Jugenderinnerung von Ernst Zahn Breslau . Die bei allen unter der Ungunst des Winters leidenden Natur­völkern zur Zeit der Wintersonnenwende veranstalteten Freuden feste, die in unserer Weihnachts- und Neujahrsfeier fortleben, wer den uns jetzt, wo der ärmeren Bevölkerung die Beschaffung von Wärme und Licht so schwer wird, wieder mehr verständlich. In den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege war uns dieses Verständnis etwas abhanden gekommen. Betroleum-, Gas- und elektrische Lampen erleuchteten an den langen Winterabenden Straßen und Wohnungen, und für zehn Pfennige fonnten wir uns das schönste Licht oder eine warme Stube verschaffen.

Zur Zeit meiner Kindheit, Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre, war es damit noch nicht so gut bestellt. Das elektrische Licht war damals noch nicht erfunden, Gas nur in größeren Städten vorhanden und Petroleum etwa doppelt so teuer als vor dem Kriege. Dabei der Verdienst sehr gering und obendrein auch noch unsicher. Mein Vater erhielt als Kutscher bei einem Landarzt ganze neun Taler monatlich, ohne irgendwelche anderen Bezüge, und meine Mutter, die wie alle Frauen der ärmeren Bevölkerung mit " zu Brote arbeiten" mußte, bei elfftündiger Arbeitszeit 40 und später 50 Pfennig den Tag.

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nicht viel Holz am Boden lag, mußte gebrochen werden. Hierzu benutzten wir einen an langer Stange befestigten Haken. Das Ab­brechen verursachte natürlich lautes, weithin hörbares Knallen, was uns nicht selten die in der Nähe weilenden Förster oder Waldhüter auf den Hals zog. Manchmal famen wir nicht mehr rechtzeitig da von, und wenn wir auch den Förstern noch entwischt waren, dann stellten uns die Hunde, und wir mußten halt machen, die Bürden ablegen und zusehen, wie die unbarmherzigen Männer unsere Riemen und Stride zerschnitten. Das schlimmste aber war, daß wir ohne Holz heimkehrten. Damit war es aber noch nicht genug; auch unsere Namen wurden notiert, und wir mußten im Sommer un­entgeltlich tagelang Strafarbeit im Walde verrichten.

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Januar und

Kohlen versuchten wir auf andere Weise zu erlangen. Da mein Heimatsort Bahnstation war, auf der fast täglich Rohlen abgeladen wurden, bot sich hierzu durch das Auflesen der kleinen von den Raftenwagen herabfallenden Stückchen Gelegenheit. Sehr lohnend war das Geschäft freilich nicht. Manchmal wendeten wir auch das Mittel der Bestechung an, indem wir den Fuhrleuten einen Sechser oder eine Zigarre reichten, worauf sie uns ein paar Kohlenstüde herunterwarfen. War die Luft rein, so schlichen wir uns wohl auch an die Abladestellen heran und lasen rasch die danebengefallenen Stücke auf. Dieses gewagte Unternehmen ließ sich aber nur aus. führen, wenn die Zahl der Rohlentlauber nicht groß war. Beson ders zu Zeiten großer Arbeitslosigkeit und Not schwoll die Zahl manchmal auf 30 bis 40 Personen an. Dann geschah es oft, daß wir auf Geheiß des Vorstehers vertrieben wurden. So drängte uns die bittere Not schon als Kinder, das fiebente Gebot, das wir oft in der Schule hersagen mußten, zu übertreten. Not fennt eben kein Gebot. Der Eintritt der Wintersonnenwende hatte daher auch für uns eine große Bedeutung. Nun stieg die Sonne doch bald wieder höher. Wohl standen uns noch zwei böse Monate Februar bevor, aber das Bewußtsein, daß es doch auf Ostern Tage wurde daher mit Freuden begrüßt, und wenn dann gar_im zuginge, belebte unsere Hoffnungen. Das Herannahen der warmen Frühling Winterſtürme dem Wonnemond wichen, hatte auch unfere Not ein Ende. Dann stellten wir das schwere Schuhzeug in die Kammer, und nur mit Hemd und Hose bekleidet und barbs" ging's über Stock und Stein. In der warmen Luft heilten unsere er frorenen Füße und Hände schnell, und bald waren die Leiden, die der Winter uns aufgezwängt, vergessen. So ging es meine Schul­zeit hindurch, bis ich endlich mit 13% Jahren fonfirmiert wurde und als Bauarbeiter elf Böhm( Groschen) den Tag verdiente. Da war das Maß unseres Glüdes voll, denn damit hatte der Winter seine Schrecken für uns verloren. Von dieser Zeit an konnte meine Mutter der Bater war inzwischen gestorben die Feuerung selbst faufen, wir brauchten also nicht mehr zu stehlen. Die harte Schule, in die mich das Leben geschickt, hat mich früh zum Klassen­fämpfer gemacht, und folange ich atme, will ich mithelfen, daß die interfonnenwende des Proletariats, das Weihnachten der Mensch­

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heit, komme!

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Werke und Menschen.

Von Max Hochdorf .

Bei diesem geringen Verdienst und dem teuren Leuchtset" mußte natürlich mit dem Licht äußerst sparsam umgegangen werden. Gänzlich ausgeschlossen war es, daß wir Kinder bei der Lampe Schularbeiten machen oder gar ein Buch lesen durften. Sobald die Mutter aus der Arbeit fam der Bater mußte im Pferdestall schlafen und tam zudem meist erst sehr spät von den Ausfahrten zurüd, wurde das farge Abendessen verzehrt, und dann ging es gleich ins Bett, um Licht zu sparen. Bei faltem Wetter war das Wenn der Vorwärtsverlag Eduard Moerites berühmte übrigens auch nötig. Rohle fonnte nicht gekauft werden, und so Mozart - Novelle neudruckt, so legt er seinen arbeitenden Lesern eines wurde mit Holz gefeuert, das aus dem Walde geholt werden mußte. der schönsten deutschen Brosastücke ans Herz. Hier hat sich die Eine glühende Plätte" gab es davon nicht so leicht, nur daß die lyrische Romantit am füßesten offenbart und es geriet dieser Speisen Schaltartoffeln oder Suppe, etwas anderes gab es nicht Künstlernovelle zur besonderen Zierde, daß nicht nur das Phantastische - abgefocht werden konnten. Das bißchen Wärme war daher rasch antlingt. Das unendlich Schwermütige des Genies wird beredt. wieder verflogen. Die Fenster wurden im Herbst mit Muft" Moerife war ein Träumer und ein Psychologe der Hellsichtigkeit zu ( Moos, Gras) versetzt; die dünnen Wände, die schlecht schließende gleich. Und mit dieser verfeinerten Sinnlichkeit, die ins Ueberfinn Tür und der schadhafte Ofen sorgten für rasche Ventilation. Meine| liche eindringt, fommt er unseren reizboren Nerven heute noch nah. Mutter sagte daher oft: Ich meeß nich,' s Feuber is faum aus und Deswegen ist der romantischste unter den modernen Erzählern ' s halt schon wieder fahlt ei der Bude." Deutschlands , Wilhelm Schmidtbonn , ihm in vielem so