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mit feinem humanen Wortschwall, mit der Sentimentalität feiner Sehnsucht, mit dem Pathos seines Prophetentums bewirkte riesigen Reklameeffekt. Mephisto rieb sich die Klauenhände, als er sah, wie auch die Beamten und der Mittelstand sich das Letzte am Mund ab­sparten, um ihre Altersgroschen bei der guten Sache sicher anzulegen. Und die Arbeiter meldeten sich als Freiwillige an die Schippe und verlangten stürmisch Kleinattien auf das Zukunftsland, um auch eine Berechtigung dort zu haben wie die Bürger. Mephisto gab die Klein­aftien in Massen gratis in Form von Klebemarken an die Mit arbeiter aus. So gab es bald faum mehr jemand, der nicht für die neue Menschheit schwärmte und an ihr etwas zu profitieren hoffte. Das Entwässerungswerk rückte indessen zögernd vor. Die meisten arbeiteten eine Weile, gerieten dann bald ins Grübeln über dieses merkwürdige Zukunftsland, ließen allmählich die Schaufeln finken, standen versonnen herum, ausgelacht von den berufsmäßigen Faulenzern, die nach wie vor im Grase lagen.

Der greise Faust indessen war von einer seltsamen Augenkrank­heit befallen, einer Art ven Weitsichtigkeit, wie sie ja wohl sonst auch als Alterserscheinung befannt ist, aber hier in einer ganz anderen Weise sich äußerte. Er überblickte das Nahe nur ganz flüchtig und ungefähr, dagegen schaute er leuchtend far in strahlender Schönheit die ferne Zukunft. Statt des gegenwärtigen Sumpfes breitete fich vor ihm das brüderliche Reich der Freiheit. Boll blühender Gärten, Spielender Kinder, lachender Frauen, rüftiger Männer, mit all den aufrechten schönen Körpern, den hellen Mienen, den aufrechten guten Seelen. In leichtem Schwung schweiften Kanäle von reichen Schiffen funkeind durch das Neuland, spielend gekreuzt von blanken festen Straßen voll hurtig huschender Luftwagen und kräftig kullernder Laftwagen.

Aber eines Tages fündigte Mephisto feinem Herrn an, die Aktionäre verlangten eine Generalversammlung. Sie ständen alle draußen auf dem Damm vor dem Turm. Denn Faust haufte auf einem alten Steinturm, der schon vor Zeiten mitten in dem flachen See gestanden und ihm als Ausgud und Zuflucht diente. Fauft trat auf die Plattform und blickte hinab.

Da wimmelten tausende Menschen, feingefleidete üppige die in izen Kutschen aufgeftanden waren, und abgehärmte fadenscheinige, die als Delegierte des Mittelstandes in ihrem letzten guten Rocke gekommen waren, und nicht wenige fernige Arbeiter waren im Linnenkittel als Vertreter der Kleinaftien herzugelaufen, um sich den Klamauk nicht entgehen zu lassen.

Als Fauft sichtbar wurde, der Greis auf dem Turm, da brodelte und brandete die Menge mit einem dumpfen Schrei. Faust wandte fich gegen Mephisto: Was wollen sie?"

"

Mephisto zuckte die Achseln: Dividenden." " Dividenden?"

,, Aktien tragen Dividenden. Wir haben nur immer Aftien ausgegeben und dafür eingenommen Geld, Arbeit, Begeisterung. Aber wir haben weder Zinsen noch Dividenden ausgezahlt. Nun reflamieren sie."

Aber habe ich nicht immer und überall ausgerufen:" Für das Reich der Zukunft schenken wir allen alles?"

Mephisto zuckte die Achseln.

Erregter fuhr Faust fort: Wir werden Bürger des neuen Reiches sein! Genügt das nicht? Wir schön wird unser Reich fein!" Er beugte sich über die Brüstung und rief es voll Herz­wärme hinab:" Brüder, wie schön wird unser Reich sein!"

Aber da scholl ihm wild schauerliches Hohngelächter entgegen? " Narr! Wir hungern! Schwärmer! Das Geschäft leidet! Schwäger! Geld ist besser als Worte!" Bald tallten sich alle krallenden Rufe zusammen zum gellenden Schrei: Geld! Geld! Geld!"

Faust breitete die Arme hinab: Ach meine Kinder, Geld hab' ich nicht. Ihr habt mir alles geschenkt. Dafür habt ihr unser Neuland."

Es schrie herauf:" Mückenpest! Fiebersumpf!" Und wieder fette Halloh ein. Schließlich niedergebrüllt durch neuen breiten Schrei: Her dein Geld!"

Fauft, trief betroffen vom gierigen Durst zerriger Gefichter, zuckte die Achseln: Ich habe kein Geld!"

Steine fausten. Aus der Fassung des Damms geriffen. Nicht bis zu Faust empor. Ater schollernd am alten Turm. Faust schlug die Hände vor das Gesicht.

Donner polterten Würfe, immer trommelnder. Sturmgeheul brüllte Kreischen.

Blöglich zischten alle Rufe zusammen zum Todschreigellen. Faust sah entsetzt auf.

De: Damm mich. Schlechte Arbeit!

Flucht!

Bergeblich!

Deutsche Landarbeiter in Brasilien .

Bon Prof. Dr. med. Friz Munt.

Wenn im Hafen von Rio de Janeiro ein deutsches Schiff auf dem Heimwege nach Deutschland anlegt, so beobachtet man unter dem Wirrwarr der Ankommenden und Abreisenden, ihren Av­holern und Begleitern, den Hunderten von Aus- und Einladern der Koffer und Waren und zahllosen Neugierigen immer einige Duhend deutscher Landsleute in mehr oder weniger abgerissenem Bekleidungszustande, Kummer und Sorgen in den traurigen Ge fichtern in lebhaften Unterhandlungen mit irgendeinem der an Land beschäftigten Matrosen oder Schiffsoffizieren, und besonders der Posten an der Schiffstreppe ist dauernd dem Ansturm der oft tränenvollen Bitten und Wünschen dieser armen Menschen aus­gefeht. Alle wollen wieder zurück in die Heimat und, da ihnen die Mittel fehlen, bieten sie sich als Heizer oder zu anderen Schiffs= fehlungspapier eines deutschen Hilfskomitees oder einer anderen arbeiten gegen freie Ueberfahrt an. Jeber hat irgendein Emp­Stelle in de: Hand, und die Enttäuschung ist groß, wenn dann troh­dem das so heiß ersehnte Ziel der Rückkehr wieder nicht erreicht wird. Troy allen strengen Gegenmaßregeln gelingt es dem einen oder anderen immer wieder auf irgendeinem Wege auf das Schiff zu kommen und als blinder Bassagier die hohe See zu erreichen, wo man ihm dann wohl oder übel sein Teil Arbeit zuweisen muß, will man ihm die Ueberfahrt nicht ganz umsonst gewähren. Als ich diefes für ein deutsches Herz ergreifende Schauspiel einigemal beobachtet hatte, erkundigte ich mich eingehend sowohl bei den Schiffsbehörden als bei den deutschen privaten und amt­lichen Hilfsstellen am Lande nach den Ursachen dieser traurigen und unwürdigen Vorgänge. Bon beiden Seiten hörte ich, daß die schlimmste Belt in dieser Hinsicht sogar bereits überstanden sei, die Jahre vorher das Elend der Auswanderer aber einen erschrecken­den Umfang gehabt hätte, den zu bewältigen beim besten Willen der Behörden und bei aller Opferbereitschaft der einzelnen und Gesellschaften die verfügbaren Mittel und Kräfte weit über­stiegen habe. Schlimmste Erfahrungen hätten außerdem die Ge­müter allmählich etwas härter werden lassen und dazu geführt, daß eine Unterstützung zur Rückkehr nur nach vorausgegangener forg fältiger Prüfung der Gründe und Berhältnisse erfolgen könne, da sonst alles notleiden müßte.

Aber, was ist es doch, das diese Menschen mit fo unaufhalt. samer Macht wieder in ihre Heimat zurüdtreibt, was sie nicht heimisch werden läßt in dem Lande, das sie mit so großen Hoff­nungen aufgesucht hatten? Steht nicht hier täglich in unseren Zei­tungen, Brafilien ist das große Land der Zukunft, hat unüberseh­bare Arbeitsmöglichkeiten, hat viel zu wenig Menschen, ist unge­heuer fruchtbar, hat feinen falten Winter usw.? Alles trifft zu und dennoch fonnten sich nur ganz wenige von der großen Zahl Deutscher , die nach dem Kriege, an der Heimat verzweifelt, ihr alles verkauft hatten, um manchmal nicht mehr als gerade das Geld für die Ueberfahrt dafür einzutauschen, in Brafilien eine auskömm liche oder gar aussichtsvolle Existenz zu gründen!

Welches find nun die Gründe dieser schweren Enttäuschungen und Miße: folge?

Im vergangenen Jahre unternahm ich auf Einladung der medizinischen Fakultäten in Rio de Janeiro und Sao Paulo eins Reise zu Vorträgen aus dem Gebiete der inneren Medizin in diese Städte und von dort aus eine von den brasilianischen Behörden ausgerüstete Expedition zur Erforschung einer Volkskrankheit im tiefen Inneren des Landes. Ich hatte dabei Gelegenheit, nicht nur durch Umfrage bei allen möglichen brasilianischen und deutschen Kreifen, sondern auch durch eigene Erfahrungen und Einblice in die Verhältnisse des Landes und seiner Bevölkerung mir ein Bild zu machen über die Möglichkeiten und Aussichten der deutschen Einwanderung, über die Gründe ihrer bisherigen Fehlschläge und ihrer möglichen Begünstigung. Es liegt mir daran, die so ge­wonnenen Beobachtungen und Erfahrungen gerade an dieser Stelle niederzulegen, um sie den Kreisen befanntzugeben, die für eine Auswanderung vorwiegend in Betracht kommen unud darum am meisten der Führung und Aufklärung bedürfen.

Brasilien ist ein Land etwa 16 mal so groß wie Deutschland mit nur 30 Millionen Menschen. Diese Zahl ist also viel zu flein, um das überaus fruchtbare Riefenland und seine Naturschätze auch nur zu einem Teil auszunüßen und der Menschheit dienstbar zu machen. Das Land ist darum einer starten Einwanderung drin­gend bedürftig. Der Zuftrom afritanischer Neger, der zur Zeit des Sklavenhandels Brasilien bevölkerte, hat vollkommen aufge­hört. Die Meger bilden auch heute noch eine große soziale Unter­schicht der Bevölkerung, werden aber immer mehr aufgesogen, zu=

Meer schritt mächtig her. Begrub all Geschrei. Nauschte mal eine Mischheirat schon in der zweiten Generation annähernd groß, weit.

Einfam ftond Fausts Turm. Wankend.

Faust warf Tränen ins Meer hinab:" O mein Bolf! Ihr Arbeiter an meinem Reich! Gehungert für die Zukunft! Geopfert für die Idee! O Brüder! Kinder! Bin ich allein übrig?"

Faust riß sich hoch:" Dennoch! Idee fordert Opfer! Andere werden dienen! Nur glauben, glauben! Dennoch wächst unter Wogen die Zukunft empor. Unsichtbar, doch stark! Wie rollt das Meer so hoch!"

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Die erregte See schlug mit schwerem Schlag den Turm. Furcht bare Woge riß ihn in Brandung. Durch gepeitschte Lüfte fauste, schrie Faust: Dennoch! Mir folgen Bollender!"

weiße Nachkommen hervorbringt. Die Haupteinwanderung erfolgt auch heute noch aus dem früheren Mutlerlande Portugal , dann aber in erster Linie aus Italien , ferner auch aus Japan , neuer­dings mehr aus Rußland , der Türkei , Syrien usw. Die Deutschen bilden infolge früherer Einwanderung, die sich in den letzten Jahr­zehnten vor dem Kriege jedoch sehr verringert hatte, die drittgrößte Fremdenfolonie in Brasilien und leben in großen geschlossenen Kolonien in den füdlichen Staaten Rio Grande do Sul , Sao Catha rina, Parana; als Kaufleute. Handwerker usw., aber auch in allem anderen selbst in den am Aequator gelegenen Teilen Brasiliens .

Um die Aussichten der deutschen Einwanderung in Brasilien richtig verstehen und erwägen zu können, muß man sich zunächst einmal auf die Bedürfnisse, Interessen und Wünsche der Brafi­