t„Ach. Schnack, mein lieber Schnack/ seine Stimme ist ganz weich nnd gütig geworden:„Schau einer die gute Frau an. Nein, ich will nicht zugrunde gehen." Er nimmt sie zärtlich in die Arme. Denn, Lisalinka, habe ich nicht eine liebe, gute Frau, och, die best« Frau aus der Welt? Hat mir drei Buben geschenkt, ist mir gefolgt, das gute Kind, und wußte doch, daß es nur in Not und Hunger ging. Aber willst du mir glauben, nach nie hat sie geklagt und hat doch Bater und Mutter hingegeben darum. Ach, könnte ich denn loben ohne sie, und Gott wird mir verzeihen, wenn ich ihr wehe tat." Frau Eva lächelt schon wieder glücklich wie ein Kind. Am nächsten Nachmittag muß ich bei ihnen Märchen erzählen. All« Kinder der Nachbarschaft werden zusammengerufen. Am Abend sitzen wir wieder allein. Ich nähe aus einem Stuck Stoff, das ich im Rucksack habe, für Jllnke» ein Kleid. Frau Eva sitzt auf einer Fußbank am Boden.„Daß du das kannst," sagt sie staunend.„Ich bringe dos nicht fertig." Sie hält ein großes, schwarzes Ausgabenbuch auf den Knien, und mit ihrer säubern, gleichmäßigen Schrift trägt sie Zahlen und Posten ein. Von dieser ihr anerzogenen Ordnung weicht sie in dem sonstigen Chaos nicht ab.„Ich weiß nicht," sagt sie und zieht die Stirn in Falten,„wir haben in dem Vierteljahr schon wieder so viel gebraucht, denk mal, so viel." Sie n«nnt«ine wirklich höh« Summe. „Und dabei haben wir doch nur eine einzig« Reise gemacht und gar keine Feste gs- feiert. Ja, aber die Reife hat es wohl gemacht. Wir hatten am Anfang des Monats reichlich Geld, da find wir nach München ge- fahren. Ach— sie läßt das Buch sinken und lächelt—, das war schön, und Heiner war die ganz«n Tage so glücklich! Aber dann hatten wir nicht mal das Geld zur Rückfahrt und mußt«n erst an einen Freund telegraphieren, daß er es uns borgte. Denn von den Eltern nehme ich nichts. Nein, lieber hungere ich." Ihr rundes, kindliches Gesicht bekam einen trotzigen Zug. Ich fragte sie, ob die Reise nach München nötig war. Das weiß fi« nicht zu sagen.„Wir waren so glücklich— dabei lächelte sie wieder—, so glücklich, ein- mal in der Bahn fahren zu können und andere Städte zu sehen und Berge." Während der ganzen Zeit hat Heiner mit zugesehen, wie aus dem Stoff ein kleiner Kinderrock entstand. Seine Züge haben sich seltsam verzogen. „Du bist doch eine Hexe." sagt er und schüttelt sich. Dann steht er wieder auf den Stoff herunter:„So schau bloß, was das Mädchen olles kann, dieses Weib wird mir unheimlich. Heute morgen hat sie irns das Essen gekocht, am Nachmittag hat si« Märchen erzählt, und jetzt macht sie ein richtiges Kleid nur so vor dem Schlafengehen. Und hn Schrank drüben stehen Bücher, die auch das Weibsbild ge- schrieben hat. Du, weißt du, ich bin froh, daß Ich dich nicht zum Woibe habe. Ich würde Angst haben vor dir." Er reißt sein eigenes Weib hoch und umschlingt sie mit beiden Armen. Si«, die ihn um Kopfeslänge überragt, neigt sich mit zart- sicher Gebärde nieder und küßt fein Geficht, und so stehen si« wie zwei große Kinder mrd füllen den Raum. Im Zaubergarten des Meeres. Von Alfons Paquet . Di« Museen von Neapel sind«In Schatz Europas . Die F«isen- weg« des Posilipp, der Weg nach Sorrent , d«r Palmenstrand, all das schwingt in der Erinnerung derer, dl« einmal das höchst irdische Glück dieses Ort«s genossen. Ich sind« aber hier In Neapel das Schönste in den Juwelen des Meeres. Ich tat einen Blick in die an Land gehoben« M««reswelle: diese Welle heißt di« Zoolo- gische Station. Es Ist die übliche kllerartige Grott« mit den Guckkästen. Aber sie zeigt Wunder, die farbiger sind als di« des Mikroskops. Das Mikroskop vermag nicht viel mehr, als in das farblose Gewimmel der kleinsten Leboivesen einzudringen und die geheimnisvoll« Ordnung im Gewimmel nachzuweisen. Hier aber vor diesen Glas- senstcm hebt sich plötzlich der saphirn« Deckel der mittelländischen See. Wer später wieder über dies« Fläch« hinsieht, der hat die Er- innerung an die unergründlichen Geheimnisse im Palast des Posei- don, dem ist es, als sei er einmal in unausdentlichen Zeiten In die Tiefen dieses Meeres eingetaucht gewesen. Einst sah ich Im Nor- dischen Panorama In Stockholm einen Versuch, die bepelzten L«be- wesen des Polargebietes in ihrer Natürlichkeit darzustellen: aber es waren Tiere der Oberfläche, Möwen, Pinguin«, Füchse, Bären: In dieser einzigen Zoologischen Station dagegen erschließt sich das füdsiche Meer als ein Zaubergarten, dessen Blumen im ersten Anschauen nichts als ein Entzücken des Auges sind, bis sie bei näherer Betrachtung ihre erschreckende und gleichnishoste Form enthüllen. In den besonnten Wassern raufen sette Fisch«, deren Schuppen wie syrische Seidenstosfe schillern, vom Rande der hellen satigrünen Algrnblätier. die auf dem Sandboden ihrer Gefängnisse wachsen. Liier Hausen rote Seesterne, gelbe, spinnenähnliche Tier«. Igel mit grstränbten purpurgcsärblen Slacheln sind unbeweglich an Steinen festgeklammert. Seltsam« Mollusken wachsen da mit taschenförmi- gen Köpfen, die wie Gerippe von Orchideen sind. Auf Felsenvor- sprüngen leben Büsche von Tierpflanzen. Brnnbuswlesen der zar- | testen Stengel, die statt der Blätter paxageienfarbene Sichelblüttcr tragen oder windmühlenartig angeordnete Federkiele. Hier sind Wnrzelknollen, die mit malvenfarbenen Blüten besetzt sind ohne Stiele und ohne Blätter, rostfarben« Schnecken, porzellanene Muscheln, Lebewesen, die großen Edelsteinen, dunkelglänzend:n Achaten oder alabasternen Urnen gleichen. Andere sint»'mennigrot wie von glühendem Eisen, ode� wie kleine, daumenlange Röhren von rotbreniKndem Glas. In irgendeinen Felsenwinkel dieser Ge- wasser drängen sich stach-lige Fische, winzig klein, unnatürlich kolk- weiß, kalkbraun und fleischrot, scheu wie Nachtschmelterlira. Riesige Hämmern waber-n am Boden, die kleineren grünlich und braun gefleckt, die alten wie in braunes Elfenbein gepanzert, die Augen schwarz wie Holunderbeeren, die Scheren schwer und furcht- bar, die Fühler zart und nadelförmig. Stengellos« Meeresblumen, geballt wie Schwämme oder zusammengefaltet wie Haarpinsc!, wiegen ihre Fäden als ein Büschel leichenfarbener Blätter, wie welke Asterblüten. Andere sind von Orangenfarbe oder gleichen riesigen Chrysanthemen: ihr schwaches atmendes Sichöffnen und Sichschließen verrät mimosenhaft« Empfindung. Zarteste Röhren aus Milchglas hängen biegsam ins Wasser herab: dort ist eine Oase der zierlichsten unterseeischen Palmen, aber ihre Stämme sind Säulen aus Stein, die oben in spitze, glatte Blätter ausbrechen und aus einem fahleren, unklaren Grau ins Violette spielen. Faust- große rötlich gefleckte� Krabben sind da, und kleineve, die gerönne- neu Blutstropfen gleichen. Einige erscheinen zart, perlenhast, wie schimmernde Blasen, sie schwimmen wie Bällchen in der Lust voll- kommen durchsichtig oder schweben wie ein musselinener Fallschirm, in dessen Mitte d«r Magen wie ein gelbliches Täschchen hängt. And«re«rscheinen als zarteste Gerippe, fein wie Kreidezeichnungen auf einer Silberxlatte. hirnvehend wie Spinngewebe, wi« ein Atemhauch am Herbstmorgen linienlos. Ihre Nachbarn sind Aale, blauschwarz, wi« Riemen zusammengefaltet oder bis zum Zerreißen wie Gummistränge auseinandergezogen, Tiere, deren gestreckte Beweglichkeit einen Eindruck von Kraft erweckt, der stärkste wie ein enormer, mit Ziermuscheln besetzter Gürtel aus Elefanten- haut, wie der barbarische Schmuck eines Negerhäuptlings. Schild- kröt«n steigen im Wasser auf wie Bogel mit schwerfälligem Flug, sie durchstoßen die Oberfläche, sie trinken Luft und sinken' satt. Ein Polyp, aufgestört, taumelt in einer Sepiawolke. Aber unter allen diesen Wasserbewohnern sind die Fische die merkwürdigsten, weil sie den Menschen vertrauter sind, selbst jene schwarzweiß getigerte Scholle, die sich im schwarzweißen Kies ver- birgt, dem Auge kaum erkennbar. Aufgescheucht, flattert sie empor wie ein Stück dieses Kiesbodens, schwimmt, hält Umschau und sinkt träge auf ihre Lagerstätte zurück. Ein Schwärm winziger Fische steht wie eine Schar von Kinderdrachen in der Lust: nur ihre Bart» säden, ihre seidenzarten Flossen spielen: plötzlich, auf eine unmerk- liche Warnung hin, ziehen sie die Fühler ein und setzen sich in karusiellortig? Bewegung. Hier steht in seiner Zelle ein indigo- blauer Fisch, einsam, mandarinenhaft. Ein anderer ist von oben nach unten gestreift als sei er auf dem Rost gebraten. Eine Herde von Zebrafischen steht auf dem Sandboden still wie witterndes Wild in der Steppe. Silberblinkende Lanzettfifche erscheinen in ihrer zugespitzten Form wie Zeppelin«. Stahifarbene Fische schim- mern wie gehämmert und mit Gold und Silber tauschiert. Am erschreckendsten sind diese unruhigen und beunruhigenden Tiere, deren Melustnenleiber Menschenanttitz zeigen. Es sind Fische mit Schnauzen. Römernasen. Sattelnäsen, mit silberfahlen glattrasierten Wangen unter runden, kalt und mißtrauisch glotzen- den Augen und fliehenden Stirnen. Diese Fische ziehen unablässig ihre Kreise, bleiben nachdenklich stehen, schauen dir einen Augen- blick Ins Gesicht und setzen verächtlich ihre Wanderung fort. Trotz der Enge des Behälters sind sie in einer ständigen, nervösen Orts- Veränderung: sie scheinen einander nicht auszuweichen, berühren einander niemals, stoßen nie zusmnmen und kommen nie bis an die Glasscheibe. Zwei englische Damen In Begleitung eines alten Herrn können sich von dem mystischen Anblick dieser Fische nicht trennen. Sie wenden sich ab und kehren immer wieder mit Ausrufen des Stau- nens: sie nennen die Namen von Staatsmännern, von Größen des Parlaments. Diese Vergleiche sind sehr nett, aber sie schmecken«in wenig nach der Zeitung. Ich finde, daß die Mienen dieser Fische die Mienen von Beftssenen und Verdammten sind: sie scheinen mir eher für die Odyssee geschaffen. Nur im Hades kann es so unheim- liche bleiche kalte und gequält« Wesen geben. Techniker öes Mittelalters. Von Willy M ö b u s. Techniker hat es zu allen Zeiten gegeben, nur der Gang der technischen Entwicklung ist nicht immer der gleiche gewesen. Auf Perloden angespanntesten technischen Schaffens folgen in der Mensch- heUsgeschichte solche, in denen der technische Fortschritt nur mühsam schreitet, oft sogar stockt, um dann wieder mit unerhörter Schnellig- keit alle Versäumnisse einzuholen. Eine Periode des technischen Stillstandes scheint uns, die wir diese Dinge unter dem Gesichtswinkel der modernen Technik be- trachten, das Mittelalter zu fein. E- wird sich sedoch nie objektiv der ganze Umfang und Inhalt der technischen Arbeit in diesem Zeilabschnitt ermitteln lassen. Die Kirche und die Inquisition sorgten dafür, daß ein großer Teil, wahrscheinlich der größte, der über tcch- Nische, mathematische, naturwissenschafisiche Dinge berichtenden Werke
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