Wissen und SchauenVorstufen der Schrift. Es bedarf einer gewissen Kulturhöhe,bevor sich ein« richtige Schrift bei einem Volte ausbildet, und derWeg bis dieser Entwicklung geht über mancherlei eigenartige Vor-stufen, die Prof. Dr. Albert Schramm in dem ersten Kapitel seinessoeben bei Quell« und Meyer in Leipzig erschienenen Werkes„Schreib- und Buchwesen cmst und fesst" erörtert. Sowohl in derUrzeit wie unter den heutigen Naturvölkern gibt es schrift- und buch»lose Kulturen. In diesen Anfängen tritt uns höchstens ein Schrift-ersah oder eine mehr oder weniger enwickelte Bilderschrift entgegen.Als Beschreib- oder richtiger gesagt Vemalstofs werden die Felswandoder der Erdboden, gelegentlich auch Birkenrinde oder Knochen, beiden bereits etwas mehr kultivierten Völkern Häute und Felle ver-wendet. Durch die Härte oder Weiche des Materials ergibt sich vonselbst eine Ritztechnik oder Maltechnik bei diesen ersten Versuchen desSchreibens. Muscheln und spitze Stein« werden zum Ritzen, Knochenund Holzstäbchen zum Bemalen benutzt. Am primitivsten ist wohldt« Technik bei den Sandzeichnungen, die als ein Surrogat der Schriftdienen. Ein« solche S a n d s ch r i f t findet sich z. B. bei den Aranda,die mit sehr«infachen Mitteln symbolische Zeichen in Sand anbringen,durch die andere des Weges kommende Mitglieder des Stammes vonirgend etwas benachrichtig werden. Eine andere Vorstufe der Schriftstellen bei den Buschmännern sowie vor allem bei den IndianernAmerikas die Felszeichnungen dar. Es werden hier mit einemspitzen Stein durch Anrauhen der Oberfläche des weicheren Materialsallerlei Bilder hergestellt: so zeigt z. B. die Darstellung eines Ele-fanten a», daß man an der betreffenden Stelle auch Elefanten sagenkann. Ausführliche Texte finden sich bei den amerikanischenIndianern: ein« der bekanntesten solcher Felswände, in denen ganzeGeschichten erzählt werden, ist die von Tule-Flut in Kalifornien, aufder eine Jndianerbande dargestellt wird, die an dieser Stelle Not anWasser und Lebensmitteln erlitt, und mitteilt, daß sie in der Richtungdes Armes der Mittelfigur abgezogen ist. Dies« Bilderschriften derprimitiven Völker sind zum Teil in hervorragender Technik und mithoher malerischer Geschicklichkeit ausgeführt.— Häute und Fell«wurden von den Indianern vielfach als Material für ihre Bilderschriftverwendet. Ein berühmtes Beispiel dieser Art ist der sogenannte„Winiercount" eines Dakota-Häuptlings Lon« Dog: es ist ein großesBüffelfell. auf dem allerlei Zeichen aufgemalt sind, durch die Ereignisseaus der Geschichte des Stammes berichtet werden. Das Fell stellt alsogleichsam die Geschichtschronik des Dakota-Stammcs dar. Wesentlichandere Vorstufen der Schrift bieten sich in den sogenannten Boten-st ä b« n und K n o t e n s ch n ü'r e n dar: die ersteren kommen de-sonders häufig in Australien vor. Die Einqeborenen schneiden mitMuscheln Striche oder Marken in die meist runden Holzstäb«, diedann zur Mitteilung an fernwohnende Personen oder Stämme ge-sandt werden. Diese Botenstäbe stellen nicht eigentlich eine Schriftdar, sondern sie bieten mit ihren Zeichen nur Gedächtnishilfen, unddasselbe ist auch mit den Knotenschnüren der Fall, obwohl es auchganze Knotenschriftfysteme, so besonders im alten Jnka-Reich gegebenhat. An einem Hauptstrick hängen dünne verschiedenfarbige Schnür«mit einfacheren oder komplizierteren Knoten, die alle ihre bestimmteBedeutung haben. Dieses Knoteninstem ist noch heute in Südamerika,wenn auch ganz vereinsacht, in Gebrauch. Vielfach werden statt derSchnüre Gras und Stroh benutzt, in die Knoten gemacht werden.Solcher Vorstufen der Schrift, gibt es noch verschiedene ander«.ZNahagont. Wer kennt nicht das schöne Holz mit seinem hellenGlanz und wunderbar roten Glühen? Woher kommt es und wiegelangte es zu uns? Lwietenia inahagoni ist der wissenschaftlicheName des Baumes: er ist von der Gattung der Meliazeen, derFamilie der Balsamgewächse. Das harte, widerstandsfähige Holzzeigt sehr wenig Schwund und Ist deshalb und seiner Farbe wegenso beliebt beim Kunstschreiner. Diese Bäume erreichen 3ll und mehrMeter Höhe und bis zu 4 Meter Durchmesser. Sie sind nur im tro-pischen Amerika zu Hause, bilden nie geschlossene Bestände undwachsen sehr langsam.— Die Europäer lernten das Holz bald nachder Entdeckung Amerikas kennen, in unbearbeitetem Zustand kames aber erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts nach England— alsBallastholz. Der Kapitän des Schiffes schenkte die Klötze seinemBruder, einem Arzt in London, in dessen Hof sie lange herumlagen,bis seine Frau eines Tages einen Kosten davon machen ließ. Derwar so schön, daß sich der Doktor schnell einen Schreibtisch fertigenließ, und der gefiel der Herzogin von Buckingham so gut, daß siesich alsbald solche Möbel wünschte. Das war im Jahre 1724— imJahre 1773. wurden allein aus Jamaika eine halbe Million Kubitfußeingeführt, und heute kennt man das edle Holz allenthalben garwohl.ErökunSeiD�SDlfa�sDlDos Land kam. Bei den.Bewohnern von Zentraltibet um dieHauptstadt Lhassa gelten die Einwohner des nordöstlichen Tibets,der Landschaft Kam, als wild und barbarisch. Der„Mann aus Kam"ist für den Lhassaer ins Tibetische übersetzt das, was für den Pariserder„Provinzler" ist, und in den Theaterspielen der Zentraltibeterist er sogar eine stehende komische Figur. Dabei sind aber die Be-wohncr eines Teils van Kam weithin berühmt wegen ihrer Hand-fertigkeit und ihrer literarischen Kenntnisse, die in den zahlreichenüber das Land bin verstreuten Klöstern gepflegt werden. Manchedieser Klöster enthalten sogar bedeutende Druckereien, deren Erzeug-nisse durch Karawanen über dos Land hin verbreitst werden. DenEuropäern war dies ganz« Gebiet, in dem die Oberläufe einiger derbedeutendsten Flüsse Hinterindiens und Chinas, des Saluen, desMekong, des Iangtsekiang, nur wenige Kilometer voneinander ent-kernt in mehreren tausend Meter tiefen Schluchten nebeneinanderherfließen. bis vor wenigen Jahren noch ganz unbekannt. Ein hol-ländischer Missionar, der sich vor 20 Jahren mit seiner Frau intibetischer Verkleidung einer Karawane nach Lhassa angeschlossenhatte, wurde kurz vor dieser„verschlossenen" Stadt erkannt, zurück-geschickt und verschwand in der Landschaft Kam auf geheimnisvolleWeis« für Immer. Zwei andere Europäer, die 10 Jahre später vonSüden her durch, die Saluenschlucht eindringen wollten, wurden so-gleich ermordet. Erst in den letzten Jahren gelang es einem Eng-länder, alle Hauptstraßen von Kam und alle Houptorte zu be-suchen und uns einen Einblick zu verschaffen in dieses Land schnee-bedeckter Berggipfel zwischen grasigen Hochflächen, dieses Land derKlöster und des zahmen, weil nie gejagten Wildes, der Nomadenmit ihren DackHerden, dieses Land des Ueberflusses an Milch undButter und Fleisch, dieses Land mit dem merkwürdigen Klima, dasim Winter schneefrei und im Hochsommer oft in Schnee gehüllt ist.NaturwissenschastEine umständliche Mahlzeit. Auf welch eigentümliche undschwierige Weise manchmal Tiere ihre Nahrung gewinnen, zeigendie neuesten Forschungen über die Biologie einer Schlupf-wespe, die von dem französischen Gelehrten Jean Lichtensteinausgeführt worden sind und über die A. Hase in der„Naturwissen-schaftlichen Wochenschrift" berichtet. Die Verhältnisse, unter denendie hier zum erstennml beschriebene Schlupfwcspe Habrocytuscionicita ihre Mahlzeiten abhält, dürften in ihrer Art einzigdastehen. Diese Wespe parasitiert in ihrem Iugendstadium an denLarven und Puppen eines Käfers. Das legreise Wespenwcibchensucht sich Körner aus, in denen die Käferlarve lebt, und sticht dieKäferlarve durch die Schale hindurch an. Sie verfolgt dabei mehrereZwecke, einmal den,»ie Käferlarve zu lähmen, zweitens in ihr ihreEier unterzubringen und drittens sich selbst eine reichliche Mahlzeitzu verschaffen. Da aber die Käferlarve, von der sich die Wespe nährt,in einem Samenkorn lebt, und da ein Zwischenraum zwischenKäferlarve und Samenschale bleibt, so ist die Wespe nicht imstande,ihren Mund auf die Stichstelle in der Käferlarvenhaut zu pressen.Sie müßte also Tantalusqualen erleiden, wenn sie nicht auf diesinnreichste Weise den Zwischenraum überbrücken würde. Sie ver-wendet dazu ihren Legestachel, der so lang ist, daß er durch dieSamenschale über den Zwischenraum hinweg bis in die Käferlaroereicht. Das Wespenweibchen sticht durch die Schale die Larve an,läßt seinen Legestachel bis zu einer halben Stunde in dieser Lagestecken und sondert dabei ein eigentümliches Sekret ab, das gerinntund den Stachel wie eine feste Scheide umschließt. Ist dies ge-schehen, dann zieht die Wespe den Stachel heraus, und nun hat siesich selbst eine seine Röhre gebildet, die vom Innern der Käferlarvedurch die Samenschale nach außen geht. Auf die Außenöffnung dervon ihr geschaffenen Steigröhre preßt die Wespe nun den Mund undsaugt durch dieses Rohr die Käferlarv« aus. Daß sich Wespenweib-che» von der Kiäferlarve, In die sie ihre Eier legen, nähren, kommtLster» vor. Aber die Art, wie diese Wespe ihren Legestnchcl zurRöhre macht, aus der sie ihre Mahlzeit schlürft, steht in der Tierwelteinzig da.Leuchtende Vögel. Die Sagen-der verschiedenen Völker, ebensodie der Japaner und Irokesen wie die der alten Inder und Kelten,erzählen von einem Vogel, der das Feuer vom Himmel holt oderden Blitz hält. Dieser leuchtende Wundervogel wird mehrfach alseine Möwe bezeichnet, und da ist es denn von großem Interesse,daß an diesem Tier wirklich Lichterscheinungen in einwandfreierWeise beobachtet worden sind. Wie W. Sunkel in der„Noturwissen-schastlichen Wochenschrift" mitteilt, sind von Prof. Kirschmann solcheleuchtende Möwen auf der Insel Sylt beobachtet worden. Aneinem beißen Sommerabend fiel es diesem Gelehrten aus, daß beieinem Unwetter etwa 50 Möwen jeden neuen Gewitterausbruchvorher durch aufgeregtes Schreien anzeigten. In der Dunkelheitsah er vor dem Fenster, an dem die Vögel dicht vorbeiflogen,Gruppen von zwei bis vier Feuerchen durcheinanderschweben undkonnte feststellen, daß die Möwen diese Flämmchen an Schnabel,Flügelspitzen und Schwanz trugen. Die Vögel schrien dabei sehrerregt und beruhigten sich erst wieder, wenn die Flämmchen mitnecken heftigen Entladungen verschwanden. Es ist anzunehmen, daßdie Erregung der Möwen nicht nur durch die ungewohnte Licht-erschcinung, sondern wohl auch durch das sonderbare Kribbeln derHaut erzeugt wurde, das wir beim Elektrisieren in den Haar-wurzeln empfinden und das auch die Tier« bei der Berührung mitder Elektrizität der Luft wahrnehmen. Die helle violette Flammen-färbung, die der Feuercrfchsinung bei einer elektrischen Entladunggleicht, weist darauf hin, daß es sich hier um eine Art„Elmsfeuerhandelt. Nach einer Erklärung des Leiters des Leipziger Geophyst-kalischen Instituts Prof. Wenger kommt die Erscheinung so zu-stände, daß bei Vögeln, die aus einer Gegend mit hoher Span-izung und mit starker elektrischer Lndung in eine Region mitu-«sentltch niedrigerer Spannung gelangen, der Unt-erfchied sich ans-gleicht. Derlei Entladungen vollziehen sich am stärksten an Spitzen,und so wird das Ausströmen der Elektrizität in der Dunkelheit an denspitzen Körperteilen in Lichtbüscheln sichtbar.