Wissen und Schauen
Botschafter alten Stils. Am 11. Mai 1833 tam der Graf von Saint- Aulaire in Wien an als Botschafter des Königs von Frankreich , des Bürgerfönigs, am kaiserlichen Hof. Man kann sich leicht denken, daß er von der ältesten, vorurteils- und dünkelvollisten Aristokratie des damaligen Europas recht fühl aufgenommen wurde und in ein Dornengeftrüpp von Schwierigkeiten geriet. Schon sein Vorgänger, der Marschall Maison, hatte der Unannehmlichkeiten ein gerüttelt und geschüttelt Maß erdulden müssen, besonders von seiten der unverhüllt findseligen Gattin des faiserlich russischen Gesandten. Als schlauer Fuchs erschlich sich Saint- Aulaire zunächst das Wohlwollen der allmächtigen Fürstin Metternich . Um ihre Haltung zu entschuldigen, nannte sie ihn viel zu gepudert und zu vornehm, das revolutionäre Frankreich zu vertreten". So wurden manche flippenreiche Etikettenfragen erledigt; aber es blieb die Feindschaft der Russin. Als der Botschafter die furchtbare Gegnerin zum erstenmal zu Ge sicht befcen, ward er inne, daß er ebenso furchtbare Waffen gegen fie zur Verfügung hatte. Eine Erinnerung tauchte in ihm auf, die 20 Jahre zurücklag. Er sah sich mit vielen Herren in einem toletten Dame falon zu Paris ; auf einem Divan lehete ein entzückendes Weib, ein töstliches Modell für eine neue tizianische Venus, in ein Wunder zartester Stoffe gehüllt, aber nicht verhüllt. Der Herzog von Guise hielt ihre Hände in seiner Hand, während ein junger russischer Mosseur ihre Beine mit den duftigsten Salben behandelte und den rosigen Nägeln ihrer Zehen die denkbar peinlichste Sorgfalt widmete. Saint- Aulaire hatte die Göttin von damals wiedererkannt. Eine ganz, ganz zarte bindeutung darauf bei Tische und seine Feindin streckte bedingungslos die Waffen. Sie werden nie von der Vergangenhelf sprechen," flüsterte sie, ein Edelmann fann schweigen." Nach einiger Ueberlegung, noch leiser: Besuchen Sie mich! Ich will Ihnen meine Füße zeigen. Sie sollen fagen, ob sie noch sind wie damals!" H. D.
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Naturwissenschaft
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Gottesurfeil und Leidenfrostsches Phänomen. Ordalien oder Göttesurteile waren mittelalterliche Gerichtsverfahren, um in schwie rigen Fällen Gott selber die Entscheidung über Schuld oder Unschuld emes Angeklagten zu übertragen. Es lag nahe, sich dazu solcher Naturerscheinunget zu bedienen, die unter vermutlich genau gleichen Bedingungen des Zustandekommens einen verschiedenen Berlauf nahmen. Unter den Gottesurteilen dieser Art erfreute sich die Feueroder Eisenprobe befonderer Beliebtheit: Die angeschuldigte Person mußte mit unbefleideten Füßen über glühende Blatten schreiten und kam dann merkwürdigerweise manchmal mit heiler Haut und ohne weitere Belästigung durch eine hochnotpeinliche Gerichtsbarkeit davo; denn der Unversehrte galt als unschuldig. Die heutige Physit führt die Erscheinung des Urversehrtbleibens auf das Leidenfrostsche Phänomen zurück: Bringt man einen Tropfen Wasser auf eine glühende, reine Platte, so läuft der Tropfen, ohne zu sieden und ohne die Blatte zu beneßen, unruhig hin und her. Gießt man dann ben Tropfen auf die Hand, so zeigt sich, daß er nur mäßig warm ist. Der Tropfen berührt nämlich die Platte gar nicht; er wird von einer Dampfschicht getragen, die aber nicht von einem Sieden, fondern von einer lebhaften Oberflächenverdunstung herrührt. Die Dampfschicht ist aber, wie alle Gafe, ein sehr schlechter Wärmeleiter, mithin geradezu ein Wärmefchuß. Ist also eine Platte hinreichend heiß und sauber, so fann sie ohne Nachteil betreten werden, solange die natürliche Körperfeuchtigkeit zur Bildung einer schüßenden und genügend tragfäbinaen Dampfschicht ausreicht. Noch heute wird der Beweis für die Möglichkeit des Waverleytbleibens oft freiwillig erbracht durch Arbeiter in Gießereien, die ihre Hand in das glühende Metall tauchen und unverlegt wieder herausziehen.
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Medizin
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deutung ist. Unter normalen Verhältnissen speichert sie den ihr zugeführten Blutzucker als tierische Stärke( Glyfogen) auf. So wissen wir denn auch, daß Leberschwellunget und schrumpfungen in Beziehungen zum Diabetes stehen können, wie auch solche bei Er. frankungen der Gallenwege vielfach beobachtet werden. Ferner kennen wir Zusammenhänge zwischen infektiösen Darmerkrankungen und erhöhten Zuckerausscheidungen; besonders bei Kleinkindern wird derartiges nicht allzu selten gefunden. Während der Schwangerschaft ist gleichzeitig das Gleichgewicht im Zuckerhaushalt vielfach Daß Nervereinflüsse eine gewisse Rolle ins Wanken gebracht. spie'en, unterliegt faum einem Zweifel. Wir können übrigens durch Einstich in eine bestimmte Stelle des Gehirns reichliche Zuckerausscheidung im Harn künstlich herbeiführen. In letzter Zeit wird auch auf die ungünstige Wirkung von nicht völlig im Darm zerlegten Nahrungseiweiß, das durch die Darmwand in die Blutbahn gelangt, hingewiesen. Auch eine Art Selbstvergiftung mit im Körper selbst gebildeten Giften wird als Ursache von Diabetes angenommen. Kurzumes wird eine ganze Reihe von Ursachen angeführt, die, jede allein für sich oder gemeinsam die Zuckerhar ruhr hervor. rufen fönnen. Es bleibt jedoch noch emfiger Forscherarbeit vorbehalten, die letzten Ursachen des Diabetes melitus zu ergründen.
Kulturgeschichte
Der schwarze Tod im Kinderlied. Der Todeszug der Best, der hauptsächlich im Mittelalter, aber auch später noch bis ins 18. Jahrhundert hinein über das Abendland gerast ist, gehört zu den graufigsten und zugleich großartigsten Kulturbildern der Geschichte. Durch eine geschickte Zusammenstellung des überaus zerstreuten Quellen materials läßt nun Johannes Nohl in einer bei Gustav Kiepen heuer in Potsdam erscheinenden Chronik der Pest", die den Litel Der schwarze Tod" führt, die Gestalt diefes furchtbaren Würgers vor uns erstehen, mit all dem Spuk und Aberglauben, den nicht auszudentenden Scheußlichkeiten und Verirrungen, den Geißlerfahrten, Tanzepidemien, Totentänzen und zügellofen Orgien, den Verfolgungen und Morden, die damit verknüpft, waren. So fern uns auch heute glücklicherweise durch die Fortschritte der Heilwissenschaft die Pest gerückt ist, so ist es doch ein Beweis für den unauslöschlichen Eindruck, den sie im Volksgemüt hinterlassen, das in den Bräuchen und Märchen, den Volks und Kinderliedern noch immer Anspielungen auf diese Gottesgeißel fortleben.
Ebenso wie Don Juan und Tannhäuser in ihrer dämonischen Größe aus der Peststimmung hervorgewachsen sind, ist auch der Rattenfänger von Hameln eine Figur, die den mit der Beft zusammenhängenden Kinderfahrten ihre Entstehung verdankt. Im Jahre 1284. dem ein großes Pestjahr vorangegangen war, spielte sich die tragische Wundergeschichte zu Hameln ab, und sie steht in dieser Zeit nicht allein, denn wir hören auch von anderen Auszügen der Kinder, die ganz ähnlich wie die Geißer und Tanzfüchtigen, sich vor dem schwarzen Schrecken auf die Flucht machten und für immer verschwanden. Der schwarze Mann", mit dem man die Kinder noch heute schreckt, ebenso der schwarze Peter" des Kartenspiels fie gehen auch auf der schwarzen Lod" zurüd. Ein beliebtes Lauf- und Fangfpiel der Kinder Wer fürchtet sich vor dem schwarzen Mann" mag ein Nachklang der alten Toten tänze fein, für die die Pest den wüsten Hintergrund abgab. Wenig bekannt ist, daß auch ein allgemein bekanntes Bolfs- und Kinder. lieb„ D du lieber Augustin" den Schrecken der Bestzeit ent ſtommt. Es war der sagenumwobene Wiener Volkssänger und Dudelsackpfeifer Mar Augustin, der dieses Liedlein mit seinem letzten Galgenhumor von 1679 enstimmte, als er in diesem schlimmen Pestjahr unter Toten und Sterbenden nichts mehr verdienen konnte.
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Erdkunde
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wie es bei.
Am größten Wasserfall. Der von Livingstone entdeckte Wasser. fall des Sambesi , den er„ Biktoria- Fall" taufte und den die Eingeborenen anschaulicher Mofi wa tunja", d. h. Tofender Rauch", nennen, ist der größte Wafferfall der Erde, denn seine Wassermassen find ungefähr fünfmal so groß wie die des Nia. gara und feine Höhe ist größer als die des höchsten Turing der Beriiner Kaiser- Wilhelm- Gedächtniskirche , der 119 Meter mißt. während die Höhe des Niagarra nur" 44 Meter beträgt. Die Gesamtlänge diefes Wasserfalls beträgt 900 Meter. Freilich gegara, weil er nicht von einer einzigen Stelle aus ganz zu übersehen ist, aber dafür ist er ein einzigartiges Naturwunder, von dem in der Leipziger Illustrierten Zeitung" ein anschauliches Bild entworfen wird. Der Santbesi stürzt sich nicht allen anderen Wasserfällen geschicht von hochgelegenem Land auf ein tieferes herab, sondern er durchfließt eine wellige Ebene, in der sich plöglich ein tiefer Cròspalt quer zur Stromrichtung auftut, der wahrscheinlich durch ein Erdbeben entstanden ist. Die Wassermassen des Flusses ergießen jich nun in diese Erdschlucht und haben sich durch die enigegengesetzte Wand einen Ausgang durch gefressen, und sie schießen in die Ileje hinab. Der Queripalt ist aber 2 Riometer lang, und in dieser ganzen Entfernung fält der gewaltige Fluß ungefähr 120 meter flef hinab. Der Spalt ist, faum 80 Meter breit, und da er nicht gerade ist, kann man den ganzen Fall von leiner Stelle übersehen. Nur der aus der Schlucht viele einem an der Niere befindlichen fleiren Organ. Weiter it 100 Meter hoch emporwirbelnde Waijerstaub, der Losende Rauch", bekannt, daß die Leber für den Zuderstoffwechsel von größter Beder häufig Regenbogen erzeugt, läßt die ganze Breite erkennen.
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Die Ursache der Zuderkrankheit. Seit langem schon mühen fich zahlreiche Forscher ab, das Rätfel der Zuckerharnruhr des Diabetes melitus zu lösen. Keinem ist es bisher gelungen, die Ursachen restlos flarzulegen. Vor kurzem erst sind in der Heilung bes. Diabetes durch Einführung des Jifulins wesentliche Fortschritte erzielt worben. Diefes wird auf Grund von Forschungen zweier lanadischer Gelehrter, Banting und Best, aus der Bauchspeicheldrüse umb zwar aus dem fogena inten Infelgewebe geworten, bewährte der Fall nicht einen so imponierenden Eindruck wie der Nia sonders aus den Drüsen der Knochenfische und Kälberembryos. Es wird eingespriẞt; bald hinterher tritt eine deutliche Herablegung des Blutzucers, der Ausscheidung von Zucker im Urin und der soge nannten Ketotörper Stoffe, die bei schwerem Diabetes im harn ausgeschieden werden ein. Gleichzeitig wird der Drganismus wieder in die Lage versetzt, die mit der Nahrung zugeführten Kohle hydrate( Zuckerstoffe) besser zu verwerten. Wir wissen nun, daß die Bauchspeicheldrüfe im Zuckerstoffwechsel eine wichtige Rolle spielt. Entfernt man sie einem Hunde, fo tritt schwere Zuderharne ruhe auf. Nimmt man fie heraus und pflanzt fie en anderer Stelle ein, so bleiben die genannten Folgeerscheinungen aus,& h. aber die Bauchspeicheldrüse gibt Stoffe in die Blutbahn ab, beren Anwesen het zur Erhaltung des normalen Zuckerstoffwechsels unbedingt er forberlich sind. Aehnliche Beziehungen mit tem Juderhaushalt des Körpers bestehen zwischen Schilddrüse und einem Teil der Neben ntere