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Der Herzschlag der Pflanze.

Neue Forschungen eines indischen Gelehrten.

geht ein gleicher Rhythmus durch alle Lebensvorgänge. Die Pflanze zieht sich wie das Tier vor einem Reiz zufammen; sie besitzt ein reichentwickeltes Nervensystem; der Kreislauf des Saftes ähnelt dem Blutkreislauf. Reizmittel wirken auf die Pflanze ebenso wie auf Sir Jagadis Chandra Bose, der berühmte indische Naturforscher, das Tier. Es gibt keinen charakteristischeren Lebensvorgang in dem der unsere Kenntnis von den feinsten Lebensvorgängen in der höchstentwickelten Tier, der nicht in einfacherer Form in der Pflanze Pflanze so außerordentlich bereichert hat, veröffentlicht demnächst in vorgeahnt ist. So werfen diese Forschungen aus dem Pflanzenleben England ein neues Wert: Die Physiologie des Saftaufstieges", in überraschendes Licht auf die Probleme des tierischen und sogar bem seine neuesten Forschungen über diese für die Botanik wichtigen des menschlichen Lebens. Fragen niedergelegt sind.

Die Ergebnisse seiner langjährigen Untersuchungen über die Ur­fachen des Aufsteigens des Eaftes in der Pflanze gibt er schon jetzt bekannt. Der Baum", so führt er aus, erlangt sein Nahrungs­material aus den Substanzen des Bodens. Er saugt Wasser von den Wurzeln auf, führt es durch den Stamm und atmet es durch die Blätter in die Luft aus. Die Menge des auf diese Weise auf genommenen und abgegebenen Waffers ift beträchtlich; in einem großen Baum beträgt sie etwa 100 Pfund am Tage; die Höhe ge­wiffer Riesenbäume mag bis 450 Fuß betragen. Die Kraft, die zum Emporheben so großer Wassermengen bis zum Gipfel des Baumes erforderlich ist, muß also sehr bedeutend sein. Auf welche Weise zwingt nun der Baum das Wasser zum Emporsteigen, und welches ist die Quelle dieser Kraft? Diese Frage hat die Auf­merksamkeit aller führenden Pflanzenphyfiologen in den letzten 100 Jahren auf fich gezogen, aber das Problem ist bisher ungelöst geblieben. Es ist nicht einmal ganz sicher, ob der Saftaufstieg von der Tätigkeit lebender Zellen herrührt oder ob er von der saugenden Kraft ausgeht, die durch die Verdunstung von den Blättern ent­faltet wird, indem durch sie das Wasser in das tote Holz gezogen wird. Der deutsche Gelehrte Straßburger versuchte die Frage zu entscheiden, indem er einen Baum vergiftete; aber der Aufzug des Waffers vollzog sich trop der Bergiftung. Man schloß daraus, daß lebende Zellen an der Berteilung des Saftes feinen Anteil haben. Neue Versuche, die in meinem Forschungsinstitut in Raltutta aus­geführt wurden, haben die Fehler in der Methode Straßburgers aufgedeckt. Eine halbverschmachtete Pflanze, die mit einer giftigen Lösung von Formaldehyd behandelt wird, ist unfähig, die Lösung aufzunehmen; fie verschmachtet mehr und mehr und stirbt in einem Tag oder zwei. Im scharfen Gegensah dazu steht der folgende Ver­Juch mit einer Chrysanthemumpflanze in einem Gefäß. Sie wurde mehrere Tage ohne Wasser gelaffen und schrumpfte vollkommen zu­fammen, schien faft tot zu fein, aber die Zuführung von etwas Waffer, das eine fleine Beigabe eines anregenden Mittels enthielt, brachte die Pflanze zu einer wunderbaren Beränderung; sie begann energisch Waffer aufzufaugen; der schlaffe Stiel und die trodenen 3weige füllten sich; fie richtete sich zu ihrer vollen Höhe auf, und die verschrumpelten Blätter breiteten sich in normaler Weise aus. Solche Versuche beweisen, daß der Saftaufstieg in den Pflanzen durch die Tätigteit lebender Bellen hervorgerufen wird. Wir müssen nun die genaue Lage dieser Zellen und die Methode der Berbreitung des Saftes feststellen.

Die Annahme von der Einwirkung des atmosphärischen Drucks ift abzulehnen, da dieser Wasser höchstens zu einer Höhe von 34 Fuß heben kann. Mit einem besonderen Apparat gemeffen, zeigt sich, daß der Saft unter günstigen Umständen mehr als 100 Fuß in der Stunde emporsteigt. Auch die Annahme von der Saugkraft der Blätter und von einem geheimnisvollen Wurzelbrud" führen nicht weiter. Die Vorstellung, als ob der Aufstieg durch einen Zug von oben und einen Drud von unten hervorgerufen würde, wird durch den folgenden Berfuch widerlegt. Wenn man von einer Chryfan themumpflanze alle Blätter entfernt und den Stamm mit einem undurchdringlichen Firnis überzieht, damit also die Atmung der Pflanze vollkommen ausschaltet und den Wurzeldruck durch Ab­Schneiden der Wurzel beseitigt, so nimmt doch der Aufstieg, wenn das Ende des Stiels in Wasser gesetzt wird, in einem Maße von 60 Fuß in der Stunde seinen Fortgang. Der Aufstieg des Saftes kann daher nur von der Tätigkeit der Zellen abhängig sein.

Um den Sitz dieser Kraft in der Einzelzelle festzustellen, mußten alle Schichten der Zelle von der äußersten Haut bis zum innersten Kern untersucht werden, und zwar während sich die Belle bei vollem Leben und in Tätigkeit befand. Mit Hilfe einer elektrischen Prüfungs­methode drang ich allmählich Schritt für Schritt von der äußeren Haut bis zum Kern der Pflanzenzelle vor und konnte die regel­mäßige Ausdehnung der Zelle und die Aufnahme des Saftes sowie die darauffolgende Zusammenziehung und Abgabe des Saftes er­fennen. Die Pflanzenzellen befinden sich also in einem Zustand regelmäßiger Pulsierung, indem sie sich ausdehnen und zusammenziehen. Jede Zelle nimmt während der Phase der Aus­dehnung Wasser von unten auf und gibt es während der Phase der Bufammenziehung nach oben ab. Die Periode einer einzigen Bul­fierung ist etwa 14 Gefunden; aber unter bestimmten Veränderungen fönnen die Pulsschläge sehr viel schneller werden oder auch sich ver­langsamen bis zum Aufhören. Die Untersuchungen zeigen ferner, daß die Rinde, die das holzige Gewebe umgibt, die Haupttätigkeit ausübt. Die Rinde, die sich durch die ganze Länge des Baumes hinzieht, ist also der tätige Vermittler der Ausbreitung des Saftes. Die holzigen Gefäße dienen nur als Aufbewahrungsbehälter für das Waffer.

Die Pflanze hat also einen Herzschlaq und ein System des Pulses, das dem tierischen Organismus erstaunlich ähnlich ist. Wie das tierische Herz bei erhöhter Temperatur schneller schlägt, so wird auch die Tätigkeit des Pulsschlags in der Pflanze dadurch verstärkt, während unter dem Einfluß der Kälte der Herzschlag der Pflanze wie der des Tieres herabgefeßt, ja zum Stillstand gebracht wird. So

Völkerwanderungen.

Bon Josef Sladet.

Eins der interessantesten Kapitel der Weltgeschichte bilden die Schicksale der fern von ihrer Heimat versprengten Bölfer und die oft damit zufammenhängenden, vielfach noch rätfelhaften Wanderungen der Naturvölker in der Urzeit oder in den fremden Erdteilen vor ihrer Erkundung und Befiedelung durch die Europäer. Unter den Kabylen und Riffpiraten, den vielgenannten zähen Berteidigern ihrer marokkanischen Berge und Küsten gegen die Fran zosen, befinden sich zahlreiche lichthaarige, blauäugige, den nordger. manischen Bölkern völlig gleichende Geschlechter, die der Völkerkunde ein bisher unlösliches Rätsel aufgaben. Sind sie Nachkommen der stolzen Bandalen, die unter König Genserich einst in der Landschaft des alten Karthago   ein Reich von kurzer Blüte gründeten? Die aber bildeten stets nur eine dünne Oberschicht über den dunklen Einges borenenftämmen und gingen wohl restlos zugrunde, als der byzan tinische Feldherr Belifar im sechsten Jahrhundert nach Chriftus die legte Bergfeste eroberte und den nach einem Schwamm, einer Leier und einem Stück Brot verlangenden König Helimar in Fesseln fort­geführt hatte. Bu groß war die Saat des Haffes gewesen, die das harte Regiment des germanischen Herrenvolles ausgestreut hatte: mas dem Schwerte   der Feinde entging, war ruhmlos von dem Land­volte mit Rnütteln erschlagen oder nach alter afritanischer Sitte in den Zufluchtshöhlen totgeräuchert. Von diesem dem Tode geweihten Bermanenstamme fönnen sich unmöglich zahlreiche Geschlechter mehr als ein Jahrtausend hindurch unvermischt in frischer Kraft erhalten haben. Vielleicht müssen wir unendlich weit in die Urzeit des Men schengeschlechtes zurückgehen, um des Rätsels Lösung näher zu tommen. Jahrhunderttausende mögen seit den Tagen verflossen sein, da die ersten Europäer vermutlich Zwergvölfer mit Negerschädeln und knochenstarte, hochgewachsene Stämme mit armseligen Stein­beilen den riesigen Höhlenbär und das schwer stampfende Mammut jagten: da fam über gewaltige Bölkermassen der ruffischen Steppen jener geheimnisvolle Wandertrieb, dessen Betätigung in geschichtlicher Beit mehr als einmal die Landkarte umgeändert hat. Einige Horden gewannen das fruchtbare Mesopotamien   und wurden die Ahnen der frühesten Kulturvölker der Welt am Euphrat   und Tigris  , andere fegten sich an den Ufern des Niltals fest, andere wieder durchstreiften Europa   bis zur Südwestküste Spaniens  . Vielleicht haben diese auch die schmale Meerenge von Gibraltar überwunden. Die Unter­fuchung der Schädel aus der sogenannten Steinzeit scheint diese Ver mutung zu bestätigen. Ihrem Körperbau nach muß es eine fräftige, den Indogermanen ähnliche Raffe gewesen sein, die sich dann in Nordafrika   behauptet hat und in den schwer zugänglichen, faft immer unabhängig gebliebenen Bergländern heute noch blüht.

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Rätselhaft bleibt auch der Ursprung des Bastenvoltes von Spa­ nien  , das in der Art und Bildung seiner Sprache einzig mit einigen nordamerikanischen Indianerstämmen Verwandtschaft zeigt. In der als Tertiärzeit bekannten erdgeschichtlichen Epoche gab es eine Land­brüde zwischen Amerika   und Europa  : und da in diesem Morgenrot der heutigen Schöpfung" Spuren vom Dasein des Menschen jetzt unzweifelhaft nachgewiesen sind, mag auch hier vor ungezählten Jahrtausenden ein merkwürdiger Völkeraustausch stattgefunden haben.

Im Kaukasus   und im unwirtlichen Himalajagebirge wohnen Dußende von fleinen Stämmen, jeder vom anderen verschieden, feiner irgendwie mit den großen Bölkern der Nachbarschaft ver­wandt; vergeblich hat sich bisher die moderne Wissenschaft bemüht, nach dem Lande ihrer Wiege und den geheimnisvollen Schicksalen zu forschen, die sie in die Dede und Unzulänglichkeit jener Riesen­berge geführt haben.

Die eigentümlichen Bilderschriften, Steinbauten, Roloffalfiquren und pyramidenähnlichen Monumente mittelamerikanischer Völker, um die seit Jahrhunderten die wilde Ueppigkeit des Urwaldes wuchert, haben schon die phantasievollsten Deutungen erfahren, ohne dak viel vor der strengen nüchternen Forschung bestehen fonnte. Reste der zersprengten Stämme des Volkes Israel   sollten einst dahin verschlagen sein; urzeitliche Kolonien der alten Pharaonen Aegyptens  brachten nach anderer Meinung eine hochentwickelte Kultur in die Indianerländer: beides ist unmöglich, aber die Aehnlichkeit mit den altägyptischen Kunstwerfen ist verblüffend. Daher bringt es in menig Licht in das geschichtliche Dunkel, wenn man weiß, daß die Indianer einst hoch im eisinen Norden die Inselbrücke der Bering­ straße   aus Asien   nach Amerika   eingewandert sind, und daß lange vor der Entdeckung des Kolumbus chinesische Seefahrer die mittelameri­tanischen Küften besuchten.

Welches verschollene Volf errichtete einft auf der fernab vom Weltverkehr einsam in der Wafferwüfte des Stillen Ozeans gelegenen Osterinsel die riesigen Standbilder mit einer Art Inschrift, die wie unheimliche Zeugen einer größeren Bergangenheit auf die armfeligen paar Bewohner von heute herabschauen, die stumpf. gleichgültig, ohne Sorge und Erinnerung an ihnen vorübergehen? Wir wissen es nicht