Einzelbild herunterladen
 

Der Mensch von Weimar  .

Ats nach Beendigung der Napoleonfriege es Mode wurde für Engländer und Franzosen, das vordem verschmähte Deutschland   zu besuchen, brachte man das Wort auf: Deutschland   sei das Land der Entdeckungen. Man entdeckte" nach und nach für die große Welt Weimar  , die Schönheit des deutschen   Rheins, die Oftalpen, Rothen­ burg   und Nürnberg  , bis der erweiterte Verkehr der Neuzeit und die alles verbreitende Breffe uns mit der Meinung erfüllten, wenigftens uns Deutschen   sei im eigenen Land nichts mehr zu entdecken ge­Daß dem nicht so ist, darüber belehrte mich ein zufälliger Gang durch die Luisenstraße in Weimar  .

blieben.

Man absolviert dort, wenn man zum erstenmal kommt, pfilcht­Schuldigst das Goethe- Haus  , besucht Schillers Sterbezimmer, erfreut fich an den bunten Vorhängen, die Liszts bescheidene Arbeitsstube schmücken, fißt sentimental am Borkenhäuschen, durchwandert den Bart, bleibt vor der geschlossenen Pforte des Nietzsche  - Archivs stehen und glaubt dann alles gesehen zu haben, was von Weimars großen Erinnerungen wirklich Aufmerksamkeit verdient.

Und ist dann glücklich an einer Sehenswürdigkeit vorbeigegangen, die Weimar   zu einem Zentrum in der Welt macht, das es zum ameltenmal nicht mehr gibt.

In aller Stille hat man in Weimar   ein Museum der menschlichen Borgeschichte zusammengetragen, das von teinem anderen übertroffen wird und eines Tages zum Mittelpunkt der gesamten prähistorisch forschenden Welt werden muß.

Was gibt es dort zu sehen? Man höre:

Das Tal der Ilm   war schon zur Eiszeit von Menschen befiedelt. In Taubach   und Ehringsdorf   lebten fie unter ähnlichen Ber­hältnissen wie die so hochberühmten Urmenschen in Frankreich  . Aber während man mit großer Reklame der franzöfifchen Urgeschichte das Dhr der ganzen Menschheit zu verschaffen wußte, weiß von den ebenso wertvollen Weimarer   Ausgrabungen nur das häuflein der Fach­eingeweihten. Und doch sind die wunderbarsten Dinge davon im Städtischen Museum zu sehen. Saal um Saal kann man dort durch wandern und geht dabei von einem Jahrtausend ins andere wie in einer verzauberten Welt. Aber nicht in einer, die mit unverständ­lichen und daher nur bedrückenden Wundern die Seele verwirrt. Mit größtem Verständnis ist zu Weimar   die ganze Urgeschichte des Menschengeschlechts lebendig gemacht. Da ist ein fünftlicher Durch schnitt durch den Hang des Ilmtales geschaffen, um beweisend zu zeigen, wie alt die Schichten find, in denen die Knochen des Taubacher Menschen von den Ablagerungen, die fich seit der letzten Eiszeit darüber gebildet haben, überlagert werden. Und diese Knochenrefte felbft sind eines der ehrwürdigsten Vermächtnisse der Vorzeit. Er schüttert steht man vor diesen Kinnbaden eines alten Mannes und eines Knaben, die zu mindestens ebenso alt menn nicht älter find als der weltberühmte Mensch von Le Moustier und so wie er der Neandertalrasse, alfo der ältesten Ureinwohnerfchaft von Europa  , angehören. In großen schönen Delgemälden ist die Welt dieser Halbtiere heraufbeschworen; sie wärmen sich am Feuer, einer von ihnen zieht zur Jagd aus auf die Nashörner, Auerochsen und Mam­muts, von denen prachtvolle Refte um Weimar   gefunden wurden. Aber auch in Wirklichkeit ist die Welt dieser ältesten Deutschen   wieder­hergestellt in einer prachtvollen Sammlung von weißen Feuerstein­geräten, welche die ältesten sicher beglaubigten Werkzeuge auf deut­fchem Boden find.

Und von dieser Urzeit bis zu den ältesten historischen Tagen und zu den Zeiten der Merowingerfürsten leiten nun Gräberfunde, die man zum erheblichen Teil unter dem klassischen Boden von Weimar  felbft entdeckt hat, zum Erleben der Mensch- und Kulturwerdung in einer Anschaulichkeit, die mir in den wichtigsten derartigen Museen in Europa   bisher noch nicht entgegengetreten ist.

Man hat hier durch Tausch oder wenn das nicht ging durch Nach bildung eine vollständige Natur- und Kulturgeschichte der Stein- und Bronzezeit zusammengebracht, aus der die Menschwerdung und der lange martervolle Weg der Kultur auch der unempfänglichsten Seele flar werden muß. Ein besonderer Wert kommt hierbei den zahl­reichen wiederhergestellten Sfelettgräbern zu. Sie reichen von der Bronzezeit bis zu den frühhistorischen Tagen, von denen ein Hoder grab in einer Steinkiste( von Kalbsricht) das befterhaltene Gerippe diefer Art, das Grab einer thüringischen Fürstin aus Haßleben  , das in erstaunlicher Erhaltung wieder aufgestellt ist, mit seinen drei­hundert goldenen und filbernen Fundstücken, dem Bernsteinschmud, den massiv goldenen Fibeln, Bronze- und Silberschalen, dem herr­lich geschliffenen grünen Glas einen ganz ungeahnten Einblick in die deutsche Kultur zu Beginn der Völkerwanderungszeit gestattet. Aber das alles find noch für die Bildung und die Deffentlichkeit unentdeckte Schäße. Seit 30 Jahren ist hier durch das Zusammen­wirken hochherziger Menschen, zumeist aus Stiftungen, ein wahrer Mittelpunkt für die Kenntnis der europäischen   Urgeschichte ent­standen, der verdient, unter den Weimarer Kulturschäßen mit an erster Stelle genannt zu werden. R. H. Francé  .

Der Nußknacker.

Bon Erna Büsing.

Aufrecht stand er da, der Nußknader. Das zu Holz gewordene Selbstbewußtsein, in Menschengestalt geformt. Er war prächtig ari­gestrichen, und sein Gesicht glänzte wie fein polierte Tafeläpfel, die arme Leute sich nie kaufen können. Dabei ruhte fein Körper auf Beinen, tie unbedingt eines Parademarsches fähig waren. Ja, eines solchen Parademarsches, bei dem kein schnauzwütiger Unteroffizier rufen würde: Höher die Beine, du Kerl, höher!" Das schönste an ihm aber war der Mund. Der war wie die zu Maul gewordene Gier aller Annegionisten. Der Nußknader selbst war ganz bezaubert vom eigenen Glanz und sagte sich, nur ich fann etwas bedeuten. Neben ihm lag auch ein Nußtnader. Ein einfaches, glattes Ding, fo eine Art Zange. Erdacht von einem flugen Kopf, geformt von fleißigen Händen. In ihm waren der Wille von Hand und Kopf zu gemeinsamer Arbeit verschmolzen. Gönnerhaft, so drei Bie- tel mit Würde durchwachsen, wurde er von dem hölzernen Nuß­tnader betrachtet.

Da entwickelte der einfache Nußtnader feine Pläne. Er sprach von Arbeitseinteilung, von gegenseitiger Hilfe, von Gemeinwirtschaft und von der Freude am Schaffen. Der Nußknader- Mann jedoch redete mit großen Worten und Wichtigkeit nur von sich. Dabei fah er seinen einfachen Kollegen, der den Arbeitswillen so vieler re­präsentierte, höchft geringfchäßig an und meinte in einer Selbstver ständlichkeit, die allein ihm für solche galt: Aber es muß für dich doch Ehrenfache sein, mich als Autorität zu betrachten." ,, D, ich werde mir durch Arbeit Geltung verschaffen und das Wir in mir, der zusammengefaßte Wille von Köpfen und Händen, bricht allen Widerstand und geht zielsicher seine Bahn," antwortete der Zangen- Nußtnader. Uns schredt die Schwere unserer Auf­gaben nicht. Im Gegenteil, sie ist uns Anfporn und stille Freude für unseren wagenden Mut."

,, Ach, die Menge, die Allgemeinheit ist stets langweilig," gähnte der Mann- Nußknader, flapperte mit seinen Zähnen und fagte in Schadenfreude über sich selbst: Ich habe sehr viel Unzuverlässigkeiten in meinem Charakter, allein darum bin ich schon eine imponierende Persönlichkeit."

Der einfache Nußtnader fümmerte sich nicht groß um all das Gerede. Er ging an die Arbeit und bewältigte Aufgabe um Auf­gabe, das heißt, er fnacte Nuß für Nuß. So ließ er die Tatsachen für sich sprechen.

Der vornehme Nußtnader wurde rot wie ein Puterhahn vor lauter Selbstaufreizung. Er nahm auch nicht eine Nuß, um sie zu zerbeißen, nein, wie sollte er nur, er war einzig und allein gewöhnt, fein Maul zu ruhmredigem Geschrei zu gebrauchen. Darum feifte er jetzt in den schriften Tönen und freischte: Aber das ist unzuläffig, ich, ich fann ja alles viel beffer. Ich, ich"- Da riß die Strippe, die sein Maulwerk zufammenhielt, und der Kinnladen fiel ihm tief auf die Brust. Er hatte sich selbst nahezu verschlungen.

Acertat.

Wolkenfchwere ächzend über den feldern... Den feuchten Stoppelacker hinan Reißen zwei ftämmige Itampfende Bauergäule Vorwärts den Pflug;

Dinterdrein grobderb der Knecht,- Büb! ballo!

Alle Sehnen zucken mir jäh.

Weber den Riefenacker der Menschheit Gärt

Wetterbläue, leuchtend, wölbunggewaltig, Sturmverklärt.

Am Eifenpfluge die fchüttelnde fault; Jung, tatlultitark

Schreitet die Zeit.

Die Krufte kníricht, bricht, herrifch aufgewühlts Jahrtaulendzähes Schollenwerk

Stürzt durcheinander.

Wolken wälzen darüber hin... Aber droben über den Hcherhöhn Hus graugelagerter Nebelwildnis Wirrt fich kühn Lichtgroß der Tag.

Die weißen Wolken überall Schmücken mit blauen Schleifen fich- Lichtítaunen rinnt

-PO

Gaatneu feldert lich grün die Welt.

Franz Diederi