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Ein technischer Uebermensch.

Bon R. Francé.

diese Explosion von Einfällen in einem Kopf, für diese Uebers schwemmung mit Ideen, die aus ihrer Zeit ganz unerklärbar sind, und mit ihr in gar keiner Weise zusammenhängen.

Man beachte nur einmal Folgendes: Alles, was Leonardo Man hat als das größte Erfindergenie aller Zeiten den Ameri- zur Hand nimmt, wird die Quelle von Erfindungen; jeder Gegen­faner Th. Edison bezeichnet, nicht wegen der Bedeutung seiner stand, dem er sich zuwendet, zeigt ihm neue Seiten und Möglich­Erfindungen, sondern wegen der großen Zahl erfincerischer Ideen feiten. und der technischen Bielseitigkeit dieses Kopfes. An sich bereicherten ihn da und dort eine neue Anwendungsmöglichkeit erblicken lassen, Es find also nicht Einzeltenntnisse und Erfahrungen, die ein Liebig durch die Erfindung des Kunstdüngers, oder Solvay   sondern es muß eine alles umfassende, grundlegend neue Idee sein, durch seine Verbefferung der Sodafabrikation oder aber durch in deren Licht ihm die Welt so verwandelt erscheint. den Luftstickstoff die Menschheit mehr als Edison, dessen Kopf Sucht man nach dieser einheitlichen Idee, die ihm die Augen die Erfindungen entsprangen, wie man Telegraph, Telephon, Mikro- so hellseherisch öffnet, entdeckt man bald eine Verwandtschaft mit phon, Glühlompe, Phonograph und Kinematograph verbeffern fönne. einer ähnlich universellen Bewegung der Gegenwart. Trotzdem aber muß unser Geschlecht den Ruhm, das besonders erfindungsreiche zu fein, abgeben an eine Gestalt langvergangener Jahrhunderte, deren festgefügter Ruhm auf ganz anderen Gebieten längst feststeht und die gewissermaßen nur als Liebhaber den tech­nischen Erfindungen nachging.

Das ist der Italiener Leonardo da Vinci  , wenn man dem merkwürdigen Buche vertraut. das der bekannte technische Schriftsteller F. M. Feldhaus  ) über ihn als Erfinder in die Welt sendet.

Leonardo   war Naturforscher und ein ausgezeichneter Natur­tenner, der denkend nach der Dinge Wesen trachtete, und als solchem ging ihm eine der großen Wahrheiten des lebendigen Seins auf. Daß die Natur das Vorbild der Schaffenden sein muß. Mit anderen Worten, daß die technische Leistung nur auf einerlei Weise zustande kommen fönne und oft genug schon von einem Lier oder einer Pflanze oder einer Naturerscheinung bereits verwirklicht sei, diesen Vorbildern daher nur nachgemacht zu werden

brauche.

Gewöhnlich wird diefer 1452 geborene Künstler ols Maler be­Man nennt diese Denkungsart heute Biotechnik und aus zeichnet und wenn man seine durch den seinerzeitigen Diebstahl noch ihr quillt gerade in den letzten Jahren ein ebenso unerschöpflicher mehr als durch ihre Echönheit berühmte Monna Lisa" betrachtet, Springquell technischer Anregungen hervor, wie aus der gleichen wird man zugeben, daß Leonardo   mit den ersten Meistern des Einsicht in jenes alten Italieners Repfe. Ueberblickt man die Liste Binfels für alle Zeiten wetteifern kann. Aber ebenso bedeutend seiner Einfälle, wird man tatsächlich finden, daß immer die Natur­scheint er als Bildhauer gewesen zu sein, wenn sich auch auf diesem beobachtung, die Nachahmung des natürlichen Geschehens ihn leitet. Gebiete sein Hauptwert nicht erhalten hat. Aber diefer Mann war Nach dem Begelflug macht er seinen Apparat zurecht, genau wie von Beruf gar nicht Künstler, sondern eigentlich Generolingenieur" wir den unseren, den Naturselbstdruck wendet er an, die Tierfiaue in den damaligen Kriegswirren, der umfangreiche Festungsbauten und Kanäle anlegte. Nebenbei macht er Gedichte, schreibt natur- ahmt er nach im Bagger, das Auge in der Dunkeltammer und so wissenschaftliche Abhandlungen, studiert die Anatomie des Menschen fort in hundertfacher Abwandlung. und bedeckt Tausende von Blättern mit Entwürfen zu Maschinen, deten Gedankens Ein Genie war er zweifesohne, aber das Genie eines begna­fein Techniker, denn dazu fehlt ihm der praf. Werkzeugen, Erfindungen eller Art. Aus diesem Nachlaß, der sich tische Antrieb und die Freude an der Auswertung, dafür überaus reich erhalten hat, bisher aber merkwürdigerweile noch tech- ein Naturforscher und Denker, der, wenn er Philosoph geworden nisch gar nicht richtig ausgewertet wurde, schöpft das Feldhaussche wäre, die Jahrtausende mit seinem Geisterlicht erhellt hätte, wie nur Buch und führt hinein in eine verwirrende Welt der merkwürdigsten die ganz Großen aus der Reihe der Konfutse und Pythagoras­Einfälle, in einen Ideen- und Kenntnisreichtum, von dem man ge genien. trost sagen kann, daß er wohl feinem unferer Zeitgenossen zugemutet werden könne. Um so erstaunlicher ist es also für einen Zeitgenoffen des Kolumbus und eines Jahrhunderts, das technisch geradezu ur­

weltlich anmutet.

Was erfand Leonardo in seinen Mußestunden? Man höre und staune. Er untersucht den Bogelflug und konstruiert danach eine Flugmaschine, die bis zum verfuchsfertigen Apparat gediehen ist. Sein Diener steigt damit auf, stürzt aber ab und bricht das Bein. Er entwirft eine Befestigungsart für Städte, die erst Jahr­hunderte später in Preußen ausgeführt wird.

Er müht sich um den inneren Städtebau; schlägt vor, unter­irdische Straßen für die gesundheitswidrigen Arbeiten zu bauen, er­findet Schornsteinauffäße, Hebezeuge für Bauten, Bagger und Kunststeine. Eine besondere Spezialität in feinem Kopf sind die Kriegserfindungen. Unermüdlich entwirft er Hinterlader, Geschütze und deren Verschlüsse, ein Maschinengewehr und neue Geschoß­formen. Es gibt eine Leonardische Zentrifugalpumpe von großer Genialität, neue Gebläse, einen Erdbohrer, Bohrmaschinen, Walz werke zum verjüngten Walzen, Gewindeschneidzeuge und Schleif maschinen, Bressen und Gelentketten. Er erfindet vor den Hollän­dern die Windmühle, macht Dampfverfuche, die ihn ganz nahe an die Möglichkeit bringen, die Dampfmaschine dreihundert Jahre vor ihrer Erfindung zustande zu bringen. Er ist der Erfinder des Weckers, konstruiert die erste Dunkelfammer, wobei er gleich auf demselben Zettel eine Wellentheorie für Licht, Schall und Magne­tismus aufstellt!

Dieser seltsame Wundermann ist auch der Erfinder eines ganz modernen Scheinwerfers; er macht Vorschläge( lange vor der Er­findung des Fernrohres), wie man Gläser machen müsse, um den Mond groß zu sehen". Er denkt an ein Hnarometer, an einen Schrittzähler, einen Rettungsgürtel und an ein Wasserfahrrad. Be­fonders viel beschäftigen ihn die Konstruktionen einer Luftschraube, folche des Fallschirmes und der Taucheranzüge. Er denkt aber auch an Destillierapperate, Spinn- und Tuchschermaschinen; Drehbänke und Dampfgebläse, Schneebrillen und Höllenmaschinen. Krane und ein mechanisches Relais, Turbinen und Wärmekraftmaschinen, Bahn­räder und Lampenzylinder, das ist die innere Welt diefes Mannes, der seinem Zeitalter um vier Jahrhunderte vorauseilt und das Bei­spiel eines fo vielseitigen technischen Genies ist, wie seitdem feines mehr auf Erden erschien.

Aber alles das bleibt Idee und Entwurf, flüchtige Stizze und Tagebuchblatt vertrauter Stunden und außer den zu Beginn ge­nannten Leistungen fördert er die Menschheit praktisch nicht. Sein ganzes Leben vergeht, als ob er ein vorweglebendes Gespenst der Zukunft wäre, ein zu früh Erwachter, der mit seiner Zeit und mit dem die Zeit nichts zu beginnen weiß.

So hat man sich das Problem: Leonardo, der Techniker" bis­her zurechtgelegt und so deutet es auch Feldhaus in der Ein­leitung, die er den Tagebuchblättern dieses technischen Wunder­mannes vergusschickt. Ich glaube aber, das ist nicht der richtige Standpunkt. Und ich meine, es gebe eine ganz andere Deutung für

*) F. Feldhaus, Leonardo, der Techniker und Erfinder. Jena  ( E. Diederichs). Quart. Mit 10 Tafeln und 130 Stizzen nach Leonardo  .

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Das ist meine Lösung des Problems, das uns der Technifer Leonardo" aufgab und das so lange nicht verstanden werden konnte, bis man nicht denselben Gedanken wiederfand, der aus ihm so ma­gisch glüht.

Die Schwindsucht im deutschen   Volke.

Wenn ein Bolt durch einen Krieg oder eine Seuche dezimiert wird, so verliert es jedes zehnte Glied seiner Bevölkerung. Zu folchen dezimierenden" Seuchen gehört die Tuberkulose oder Echwindsucht, jedoch mit dem Zusaß, daß nicht jeder zehnte Deutsche wirklich an Tuberkulose   stirbt, sondern früher oder später von der Tuterfulose- Krankheit befallen und in seiner Gesundheits- und Er. werbsmöglichkeit geschädigt wird. Und gerade im erwerbsfähigen Alter fordert diese Krankheit die meisten Opfer, denn von vier Menschen, die im Alter zwischen 15 und 60 Jahren sterben, ist immer einer der Tuberkulole erlegen! Im deutschen Reiche stehen weit über eine Million Lungenfranter in ständiger ärztlicher Behandlung. Und wie viele mögen es sein, von denen der Arzt nichts erfährt und die ihre Krankheit Jahr um Jahr hinschleppen, bis sie zulegt an Entfräftung zugrunde gehen. Auf dem Leichenschauschein steht dann Entkräftung und Herzläh­mung" als Todesursache, der Schwindsuchtsbazilius aber weiß es besser, wer schuld ist und hat während der langen Krankheit längst Gelegenheit gefunden, auch die anderen Familienmitglieder anzu­stecken, so daß auch sie langfam aber sicher dahinfiechen. Wir sind gewohnt, die Tuberkulose als Wohnungsfrant. heit zu bezeichnen. Denn je enger die Wohnung, desto sicherer wird ein Lungenkranker fäm fiche Mitbewohner anhusten und so durch die in seinem Speichel vorhandenen Tubertelbaziller anstecken. Wenn wir also die Tuberkulose ernsthaft bekämpfen wollen, müssen wir olle Krante, solange sie Bazillen aushusten, aus ihrer Wohnung absondern. Dazu gehört aber zweierlei, was wir nicht besigen: 1. große Geldmittel und 2. eine weit fortgeschrittene gesundheitliche Boltsaufklärung. Denn nur mit großen Mitteln und bei Zustimmung des gesamten über diese Dinge unterrichteten Boles fönnten die nötigen Räume beschafft werden. Nur so wäre die Durchführung gefeklicher Maßnahmen nach dieser Richtung möglich! Bis jetzt verfügt Deutschland   über 170 Heilstätten für Erwachsene mit 18 000 Betten und 257 Heilstätten für Kinder mit 19 000 Betten, ferner über 339 Tuberkulosestationen in Krankenhäusern und Pflege­heimen. Walderholungsstätten haben wir 164, Genesungsheime 37, Beobachtungsabteilungen 86, Waldschulen 21. Die Bersicherungs. anstalten verausgabten im Jahre 1921 zur Behandlung von Lungen­und Kehlkopffranten in Heilstätten 81% Millionen Mark, zur Be­handlung anderer Tuberkulose- Erkrankungen weitere 64 Millionen Mark. Das Bestreben, Lungenkranke, die Invalide geworden sind, nicht nach Hause zu schicken. sondern sie wegen der Anstongs gefahr in Anstaltspflege zurüdauhalten, ist zumel bei den Berfiche­rungsanstalten von Schlesien  , Rheinland   und Westfalen zu beob achten Durch Einrichtung von Tuberkulosefürsorgeftellen sucht man immer mehr alle Lungenkranke ausfindig zu machen, um sie und ihre Angehörigen der nötigen Untersuchung, Behandlung und Be­lehrung zuzuführen.