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allem die Erfahrungen der Tierpsychologie nicht außer acht lassen, die uns zeigen, daß im Seelenleben der Tiere die mechanische und automatische Handlungsweise im Vordergrund steht. Ist doch dem Vogel sogar die Technik des kunstvollen Nestbaues angeboren! Kein Bogel braucht sie erst zu erlernen. Auch wenn er im Brutapparat das" Licht der Welt erblickt hat, von Menschenhand aufgezogen ist, niemals ein Nest gesehen hat und nie mit anderen Vögeln in Be- rührung kam, so erbaut er doch, sobald die Macht der Liebe ihn er- greift, ein ebenso kunstvolles Nest, wie seine Artgenosscn in der freien Natur, und genau nach denselben Grundsätzen. Es handelt sich also hier um eine angeborene Fähigkeit. Aehniiche Beispiele ließen sich noch sehr zahlreich aus dem Leben des Vogels anführen. Ebenso wie der Trieb zum Wandern dem Vogel angeboren ist, der, wie z. B. Kuckuck und Segler, bereits im Hochsommer seine Heimat verläßt, wenn sich noch keine Kälte und kein Nahrungsmangel fühl- bar machen, so scheint auch die Richtung des Zuges dem Bogel bis zu einem gewissen Grade angeboren zu sein. Mehrere erbeutete Ringvögel, die allein ohne Führung von Artgenossen ihr« Reise an- traten, bestätigen dies. So entfloh ein in der Gefangenschaft auf- gezogener Storch im Oktober und wurde dann im Winter in Süd- itallen erlegt, das gar nicht im Zuggebiet des weißen Storches liegt, dessen Reiseweg, wie ich schon sagt«, über Kleinasien und Syrien nach Aftika geht. Der Bogel hatte zwar, den richtigen Weg ohne Führung seiner Eltern nicht zu finden vermocht, hatte aber trotz« dein eine ganz zweckmäßige südliche Richtung eingeschlagen. Wir können diese angeborene Zugrichtung nach einer allgemeinen Himmelsrichtung mit grober Orientierung bezeichnen. Die feine Orientierung, das Auffinden eines komplizierten Weges, erfolgt da- gegen entweder durch Anleitung oder durch Einwirkung äußerer Netze, wie sie z. B. durch Wasserläufe oder Meeresküsten gegeben wird, denen die Zugvögel gern folgen. So hat sich das Experiment in der Vogelforschung glänzend be- währt. Unser Wissen vom Vogelfluge hat weitere Fortschritte gr- macht. Besonders die Fragen nach der Schnelligkeit des Zuges, der Zugrichtung und der Zugstärke, sowie die Orientierung der Sing- vögcl zeigen sich jetzt in einer ganz anderen und neuen Beurteilung. als es bisher der Fall war. So dürfen wir von der«xperimentelken Forschungsweise eine völlige Lösung des rätselhaften Problems des Vogelzuges erwarten. Der Weg öes Meters. Bon W u ly M ö b u s. Nichts Einfacheres gibt es scheinbar als das Messen. Man nimmt feinen Maßstab, vergleicht mit ihm die zu messende Länge und liest die Maßzahl. ab. Das ist sehr leicht und mag für den alltäglichen Gebrauch genügen. Wenn es sich jedoch um höchste Genauigkeit handelt, ist die Sache schon nicht mehr so leicht, sie wird zu einer sehr schwierigen Angelegenheit, wenn es gilt, die absolute Genauigkeit zu erreichen. Diese Ausgabe ist so schwer, daß sie bisher noch nicht gelöst wurde. Die bisher erreichte größte Genauigkeit war immer nur ein Näherungswert, der das erstrebte Maß um einige Tausendstel Millimeter über- oder unterschritt. Und dennoch ist das bereits eine Leistung, die nur mit ganz besonderen Meßwerkzeugen ausgeführt und nur auf Grund sorgsam erdachter Methoden erre-cht werden konnte. Bevor man aber dazu kam, Einheitsmaße zu schassen und so zu bestimmen, daß an der Erklärung nicht gedeutelt werden konnte, war ein langer imd unendlich mühevoller Weg zurückzulegen. Es soll im folgenden nicht auf frühere Maßeinheiten Bezug genommen werden. Es genügt, den Weg des Meters ' aufzuzeigen, der über so manche Klippen geführt hat, bei dem sa mancher Irrtum unterlief, che wir ein Maß erhielten, das den Anforderungen moderner Meßtechnik genügen konnte. Früher herrschte aus dem Gebiete des Maßwesens in allen Lan- lern Anarchie. Die einzelnen Maßeinheiten waren zudem oft recht ungenau bestimmt. Normalmaßstäbe waren nicht nur aus unzuläng- lichem Stoff angefertigt, sondern auch den Einflüssen der Temperatur, zuweilen auch der Witterung ausgesetzt, so daß sie ständigen Ver- Änderungen unterlagen. Tayllerand, der Bischof von Antun, unterbreitete daher der französischen Nationaloer- fammlung von 1790«inen Plan zur Vereinheitlichung des Maß- systems. Die Versammlung beschloß zunächst, einnatürliches" Maß, die Länge des Sekmrdenpendels unter dem 45. Breitengrad, zu wählen. Später einigte man sich, den zehnmillionstcn Teil des Erd- incridianquadrantcn als Nonnalmaß zu bestimmen. Man ließ aber trotzdem die Länge des Srkundenpendels unter dem 45. Breitengrad ftstftellen. In siebenjähriger Arbeit wurde ein Bogen von S?» Grad zwischen Dünkirchen und Manrjuich bei Barcelona ausgemessen. Den stürmischen Drängern in der Nationalversammlung dauerte diese höchst mühevolle Arbeit aber viel zu lange. Schon am 1. August 1793 be- schloß sie die Herstellung eines vorläufigen Meters auf Grund einer um l740 ausgeführten Gradmcffuvg. Nachdem aber die Ergebnisse der Gradmessungen und-berechnungcn vorlagen, fertigte F o r t i n ein Endmaß aus Platin mit einem Querschnitt von 25 X 4,05 Milli­meter an, der dem zehninillionsten Teil des Erdmeridianquadranten entsprechen sollte und nun von der Naiioiialversammlung ain 10. Dezember 1799 als daswahre und endgültige Meter" bestimmt wurde. Dieser Maßstab aber, der im Archiv niedergelegt wurde, wich um etwa lli»o Millimeter von der tatsächlich errechnetennatür­lichen" Länge ab. Außerdem hatten spätere Messungen des Erd- Vogens anders Ergebnisse, nach denen der Norinalmaßstaü nur um'/immo von deinnatürlichen" Maßstab abwich, während nach' neueren Messungen diesesNormalmetcr" gar um Vs Millimeter zu kurz war. Trotzdem bedeutete oicsc Arbeit einen großen Fortschritt, und es kennzeichnet den konservalioen Sinn der Menschheit, wenn das neue Maß fast allgemein nicht beachtet wurde, so daß es in seinem Geburtslande, in Frankreich , erst eines kategorischen Gesetzes bedurfte, nach dem vom 1. Januar 1840 ab keine andere Maßeinheit neben dem Meter benutzt werden durfte. Nach dem Willen der Nationalversammlung aber sollte da» Meter eine internationale Maßeinheit werden. Damit hat es jedoch gute Weile gehabt. Die Menschen der anderen Länder waren genau so konservativ wie die Franzosen . Jedes noch sa kleine Ländchen war stolz auf seine überlieferte Maßeinheit. Als 1860 der Bundesrat in Frankfurt die Einführung des Meiers für Deutsch- land anregte, setzte Preußen dem einen heftigen Widerstand ent- gegen. Es glaubte sich dazu berechtigt, weil es sein Maßsystem gut geordnet und die dazu nötigen Arbeiten erst 1839 vollendet hatte. Nachdem Preußen seinen Widerstand aufgegeben hatte, wurde da» Meter durch Beschluß des Norddeutschen Bundes vom 13. Mai 1863 und dann durch Reichsgesetz vom 1. Januar 1872 in Deutsch - land eingeführt. Als Normalmaßstab wurde eine Kopie des ftan» zösischen Normalmeters bestimmt, die 1817 durch Humboldts Ber» mittlung gekaust und bei einer Temperatur van 0 Grad Celsius einige Tausendstel Millimeter größer war als das Original. Trotz niancher Schwierigkeiten ist der Wunsch der französischen Nationalversammlung von 1791, dos Meter als internationale Maß. einheit anerkannt zu sehen, nach eiwa 100 Jahren in Erfüllung gegangen. Nur England und Nordamerika messen mit dein P a r d, aber sie lassen da? metrische System auch in ihren Ländern zu. Bemerkenswert ist, daß dos in Amerika benutzte Meter gegenüber dem internationalen um fast Hiwo Millimeter zu kurz ist. Am 1. Januar 1876 trat die Internationale Meterkonven- tion in Kraft, der heut« 26 Staaten angehören. Die Beobach» tungsräume dieser Vereinigung im Pavillon de Breteuil in Sevrcs bei Paris sind durch Doppelinauern, zwischen denen ein« Isolier» schicht liegt, geschützt und außerdem von Fluren umgeben. Unter Vermeidung direkter Sonnenbestrahlung werden sie von oben her beleuchtet. Dadurch sind Temperaturschwankungen, die die Meß« stäbe und Meßwerkzeuge beeinflussen könnten, fast gänzlich aufge» hoben. Selbst die Körperwärme eines Beobachters würde sich hier störend bemerkbar machen, daher wird in seiner Abwesenheit ein kleiner Ofen geheizt. Die wichtigste Arbeit dieses Instituts war am 26. September 1889 beendet: an diesem Tage wurde das neue Ur» meter aus der Taufe gehoben. Es ist dies ein Platinstab von Xförinigem Querschnitt, der eine so große Oberflüche besitzt, daß er leicht die Temperatur seiner Hingebung annehmen kann, von ge- ringstem Gewicht ist und verhältuisinäßig wenig Material zu sein«? Herstellung erfordert. Das neue Unneter wurde aus 30 gleichzeitig angesertigten Stäben ausgewählt. Es ist der Stab, der dem ersten von Fortin 1799 gefertigten Maß am genauesten entsprach. Die übrigen Stäbe wurden unier den Verlragzstaaten verlost. Das neue Urmeter ist nicht als Endmaß, sondern als Strich maß ausgebildet. Es wird erklärt als der Abstand der Achsen der beiden Striche auf dem im Bureau International des Poids et Mcsures aufbewahrten Normalineterstobcs bei der Temperatur des schmel­zenden Eises. Das Urmeter ist luftdicht in einer Büchse verschlossen, die nur mittels dreier Schlüssel geöffnet werden kann, von denen je einer im Besitz des Präsidenten des Comite International des Poids et Mesures sowie der Direktoren des Bureaus und des fron - zösischen Staatsarchivs ist. Einige Staaten, unter ihnen Deutsch . land, haben sich außerdem Normalmeterstäbe von Xförinigem Querschnitt herstellen lassen, die als Endmaße ausgeführt- sind. In neuester Zeit ist es gelungen, das Meter auf die Wellen» länge des Lichts zurückzuführen. Die Lichtwellen sind frei von ollen Aenderungen, denen stoffliche Maßstäbe ausgesetzt sind. Man nutzt bei der Lichtmessung die Interferenz aus, d. h. jene Er- lcheinung, bei der sich zwei gleich« Lichtwellen beim Zusammen­treffen an gewissen Stellen verstärken, an anderen vernichten. Da Lichiwellen ein stets unveränderliches Maß sind, läßt sich mit ihr«* Hilfe jederzeit jedes gewünschte Maß einwandfrei darstellen. Der Weg des Meters konnte nur kurz angedeutet werden. E? führte von der ersten ungenauen Erdbogenmessung bis zur Da» stellung einer festgelegten Längeneinheit durch unveränderliche Licht« wellen. So zeigt sich auch auf diesem Teilgebiet menschlichen Strebens daß nichts still steht, daß sich alles ständig wandelt. ES zeigte sich aber auch, wieviel Zeit und zäh« Arbeit nötig ist, um selbst so verhältnismäßig einfache Dinge durchzusetzen, und es dürft« gut sein, sich das gerade in unseren Tagen vor Augen zu halten. wenn es manchem trotz eifriger Arbeit zu langsam vorwärts geht. Es setzt sich eben nichs schwerer durch als eine vernünftige Sache, wenn sie neu, d. h. wahrhaft revolutionär ist. Die Welt mär' ein Sumpf, stinkfaul und matt, Ohne die Enthusiasten: Die lassen den Geist nicht rasten, Die besten Narren, die Gott selbst lieb hat, Mit ihrem Treiben und Hasten! Ihr eigen Ich vergessen sie, Himmel und Erde fressen sie Und fressen sich nicht satt.(Mörike.)