Der �Zerfall" öer Welt. Von R. H. F r g n c e. Wer hötte sich nicht schon gewünscht, in seinem Leben der Zeit- genösse großer und wclwmqestaltendcr Ereignisse zu sein. Man malt es sich aus, wie man zu den Ersten gehört hätte, die von der kulturumwiilzenden Bedeutung des Buchdrucks gepackt, ausgewühlt und erschüttert von dem Brand der Geister in der französischen Revolution, aufs mächtigste interessiert durch die ersten Nachrichten von der Entdeckung Amerikas , sich in den Dienst der neuen Ideen und Möglichkeiten stellen und Vorkämpfer einer neuen Zeit sind. Ein solches großes und weltumgestaltcndes Ereignis hat vor wenigen Iahren stattgesunden, spätere Jahrhunderte werden uns glücklich preisen, daß wir derartiges erlebt haben, und sie werden die Gewiflenssrage an uns stellen, wieviel wir denn davon oer- standen haben. Und wir? Soweit in späteren Jahrhunderten über- Haupt noch Spuren unserer Tritte vorhanden sind, wird die Nach- weit lächelnd und verzeihend genau da» gleiche feststellen, was wir von den Menschen jedes vergangenen Jahrhunderts wissen, daß die „Zeitgenossen" niemals ein« Ähnung davon haben, was das bedeutet, was soeben ihre geistigen Führer und die weltumgestaltenden Geister tun, daß sie stet» das wichtigste übersehen, ihr cherz und ihre Hoffnungen aber an Nichtigkeiten hängen, die schon binnen Jahrzehnten im Nicht» aufgehen. Da» Geist-, Kultur- und Zeitumgestaltende. das ich mein«, ist die Entdeckung des Radiums. Gewiß, es hat ungeheures Auf- sehen erregt, als um 18SS die ersten Nachrichten darüber in die Welt gingen, aber es war ein Aufsehen, das man allen Merkwürdigkeiten entgegenbringt: der Erreichung der Erdpole, der Besteigung des höchsten Berges oder der Auffindung neuer Goldfelder. Man wun- derle sich über diese merkwürdigen strahlenden und zerfallenden Stoffe und ging dann zu Dingen über, die nützlicher schienen. Es gibt erst ganz wenige Köpfe, denen es heut« schon klar ist, daß das Radium das gesamte Menschenleben, die Kültur, die Technik, die Weltanschauung, das Denken noch ganz anders umge- stalten wird, als einst die Buchdruckerkunst, die Entdeckung eines Weltteils oder eine politische Revolution. In aller Stille, gewissermaßen ganz verborgen vor den Augen der Menschen, vollziehen sich in den letzten Iahren durch das fort- schreitende Wissen um das Radium große Dinge. Es hat sich jetzt zur Genüg« gezeigt, daß die radioaktiven Stosfe zerfallen, daß die„Radioaktivität" sie gewissermaßen zersprengt, aber kein Gegengewicht dazu hat sich bisher finden lassen, dem Zerfall teht keine Möglichkeit von Synthese(Wiederaufbau) gegenüber, und o steht man gegenwärtig vor einem Dilemma, dessen Folgen ein» ach unausdenkbar sind. Entweder es gelingt, aus den Gasen, in die alle strahlende Materie zerfällt, wieder Elemente von festerer Beschaffenheit auf- zubauen, und dann ist das Geheimnis, um das die alten Gold - wacher Verstand, Lebensblut, oft genug das Leben hergaben, in unseren Händen. Dann kann man künstlich Eisen, Kohle, Kupfer, Gold machen. Welche Umwälzung solches bedeutet, braucht man niemanden auszumalen. v Aber man ist meilenweit von solcher Möglichkeit entfernt: e» besteht gegenwärtig gar keine Aussicht dazu. Und so muß die ander« Konsequenz auf da» ernsthafteste er- vrtert werden: Was ist, wenn dem Zerkall der Materie kein Aufbau gegenübersteht? Der Zerfall ist unzweifelhaft: er ist gewissermaßen mit Händen zu greifen. Wenn auch die Angaben über die Dauer des Zerfalles und feine letzten Produkte noch einander wider- sprechen, so ist doch die„Dematerialisation" der Welt«ine bereits heute unleugbare Tatsache. Man frage jeden Physiker oder Chemiker(denn die Radium- frage geht beide an) darum, man lese in der wissenschaftlichen Lite- ratur nach, wo man will. Becquerel meint, daß ein Gramm Radium eine Milliarde Jahre brauche, um zu zersallen, Curie dagegen nur eine Million Jahre: Ruthersord schätzt diese Zeit auf iOOO Jahre, Csooker nur auf ein paar hundert Jahre. H e y d- weiler hat das neuesten» gemesien und fand, daß sich S Gramm Radium in 24 Stunden um 0,02 Milligramm vermindern, da» heißt: ein Gramm Radium demoterialisiert sich in 137 Iahren vollständig. Die Zahlen wechseln, aber keine leugnet die Dematerialisation der Welt. Gibt e» keinen Wiederaufbau, dann kann man nicht daran zweifeln, daß auch die Materie stirbt. Wir wisien nicht, wa» au» ihr wird. Für unser« Unten fuchungsmethoden verschwindet die strahlende Malerte in Nicht», womit natürlich t«ine»weg» gesagt ist, daß sie nichts wird. Aber die Unzillängtichkeit unseres vrbeitskönnen» gibt uns nicht die Mög- lichkeit, diese»„Nichts" wieder in etwas zu verwandeln. Wenn sich nun die Behauptung, die der französische Forscher G. L e Bon ausstellt und die ohnedies, angesichts der nicht mehr dezweiselten Unwandeldarteit der Elemente, mehr al» Wahrschein. lichkeit für sich hat, bewahrheitet und all« Substanzen radioaktiv sind oder werden können, dann steht der sinnende Menschengeist vor der erschreckenden Tatsache, daß alle» in»..Nicht»" hinübersließt. Da» ist die Sachlage, welch« die Chemie von heut« vor dem Denker ausbreitet. Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist die Welt»in rhythmische» Pendün von materiellem Werden und Vergehen. Und dann wird der Mensch eine» Tages die Zauberformel in Händen haben, um alles zu machen, wa« er braucht. Oder der Weltprozeß hat, soweit er„Dielgestaltigkeit" und Körperlichkeit ist, nur«nne Nichttmg, nämlich die des Zerfalls. Dann ist unsere �technisch« Lage" auf die Dauer hoffnungslos, und man muß sich«n den Be» griff eines Weltunterganges gewöhnen. Ein drittes gibt es nicht. Die allergrößten Dinge und Um, wälzungen gehen im Menschengeist in diesen Iahren vor sich: wir sind Zeitgenosicn von Entdeckungen, deren Tragweite gar niemand ermesien kann. Und alle Welt läuft dem kleinen Spielzeug de» All- tags nach. Manchmal- bleibt einer besinnlich stehen und sägt unver- nünstig und seufzend: Wie schön wäre es gewZen, damals zu teben, al« noch große Dinge der Menschen Kopf und Herz bewegtenl Neöeblüten. Von Fritz Müller, Chemnitz . Ein Redner sprach statt von einer Sisyphu»- von einer Siphi- l i» arbeit und wünscht«, daß nun endlich D i r« k t r i e« n sDirek- tiven) für die beiden Inspektoren des Kinderheims geschaffen«ü»- den.—„Der K a t a st« r gehorsam hat nun ein Endel" verbündete gleich nach der Revolution ein Beamter seinen Kollegen.— Et?» anderer sagte, das letzte Mittel vor dem Streik fei die passiv« Rest» d e n z I— Ein sonst sehr tüchtiger Redner, der einen Ministerpost«,» bekleidet, meinte einmal,»venn die Arbeiter und Beamten so hohe Steuern bezahlen müsien, sollen auch einmal dl«, deren Einkommen viel höher ist, ihren Obolus ö f 1 n e n.— Ais ein Debatteredner sich gar zu viele Kalauer leistet«, hielt ihm der Versammlungsleite» vor:„Mit solchen Landauern langweiligen Sie nu» die An- wesendenl" Vom Haushaltplanetat und von Lotumsvvr» sch lägen hört man oft sprechen. Beide» aber tst falsch, da Etat bereit» Haushaltplan und Votum schon Vorschlag bedeutet. Merkwürdig muß e» im Magen der Bewohner von Annaberg i. Sa. aussehen, wenn— wie einmal gesagt wurde ihr« Haupt» nahrung in Posamenten besteht.— Ein Stadt verordneter führte, als er gegen die Verstadtlichung der Müllabfuhr sprach, fol» gende» aus:„Vedenken Sie doch, daß viel« Prioatfuhrleute ihr Brot in den Müllkästen finden I"— Allen Ernstes wurde einmal oerlangt, weibliche Angestellt« sollten nicht vom Stadtarzt, sondern von einer weiblichen Aerztin untersucht werden!— Da» erinnert an folgende Stell« aus einem Bericht über ein« Stadtver- ordnetensitzung:„Dann entspann sich zur allgemeinen Erheiterung eine Redeschlacht zwischen dem deutschnationalen Fräulein Br. und unserem Genossen M„ beides Junggesellen!"— Zwei Frauen, die aus dem Etadtoerordnetenkollegium ausschieden, rühmte der Vorfteher nach, sie hätten wacker Ihren Mann ge» st a n d e n I— Von einem Entwurf, den man sehnsüchtig erwartet«, wurt>« gewünscht, er solle nun endlich einmal da« Licht der Drucker- schwärze erblickenl—„Alle» Ist teuer geworden, alle» was wir anziehen, von der Fußsohl« bis zur Hutspitzel" führt« ein Redner bei einer Interpellation über Teuerungemaßnnhmen au» und sagt« dann einem, der ihn beständig unterbrach, nun wolle er mit ihm ein Hühnchen pflücken.—„Ich habe einen breiten Rücken und werde auch diese Vorwürfe schlucken!" int- gegnete ein Stadlrat einem Stadtverordneten, der sich über verschie- den« Maßnahmen des Jugendamtes aufregt«.— Der Feuerwehr - dezernent hingegen wünschte, die S ch a t t« n, die sich auf das Feuer- wehrwesen gelegt haben, möchten zur allgemeinen Zufriedenheit ge- löscht werden!— Sie wäre bei einer Gasvergiftung mit einem blauen Auge davongekommen, behauptet««ine Rednerin und fuhr dann fort:„Sie werden mit den Gassperrzeiten den Krug solange zu Wasser gehen lassen, dl« er in den Brunnen fällt 1" — Schlimm muß es um da« Deutsche Reich bestellt sein, wenn— wie einmal behauptet wurde— die gegenwärtige Finanzlage nicht mehr der stolze Adler von»Hedem ist, sondern einem P l « I t e g« i e r gleicht, den man bi« auf« Hemd ausgeraubt hat.— Ein anderer Redner stellte in Aussicht, die Steuerschraub« werde noch so st eigen, daß unter der La st de» Cteuerzettel» der größte Teil der Bevölkerung zusammenbricht.— Al» man abermals von ihm verlangle, er solle für die Fortbildungsschule Zimmer freimachen, die der Volksschule gehören, rief«in Volksschul - dezernent entrüstet au»:„Fohren Sie nur so fort! Nehmen Sie un» einen Raum nach dem anderen! Dann hat die Volksschule nicht» mehr, wo sie ihr Haupt hinlegen kann!"— Derselbe Herr schloß einmal die Aussprach« über einen Punkt vorläufig und meint«, wetter« Wortmeldungen hätten trotzdem da» Recht, sich bemerkbar zu machen.—„Da wahrscheinlich heut« abend die Sünden der Kapitalisten noch öfter gegeißelt werden," führt« in einer Versammlung«in Fabrikdirektor au»,„möchte ich darauf aufmerk- som machen, daß der Betrieb, dem ich vorstehe,»in ehrliches Unter- nehmen tst. Ich bitte energisch darum, ihn nicht mit anderen ähnlichen Schwinbelfirmen zu verwechseln!"
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