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Die Grunökagen öer giftigen Tätigkeiten. Don S). F« h l i n g e r. Die mit Bewußtsein verbundenen seelischen Vorgänge spielen sich in den Zellen der grauen Rinde de» Großhirns ab, und zwar sind diese Vorgänge, wie Einnesempsindungen, Denk- tätigkeiten, auf bestimmte Bezirke der Großhirnrinde beschränkt. Die graue Masse der Hirnrinde wird aus Nervenzellen und Nerven- fasern gebildet und sie steht, ebenso wie der graue Stoff des Rücken- marks, mit den einzelnen Teilen des Körpers durch Nerven- bahnen in Verbindung, die eine mehrfache Ausgabe haben: Di« Empfindungsnerven übermitteln Reize vom Körper noch dem vom Gehirn und Rückenmark gebildeten Zentralnervensystem, während die von diesem ausgehenden Bewegungsnerven die Muskeln zur Tätigkeit veranlassen. Außer dem Nervensystem des Gehirns und Rückenmarks(und mit diesem verbunden) besitzt der Körper noch ein weiteres Netz von Nervenzellen und Nervenfasern, nämlich das sogenannte s y m p a- thische Nervensystem, dessen Nervenfasern den Blutgefäßen entlangziehcn. Dieses Nervensystem hat eine gewisse Unabhängig- keit vom Zentralnervensystem, und seine Aufgabe ist, aus die Ein- geweide, die Blutgefäße, die Sinnesorgane und die Drüsen einzu- wirken. Die Nervenbahnen sind nicht nur mit den verschiedenen Körper- teilen, sondern im Zentralnervensystem auch untereinander verbun- den. Man Hot diese Verbindungen oder Leitungsbahnen häufig mit einem elektrischen Leitungsnetz verglichen. Ihre Tätigkeit ist zwei- felsohne mit Zustandsänderungen verbunden, aber worin diese bestehen, ist noch unbekannt. Merkwürdig ist jedenfalls, daß die durch eine seelische Tätigkeit veranlaßte Zustandsänderung in der Regel eine Spur zurückläßt, denn, auch ohne daß der ent- sprechende Reiz sich wiederholt, kann seine Wirkung wiedergegeben werden: Erinnerung, Gedächtnis; und wenn dieselbe Ver- anlassung ein zweites und öfteres Mal gegeben wird, so wird die Tätigkeit leichter, mit geringerer Schwierigkeit ausgelöst, als das. erstemal: U e b u n g, Gewöhnung. Es hat sich also eine Tätig- keit ausgebildet, die vorher nicht da war und die in einer chemisch, physikalisch, anatomisch oder sonstwie zu denkenden Abänderung des nervösen Elements ihren Grund haben muß, einer Veränderung, welche, wie wir aus dem täglichen Erleben wisien, rolch wieder ver- schwinden kann(Vergessen, Verlernen), welche aber auch lange Zeit, bis zu vielen Jahrzehnten, festgehalten werden kann. Ein Beweis dafür, daß die Gehirntätigkeit auf die Beschaffen- h e i t der grauen Hirnrinde einwirkt, wurde beispielsweise durch die Beobachtung erbracht, daß die Zellen und Fasern des dem Sehen dienenden Hirnrindenfeldes, des Sehzentrum», im mikrofkopi- schen Bilde ganz anders bei einem jungen Hunde aussehen, den man von Geburt an am Schen verhinderte, als bei einem gleich- alten Hündchen desselben Wurfes, bei dem man den Lichtreizen den Weg nicht verlegt«. Es liegt nun die Frage nahe: wie kann die Mosienhaftigkeit unserer seelischen Erlebnisse, die grenzenlose Mannigfaltigkeit un- serer Borstellungsverbindungen, die Feinheit in der Abtönung un- serer Gefühle, die Raschheit und Häufigkeit unserer Bewegungsan- triebe usf. von einem räumlich beschränkten Organ oder Organsystem abhängig gedacht werden? Darauf kann wenig- stens d i e Antwort gegeben werden, daß diesem unübersehbaren Geschehen In den Formbestandteilen des Nervensystems mengenhafte Größen gegenüberstehen, die das räumlich Vorstellbare ebcnfall» weit übersteigen. In der Hirnrinde allein ohne da» Rückenmark schätzt man die Zahl der Nervenzellen auf Milliar- den; nimmt man dazu, daß diese mikroskopischen Zentren in weit- verzweigter Weis« miteinander verbunden sind, daß auf zahlreichen, zum Teil festgestellten Straßen ebenfalls zahllofe, gegeneinander isolierte Faserzüge zu und von ihnen führen, so ergibt sich eine Grundlage der seelischen Tätigkeiten, von deren Wirkung man alles erwarten kann. Gleiche äußer« Einwirkungen auf da» Zentralnerven- system führen nicht immer zu genau denselben Ergebnissen. Die vergleichend« Beobachtung der Tiere, der menschlichen Jndi- viduen, Familien, Rosien usw. ergibt, daß kein Wesen die Außenwelt wie das ander« in ihren einzelnen Teilen erkennt und zu einem Gesamtbild wieder z u s a m m en f ü g t. Es ist gänzlich irreführend, hier Schlüsse vom eigenen, also einem Einzeldewußtsein, zu machen. Die einzelnen Teile der verschiedenen Nervensysteme arbeiten nicht bloß dem Grade nach verschieden, hier weniger genau, dort genauer, die Verallgemeinerung der Sinneseindrücke erreicht nicht bloß dort ein» höhere, hier eine weniger hohe Stufe, sondern diese Teile sind von vornherein verschieden aufeinander abgestimmt, es kommt daher etwas ganz Verschiedene» als Gesamtvorstell.ing heraus. Schlafbedürfnis und Begeisterung. Von Hans Klabautermann. Neulich hat es bei Wcrthcim gespukt. Der Wächter, der die Runde machte, oernahm in der Nacht ein Geächze und Gestöhne. In einem Haus, das bei Tage von hastenden Menschen und von fun« kelndcm Licht überflutet wird, ist sowas gruselig Er machte daher von seinem Recht, die Sache unheimlich zu finden, Gebrauch und holte sich einen Kollegen. Inzwischen hatten sich die Geräusche um eins vermehrt. Man hörte deutlich den durchdringenden Ton einer Säge. Di« anfängliche Vermutung, es handle sich um einen neuen spiritistischen Willensakt Peter Grupens oder vielleicht um eine von den Waren ausgehende Preisbewegung, wurde als unwahrscheinlich verworfen. Die beiden wandten sich daher zur Antiquitätenabtei- lung, wo sich unter Umständen eine Mumie mausig machen konnte. Hier stellten sie die ausällige Erscheinung als einen Baucrnschreck fest, indem sie in einem Bauernschrank den Sputgeist entdeckten. Der Schrank war nicht beschädigt; das Sägen rührte von den ousdrucks- vollen Schlafäußerungen eines Kaufmanns h«". der sich dies Ouar- tier ausgesucht hatte Er muß ein sondererbarer Heiliger sein. Wenn man schon in einem Warenhaus übernachtet, sollte man sich ein hübsche» Bett aussuchen, an denen ja an diesem Ort kein Mangel herrscht. Im übrigen fehlt es in der Antiquitätenabteilung an den unentbehrlichsten Schlafutensilien. Er war obdachlos und wollte sich durch Schlaf erfrischen. Aber im Erfrischungsraum des Waren. Hauses fand er nicht die richtige Ruhe. Weggehen konnte er auch nicht, da das Wohnungsamt ihm keine Wohnung zugewiesen hatte. Daher schlug er in dem Schrank seine Hütte auf. Für diese An» rcgung wollen wir ihm dankbar sein. In Berlin gibt es«ine große Anzahl Stätten, wo man sein müdes Haupt niederlegen könnte. Hervorragend geeignet als Cchlafstätten wären zum Beispiel einige Ministerien, in denen di« Beamten gegen drei Uhr nach» mittag» geweckt werden. Bis zum nächsten Tag um sieben könnten zwei Schichten ausreiebend ausruhen, so daß diese Gebäude dreimal zu demselben wohltätigen Zweck ausgenutzt würden. Noch besser geeignet wären die Wohnungsämter selbst. Die betreffenden Amts» Häuser sind in Anbetracht der bereits angesammelten Akten derer, die keine Wohnung bekommen haben, und der anzulegenden Akten derer, die keine bekommen werden, sehr geräumig ausgewählt. Wenn man bedenkt, mit einem wie bescheidenen Quartier der eingangs er- wähnte Kaufmann zufriedenzustellen ist, und daß man ihm dennoch keins zugewiesen hat, wird man In der Vermutung nicht fehlgehen, daß auch während der Dienststunden für ausreichende Ruhe gesorgt ist. Da» Wilmersdorfer Wohnungsamt ist für das Publikum an drei Togen der Woche von 9 bis 12 Uhr geöffnet. Diese für einen Bezirk von einigen hunderttausend Menschen immerhin beträchtliche Arbeitszeit von 9 Stunden pro Woche hat man in den Vormittag gelegt, weil die Beamten wegen der in dieselbe Zeit fallenden Be» rufstätigkeit des Publikums am besten gegen Belästigung geschützt sind. Sollt« es an Liegestätten mangeln, so dürste der ehemalige Kaiser de» Deutschen Reichs gern Matratzen zur Verfügung stellen. Wir wir aus dem Buch des Generals von Eisenhardt-Rothe erfahren haben, besitzt er einen Stapel davon. Er hat sie schon während seiner Regierungstätigkeit auf feinen Reisen mitgeführt, um sich gegen irgendwen heldenhaft zu verteidigen. Im Gedenken an den Fernen wollen wir einige in das Bereich fallende Betrachtungen anschließen. Mutterliebe ist eine ganz pasiabl« Eigenschaft. Beispiele von Entsagungsbereitschaft und Opfermut der Mutter entlocken dem sein- sinnigen Zeitgenosien Tränen der Rührung. Aber wir dürfen nicht vergesien, daß solche Beweise der Lieb« aus einem simplen, von der Natur eingepflanzten Gefühl hervorgehen. Deshalb denkt auch kein Mensch daran, durch Absingen«ine» Liedes oder durch andere Hoch» achtungsbezeugungen di« Anwesenden zur Begeisterung für der- artig« Dinge anzufachen. Mutterliebe ist ganz nett, aber jede Pro» letariersrau besitzt sie; sie ist nicht» Besonderes. Etwas anderes ist es um das völkische Gefühl. Da» ist kein popliger Naturtrieb, son» dern es wird hervorgerufen, künstlich gezüchtet, und zwar von der Blüte der Nation. Es ist ein heilige» Gefühl, heilig ernst deshalb, weil es von besseren Kreisen stammt, zweiten!, weil Kraft und laute Begeisterung mit ihm einhergehen. Da» heilig« Gefühl ist nicht ein- fach da wie die Mutterliebe, sondern hat einen Anlaß. Immer und überall kann es zum Entflammen gebracht werden. In einem Ber - liner Kabarett versuchen zum Beispiel vier Neger eine weiße Frau zu vergewaltigen. Sie tanzt auch ein bißchen und dann fällt si« tot um. Da» heißt.Die schwarz« Schmach", und im Anschluß daran singt di« erschütterte Gemeind« da, Deutschtandlied stehend. Wer nicht mit aufsteht, kriegt«inen Katzenkopf. Oder die Lichterselder Primaner feiern hingebungsvoll den Geburtstag de» oben erwähnten Kaiser». Unbegreiflicherweise sind di« lieben jungen Leute dafür von Herrn Boelitz, allerding» milde, aber immerhin bestrast worden. Sehr geehrter Herr Boelitz, beschäftigen Si« sich mit dem völkische» Gesühl! Die Muterlicbe ist dagegen ein Quark.