Eine neue öeutsthe Sergbahn.Von Max N i e r i ch.Wir hatten uns vorgenommen, die neue Thüringer Bergbahnim oberen Schwar�atal zu besuchen. Sie heißt„L> b c r w e i ß.bacher Bergbahn" und gilt als die steilste Bahn der Welt.Zunächst marschierten wir von Blankenburg aus durch dasuntere Schwarzatal, das noch bis vor kurzer Zeit eine besonderePerle für Fußwanderer war: denn kein Auto, keine Krafträderdursten durch dieses prächtige Tal fahren. Für das Verbot ist dieWanderwelt dem feinsinnigen Thüringer Wanderer und Lebens-künstler T r i n i u s, der es vor langen Zeiten bei den Behördendurchgedrückt hatte, stets dankbar gewesen. Leider ist die vernünstigeund hier durchaus wohltätige Maßnahme in letzter Zeit durchlöchertworden: denn heute können die Motorräder die Fahrstraße be-nutzen. Sie sausen denn auch mit Stolz und höchster Schnelligkeildurch das liebliche, in tiefem Tannenfrieden liegende, bisher wie«ine Jungfer behütete Tal. Die fjimbeer-, Haselnußsträucher, dieHolunderbüsche und saftigen Erlenzweige werden auch bald ver-stauben und verdrecken.Die Schwarza, das kleine, muntere Büchlein in dem felsigen undgigantischen Tale ist aus alten Zeiten als ein goldführender Te-birgsfluß bekannt. Winzige Goldspuren soll man noch heute finden:die Ueberbleibsel der ehemaligen Goldseifen sind jedenfalls noch zuentdecken. Früher lohnte sich das Geschäft des mühsamen Gold-waschens— heute, wo Milliardenwerte für„Reparationen" und„Retorsionen" von der deutschen Republik bereitgestellt werdenmüsien, wäre es Sisyphusarbeit, im Schwarzatal Gold zu waschen.Heute waschen Wandervögel ihre Beine, Taschentücher und Töpfedarin— und wenn sie von Berlin sind, machen sie einen„Wannsee"-Laden auf.—Nach einsamer Waldwanderung kommen wir zum Trippstein:von seinem Borkenhäuschen ist der Blick auf Schwarzburg, seineTäler und Berge überraschend schön. Ein Naturgemälde vonimpressionistischen Farben, dos von keiner Dishannoni« gestört wird!Die Naturszenerie, die sich hier zusammengestellt hat, ist wohl dieschönste des ganzen Thüringer Landes.Das obere Schwarzatal wird nicht so viel von Wanderern auf-gesucht. Nur die Eingeweihten wissen es zu schätzen. Hinter Sitzen-darf wird das Tal lehr lieblich und hat Stellen, die kaum schönerzu treffen sind.Zwischen den Stationen Sitzendorf und Mellenbach-Klaußbach,auf der Strecke R o t t e n b a ch— K a tz e n h ü t t e, liegt die neu-erbaute Oberweißbacher Bergbahn, die st eil st e Bahnder Erde Die Bergstrecke der Bahn ist HOO Meter lang und hatdurchschnittlich 1 Meter Steigung auf 4 Meter Schienenlänge. DieBahn, die schon vor dem Kriege projektiert war, ist von den Berg-gemeinden Lichtenhain, Oberweißbach, Cursdorf und Deesbach unterLeitung des Dr.-Jng. Beseler in den letzten Iahren gebaut worden.Die untere Station heißt Ob st selber Schmiede, die obereLichtenhain. Wöhrend der Güterverkehr schon aufgenommenist, wird der Personenverkehr(da zur Sicherung noch automatischeBremsvorrichtungen an dem Personenwagen angebaut werdensollen) erst in etwa 6 bis 8 Wochen offiziell eröffnet werden. DieBahn ist Drahtseilbahn: das Seil ist 40 Millimeter stark und ziehtbei jeder Fahrt einen Wagen auswärts, während der zweite abwärtsgeht. Der eine Wagen ist für die Personenbeförderung, der anderefür Güter. Genau in der Mitte, auf einer sinnreich angelegtenWeiche, begegnen sich die Wagen. Der Personenwagen faßt zirka200 Personen, ist sehr breit und stufenförmig gebaut, um dieSteigung aufzuheben. Für die Güterbeförderung ist am oberenEnde des Seiles ein starker Bock in Form einer schiefen Ebenebefestigt, auf dem immer ein Waggon der Staatsbahn herauf.eschoben und verankert wird. Der Waggon steht also beim Fahrenortzontal Ein Motor von nur 120 L8 ist für den Kräfteausgleichnotwendig. Die Fahrt dauert zirka II Minuten, so daß die Wagenetwa 2,1 bis 2,5 Meter pro Sekunde fahren. Die Schnelligkeit sollerhöht werden.Die Güterwagen werden also direkt von der Staatsbahnstreckedes oberen Schwarzatales unter Zuhilfenahme einer Drehscheibeauf den Hund oder Bock der Bergbahn gerollt. Die Personen müsseneben umsteigen.Wer oben auf der Station Lichtenhain ankommt, brauchtnur aus dem Bergbahnwagen in den Triebwagen(mit elektrischerOberleitung) umsteigen und kann noch zu den vier Berggemeinden«eiterfahren.—Nach Besichtigung der Anlagen aus dem Bahnhof ObstfelderSchmiede steigen wir— während der Betrieb munter funktioniert—an der Bahn entlang aufwärts. Dieser steile Ausstieg ist beschwer-lich und kostet Schweiß. Und wir begreisen erst, was für Kraft durchdie Bahn gespart wird. Alle Güter mußten bisher durch Tragenoder umständliches Fahren heraustransportiert werden. In letztenZeiten benutzte man dann Lokomobilen: indessen war auch dieserTransport umständlich und hatte seine Schwächen.Das Dörfchen Lichtenhain oben macht einen ärmlichen Eindruck:die kleinen Schieferhäuschen sind nur primitiv gebaut und notdürftigeingerichtet. Es war ja bisher auch nicht so leicht, Baustoffe undGebrauchsgegenstände von den Stationen Sitzendors und Mellenbachzu erhalten.„ Aus der Bergstation Lichtenhain zeigt uns ein Techniker dieBaulichkeiten, die Kraftanlage, den Hochspannungsraum, den Führer-stand usw Im Führerstand lag ein zerrissener Bolzen von zirkaov Millimeter Durchmesser.Es wurde nämlich, um die Tragfahig-reit des Drahtseiles und die Zuverlässigkeit der Kuppelung zu prüfen,eine Zerreißprobe gemacht. Drahtseil und Kuppelung wurden mit20000 Zentner belastet: bei dieser Ueberbelastung erwies sich dasMaterial und der Wogenanschluß als solide und sehr haltbar: DasSeil und die Kuppelung blieben unversehrt: der starke, für die Probezwischengesetzte Bolzen indes zerriß glatt im Querschnitt. Für dentjall aber, wo das Seil doch einmal reißen könnte und der furcht-bare Absturz der Wagen die Folge wäre, ist auch Sicherung ge-schaffen. Sinnreiche Bremsvorrichtungen werden— wie schon an«gedeutet— noch hergestellt.Bon der Hochfläche hielten wir lange Ausschau. Ein prächtigerRundblick, weit in das Thüringer Land hinein und nach den höchstenSpitzen des lieblichen Wald- und Berggebiets, wird jedem beschert.der hier oben wandert.Nachdem wurde uns liebenswürdigerweise gestattet, in demimmer noch leerfahrenden Personenwagen der Oberweißbacher Berg-bahn eine Abwärtsfahrt mitzumachen. Der Wagen fährt ruhig undsicher, und man bekommt gar nicht das Gefühl, daß die Fahrt mitGefahr verbunden ist: Sondern wird bestärkt in dem Gedanken, daßhier ein neues, wichtiges Wert der Ingenieurkunst seiner Vollendungentgegengeht.-- Der Wagen steht: wir steigen auf den treppenförmigenPerron und nehmen Abschied von der kühnen technischen Arbeit.—Auf der frischen Wiese des Schwarzatales zirpt und summt es,vom Fichtenabhang dringt würziger, harziger Geruch herüber. DieSchwarza rauscht und gurgelt leise in ihrem steinigen Bett.Das Klavier.Von Maria Horn.Nun stand«s vor ihr, das geliebte und so lang ersehnteInstrument.Der Wunsch wurde in ihr laut im zarten Kindesalter, dieErfüllung kam ihr im Sommer, vielleicht im Hochsommer de»Lebens. So schmerzlich sie es damals als Ktnd auch traf, hinteranderen, bessergestellten Spielgefährtinnen stehen zu müssen, be»griff sie doch, daß man sich eines Klavieres wegen nicht in Schul-den stürzen konnte, und daß die anderen Geschwister nicht zurück-stehen durften. Ja. sie sah es«In und hoffte imgier im Stillen,daß sie sich sebst einmal ein Klavier kaufen würde, sobald sie zumGeldoerdienen gekommen wäre.Kinderträume.Die blonde Frau am Klavier seufzte.Als Frau kam sie auch noch nicht dazu.Erst mußte Frau Paula Behrens ihr einziges, zartes Kind zueinem blühenden, kräftigen Wesen heranziehen, dann erst konnteman ein bißchen an sich denken. Als es so weit war, kam derWeltkrie.g Der brachte Gram und Sorgen um die Lieben dadraußen und daheim mit sich.Wie kann man an Musik denken, wenn man um vier Brüderzittert, von denen der eine für immer blieb und ein anderer krankheimkehrt«: wenn man täglich auf die Einberufung des Manneswartete und um das Leben des Kindes abermals bangen mußte.Und dann die Nachrichten aus der Heimat, in jeder Familiewar Trauer. Junge Männer waren es, Söhne des Volkes, jung,gesund und ehrenwert.—Sie hätte aufschreien können vor Schmerz, wenn sie Musikhört«, sie fldh vor ihr.Die Revolution riß Paula aus dumpfem Grübeln, und derdumpfe Druck, der auf vielen Gemütern lastete, löste sich allmählichund die befreiten Menschen bauten sich neue Ideal«: man politt»sierte, trieb Sport und Musi/ in nie gekannter Weise.Als neben und über ihr musiziert wurde und ihr Kind auchan dieser edlen Kunst teilhaben wollte, da erwachte auch in ihrdie alt« Sehnsucht.Und nun stand es vor ihr, das seit Jahrzehnten ersehnte, dastote und doch so lebensvolle Wesen. Sie umschlang es und strichbehutsam wie über Samt die Tasten entlang. Im Traum hattesie es schon immer besesien. Meistens trug sie daraus vor einemgroßen Publikum etwas vor und blieb— stecken.Ach nein, 1o hocb wollte Paula nicht hinaus. Den Weg sollteihr Kind gehen, wenn es wollte und die Begabung mitbrachte.Ob es für sie überhaupt nicht schon zu spät war? Schlank undgelenkig waren zwar noch ihre Finger— ob sie aber aushielten,wenn schwerere Stücke kamen— wer tonnte das wisien, Beethoven,Wagner und die großen Meister alle hätte sie für ihr Leben gerngespielt.Aber noch wollte sie nicht verzagen. Jetzt konnte sie wiederhoffen, wo sie endlich so weil war.Damit aber in dem Becher der Freude kein bitterer Tropfenfalle, will sie dem schwächlichen, blassen, reichbegabten und fleißi-gen Knaben der Nachbarin, der seinen Bater im Krieq verlor unddessen Mutter, die vor Gram und Entbehrung schwindsüchtigwurde, den gleichen Genuß gewähren und ibn im Klamer-spiel mitunterrichten, so wie sie es kann und selbst lernt.Und morgen wollen sie alle drei beginnen.