Wissen und Schauen
Der Erbauer des Eiffelturms. Im Alter von 91 Jahren ist, wie bereits gemeldet wurde, in Paris der Ingenieur Alexandre Gustave Eiffel gestorben, deffen Name eine Weltberühmtheit wurde burch den von ihm erbauten, zum Wahrzeichen des Pariser Stadtbildes gewordenen Eiffelturm. Dieser Turm. der sich über die Stadt in einer Höhe von 1984 Fuß erhebt, ist das höchfte Bauwert, das je errichtet worden ist, mag man auch alle die Hochbauten der Wolfenbrazer, Pyramiden, Domfuppeln usw. in Betracht ziehen. Als der Eiffelturm vor 35 Jahren sich erhob, wurde er allgemein als ein Weltmunder gefeiert, obwohl man damals die Bedeutung, die er in wissenschaftlicher Hinsicht bei der Entwicklung der draht lofen Telegraphie und der Luftschiffahrt erlangte, noch nicht vorausfehen konnte. Eiffel baute den Turm auf eigene Kosten und aus eigener Initiative, um feine großzügigen Konstruktionsmethoden zu erproben. Er hatte sich vorher als Brückenbauer ausgezeichnet und im Jahre 1858 durch den Bau der Eisenbahnbrücke über die Garonne bei Bordeaux feine Tüchtigkeit bewiesen. Später fonnte er feine Brückenkonstruktionen an anderen Brückenbauten in Frankreich , in Portugal und Ungarn zeigen. Von ihm stammt auch der Entwurf bes Bahnhofs von Budapest , und dann war er als Ingenieur bel bem ersten Banamafanalunternehmen tätig, bis der Krach eintrat. Im Jahre 1886 erklärte Eiffel sich bereit, für die Weltausstellung von 1889 einen Riefenturm zu bauen, und das gewaltige Werf blieb 20 Jahre hindurch sein Eigentum, bis es dann in den Besitz der Stadt Paris überging. Eiffel verwendete bei diesem Turmbau. wie bei seinen anderen Ingenieurarbeiten, neue Formen der Bogenfonstruktionen von möglichst großer Weite. Er hat sich aber nicht nur als Ingenieur betätigt, sondern auch wissenschaftliche Unterfuchungen vorgenommen, zu denen ihn sein Turm hinführte. Er imternahm regelmäßige meteorologische Beobachtungen. 1907 brachte er ein Werk heraus mit dem Titel„ Graebnisse der Versuche über den Widerstand der Luft, auf dem Eiffelturm ausoeführt". Als die Flugkunst auffam, trot er zu den bedeutendsten Pionieren der Luftschiffahrt in nähere Beziehung, und sowohl die Brüder Wright, wie Blériot , Voisin und andere haben aus seiner Mitarbeit großen Nuzen eezogen. Er hatte auch auf die Ausbildung der Maschinen der Flugzeuge einen beträchtlichen Einfluß. Selbst seine Irrtümer waren für die Forschung nicht ohne Nugen, und seine Versuche über die Flugkunst oaben Anlaß zu weiteren Experimenten. Er hat sich bis zu feinem Tode ununterbrochen mit flugtechnischen und meteorologischen Arbeiten beschäftigt, und es war ihm eine befondere Genugtuung, als der Eiffelturm zu einer der wichtigsten brahtlosen Stationen wurde, wozu er sich infolge feiner Höhe befonders gut eignete Auch die ästhetische Wertung des Eiffelturms. ber zunächst als ein häkliches Gerippe" viel geichmäht wurde, hat sich in unserem Maschinenzeitalter durchgefekt. Viele Künstler haben feine charakteristische Silhouette in ihren Bildern von Paris verherrlicht, und die Dichter haben diefen neuen Turm von Babel befunden.
Vom Menschen
Genie und Wahnsinn. Den vielangefochtenen Satz Lombrosos, daß das Genie eine Art Wahnsinn sei, unterzieht der hervorragende Pinchologe Krezfchmer einer erneuten Betrachtung. Er spricht ihm nach einer Mitteilung der Umschau" eine gewisse Berechtigung zu. Das Genie zeigt oft mildere Formen eines pfychopathischen Zu standes; es ist stolz auf seinen Dämon, und es hat darin recht, denn biefer pathologische Zustand ist das Ferment, das fein geniales Schaffen entstehen läßt. Während das Talent vererbt werden fann, ist die große geniale Veranlagung fein Erbe der Vorfahren. Wohl finden sich günstige Bedingungen für die Entstehung des Genies in einer begabten Familie, aber erst gewisse franthafte Faktoren er möglichen den Ausbruch der Leidenschaft, die innere Unruhe, bereiten den Boden, auf dem der schöpferische Genius entsteht. Aus blesen milden Formen des Wahnsinns erklärt es sich auch, warum fich der Genius dem Leben oft so schwer anpaßt und ein ganz un verträglicher Mensch ist. Dies gilt auch im weiteren Sinne für hochtalentierte Naturen, deren unftetem, felbstquälerischem Wesen troy aller Anzeichen des Genies das Gleichgewicht fehlt. Damit scheiden auch die Hemmungen und Kontrollen aus, ohne die geniale Schöpfung nicht möglich ist. Nach den Forschungen Kretschmers gehören die Geschichtsschreiber und Humoristen in ihrem Körperbau, der mit der geistigen Entwicklung in enger Beziehung steht, zu dem gedrungenen forpulenten Typ, der hauptsächlich Melancholifer und Sangu inifer repräsentiert. Dramatiter und Lorifer gehören ebenso wie die abstrakten Denter zum schlanten ober athletischen Typ, der cholerische, überempfindliche oder falte Naturen umfaßt.
Gesundheitspflege
Geteilte und ungeteilte Arbeitszeit. Die Frage, ob die unge teilte Arbeitszeit( mit einer halben Stunde Mittagspause) oder ble geteilte Arbeitszeit( mit drei Stunden Mittagspause) mehr zu emps fehlen ist, hat in vorigem Jahre Georg Windsheimer zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht und berichtet darüber in den Leipziger Psychologischen Arbeiten". Es wurden Stichproben von beiden Arbeitsverteilungen genommen und auf die Ermüdungswirfung hin geprüft. Auffallend war die starke Erhöhung der Lel stungen, die bei der ungeteilten Arbeitszeit nach der kurzen Mittags:
pause einirat. Windsheimer führt diese günstige Wirkung auf den Fortfall stärkerer Verdauungstätigkeit zurück, teils aber auch dar. auf, daß in der kurzen Pause der Gedanke an die Notwendigkeit, in der Arbeit fortzufahren, gar nicht aus dem Bewußtsein entschwand und demgemäß die Einstellung auf die neue Tätigkeit rasch und reibungslos von staten ging. Ein abschließendes Ürteil fann auf Grund dieser immerhin mehr vorläufigen Versuche noch nicht ges geben werden. Man wird die Beobachtungen erst noch vermehren müssen.
口
Erdkunde
m.
Wie alt ist die Erde? Der Londoner Akademiter Henry Norris Russell hat sich letzthin die Frage nach dem Alter der Erde vore gelegt. Er will dem Problem auf dem Wege der Radiumforschung näherkommen. Wenn nämlich die ganze Erdfruste urspünglich aus Uran bestand, so würde nach seinen Berechnungen für das Herabfinten der Uranmengen durch Atomzerfall auf die jekige Menge eine Zeit von 85 Milliarden Jahren nötig gewesen sein. Eine andere Berechnung von Clarka, die sich auf ähnliche Gedankengänge ftügt, blei und Thoriumblei ausgeht, kommt auf bloß eine Milliarde Jahre. aber von der Zusammenlegung des gewöhnlichen Bleies aus Uran und eine dritte Berechnung, die annimmt, daß alle Elemente von höherem Atomgewicht als 100 durch radioaktiven Berfall entstanden find, führt zu einem Ergebnis von 30 Milliarden. Russell hält freilich diese Zahlen meist für zu hoch. Er meint, es genüge, einen Spielraum von 2000 bis 8000 Millionen, also 2-8 Milliarden, anzunehmen. Das wäre die Zeit nach dem Zusammenstoß, der zum Herauswirbeln der Massen der Erde und der übrigen Planeben aus dem Sonnenball führte. Einen anderen, mehr astronomischen weg hat Jeffreys eingeschlagen. Er will aus der Erzentrizität der heutigen Planetenellipfen schließen, daß das Sonnensystem 3 Milliarden Jahre alt wäre.
回
回 Naturwissenschaft
回 口)
Merkwürdige Insekteninstinkte. Zu den noch unerklärten Wundern der Tierwelt gehören die Instinkte mancher Insekten, von denen Prof. B. Schmid in der Leipziger Illustrierten Zeitung" berichtet. Go ist es z. B. ganz unerklärlich, daß die männliche Hirschläfer larve bei der Herstellung ihrer Puppenwiege Rücksicht auf das fünftige Geweih nimmt und größere Ausmaße verwendet als die weibliche. Da das Tier als Raupe teine solchen Zangen besitzt und seine Eltern nie tennen gelernt hat, so kann hier weder eine Erinne rung vorliegen noch kann die Intelligenz des Tieres so groß sein, um die Folgen seiner Handlungsweise vorauszusehen. Ein anderes Beispiel bietet das Weibchen des Rüsselkäfers, das durch einen Stich dem Blatt eine tiefe Wunde beibringt; dadurch wird das Blatt an der verlegten Stelle melb und nunmehr für ihre Nachkommen. schaft geeignet. Der Käfer rollt das Blatt in einer unglaublichen Ausdauer in eine fleine Zigarre zusammen, in die die Eier gelegt werden und in der die Nachkommenschaft Schutz und Nahrung ge nießt. Wieder steht man vor einem Rätsel und kann sich nicht er flären, wie das Tier zu dieser im höchsten Grade zweckmäßigen Handlung kommt. Ganz eigentümliche Instinkte haben auch die Nachkomunen unseres Mai wurm= und Delkäfers. Die fleinen, etwa zwei Millimeter großen Larven, Triungulinen genannt, figen auf den Blüten der Wiesenpflanzen auf der Lauer. Kommt eine honigsuchende Biene vorbei, so schwingen sie sich mit einem Saz in deren Haarkleid und flammern sich dort mit ihren Klauen fest, ohne daß die Trägerin etwas merkt. Die Biene baut an ihrem Nest und läßt dann ein Ei hineingleiten. Diesen Augenblick benutt die kleine Reiterin, macht unbemerkt einen fühnen Sprung auf das Et und läßt sich von der nichtschnenden Erzeugerin in die Nestzelle einmauern. Die Larve verzehrt dann das Ei vollständig, häutet sich und entwickelt sich nach weiteren verschiedenen Formen, die sie annimmt. Schließlich zu bem ansehnlichen stahlblauen Maiwurmfäfer. Das Männchen stirbt bald nach der Paarung, das Weibchen balb nachdem es die Eier gelegt hat. Wenn die jungen Larven nach 4-6 Wochen austriechen, müssen sie ganz instinktiv ihren Gang ins Leben auf dem Rücken eines anderen Tieres antreten. B.
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Kulturgeschichte
Marzipan. Wahrscheinlich ist dies feine Mandelgebäd ein Era zeugnis des morgenlandes und fam von da, wie so vieles, über Byzanz nach Venedig . Die flugen Kaufleute von Benedig erlernten d'e Brobuftion und brachten die wore in den Handel als panis Marci", Brot des heiligen Markus. Bei den Beziehungen zwischen Venedig und den Hansestädten wurde der Geschäftszweig auch nach fekteren übertragen und faßte besonders in den Ostsee . städten festen Fuß, von wo wir noch heute den Marzipan be ziehen. Bestimmend für tos Gedeihen und die Ausbreitung der Erzeugung in Lübeck , Tilsit, Memel und anderen Orten war jeden. falls die in den benachbarten Wäldern der Letten, Kuren und Liven blühende Honiggewinnung, bie man schon fast als Honigindustrie bezeichnen tönnte. Pastor Bielenstein hat in feinen Abhandlungen über lettische 3 stände Honigbäume erwähnt, die, wie in Stod werfen, sechs Bienenstöcke übereinander enthi ften. Wahrscheinlich waren es Linden. Vor der Ausbreitung des Anbaues von Zucker in den Siedlungen und vor Erfindung der Zuckergewinnuma aus Runkelrüben stand der Preis der Süßmittel hoch. Die polnischen Fürsten und der Deutsche Orden bezogen davon nicht unbedeutende Einfünfte.