eis Neiweborener begleitet er seine Mutter im Rucksack. Niemand nimmt Rücksicht auf die Jahreszeit, und die N einen Kinder werden in einer unbarmherzigen Kälte abgehärtet. Oft muß das jammernde Kleine über wilde Gletscher, durch Dunkel und Kälte getragen wer- den, und meist endet die Tragreise in einer kalten, eben errichteten Schneehütte. So spielt die Zweckmäßigkeit der Kleidung für jeder- mann die größte Rolle. Es ist die Aufgabe der Frau, die Kleider des Mannes zu nähen und instand zu halten, während der Mann als Jäger für den Unterhalt feiner Familie zu sorgen hat. Nicht umsonst sagt daher der Polareskimo, daß ein Mann als Jäger das ist, was feine Frau aus ihm macht. Alle Kleidungsstücke der Polar- eskimos bestehen aus Fellen, und sie haben das Glück, die Tiere mit den wärmsten Pelzen der Welt jagen zu können. Aus dem Körper wird ein leichtes, weiches Vogelbalghemd mit den Federn nach innen getrogen, darüber im Frühjahr, Sommer und Herbst ein Seehundpelz mit den Haaren nach außen. Im Winter wird dieser mit einem Blausuchspelz vertauscht, der die leichteste und wärmste Kleidung darstellt, die es gibt. Als Beinkleider benutzen die Männer Bärenfelle, eine Art Kniehosen, die bis unterhalb des Knies reichen. Aus hübschen, weißen, vom Frost gebleichten Eechundsfellen ohne Haren werden die Stiefel angefertigt, die mit Hasenfellen gefüttert sind. Aus langen Schlittenreisen benutzt man auch langhaarige Stiefel aus den Vordertatzen des Bären oder aus dem Fell von Renntierbeinen. Die Kleidung der Frau weicht nicht wesentlich von der des Mannes ab. Der Hauptunterschied bestehr in den Bein- k leidern, die aus Fuchssellen und kürzer als die des Mannes find, so daß die Stiesel fast die Länge des Beines bekommen. Die Winterwohnungen bestehen aus kleinen Häusern mit einem Kuppeldach, die aus großen, flachen Steinen so ausgebaut find, daß die Steine sich selbst ohne Stützen tragen. In der Regel wohnt jede Familie für sich. Als Eingang dient«in sehr niedriger Gang, durch den man in den Wohnraum von unten her hineinkriecht. Die Stein- Pritsche, die dm größten Teil der Stube einnimmt, ist immer mit einer dicken Lage Heu bedeckt: darüber sind Bären- oder Renntierfelle ausgebreitet. Licht und Wärme spenden zwei bis dm Tranlampen aus Stein, die mit ihren langen Moosdochte» eine Hitze entwickeln können, der das Adamskostüm entspricht, das im Haufe üblich ist. Auf der Pritsche könnm gerade vier Menschen nebeneinander sitzen »der liegen; die Decke ist so niedrig, daß man nur selten aufrecht- stehen kann. Dem Eingang gegenüber befindet sich ein Fenster aus zusammengenähten Darmhauten, in dessen Mitte immer ein kleines rundes Guckloch ist. Durch ein anderes Loch oben an der Decke zieht die schlechte Luft ab. Außer dm Winterhäusern baut man aus großen Schneebiöcken Cchneehäuser, und zwar mit großer Kunst- iertigkeU. Ihr Inneres ist ganz so eingerichtet wie das der Stein- läuser, und kein Blockhaus in der Welt kann fich an Wärme mit «inem dichten Schneehcws messen. Der kurze Sommer ist die Zeit pir das Freikuftleben im Zelt. Die Feldzette bestehen aus zwei Lagen von Seehundfellen übereinander und halten daher bei jedem Wetter dm Regen ab. Auch hier brennen die Tranlampen, die dem Zeit eine solche Temperatur verleihen, daß man darin wohnen bleibt, bis Ende September der Winter den Herbst ablöst. Kein Polareskimo bleibt länger als ein oder zwei Jahr««n tiner Stelle wohnen: dann erwacht feine Sehnsucht, in neue Der- Hältnisse zu kommen und in anderen Jagdgebieten zu jagen. Ihre sinnreiche Anpassung an das rauhe Land macht diese Menschen, �die nach einem einfachen und praktischen, allen gleiche Rechte und gleiche Chancen gebenden Kommunismus leben, zu den sorgenfreiesten Erdenkindcrn, die frohe Eememschost miteinander halten, ihre Frauen und Kinder gut behandeln und sich samilienweise durch ein Band der Anhänglichkeit verknüpft fühlen, das sich oft in ergreifender Weife kundgibt.. Hauchtanz- öle letzte Ereungenlchast. Von Josef Maria Frank . Eigeniümliche Erscheinungen wetterleuchten durch das Abend- kaidt Wir werden orienialifch, langsam, aber sicher infiziertl Nicht nur unser Geist: durch sabberlatzähnfich mit langen Barten be- hosteten Rablndranatagoris, durch nirwanaschlastaumelnd« Schulen der Weisheit, in deren„Leuchtern" nur leider keine Lichter stecken und die infolgedessen mit ibrcn Kunkeln karsunkeln dunkel munkeln: nicht nur unser« Moral: durch Koronkommentare, Smymaimpact und„Die tausmd und ein Liebcsgeheimnisse aus dem Harem Abdul Hamids" oder„Die leichtfaßliche Methode zur Erlernung der achtzig Rcgeldetris des Kamasuiram": nicht nur unsere Weltpolitik: durch die Orientalisieruno der Methode und die Rückkehr zu Harun al Raschids und Mustaphas bewährte» Gebräuchen im Umgang mit Menschen, die einem im Wege stehen! Spengler scheint doch recht zu haben: wir nähern uns fatal den Sitten des Orients I Diesmal ist es die Mode, die uns in richtiger Erkenntnis ihrer welthistorischen Bedeutung ihm wieder ein Stück näher bringt. Ei« Importierte als letzte Errungenschaft den herrlichen Bauchtanz� den bisher nur in Kairo die Fellachinnen den staunenden und mit Stiel- engen glotzenden, in ihrem tiefsten Innern getroffenen Europäern »orwackelten. Di« Mode sagt« fich mit Recht: warum soll man nur In Kairo bauchtanzen? Man kann das ebensogut in Berlin ! Zum Beispiel auf dem Kurfürstendamm müßte die Wirkung phänomenal (ein! Der Bauchtanz im eigenen Heim, in der Diele, in der Bar. m Theater, aus der Straße muß von berauschender Wirkung sein und die Erschlaffung der im Untergang des Abendlandes danieoer- liegenden Verven wohltuend beheben! Bon!— Der Bauchtanz ist dal Zur besseren Einführung des Bauchtanzes ersann die Mode» industrie«inen sinnreichen, neuen Kleiderschniit, der die herrlichen Formen und hormonischen Linien von Bauch und Podex , die ein enger Gürtet umschließt plastisch durch besagte Enge und Stoff- knappheit hervortreten läßt. Das Kostüm scheint reißenden Absatz in unseren„besseren" gebildeteren Kreisen zu finden, gleichwie bei uns Proleten und be- jchrönkteren Kreaturen Aschingers„Erbsen ohne Speck". Seit eini- ger Zeit kann ich infolgedessen reichlich den Bauchtanz in Berlin studieren. Ich nehme wohl mit Recht an, daß die Mcdeateiiers den neuen Modejchöpfungen„Peroerfltas" eine Gebrauchsanweisung beifügen. Etwa so: 1. Unsere neueste Schöpfung, das Kostüm„Perversitas", ist dle ideale Kleidung der mondänen Dame, die Wert darauf logt, durch plastische Wirkungen ihrer harmonischen Formen angenehm aufzu- fallen I Leicht und mühelos erwirbt sich die Besitzerin unseres Kostüms Grazie, Beweglichkeit und Zauber der Orientalin, weil der Schnitt unseres Kostüms eben das erzwingt! 2. Um jedoch durch eigen« Mitwirkung und Nachhilfe diesen gewünschten und für die mondäne Dan� erforderlichen Eindruck schneller hervorzurufen, gewöhne sich die Besitzerin unseres Kostüms „Perversitas" daran, den Oberkörper mit Büste unbeweglich gerade zu halten, den geschätzten Bauch voll und prall heraus und den dito gescyätzten P.. hereinzudrücken: Arme und Hände nehmen dt» aus Celly de Rheydts Nackiballett genügend bekannten Stellungen und Bewegungen ein. 3. Befolgt unsere geschätzt« Kundin gewissenhaft unsere An- Weisungen, so wird sie bei dem Versuch, sich mit kurzen kleinen Schritten vorwärts zu bewegen, feststellen, daß die vorgeschrieben« Haltung durch eine eigenartige, dem orientalischen TanzrHyiHmus angepaßte mondän wirkende plastische Beweglichkeit der Formen jene Grazie und jene» Zauber der Erscheinung hervorrufen, den wir on der Orientalin schätzen!(DRP.) Man scheint diese Gebrauchsanweisung in unseren„besseren" Kreisen gebührend zu befolgen! Zuerst bemerkte ich es natürlich auf dem Kurfürstendamm :.'ine ältere Dame, die wie ein merk- würdig verbogenes Fragezeichen aussah, wackelte dort an mir vor» bei: Bauch raus, Podex rein, darüber eine unbewegliche Bohnen- stcmge mit zwei wulstigen Auswüchsen, rechter Arm holbtiel linke» Arm halbhoch, Fingerübungen a la Celly, ganz kleine Schritt«, krotziöse Bewegungen: eins— zwei, eins— zwei! Es war de- rauschend: der plastisch heroorgetreiene Bauch wackelte wie Gral Kayserlings verzückte Hupille vor der Vuddhastatue in Singapur ! Der Podex wippt« schelmisch wie ein breites Standuhrpergendikel wuppdich nach links, wuppoich nach rechts! Die Arme sülzten da» bei ein Spiel aus, das mich merkwürdig an Faustball und Sport- palast erinnerte. Es war— mit einem Wort gesagt— Orient! Der Bauchtanz macht Schule: jetzt erst, wo mir die Sache aus- gefallen ist, sehe Ich, wie intensiv„unsere Damen und Dämchen schon bauchtanzenl Es ist ein ebenso wohltuender Anblick wie di« 0 und X und Stöckelbeine unserer kurzberockten»törichten Jung» srauen"! Gestern, als ich mit Ottel, meinem Freund aus Hinterbayern, im Belleoue meine» Kaffee trank, kam wieder ein« hereingewackelt: Bauch raus Podex rein, oben Bohnenstange mit zwei Auswüchsen, Finger- und Armballett„Kimmt a Begerl geflogen l", Gesicht wi» Mostrich ohne Wiener Würstchen I(Außerdem schielte sie: aber das tun hier sehr viele Damen und muß deshalb andere Gründe haben I) Sie wackelte»nd bauchtanzte langsam, wie in Trane«, aus unseren Tisch zu. Meinem Freund Ottel war seine Dreihundertmarkzigarre mit Bauchbinde aus dem Mund gewackelt: er starrte mit offenem Mund die Bouchtänzerin an. Dann brach es aus ihm heraust „So— a mei, was is denn dööös da? Dös is jo die Umbakumba, wo i am Kongo drunt kennen g'lernt hob! Wie kommt denn di« do herein? Un' daß je weiß is im G'sicht wie a Preißl Oder soll dös doch nit die Umbakumba fein? Himmiherrgottsakra ment?!?" Schonend brachte ich Ottel bei, daß das nicht die Umbakumba vom Kongo sein kann, sondern daß das eine mondäne Berlinerin ist, die nur di« Mode mitmacht"nd bauchwackett!„Dos ist eben Orient I Der Untergong des Abendlandes! Dritter Ergänzung». bandl Die letzte Errungenschaft, Ottel!" Da knallte aber Ottel seine Bildhauerpranke aus den Tisch, daß die Kaffeetassen klirrten und brüllte lochend los„Jo— o mei! Was is den» dööös do?I? D' Eaupreißen wackeln mit den Väucherln?!? HimmihcrrgoUsakrament, und da fchlagts ihr net drein, in so a©'stell, in so a saudumms damichtes dreckichte» Weiberg'ftelll?! Oeös seid's doch am End! Ioa mei, do muah I lachenl Oeös wackelt mit den Bäucherlnl Himmihmgott» fa-tztztzl" Ottel konnte sich nicht beruhigen und es nicht sassen, was dk Mode erfordert, und daß unsere„besseren" Damen und Dämchen doch auf der Höhe bleiben müssen. Ich habe mich schon längst b«» rutsigt: ich hatte immer so Sehnsucht nach Kairo und den Pyr» miden, wo die Fellachinnen so schön bauchtanzenl Ich habe mein« Sehnsucht niedergerungen: die Pyramiden sehe ich mir in meinem Postkartenalbum und den Bauchtanz aus dem Kurfürstendamm an. Dabei spare ich klotzig Geld— und es ist viel amüsanterl Was wäre das Leben ohne die Frauen? Ein Trauerspks, nur ein Truuerspiell Oder sollt««s am Ende doch...? HimmÄ, schweigen wir davon! Ex estl
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