Wissen und Schauen
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Hewald und der„ Hewalder Anzeiger". Zu den reichsten Millionenbauern in Schöneberg bei Berlin gehörte Albert Hewald, der vor jetzt etwa einem Bierteljahrhundert verstorben ist. Schon der Vater Albert Hewalds hatte aus dem Verkauf von Ländereien in Schöne berg ein riesiges Vermögen erworben, und die an den Sohn vererbten Ländereien wuchsen weiter jeden Tag an Wert. Albert Hewald war ein völlig ungebildeter Mensch, dessen einziges Vergnügen lange Jahre darin bestand, mit seinem„ Hofmeister" in einem extra eingerichteten Trintzimmer jeden Tag ungeheure Quantitäten Alkohol zu vertilgen. Schließlich tam Hewald auf den Gedanken, eine Zeitung herauszugeben. Er ließ sich in seiner Villa eine Druckerei einrichten, ging einige Wochen zu einem Buchdrucker in die Lehre, und dann erschien der Heralder Anzeiger" allerdings ganz unter Ausschluß der Deffentlichkeit. Höchstens das Dienstpersonal durfte einmal einen Blick in diefes Schöneberger Weltblatt tun. Hewald war Berleger, Redakteur, Theaterkritiker, Mufitrezenfent, Lokalberichterstatter, Kunstreferent, Setzer und Drucker in einer Person. Er nahm in seiner Zeitung auf, was ihm gerade in den Kopf fam Politisches, Wirtschaftliches, Lokales usw. Hatte er irgendwo eine Notiz gelesen, die die Sternlunde betraf, fo modelte er fich den Inhalt in seinem Kopf zurecht und brachte es in die Zeiung. Daß dabei fast immer recht großer Unsinn herausfam, zumal Herald von den Regeln des Sazbaues und der Orthographie nicht viel hielt, das fümmerte den Herausgeber nicht, fam ihm auch gar nicht zum Bewußtsein Beliebt waren bei ihm die alten Bauern regeln, und diese fekte er auch seiner Zeitung öfter als Leitwort vor. Wenn die Jauche stinkt und der Floh dich beißt, dann gibt's Regen schon am nächsten Tage meist", diese alte Bauernregel wandte er üfter an. Hatte Hewald am Nachmittag genügend getrunken, so fing er auch öfter an zu dichten. Diese selbstfabrizierten Gedichte tamen dann auch in die Zeitung. Den Frauen widmete er einmal folgendes Gedicht: Die Frauen sind wie Zucker, doch sind's auch große Mucker, sie sind manchmal wie Honigseim, doch darf man feine frein". Seine eigene Frau hatte ihn frühzeitig verlassen, wurde aber von ihm reichlich mit Geld beliefert und vergnügte sich auf ihre Art in einer Billa in Potsdam . Die glücklichen Erben Hewalds sollen nach dessen Tode sämtliche noch auffindbaren Egemplare des„ Hewalder Anzeigers" vernichtet haben, aber da und dort dürften einzelne Stücke diefer eigenartigen Zeitung doch noch aufbewahrt werden. Sie gehören jedenfalls mit zu den größten Kuriofitäten des Zeitungswesens. A. M.
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Kulturgeschichte
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Die Geschichte der Sterne und Streifen". Der Ursprung der Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika , des Sternenbanners, ist recht wenig bekannt. Im Jahre 1775 wurde ein Ausschuß ein gefeßt, der eine gemeinsame Flagge für die dreizehn Kolonien entwerfen sollte, aus denen die Vereinigten Staaten ursprünglich nach dem Unabhängigkeitsfriege, der sie von der englischen Herrschaft freigemacht hatten, bestanden. Die Flagge, auf die man sich einigte, unterschied sich nicht wesentlich von der jeßigen, ausgenommen dadurch, daß sie nur dreizehn Sterne trug, die zusammen mit den dreizehn roten und weißen Streifen die dreizehn Staaten symbolisierten. Durch Kongreßbeschluß vom 17. Juni 1777 wurde die amerikanische Flagge endgültig eingeführt; aber erst später wurde bestimmt, daß die Streifen aus sieben roten und sechs weißen Bändern bestehen follten, und es gibt noch einige sehr alte Flaggen mit sieben weißen und sechs roten Streifen. Man hat lange geglaubt, daß der amerika nische Adler und die Flagge aus Washingtons Familienwappen entnommen seien, doch ist das nicht sehr wahrscheinlich, da Washington einen Raben und einen Adler im Wappen führte, allerdings aber horizontale rote Balken, beschienen von roten Sternen. Indessen hat man hier vielleicht die Inspiration zur amerikanischen Flagge geholt, deren tiefe Bedeutung war, daß jeder Staat der Union in der Nationalflagge mit einem Stern und einem Streifen vertreten fein sollte. Als später dazugekommene Staaten anerkannt wurden, so Vermont 1790 und Kentucky 1792, handelte man nach diesem Grundfah und vermehrte die Zahl der Sterne mie der Streifen von dreizehn auf fünfzehn. Einige Jahre später betrug ihre Zahl schon 25, aber schließlich fand man das System unpraktisch, und 1813 beschloß man daher, zu der ursprünglichen Zahl von dreizehn Streifen zurückzukehren, aber dafür die Anzahl der Sterne bei jedem neu bazugekommenen Staat zu vermehren, so daß man aus den Sternen der Flagge genau ersehen fann, aus wieviel Staaten die Union besteht. llebrigens hat jeder der Unionstaaten auch noch seine eigene Flagge, häufig mit einem englischen oder lateinischen Motto.
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Naturwissenschaft
Eine untrennbare Ehe. Die Liebe, die die Menschen im Ehe bund auf ewig einander tetten soll, erweist sich leider nicht ummer als start genug, um die Trennung zu verhindern. Es scheint, als ob solche idealen Fesseln nicht die nötige Stärte befizen, um alles Widerstrebende auszulöschen. In der Tierwelt ist die Natur in diefer Beziehung wenigstens in einem Falle vorsichtiger gewesen und hat Mann und Weib so eng miteinander verbunden, daß sie nicht auseinandergehen tönnen, ohne zu sterben. Diese merkwürdige Herstellung einer untrennbaren Ghe ist, wie in Reclams Universum"|
erzählt wird, bei dem heiligen Huiavogel der Maori erfolgt. Das Männchen besitzt nämlich einen beilförmigen, furzen, Spechtartigen Schnabel, mit dem es Löcher in die Baumrinde und Stämme zu hacken vermag. Das tief in den Löchern" hende Ges würm ist ihm aber unerreichbar, und so müßte der das Männchen verhungern, wenn ihm nicht die Natur ein Weibchen mit einem dünnen, langen und gebogenen Schnabel zur Seite gegeben hätte. Mit diesem Schnabel tann das Weibchen wie mit einer Pinzette die Larven und Madert aus ihren Schlupfwinkeln hervorziehen, nachdem das Männchen die Löcher gebohrt hat. Die beiden Tierchen find also vollständig aufeinander angewiesen, und wenn sie auf den Einfall kommen sollten, einander zu verlassen, dann müßte jeder der beiden Gatten unfehlbar zugrunde gehen. Die ideale Ehe" in Freud und Leid, in fetten und mageren Zeiten ist also hier gewährleistet, und es zeigt sich wieder einmal, daß der Hunger doch noch ein stärkeres Bindeglied im Eheleben ist als die Liebe...
Künstliche Flohstiche. Das Wasserleitungsvermögen des Gewebes wird vom Säuregehalt des Organismus in meitestgehender Weise reguliert. Sammelt sich aus irgendeinem Grunde im Organismus Säure an einer Stelle an, so findet eine Flüssigkeitsanhäufung, eine als Dedem bekannte Quellung statt. So fammelt sich bei Störung des Blutkreislaufes Säure an, es entsteht ein Stauungsödem; oder es wird von außen her Säure in das Gewebe gebracht wie beim Insektenstich. Derartige Dedemerscheinungen lassen sich auch nach. ahmen. Sticht man z. B. mit einer Ameisensäure enthaltenden Injektionsnadel in eine Gelatineplatte und bringt sie dann in Wasser, so quillt die gestochene Stelle start auf; man hat einen künstlichen Flohstich" erzeugt.
DOXO
Völkerkunde
Selffame Tabatspfeifen. Die Tabatspfeife hat bekanntlich bei uns die mannigfachsten Formen aufzuweisen. Zurzeit herrscht bei uns die kurze Pfeife vor, aber auch die halblange Pfeife, die sogenannte Jagdpfeife, hat ihre Verehrer. Die lange Pfeife, früher als Studentenpfeife, auch in Rauchklubs beliebt, ist gänzlich ver schwunden. Bon orientalischen Pfeifen ist bei uns das Tschibut und das Norgilch bekannt, aber es gibt viel mehr Formen. Das Vorhandensein nationaler Pfeifenformen hat schon vor fünfzig und mehr Jahren zu der Vermutung Anlaß gegeben, daß die Pfeife in Europa piel älter ist als man früher annahm. Eine solche Verschiedenheit braucht Zeit zur Entwickelung. Tatsächlich hat man ja denn auch schon Pfeifenköpfe in vorgeschichtlichen Gräbern gefunden. Auch die römischen Soldaten haben geraucht, vielleicht nicht die gebore. nen Römer, aber im römischen Heere dienten ja auch Thraker, Stythen, Syrer und sonstiges Bolt. Was für ein Kraut sie damals, als man den Tabat noch nicht hatte, geraucht haben, ist noch unklar; vielleicht Hanf, Bilsentraut, Tollkirsche oder dergleichen. Die größten Pfeifenköpfe haben die Bali in Kamerun , hergestellt aus riesigen Kürbissen. Aber auch aus Ton brennen sie sich Pfeifentöpfe, manchmal mit originellen Berzierungen, humoristischen Darstellungen, Karikaturen von Europäern u. a. m. Da der afrikanische Pfeifenton eine ziemlich brüchige Masse ergibt, ist die auf die Herstellung der Pfeifenköpfe verwendete Kunst und Arbeit um so mehr zu be. wundern. In Uganda , weiter östlich in Mittelafrika, fiebt man riesig lange Pfeifenrohre aus dem dort wachsenden Schilfrohr oder Eisen befinden sich in Ostafrika bei den Wanyammefi. Hier hat sich auch aus Holzstämmen, deren Mart herausgebrannt ist. Rohre aus vielleicht ein Brauch aus uralten Zeiten erhalten; manche Kulturforscher neigen zu der Ansicht, daß die Eifengravierung und-bearbeitung überhaupt eine Errungenschaft ist, die wir dem vorgeschicht stellten, hatten auch die alten Azteken in Merito. lichen Afrika verdanken. Pfeifentöpfe, die menschliche Figuren dar
Vom Menschen
häufiger beobachtet als früher. Die Uebertragung geschieht am häufigMaul- und Klauenseuche beim Menschen wird seit dem Kriege sten durch den Genuß roher Milch von franken Kühen! Sie fann durch den Genuß von Käse, Schlagsahne, Butter und dergleichen aber auch durch direkte Berührung mit dem Bieh( Melken!) oder oder auch direkt durch Fliegen erfolgen. Der Erreger ist beständig ab, also beim Rochen der Milch. Die Ansteckung fann auch durch gegen Trockenheit und Kälte, bei Temperatur über 80 Grad stirbt er fleine Hautwunden erfolgen, bleibt dann gewöhnlich isoliert und führt nur zu leichten Reizerscheinungen in der Mundhöhle und zu leich teren Allgemeinſymptomen. Das Fieber ist beim Menschen meistens auffallend niedrig, der Buls flein.
stummen, der vermittels feines Rückgrates Musit hört, beschäftigt Hören mit dem Rüdgraf. Der merkwürdige Fall eines Taub gegenwärtig die Schweizer Aerzte. Ein junger Berner namens Eugen Butermeister, der taub geboren wurde, betrat kürzlich den Berner Kurjaal und war überrascht, daß er Musit hören" fonnte. Er nahm die Schallwellen nicht mit den Ohren, sondern mit dem Rückgrat auf.„ Mein Rückgrat", erklärt er, scheint eine Art Leiter von Schallwellen zu sein, und ich fühle genau, wie die Wellen durch das Rückgrat aufwärts zum Gehirn steigen. Die Aerzte haben die merkwürdige Erscheinung untersucht und gefunden, daß der Taubftumme die einzelnen Melodien genau unterscheiden und die Instru mente angeben kann, die spielen. Er fann jogar hören", wenn Leute zwischen ihm und dem Orchester stehen. Butermeister fann die menschliche Stimme oder ein lautes Geräusch in seiner Nachbarschaft nicht hören und spricht nur mit Hilfe der Zeichensprache.