Immer hatte Stine zu tun. Da war z. B. die Kathrin. Die hatte ihre zwei Kinder genommen und war von ihrem Mann gegangen, weil er ein Säufer war. Jetzt hatte sie von einem anderen Mann ein Kind und arbeitete nun bei den Fischen. Die Kathrin war hart enttäuscht, ewig müde und daher schlampig geworden. Ihre drei Kinder liefen immer in schmutzigen Kleidern und zerriffenen Strümpfen. Da nahm Stine Olimanns Nadel, Faden und Stopfgarn und benähte und beflickte die Kinder.„ Kathrin, ich nehme dir die Arbeit ab," sagte sie einfach und bestimmt. Kathrin ließ fie gewähren, aus Müdesein heraus, doch tat die Fürsorge und die Freundlichkeit ihr so wohl, und bald schlossen die beiden Frauen Freundschaft miteinander.
Geinen je jahen. Kein Wunder, daß sie diesen Eingeborenen des| tobenwollen der Lebensgier. Das Leid hatte Stine Ditmanns reifen Südens als eine Meeresgöttin erschien, zumal dle We Ben in der und vorurteilsfrei werden lassen, ruhig ging sie ihren Weg und Borstellung der Kopfjäger von Formosa als erhabene und mächtige war im Bedarfsfall stets zur Stelle. Wesen fortleben, eine Erinnerung an das goldene Zeitalter der In el", das in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter der holländischen Schuhherrschaft bestand. Damals sind sie gut behandelt worden, und so hat sich eine Ueberlieferung unter ihnen erhalten, nach der die Geister der großen weißen Bäter von einst" ein mal wiederkehren würden. Bei einem Bolt, bei dem tas Mutter recht gilt, fonnte es nicht verwundern, daß der Geist eines solchen guten Holländers in Gestalt emner Frau zu den Menschen herab fticg. Die Kopfjäger haben nach dieser kurzen Herrschaft der Holländer ein trauriges Schicksal gehabt. Die belgische Herrschaft am Kongo , die wegen ihrer Grausamteit berüchtigt ist, erscheint men'chenfreundlich und gefühlvoll verglichen mit der Art, in der die Chinesen auf Formosa wüteten. Sie waren, wie die Verfasserin erzählt, von einer geradezu unglaublichen Grausamkeit, drängten durch Niedermezelung, dann wieder durch List und Betrug die Eing borenen in die Gebirge des Inneren zurück oder beschränkten sie, wie es heute die Japaner tun, auf die unfruchtbare, schlechtbewäfferte Meerestüste, während sie als die Herren sich das beste und fruchtbarste Land sicherten. Die Japaner folgten den Chinesen in der Herrschaft auf Formeso nach dem chinesisch- japanischen Krieg 1895, aber den Leuten der Insel geht es deshalb nicht besser, und sie sine heute ein armes, elendes Böllchen, das viel mehr Mitleid als Schr den einflößen kann.
Stine Oltmanns fümmerte sich auch um das Dienstmädchen von Pastors. Das hatte früher einmal gestohlen und darum im Gefängnis gefeffen. Nun hatten Pastors, ein Geistlicher muß doch stets die verzeihende Liebe verkörpern, es aus Gnade und Barmherzigkeit aufgenommen. Sie trieben die Fürsorge gar so weit, daß sie das Dienstmädchen an den abendlichen Epaziergängen, die fie am Bollwerk zwischen Heringstonnen und Seifenkisten vollführten, teilnehmen ließen. Dabei ging der Herr Pastor stockstelf und schnauzgesichtig wie ein im Dienst ergrauter föniglich preußifcher Gefangenenaufseher, und die Frau Bastor war ganz von sich selbst gerührte Milde und verdrehte den Kopf wie ein Huhn, das eine falsche Schluckbewegung gemacht hat. Stine Oltmanns war von erstaunlicher Offenheit. Sie erklärte furz und bündig, der ganze Kram paffe ihr nicht, fuhr in die nächste Stadt, wo niemand das Mädchen kannte und suchte ihm dort bei verstehenden Leuten einen passenden Dienst.
Frau McGovern . die lange Zeit unter den Formosanern lebte, hat sich in diese Kopfjäger geradezu verliebt. Die furchtbare Sitte, nach der fie ihren Namen haben, erscheint in ihrer Darstellung ganz harmlos. Für den Eingeborenen ven Formosa ist die Kopfjagd eine altgeheiligte Sitte, wie etwa für ten mitt falterlichen Abdligen der Ritterschlag. Dieses Kopfab chneiden ist durch strenge Geseze geregelt und wird nach einem„ Anstandsfoder" ausgeübt, wie ihn Der Gentleman zivilisierter Gebiete ähnl ch besitzt. Aber die Leute von Formosa verstoßen viel feltener gegen diese Gesetze als die abendländischen Gentlemen. Das einfache und friedliche Leben der Dem Kaufmann Graewe paßte sie auch auf die Finger. Der Ropfjärer steht in einem geradezu idealen Gegensatz zu dem vielfach war ein Geizhals und ein unbeherrschter Mensch, der sich berechtigt schmutzigen und gemeinen Benehmen der Japaner, die sie beherr- fühlte, seine schlechte Laune immer an jemandem auszulassen. Als fchen. Niemals fängt ein Eingeborener von Formosa mit feinen Opfer war aus Bequemlichkeits- und Gewohnheitsgründen meistens Stammesgefährten Streit an, niemals denkt, er an Privatrache, wie fehr er ouch gereizt sein maq. Schloß und Riegel sind unter ihnen der Lehrling ausersehen. Stine Oltmanns trat für den mißhandelten unbekannt, denn niemand stiehlt, und jeder ist mit dem zufrieden, Jungen ein. Und wenn Kaufmann Graeme wortreich von Er. was ihm die Allgemeinheit zubilligt. Als Frau McGovern ihren ziehungsnotwendigkeiten usw. erzählte, ftemmte Stine Oltmanns Wirten unsere wirtschaftlichen Verhältnisse auseinanderzusetzen ver- nur resolut die Arme in die Hüften. Der Kaufmann fürchtete Stine fuchte, da verstanden sie sie nicht, denn es schien ihnen ganz unbe- als Stück lebendige Deutlichkeit, er war zurückhaltender mit seinen greiflich, wie einer mehr nehmen fönne als der andere, es sei denn, schlagenden Beweisen und litt es zu guter Letzt, daß der Lehrling, dah der andere durch schlechtes Benehmen seinen Anteil verwirkt meil der Junge noch im Wachsen war, fich täglich eine Stulle von hätte. Was Menschenfreundlichkeit, Reinheit der Sitten, Wahrheit Stine holte. anb langt, so fann es nach diesen Erfahrungen unsere vielgerühmte westliche Kultur auch nicht im geringsten mit dem Leben der Kopf jäger aufrehmen. Che cheidung ist ebenso unbekannt wie der Bruch eines Verlöbnisses, und Prostitution er stiert hier nicht. Freilich wirkt die Photographie des„ Schädelberg's" in dem Dorf, in dem die Berfasserin wohnte, etwas unheimlich. Aber das ist nun einmal doch Sitte: fein Kopf, teine Frau. Der Jüngling muß sich seine Stellung in der Gemeinschaft, fein Recht auf Familie durch die Er legung eines& indes erobern, dem er nach einem ganz bestimmten Ritus den Kopf abschneidet. Aber diefe Hauptfitte der Eingeborenen ist start im Abnehmen, ist ein ver chwindender Eport, und die Stämme find bereits so weit, daß sie den Kopf eines Mannes durch ten eines Efels erf Ben. Der glückliche Jäger eines Wildes genießt heute schon fast diefelben Ehren wie früher der Jäger eines Kopfes, und so schwindet diese Sitte mehr und mehr...
Stine Oltmanns.
Bon Erna Bilfing.
Stine Oltmanns hatte schon, bevor sie dreißig Jahre alt wurde, dide weiße Strähnen in ihrem sonst pechschwarzen Haar. Sie hatte Mann und Kind in einer Woche verloren, und deshalb drückte das Herzeleid ihrer Gestalt seinen Stempel auf. Der Mann blieb auf See, und das Kind starb an einer tüdischen Krankheit. Da fraß der Kummer an ihrer Seele und etwas Schlaffes fam in Stines gefunden Körper. Doch fie raffte fich auf, in bitterschwerem Alleinfein tämpfte sie sich durch und legte sich schließlich flar und deut lich die Frage Dor:„ Soll es denn nur eine Bergangenheit für mich geben?" Und ebenso flar und deutlich wußte sie die Antwort, und die lautete: Rein." Stine begriff, du bist ein Teilchen der Allgemeinheit, fonderst du dich von ihr ab, beraubst du dich selbst, lebst du nur deinem Schmerz. wirst du zuletzt falt und eigennüßig. Gewinne jedem Lag seine Werte ab, erfreue Menschen, sie haben die Freude so nötig. Diese Beharrlichkeit im Freudemachenwollen, die Treue im Kleinen, die Ausnutzung diefer ewigen Kraft, die im Frauentum schlummert, wurde ihr Wegziel.
Stine Oltmanns lebte in einer Heinen Hafenstadt, die, je nach Windrichtung und Echiffsladungen, abwechselnd nach Teer und Hellhörig und Häuten, Seifen, Heringen und Petroleum roch. Scharfäugig ging fie durch diese Stadt, die angefüllt war von Ge mütlichkeit und Klatsch, bürgerlichem Bravfein und einem Aus
Für alle Menschen hatte Stine Ditmanns ein feines Verstehen. Da war die reiche Walbtraut, ein schwachbegabtes Kind, das durch die höhere Schule gequält wurde. Waldtrauts Mutter war ehr. geizig, wollte mit der Tochter glänzen, Sted deine Nase in die Bücher" waren nahezu ihre einzigen Worte für ihr Kind. Zum Spielen fam das überhaupt nicht. Damit es nicht abgelenkt wurde, schloß die Mutter sogar alle Spielfachen weg. Da taufte Stine Oltmanns ein paar blecherne Kleinigkeiten, und Waldtraut stahl fich zuweilen heimlich von Haus, um mit und bei Stine zu spielen.
Als die große Not über die Menschen hereinbrach fand fle Stine ungebeugt. Die flagte nicht, doch mußte sie von ihren fleinen Freuden eine nach der anderen aufgeben. Gleich einer Schnecke verfroch fle fich in ihr Haus. Blöglich, ohne vorhergehende Rrant. heit, fand man Etine Oltmanns tot.
Vielen unverstandenen Menschen in der fleinen Stadt ist es blitzschnell flar geworden, was Stine eigentlich für sie bedeutete. Der Arzt stellte Herzschlag fest, und über die Todesursache spricht man lebhaft hin und her. Keiner jedoch kommt darauf, daß Stine Oltmanns starb, weil sie nicht mehr schenken konnte.
Der Hauer.
Die breite Bruft schweretmend hingeftemmt, hämmert er Schlag für Schlag die Eisenpflöde in das Geftein, bis aus dem Sprung der Blöde Staub sprudelt und den Kriechgang überschwemmt. Jm schwanken Fladerblih des Grubenlichts blänkert der nadie Körper wie metallen; Schweißtropfen stürzen, perlenrund im Fallen, aus den welf offenen Poren des Gesichts. Der Hauer fummt ein dummes Lied zum Tatt des Hammers und zum Spiel der spitzen Eisen und stockt nur, wie von jähem Schred gepadt, wenn hinten weit im abgefeuffen Stollen Sprengfchüffe dumpf wie Donnerschäge rollen und stockt und läßt die Lampe dreimal treifen. Paul Zech .