Aus Schillere Schreibtisch liege» Blumen— ach, aus Goethes Schreibtisch müßt« man schon bronzene Lorbeerkränze legen— mindestens Das schön«, junge Fräulein slüstert-- verzeiht, aber das schöne, jung« Fräulein sieht nicht ganz vestalisch aus— flüstert zu dem Geliebten, mit dem sie eben in Schillers Kterbezimmer ist: .Ich würde so gern« die Alpenveilchen, dt« du mir geschenkt hast, hinlegen, aber ich glaube, das wäre unzart." Wie niemand hinsieht, steckt dos Fkaulem die Alpenveilchen sehr heimlich in«ine Nische aus der"Treppe. Keiner wird die Zyklamen dort finden: in Iahren werden sie Staub sein. Das Fräulein hatte ein« jambisch« Minute. Dieses Zimmer umschließt das Deutsche Reich und deutschen Reich- tum. Hier ist nationales Reservat. Auf der Straße ein Zeilungsaushang:„Die Franzosen im Ruhr. gebiet: Neu« Gewalttaten!" Di« Franzosen haben das Ruhrgebiet besetzt. Die Franzosen könnten ganz Deutschland besetzen: sie könnten Weimar besetzen. Ab«r sie können nicht Schillers Sterbe- zimmer besetzen— sie können es nicht—
Das vorpariament. Ein« Erinnerung an den Zl. März 1848. vi« Revolution von 1848, die kein« richtige Revolution werden sollte, war in der Idee das Werk von drei Jahrzehnten. Die geisti- gen Führer der Bürgertums sanden allmählich zur Forderung einer allgemeinen deutschen Nationaloersammlung hin. Seit dem Jahre 1889 wurde diese Idee in jährlichen Zusammenkünsten der führenden Köpfe, vor allem Süddeutschlands , gepflegt. Landtagsmitalieder Badens, Hessens Württembergs, Sachsens und anderer Staaten nahmen in diesen gemeinschaftlichen Sitzungen Fühlung miteinander, um den Weg zur staatlichen Einheit Deu'schlands zu finden. Als im Jahre 1847 dies« sährliche Zusammenkunft in Heppenheim an der Bergstraße in Hessen stattfand, war man darüber einig, daß der Schlange Partikularismu» der Kopf abgehauen werden müsse. Mit neuen Treuschwüren, die Sache der Freiheit und der Einheit zu fördern, ging man nach Hause. Neun Monat« später war die fran- zösische Republik geboren. Frische Luft weht« über den Rhein . In aller Eile lronimelten die Bertrauensmänner die alten Zusamnien- künftler nach Heidelberg zusammen, um möglichst rasch in den Gang der Ding« in Deutschland eingreifen zu können. Einundfünszig Männer des Vormärz saßen bereits am S. Mörz in Heldelberg am Tilch und kamen zu folgendem Resultat: Die Regierungen und Völker zusammen müßten die deutsch « Einheit und Freiheit zustand« bringen. Da die alr« Bundesbehörde, der Bundestag, keinen Schuß Puloer wert sei, sei ein« deutsche Nationalversammlung anzuordnen. Bis diese gewählt sei, solle ein« Kommission von sieben Vertrauensmännern erstens eine größere voll- " ständige Versammlung von Vertrauensmännern aus ganz Deutsch « land nach Frankfurt a. M. einladen und zweitens einen Verfasiungs- entwurf für die Wahl des Parlaments ausarbeiten, der dem dann regelrecht zu wählender. Parlament als Verhandlungsbosis vorgelegt werden könne. Diese Siebener-Kommission, von den Radikaleren und schärfer Sehenden später die ,.B ö s e S i e d e n" geiwnnt, arbeitete mit Hoch- druck. An etwa fünfhundert deutsche Kapazitäten erging die Ein- ladung zur Frankfurter Versammlung, der man dann später den Titel„Vorparlament" gab. Am 30. März bereits, noch nicht vier Wochen nach Heidelberg , war dieses halbe Tausend Vertrauens- männer Deutschlands versammelt, darunter bereits alle die, die auch im Hauptparlament hervortraten: Gagern, Reichensperger, Nenedey, Welcker, Mohl, Jordan, Biedermann, Struve, Hecker. Blum, Gervinus , Bafserinann, Dahlmann, die Brüder Grimm , Iocoby, Simon, Uhland usw. Diese» deutsche Vorparlament war ein durchaus revolutionärer Kongreß. Er war nicht durch Wahl zustande gekommen, er maßt« sich— was eben das Zeichen revolulionären Vorstoßes gegen bestehende Mächte ist— autonomisch eine neu« Macht an, die bis dahin noch nicht vorhanden mar. Als dieses Vorparlament am ZI. März 18 4 8 in der Paulskirche, an derselben Stätte, an der die National- »ersainmlunq sieben Wochen später tagte, eröffnet wurde, war die Möglichkeit gegeben, mit einem einzigen energischen MehrhcitS- beschluß die Macht an sich zu reißen. Die deutschen Fürsten wären in diesen ersten Wochen nach den Wiener und Berliner Kämpfen einer solchen Situation nicht gewachsen gewesen. Sogar der Prinz von Preußen, der, wie später sein Enkel, in der Stunde der Gefahr fliehenderweise seinen Mut bewiesen hotte, hatte ln London zu Lunsen das große Wort gesprochen:„Man muß jetzt Demut üben: denn die Throne wackeln." Und der Bundestag hatte einen Revisionsausschuß ernannt und bat um Beiräte Doch es kam anders. Bereits die Eröffnungssitzung bewies, daß an eine einheitliche starke Aktion dieses Vorparlaments nicht zu denken war. In der ersten Stund « prallten Monarchisten und Repu- blikaner zusammen. Doch war diese lachliche Differenz lange nicht so bedeutsam wie die Debatte, die am Nochmittag des 31. März über die Kompetenz der Versammlung und daran anschließend über ihre P« r m a n r n z« r k l ä r u n g stattfand. Geradezu rührend ist es, die stenographischen Berichte zu lesen. Die Majorität dieser Männer, die sich selbst an die Spitze der Einhcits- und Freiheitsbewegung gestellt hatten, grub sich selbst das Wasser ab, indem sie erklärte, lie je i nicht„kompetent", Beschlüsse zu fassen! Sie siegten auch in der Frage der sundomentai-ioichtigen Per- manenzerklärung dcs Vorparlaments, die Hecker in einer scharfen
Rede als A und O der neue« politischen Machtsetzung erkannte. „Wenn wir uns nicht in Permanenz erklären", sagte er. den d e bürgerliche Geschichtsschreibchig glücklich zu einem Phantasten gestempelt hat, mit tiefer Erfassung der politischen Situation,„und nicht die einzige Drohung, die un» aus legalem Wege zu Gebot« steht: die des Beisammenbleibens gebrauchen, so haben wir die Sache der Freiheit um fünfzig Jahre zurückgeschoben." Er wußte, daß in dem Moment, in den, da» Vorparlament wieder auseinander ging, ohne daß die endgültige Nationalversammlung durch Wahl zu- sammengebracht war, der hilflos geworden« Bundestag die Macht wieder in die Hand bekam und die Einzelregierungen erneut ihre partikulorstisch-dynastischen Zwecke voranstellen würden. Mit 388 gegen 143 Stimme» wurde die Permanenzerklärung abgelehnt. Da aber selbst die Kompetenzzweisler ahnten, daß man irgendwie eine Verbindungsbrücke zu ter zu wählenden Nattonalversammiung schlagen müsse, so kam der lahme Kompromiß einer neuen Kam- Mission zustande. Diesmal war es ein Fünfziger-Ausschuß, der die vorbereitenden Arbeiten für die Nationalversammlung besorgen sollte. Man war also im Grunde nicht einen Schritt weiter g«. toinmen als in Heidelberg , als man noch sechs Tagen, am 4. April, das Vorparlament schloß. Man war zu einem großen revolutionären Schlußakt nicht gelangt. Dies sollte bittere Folgen haben. Als am 18. ütöai die auf Anordnung des Bundestags durch Wahl zustandeaekommene Ratio- n a l v e r I a m m l u n g in der Paulskireh« eröffnet wurde, hatten sich die Fürsten von ihrem ersten Schrecken längst erholt. Preußen und Oesterreich tchlossen den schimpflichen Vertrag von Malinö, den das Parlament nicht anerkennen wollte. Preußen und Oesterreich. auf ihre Armeen gestützt, kümmerten sich den Teufel um den Protest de« Parlaments. Friedrich Wilhelm lehnte die angetragene Kaiser - kröne ab, da er sie nicht von Volkes Gnaden, sondern nur aus den Hände» seiner Gottesgnadengenosien annehmen wollte. Ansang November war die kroatisch« Soldateska Herr von Wien , am 19. November zog Wrangel in Berlin ein. Der preußische Landtag flog in die Lust. Ein halbe» Jahr daraus folgte ihm die National- Versammlung. Die Reaktion stand Mitte 1849 bereit« wieder m schönster Blüte. Frühlings Crwachen ln öer Tunöra. Bon E. M ir s k y, Ieniffeisk. Di« Natur bereitet sich auf den Frühling vor. Das heißt sür euch in deutschen Landen; nun grünt bald Wald und Wiese und duften bald die Blumen und enthüllen ihre Farbenpracht, nun hallt bald Feld und Hain vom lustigen Gesang der Vögel. Nicht überall hat der Frühling ein solches Gepräge, sondern ein traurig- melancholischer Frühling ist es, ein Frühling, der nicht zur Freude komme» kann, weil ihm kein richtiger Sommer folgt, weil da, wo in Deutschland eine höhere Wörme mit ihrer reifenden Kraft ein- zieht, bei ihm schon wieder, Ende Juli, das Eis einsetzt— der Frühling der Tundra. Die Tundra uinfaßt den ganzen Nordrand Sibiriens , der aller- ding» noch nicht zur Region des ewigen Eises gehört, abet ihr doch sehr nahe verwandt ist, ein Gürlel, der eine Breite von mehreren hundert Kilometern hat. Immerhin einen Frühling hat auch die Tundra, besonders im Vergleich zu ihrem Winter. Denn im Winter ist sie nur eine unabsehbare Wüst« von Schnee und Eis, ein Reich des Schreckens und des Todes. Wo die Kälte häufig schon im September da» Quecksilber im Thermometer derartig gefrieren macht, daß e» gehämmert lverden kann, da erstirbt alle» Pflanzen- leben, und nur wenige Tierarten, die spezifischen Tiere de» äußer- sten Nordens, wie Rcnntiere, Baren, Wölfe können sich halten. Aber auch sie sühren ein karges Leben, und wehe ihnen und weh? noch mehr dem Jäger— die Samojeden, wie olle die übrigen Rand. Völker, die Ostjaken, Tungusen, Jakuten sind Jäger aus Not—, der ooltt wilden Steppenschneesturin ersaßt wird! Wer»In Bild von der Gefährlichkeit solcher Schneestürme, selbst in weit südlicheren Gegenden Rußlands , erholten will, leje nur Tolstois kleine Erzäh- luiig„Der Schneesturm", und diese„Metjeli" sind nur die kleinen Brüder von dem sehr, sehr großen Steppenschneesturm. Mensch und Tier sind unrettbar verloren. Doch auch ettvas wahr hast Schöne». Erhobenes birgt die winterlich- Einöde der Tundra. Es ist ein herrliches Schauspiel, ivenn das hier so häufige Nordlicht seine Strahlengarben über den dunklen Nachthimmel wirft und die groß» Schneewüste in Purpur und Rubin funkeln läßt. Der Frühling wirkt indes Wunder auch in der Tundra. Der Schnee löst sich, der Eisponzer wird gesprengt, die Todesste>rre ge- brachen. Die mächtigen Flüsse, wie Ob, Ienissei , Lena, die mehrere Meter tief gefroren waren, zerbersten ihre l�ismassen und fluten wieder in starkem Laufe. Der vereiste Moorböden beginnt zu tauen, fre.iich nur einige Zentimeter tief: weiter reicht die Kraft der Sonne nicht. So können die geschmolzenen Schneewasier nicht in die Tiefe dringen und es bleiben Seen, größere und kleinere. Tümpel, Rinn- sale, Sümpf- Zliruck. Aber da, wo das Wasier nicht steht, treibt die Natur zur Blüte. Freilich da» Auge sucht vergeblich nach einem grünenden Baum oder auch nur nach einem höheren Geskränch: die setzten Wurzeln voraus, welche weiter in die Ties« dringen, und daran hindert, wie gesagt, da» sich nie auslösende Grundeis. Doch der Frühling will sein Recht, die unabsehbare Fläche bedeckt sich, soweit sie eben Land ist, mit dichtem, leuchtendem Moos, mlt Gros, darunter viel Wollgras, mit Flechten an dem nackten Gestein, mit bunten Blümchen: an festeren Stellen wächst der höher« Wachoi- der, tauchen Sträucher mit kleinen Beeren aus, steht niedriges Ge-