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Lassalle als öürgerwehrmann. In dem zweiten Bande vonLassalles Briefwechsel", den Gustav Mayer mit größter wissenschaftlicher Sorgfalt bei der Deutschen Ler- lagsanstalt herausgibt, wird das Konzept eines Briefes mitgeteilt, den Lassall« an den Hauptmann der VIII. Bürgerwehrtompagnie in Düsseldorf richtet«. Lassalle war nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, in das ihn die Anklage wegen des Hatzfeldtschen Kassetten­diebstahls geführt hatte, sofort in der Bürgerwehr und im Voltsklub tätig geworden. Der Brief, der Lasialle als energischen Verteidiger seiner Volksrechte zeigt und in jeder Zeil « seine Klau« spüren läßt, lautet: Düsseldorf . S. Oktober 1848. Es ist mir soeben durch Sie ein Schreiben des stellvertretenden Chefs der Bürgerwehr, Herrn Lorenz Clafen, zugekommen, worin derselbe auf Grund dessen, daß ich durch richterliches Erkenntnis der bürgerlichen Rechte verlustig sei, und daß nur unbescholten« Bürger an der Bürgerwehr teilnehmen dürfen, meinenvorläufigen Aus- tritt" zu oerordnen sich erlaubt. Ich übergehe das Erstaunen, welches mir die Zuschrift ver- Ursachen mußte, und begnüg« mich, darauf folgendes zu erwidern: 1. Ist diese sogenannte Verfügung des stellvertretenden Chefs «ine völlig ungültige und beispiellose Anmaßung, welche der ousdrllck- lichen Vorschrift der Statuten zuwiderläuft. In Z 1 des Statuts heißt es ausdrücklich:Ueber die Beslyoltenheit entscheidet die Kompagnie." Es ist klar, daß dies« Machtüberschreitung des Chefs keine Gültigkeit für mich beanspruchen kann und daß ich somit vor wie nach Bürgerwehrmann bleibe bis auf den desfalsigen Antrag die Kompagnie selbst anders entschieden haben sollt«. 2. Was die Sache selbst betrifft, so bin ich nach zwei freisprechen- den Urteilen der Instanzgericht« durch das Kassationsurteil vom 10. Januar des Jahres wegen Verbreitung einer gedruckten Schrift, also wegen eines durch die Press« verübten Vergehens zu zwei- monatlicher Gefängnisstrafe und fünfjähriger Suspension der bürger- lichen Rechte verurteilt worden.*) Das Bürgerwehrstatut macht die Bescholtenheit nicht von einem Verlust der bürgerlichen Rechte, geschweige denn gar von einer zeitweiligen Aufhebung derselben abhängig. Es setzt sie einzig und allein in die frei« Entscheidung der Kompagnie. Seit wann aber hat ein durch die Press« verübtes Vergehen«ine Bescholtenheit konstituiert? Seit wann verstäßt es gegen Ehre und Ruf, wegen eines durch die Presie verübten Ver- gehens bestraft zu sein? 3. Aber ist jene durch das Kassationsurteil vom 10. Januar über mich verhängte Suspension der bürgerlichen Rechte bereits durch die Königlich« Amnestieordre vom 80. März des Jahres aufgehoben worden. Es heißt in dteser Amnestieordre:-- verkünde ich Ver­gebung allen denen, welche wegen politischer oder durch die Presse verübter Vergehen angeklagt oder verurteilt worden sind." Der Chef hat sich also nicht nur einer unerhörten Machtüber- schreitung schuldig gemacht, indem er sich für seine Person«in Recht anmaßte, welches nur der Kompagnie zusteht, er hat sich ferner nicht nur einer total finster-reaktlonären Verkennung dessen, was beschilt und nicht beschilt, schuldig gemacht, indem er bei einem durch die Presse verübten Vergehen eine Bescholtenheit annimmt, es muß ihn auch der Vorwurf großen Leichtsinns treffen, indem er eine Suspension der bürgerlichen Rechte bei mir noch voraussetzte, welche, wie gezeigt, nicht mehr vorhanden und schon gesetzlich aufgehoben ist. Wollen Sie dies Schreiben dem stellvertretenden Chef zur Nach- achtung mitteilen, damit er seinen Antrag vor der VIII. Bürgerwehr- kompagni«. die allein hier entscheiden kann, erhebe. Es versteht sich von selbst, daß ich ein« so unbefugte, leichtsinnige und unerklär- liche Beleidigung erklärlich nur dann, wenn ich annehme, daß sie durch reaktionärer Personen Einflüsterung, wie das Reskript selbst in seinem Eingänge zu zeigen scheint, zustande gebracht worden nicht auf sich beruhen lassen kann, sondern sie mit der größten Energie und jedem gesetzlichen Mittel zu rügen verpflichtet bin. Mit Hochachtung F. Lassalle. Bürgerwehrmann der VIII. Kompagnie. Di« Folge des Briefes war Lassalles sofortig« Rehabilitierung als Bürgerwehrmann._ Der Stachelbeerwein. Von Anna Haag . Mit großem Eifer brauten sie ihn im ersten Jahre ihrer Ehe nach einem bewährten Rezept. Sie füllten das etlle Naß in einen großen Glaskolben, der mit einer Strohhülle umsponnen war. Dann trugen sie diesen vorsichtig in den Keller. Hier sollte er stehen, bis er sich geklärt haben würde. Dann wollten sie ihn in Flaschen ab- lüllen, gut verkorken, versiegeln und sachgemäß lagern. Du wirst sehen, Oskar, das gibt einen guten Wein, lind so billig," sagte sie befriedigend. ') Es handelte sich um«ine Verleumdungsklage im Rahmen der Hatzfeldtschen Prozesse. Dergl. Hermann Oncken , Lassall«. 3. Aufl.. Stuttgart 1920. S. 54. Oncken nimmt dort an. daß dieses Urteil nicht rechtskräftig«worden fei. Der vorliegende Brief läßt erkenne� daß die Amnestie der Märztage es aus der Welt ge- schafft hat. Die erste Flasche wird geleert, wenn der erste Sohn erschienen ist," bestimmte er und zog seine Frau zärtlich an sich. Oder die erste Tochter," verbesserte er,oder wenn ein guter Freund kommt! Oder wenn wir so recht Kaulich auf unserem Sofa sitzen---" Von Zeit zu Zeit besuchten sie gemeinsam ihren Kolben. St« konnten jedesmal feststellen, daß sich die Flüssigkeit wunderbar klär« und die Farbe eines südlichen Weines annehme. Die Zeit flog dahin. Schon war bald ein Jahr vergangen, seitdem sie ihn ge« keltert hatten. Da sagte er eines Tages zu seiner Frau:Du, Minnas chen, wir sollten unfern Wein abfüllen." Weshalb, warum?" Es gibt nun neue Stachelbeeren und wir könnten wieder keltern, wenn der Kolben leer wäre* Das sehe ich nicht ein, die Beeren sind teuer, und auch der Zucker ist in die Höhe gegangen." Aber Minnachen, das können wir uns doch leisten." Das finde ich nun nicht! Allerdings wenn man alles ver« brauchen will--" Das will ich ja gar nicht," beschwichtigte er.Damit, daß wir den Wein in Flaschen füllen, ist er ja noch nicht verbraucht." Man weiß, wie das so geht jetzt ein Fiäschchen, dann wieder mal ein Flöschchen. Nein, ich will sparen und vorwärts kommen. Ich doch auch" Dann machen wir auch keinen Stachelbeerwein, so lange wir den anderen haben," entschied sie bestimmt. Ihr Mann schaute ratlos auf und erblickte in dem lieblichen Gesicht seiner Frau zwei harte Falten. Er ging schweigend zur Tür hinaus, und sie nahm ihre Arbeit wieder vor. Der Sohn wurde geboren, und eine Tochter kam zur Welt. Auch gemütliche Abende kamen auf dem Sofa, wenn auch ver« hältnismäßig selten. Der Kolben blieb aber unberührt. Frau Minna wußte allen Anspielungen ihres Gatten bald scherzhaft, bald ii, hartem Ernst zu begegnen. Im zwölften Jahre seiner Ehe wurde er krank. Der Arzt ver« ordnete Glühwein und eine Schwitzkur. Nun ist es gut, Minna, daß wir einen Tropfen im Keller haben," meinte er. Seine Frau aber kaufte einen Schoppen Apfel« most, bereitete hieraus einen Glühwein und setzte diesem einig« Tabletten Aspirin zu. Der Erfolg war überraschend. Nach einigen Tagen war er gesund, wenngleich eine Bitternis, die sich in dein letzten Winkel seines Herzens eingeschlichen hatte, nicht von ihm hin» ausgeschwitzt werden konnte. Cr warf seiner Frau Lieblosigkeit vor. Sie aber sagte:Was willst Du? Du bist gesund geworden. Jetzt ist er so lange gestanden, nun steht er wohl noch bis zur Konfirmation der Kinder." Schließlich gab er den Kampf auf, denn auch er mar sparsam und hatte seine tägliche Freude an dem Wachstum seines Vermögens. In dieser Freude hätte er wohl dann und wann ganz gerne anderen Freuden des Daseins in bescheidenem Maße gehuldigt. Dafür hatte seine Frau jedoch gar keinen Sinn. Für sie gab es nur einen Weg, eine ganz glatte Rechnung: Das Vermögen mußt« wachsen, jedes ihrer Kinder mußte mindestens einmal so viel be« kommen, als sie selbst In die Ehe gebracht hatte.-- Längst sagte er nicht mehrMinnachen" zu seiner Frau. Zärt« lichteiten wurden auf das Unerläßliche beschränkt. Ein Kuß auf dem Bahnsteig etwa, vor oder nach einer Reise etwa. Schließlich hörte auch das auf.Als ob es etwas koste," pflegte er aus dem verbitter-. ten Winkel seines Herzens herauszuspritzen. Das nicht." antwortet« sie.Aber solche Albernheiten sind meistens der Anfang zu einer kostspieligen Dummheit. Man läßt sie lieber." Eines Tages wurde der Lattenverschlag im Keller ausgebessert. Der Handwerker stieß bei dieser Arbeit den Kolben um. Der ehr« fürchtig geschonte Wein rann im Verlauf weniger Sekunden in den Sand und oersickerte. So," sagte Oskar, der gerade dazu kam. Er rief die Treppe hinauf:Wilhelminei Herunterkommen!" Seine Frau eilte in die Tiefe. Schon auf der Treppe drang ihr ein süßer, berauschende? Duft in die Nase. Nun hat er ihn doch abgefüllt," murmelte sie und rüstete sich zu einer gewaltigen Rede. Hier," sagte Ihr Mann, als sie unten angekommen war, und deutete auf die Scherben. Wo wo ist der Wein?" Im Sand! Grab« ihn aus!" Du lachst," schrie sie.Du hast es mit Absicht getan" Natürlich," höhnte er.Ich hätte ihn ja doch nie bekommend Oh oh!" jammerte sie. In einem größeren Scherben stand noch ein armseliger Rest. Sie führte das Glas an die Lippen und schlürfte die oaar Tropfen heraus.Der reinste Malaga, " jammerte sie nun wieder.Was kostet eine Flasche Malaga ? Nimm das 20 mal und rechne aus, um wieviel wir heute ärmer geworden sindP Mir ist es wahrhaftig nur um den Kolben," brummte er, dreht« seiner jammernden Frau den Rücken zu und stieg die Treppe hinauf. So? Dir ist es wieder nur mn den Kolben! O, so ein Ver« schwender!" Sie klagte noch eine Weil« fort. Dann setzte sie sich auf den Rand des Krautfasses und begann zu überlegen, wie und wo man ehestens diesen entsetzlichen Verlust wieder hereinbringen könn«. Sie kam zu befriedigenden Ergebnissen. Mit einem Ruck erhob sie sich und sagte:Diese Mahnung mußte kommen. Ich war ent« schieden zu verschwenderisch geworden." Damit stieg sie die Treppe hinauf.