Nummer 22
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Der Totsihläger. Von Alfons Petzold . „Hund, elendiger fjundl' Und dann kam noch ein furchtbarer Fluch durch die niedere Stube geprallt. Der fiel aber aus keinem wutoergeiferten Mund, fondern aus einer wie zu einem Stein zornoerkrampften Faust und war ein schrecklicher Hieb, der einen blonden, eisenharten Schädel wie eine leere Zigarrenkiste einschlug. Als der kräftige junge Männerkörper auf die öldurchtränkten Steinfliesen des Werkgasthauses hinschlug, schwerplumpsig wie ein voller Kernsack, kam es dem Faustringer zum auftüttelnden Bewußt» sein, daß er einen Menschen totgeschlagen, also ein Mörder war. Eine atemdrosselnde schwärze Hülle warf sich über sein bisher so frohes Arbeiterleben. Einen Augenblick fühlte er sich in einem steinernen Sarg liegen, an dessen Deckel sich ein« lebenshungrig« Lugend vergeblich wundstieß. Dann weitete sich vor seinen Augen die enge, tabakqualmersüllte Wirtsstube zu einem mächtigen Raum, der erfüllt war von einer Unzahl Menschen, die alle Blicke voll Abscheu für ihn hatten, mit den Fingern aus ihn wiesen und anklagend ihn anheulten:„Mörder!" So litr er schon jetzt zwiefachen Tod: den der Gerechtigkeit und den der Schande für seine Tat. Und es kam noch der Tod der Rache dazu. Denn es schrumpften auf einmal all die vielen Menschen vor ihm zu einer knöchernen Faust zusammen, die spannte sich um seinen Hals, und er hörte die Stimme des Erschlagenen:„Mörder!" Eine klagende Frauenstimme riß ihn aus seiner Betäubung: „Franz, Franzi Heiliger Gott, was hast Du getan? Schau nicht so wild, ich bin's ja. Dein Annerl!" Seine Braut war es, die ihn ins Gesicht klagte. Ihre auf- rüttelnden Worte voll Herzweh und Berzweiflung rissen ihn un- barmharzig über den rotglühenden Rest des Geschehenen. Und er wachte auf zu tierischer Setbsterhaltung. Au« der brennenden Not seiner Seele schrie er mit brutaler Härte das Mädchen an: „Weil der Hundskerl, der Fallot, mein« Maschin' schimpfiert hat, Hab ich ihm ein« feste aufs Dacherl geben!" Darauf ließ er sich von der erschienenen Polizei abführen. Der Maschinenwärter Franz Schroiblechner und der Transmissio- nenaufseher Ferdinand Gruber, beide in der großen Iutespinnerei angestellt, waren seit Jahr und Tag gute Freunde gewesen. In der ewig seuchthcißcn Dampf- und Oetschwüle des Maschinenhauscs hatten sie sich kennen gelernt und die Brücke getreulicher Freund- fchaft in die Atmosphäre der Gassen, Dorstadtgärten und Gasthäuser hinübergesponnt. Ueber diesen wohlgebauten Brückenst«g war dann im Laufe der Feit von den zwei Freunden schon manche frohe glückliche Stunde in Ihr für gewöhnlich so graues Arbeiterleben getragen worden. Keiner besuchte ohne den anderen eine festliche Veranstaltung, keiner machte ohne den anderen einen Ausflug in die Umgebung. In jeder Wähleroersammlung. Wcrkstattbesprechung sah man die beiden Freunde nebcneinairder sitzen, immer für die gleiche Meinung sich einsetzend. Lachen und Schimpf kam aus ihnen in seltener Ein- tracht nach einem rätselhaften Gesetz. Sah man an einem regne- vischen Sonntag den langen dürren Gruber Ferdl in der verrauchten Extrastube des Vorstadtkaffeehauses die Karten schwingen, so konnte man eine Wette eingehen, daß einer der Spielpartner der Maschinen- Wärter Schroiblechner war. Die schöne Freundschaft der so ungleichen Menschen bekam mit der Zeit einen solchen Grad an Innigkeit, daß Schreiblechner, al» er anfing, einem Mädchen aus der Nachbarschaft den Hos zu machen, vorerst den Gruber ganz ernsthaft fragte, ob er einverstanden sei und dazu raten könne. Erst nach dessen Zustimmung wagte er es, der Weghuber Annerl sein« Liebe und ernsten Absichten zu erklären.
Als der bisherige Schlafgenosie des Transmissionenaufsehers als Soldat einrücken mußte, gab der Maschinenwärter seine hübsche Wohnkammer auf. Er mußte zu seinem einsam gewordenen Freund ziehen, der in einer halbduntlen Stube hauste, die er mit feinem minderen Lohn nicht allein bezahlen konnte. Nur in einem waren die beiden Freunde nicht eines Sinnes, behauptete jeder starr und steif seine eigene Meinung. Das war in ihrem Verhältnis zur Maschine, die sie beide zu bedienen hatten. Der eine ihren ganzen vielgllederigen Leib, der andere ihre gewal- tigen Hände, mit denen sie ihre Kraft in die entlegensten Winkel der Fabrik schleuderte. Der Maschinenwärter liebte das ihm anvertraute Werk über alles, war stets voller Sorge um die Räder, den mächttgen Bauch, polierte die Manometer und Griffe, daß sie wie zierliche Sönnchen aufleuchteten, und immer hing sein Blick voll Stolz und Lieb« an dem ungeheuren Körper des Ungetüms aus Stahl und Kupfer. Gerade das Gegenteil fühlte der Transmissionsaufseher Gruber. Haß und oftmals eine unaussprechliche Furcht setzte er gegen die Liebe und das Vertrauen seines Freundes zur Maschine ein. Nur mit Widerwillen ging er zur Frühe des Tages an seine verfluchte Arbeit. Unausgesetzt war er voll des Mißtrauens, das ein Schwächerer gegen eine ihm feindlich gesinnte Macht empsiedet. Er wurde erst wieder Mensch, der sich seines Daseins freuen konnte, wenn die Dampffirene Feierabend verkündete und die sausenden Räder mit einem ersterbenden Fauchen in die Dämmerung der Säle schlaff hin- sanken und stumm wurden. Gruber hatte es einigemal oersucht, seinem Freund die Men- | schenfeindschast der Maschinen zu erklären und in dessen Herzen den gleichen Haß großzuziehen, der in ihm sein arges Wesen trieb Aber seine plumpen Beschimpfungen hatten bei dem sonst gutmütigen Maschinenwärter Wutausbrüche zur Folge gehabt. Darum verborg Gruber des lieben Friedens willen schlecht und recht seine wahre Ge- sinnung. Wenn nun Schreiblechner vor Kameraden in den hellsten Tönen der Begeisterung von seinen Motoren sprach, biß sich Gruber voll unterdrückten Zornes und Schmerzes die Zähne ineinander, um nicht das Gegenteil hcrauszubrüllen. Und insgeheim wuchs in ihm eine eisige Furcht zur Gewißheit auf, daß in dem roten Maschinen- hau» Stahl und Messing, Kupfer und Eisen, Riemen und Radwerk über sein und seine» Freundes Verderben nachsannen.... Der Zeitpunkt der Kesielreinigung war gekommen. Sie dauerte von Samstag abend bis Montag früh. Während Gruber dem kontrollierenden Ingenieur das einwandfreie Funktionieren der Transmissionen und Sicherheitsvorichtungen vorführen mußte, saß der Maschinist in dem Fabrikgasthaus, oerzehrte sein Nachtmahl und wartete auf seinen Freund, um die Feuer zu löschen und die Kessel zum Einstieg bereit zu machen. Eben wollte sich Schrciblechner noch eine Zigarre bestellen, als die Tür aufprallte und Gruber wie hereingeschleudert gegen einen Tisch flog. Er sah fürchterlich aus. Die blaue Zeugbluse hing ihm, mit dem heruntergerissenen Hemd zu einem Strick verdreht, am Leibe herunter. Seine nackten Schultern, Brust und Rücken sahen aus, als wären sie durch das schmutzigste Tropföl gezogen worden. Das Ge- ficht fohlte leichenhaft unter dem wirren, schwarzen Haarschopf her- vor und die Augen waren die eines wütenden Hundes, der Wasser sieht. Mit keuchendem Schreien kam es aus seiner stoßenden Brust: „Jetzt hat's mich endlich einmal erwischt, das verfluchte Luder. Ich trete oben auf der Transmissionsbrücken, da ruft mich der Herr Ingenieur: ich drehe mich um und schon hat's mich beim Frack, das elende eiserne Viech, dreht mich um die Scheiben, und nur weil der Jngeneur gleich abgestellt hat, pick ich jetzt nicht als Fettfleck auf der Mauer wie eine Hcringsseel! Ich hab's ja immer g'fagt, daß's der scheinheilige Hundskrampen auf mich abg'sehen hat...." Erregt fiel ihm der Maschinenwärter in die Rede:„Fredl, was schimpfst denn auf die Maschin'. Du bist ja selbst schuld dran." Der Aufseher war irr vor überstandener Todesangst und spie seinen Freund an:„Was hast g'sagt. Vielleicht noch dankschön sagen