Wissen und Schauen
Vererbung des Schielens. Darauf, daß das Schielen fich in manchen Familien verertt, ist man schon seit einer Reihe von Jahren aufmerksam geworden, und seitdem findet man in der wissenschaftlichen Literatur immer mehr Fälle aufgeführt. Manchmal läßt sich das Schielen in einer Familie durch vier Generationen verfolgen, und man würde es vielleicht noch weiter nachweisen fönnen, wenn man mehr Nachrichten über die Vorfahren hätte. In einem Falle war das Schielen nur auf die männlichen Nach tommen beschränkt, trat hauptsächlich auf der linken Seite auf und war mit Schwachfichtigkeit verbunden. Der Großvater schielte auf der linken Seite, die Großmutter nicht. Sein Sohn schielte schon feit früher Kindheit, und zwar gleichfalls links. Dieser hatte in erster Ehe zwei Töchter und einen Sohn, die Töchter schielten nicht, der Sohn aber recht start. In zweiter Che hatte er fogar zwölf Kinder, von denen einige allerdings sehr jung starben; von denen, die aufwuchsen, schielten die Knaben, die Mädchen nicht. Das zeigte sich sogar bei einem Zwillingspärchen, das aus einem Knaben und einem Mädchen bestand. Nur ein Mädchen soll eine Ausnahme gemacht haben; als es zur jungen Dame herangewachsen war, schielte es zwar nicht mehr, aber nach Angabe der Mutter hatte es als Kind eine Zeit lang an diesem Fehler gelitten, und zwar auch am linken Auge. Von den älteren Kindern ist ein Sohn bereits verheiratet, und unter seinen, bisher drei, Kindern tritt dieselbe Familienüberlieferung auf: ein Sohn schielt, eine Tochter nicht, der jüngere Sohn allerdings auch nicht. Es ist zu bemerken, daß die hereingeheirateten Mütter durchaus normale Augen hatten. Sie trugen also zur Verbesserung der Nachkommenschaft in dieser Hin ficht nichts bei.
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Naturwissenschaft
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Kräfte der Pflanzen. Sehr bekannt geworden ist die Fried hofsbirke in Hannover , deren Wurzeln nicht allein einen schweren Felsblod von einem Grabe hoben, sondern dabei auch eine starte Eisenflammer sprengten. Das schien eine besondere Kraftnatur unter den Pflanzen zu sein. Aber die Botaniter haben nachgewiesen, daß fie durchaus teine Ausnahme bildet. Schon der Druck der wachsenden Keimwurzel einer Bohne beträgt 300 Gramm. Und was für Kräfte sind am Werke, wenn im felsigen Gebirge die Baumwurzeln wie Keile in die Gesteinspalten dringen und schließ lich den Fels in einen Trümmerhaufen von größeren und kleineren Steinen zersprengen! Eine 10 Bentimeter dice und 100 Zentimeter lange Baumwurzel übt einen Druck von 6000 Kilogramm aus. Ungemein start ist auch die Kraft, die bei dem Dickenwachstum der Bäume, bei der Bildung der Jahresringe in Erscheinung tritt. Ein Gegendruck von zwei oder drei Atmosphären macht für einen Baum gar nichts aus. Zehn bis fünfzehn Atmosphären müßten in der passenden Weise angebracht werden, also 10-15 Kilo auf den Quadratzentimeter der Baumfläche drücken, um das Wachstum zu hindern oder wenigstens zu verlangsamen. Es sind Riesenträfte, die hier arbeiten, ohne daß wir es merken. Eine Eiche von einem Meter Durchmesser und entsprechender Höhe ist imftande, einen Gegendruck von 1 bis 2 Millionen Kilo noch zu überwinden, aller dings verlangsamt sich dabei die Dickenzunahme des Baumes; ein Gegendruck von einer halben Million Kilo wird von solch einem Baum glatt überwunden, als ob er nicht da wäre.
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Die Pappel von Wörlih. Alle Pflanzen, die aus einer anderen durch Stecklinge gezogen find, fönnen nicht als deren Nachkommen betrachtet werden, sondern nur als losgelöfte Teile der Stamm. pflanze. Dies zeigt sich besonders am Altern der Stecklinge. Da sie nur gewachsen, nicht geboren find, befizen fie streng genommen genau dasselbe Alter wie ihre Stammpflanze und müßten mit ihr zu gleicher Zeit absterben, wenn diese ihre natürliche Altersgrenze erreicht hat. In vielen Fällen scheinen die Beobachtungen diefer Annahme zu entsprechen. So fann man schon seit vielen Jahren bemerken, daß die seit Napoleons I. Zeit als Landstraßenbaum so bellebte Byramidenpappel nicht mehr so lebensfräftig ist als früher; die Bäume kränkeln, verdorren von der Spize her, und zwar zeigt sich das in ganz Deutschland , unabhängig vom Boden und von Climatischen Verhältnissen. Es hat sich herausgestellt, daß alle bei uns angepflanzten Pyramidenpappeln männlichen Geschlechts sind und direkt oder indirekt durch Abfenfer von einer vor mehr als 100 Jahren aus dem Orient eingeführten und in den Wörliher Bart verpflanzten Pappel herstammen. Vielleicht hat die Stamm pflanze unserer Bappeln ihre natürliche Altersgrenze erreicht, so daß nun auch ihre Stecklingsnachkommen einzugehen beginnen. Bon manchen Seiten wird allerdings betont, daß diese Degenerationserscheinungen nicht genügend durch Beobachtungen belegt sind. Aehn. liches ist der Fall bei allen den Kulturpflanzen, die nur durch Stedlinge vermehrt werden und nach einer bestimmten Zeit ihre Lebensfähigkeit einbüßen follen. So bildet die La- France- Rofe gleichfam einen einzigen großen, über die ganze Erde verbreiteten Rosenbusch, dessen einzelne Stöde gerade jeht, trok sorgfamster Pflege, in großer Bahl eingehen. Biele Kartoffelforten entarten nach einiger Zeit ebenfalls, denn die Vermehrung durch die Knollen ist gleichbedeutend mit einer Bermehrung durch Senter. Und die edle Malvasier- Rebe ist auf diese Weise schon längst aus der Liste des Lebendigen gestrichen und wird keinen Fallstaff mehr verführen.
Bellszählung bei den Amelsen. Niemandem ist es bisher ge lungen, die Zahl der Termiten oder weißen Ameisen zu zählen, die sich in einem riesigen Hügel befinden, wie sie diese Insekten in den Millionen von Einwohnern und eine einzige dieser Termiten- Großtropischen Ländern erbauen. Diese Hügel sind ganze Städte m städte dürfte vielleicht soviel Bewohner umschließen, als es überhau Menschen auf der Erde gibt. Ueber die Siedlungen unserer heimischen, Ameisen sind wir besser unterrichtet. Der große Insekten- Forscher Sir John Lubbock schäßte die Zahl der Ameisen, die in einem Re von durchschnittlicher Größe leben, auf etwa eine halbe Million. Diese Schäzung erschien aber zu groß. Ein anderer Forscher, Young, hat mit Hilfe von Giftgasen die Ameisen im Hügel getötet und die Toten gezählt. Die Ergebnisse beliefen sich auf 93 694 Tiere, auf 64 470, 53 018, 19 333 und 17 828. Nimmt man an, daß etwa 10 000 Ameisen dem tödlichen Gift entgangen sind, so ist doch anzunehmen, daß selbst große Ameisenhügel teine größere Bevölkerung haben, a s etwa 100 000 Tiere. Ameisenstädte sind viel größer, als die aller anderen Insekten, die in Kolonien leben. Ein Bienenstod, der reich bewohnt ist, enthält nur etwa 15 000 Tiere, und doch legt eine Königin in den 4 Jahren ihres Lebens etwa 4½ Millionen Eier. Ein großes Wespennest beherbergt etwa 4000 Einzeltiere. Hornissen leben zwischen 100 und 200 in einem Nest, und die Hummeln finden sich nur zu 30 bis 100 zusammen.
Die Schnelligkeit der Fische. Ueber die Fluggeschwindigkeit der Bögel ist schon viel geschrieben worden, aber man hat sich selten die Frage vorgelegt, wie schnell die Fische schwimmen fönnen, wie ja überhaupt das Leben der Wasserbewohner sich nicht so leicht der unmittelbaren Beobachtung darbietet. Viele werden verwundert fein zu hören, daß die Schnelligkeit der Fische gar nicht sehr hinter der der Bögel zurückbleibt. Ein englischer Beobachter teilt einige Tatsachen darüber mit. Er versuchte zuerst die Schnelligkeit der Forellen in einem klaren Wasser zu ermitteln, nachdem er sie durch Hineinwerfen kleiner Steine aufgescheucht hatte Sie wurden dadurch zu schnellster Bewegung veranlaßt, und eine Reihe von Vers fuchen ergab schließlich, daß die Forelle eine Geschwindigkeit von 45 Kilometern in der Stunde zu erreichen vermag. Bei einer Fahrt von Charlestown nach Jadsonville in Florida beobachtete derselbe Naturfreund eine Schar Tümmler, die in Keilformation vor dem Schiffe herfchwammen. Plöglich sah er, wie sie, augenscheinlich auf irgendein Zeichen, sich in zwei Geschwader teilten, die beide um drehten und um das Schiff herumschwammen, um dann sofort wieder zu ihrer früheren Stellung vor dem Schiff zurückzukehren. Der Dampfer bewegte sich unterdessen mit einer Fahrgeschwindigkeit von 15 Knoten. Da das Manöver sich mehrfach wiederholte, tamen alle, die es sahen, zu der Ansicht, daß die Tümmler etwa dreimal so schnell als das Schiff schwammen, also gut ihre 80 Kilometer in der Stunde zurücklegten.
公 Erdkunde
Bodenverschiebungen in Deutschland . Unsere Mutter Erde ist durchaus nicht so unveränderlich und fest, wie wir denken, selbst wurde fürzlich eine intereffante Beobachtung aus Bückeburg mit nicht in unseren von Erdbeben wenig heimgesuchten Gegenden. So geteilt. Bei der Stadt liegt der sogenannte Weinberg; von diesem halbe Meile entfernten Harrl niemals sehen, jetzt aber ist er sichtbar. fonnte man in den Jahren 1856-62 den Jba- Turm auf dem eine Entweder hat sich also der Harrl gehoben oder der Weinberg, oder es ist zwischen beiden Punkten eine Senfung eingetreten. In dem Dorfe Grone bei Göttingen wird der Kirchturm eines anderen Dorfes, Nifor, immer besser sichtbar. Aehnliche Beobachtungen find in ber ganzen Gegend in ziemlicher Menge gemacht worden. Auch Thürin gen bietet zahlreiche Beispiele. Es müssen im Innern der Erde Berwerfungen stattfinden, vielleicht auch Auslaugungen von Salzlagern, die so langsam vor sich gehen, daß sie nicht beachtet werden, addiert haben. In der Nähe der Ostsee dürfte fich in einiger Zeit bis eines Tages die Wirkungen sich zu einer beachtlichen Größe auch die fortdauernde Sentung der Meerestüfte in ähnlicher Weise bemerkbar machen. bemerkbar machen.
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Völkerkunde
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Der Blick für die Rasse. Wenn Japaner nach Europa reisen, legt der Dampfer immer furze Zeit in Hongkong an. Dort treffen die Japaner auf zahlreiche Personen, die ihnen wie Landsleute vorkommen und mit denen sie deshalb japanisch zu sprechen versuchen. Wenn sie dann nach Jahren aus Europa zurückommen, finden sie nicht mehr so viel Japaner in Hongkong . Die Ursache dieser merk würdigen Erscheinung ist, daß jene vermeintlichen Japaner in der Tat sogenannte Portugiesen" waren, d. h. Mischlinge und Makao, die meist von Chinesen und Portugiesen abstammen. Diese Leute fehen zunächst den Japanern ziemlich ähnlich, aber wenn die Japaner nachher längere Zeit in Europa gelebt haben, hat sich ihr Blick für die Raffenunterschiede geschärft. Der Japaner Adachi war zuerst der Ansicht, daß man von einer gelben Raffe eigentlich nicht sprechen follte. Die mongolischen Böller hätten in ihrer Hautfarbe alle Abstufungen von dem europäischen Weiß bis zu einem hellen Braun. Als diefer Adachi aber eine Zeitlang in Europa gelebt und sich da durch die weiße Hautfarbe der Europäer fest eingeprägt hatte, erfannte er den gelben Ton seiner Landsleute recht deutlich; ex hatte den Eindrud, als litten sie alle an Gelbsucht! Es ist wichtig barauf hinzuweisen, daß die Beobachtung von einem Japaner und nicht von einem Europäer herrührt