Jugend- Vorwärts
fe. 2°
Beilage zum Vorwärts
21. Februar 1926
Vorarbeit für die Zukunft.
Der Sozialismus will das heutige Gegeneinanderleben der Menschen in ein Miteinander und Füreinanderleben verwandeln. Er will den Zustand, daß Menschen von Menschen ausgebeutet werben, beseitigen und das Leben auf einer neuen ökonomischen Grundlage zur brüderlichen Gemeinschaft geftalten. Diesem 3tel bienen alle Organisationen der reich gegliederten sozialistischen Be wegung. Eine Aufgabe von besonderer Bedeutung fommt babel der Jugendbewegung zu. Dabet huldigen wir allerdings nicht bem Glauben, daß die Jugendorganisation für sich allein ben Soziallsmus verwirklichen kann. Wir betonen das von vornherein, da viele die Erneuerung der menschlichen Gesellschaft von der Jugend allein erhofft haben. Gewiß ist die Jugendbewegung eine besondere und eigenartige Erscheinung in der Gegenwart, fie tft aber nicht bte Bewegung, die die augenblickliche Kulturtrise allein überwinden tann. Die proletarische Jugendbewegung hat die Grenzen threr Kraft ftets erkannt und ihre Aufgaben immer im Rahmen der gesamten fozialistischen Bewegung zu erfüllen versucht. Sie Ift barum auch nicht zu der weithin üblich gewordenen Verallgemeinerung des Jugend" Begriffes gekommen, die es ermöglichte, daß Bierzehn- bis Stebzigjährige fich Jugendbewegler" nannten, während die Mannheit mißachtet, ja gefürchtet war. Wir haben unter Jugend" nie das Lebensalter vergessen, das legten Endes doch ein allerdings grund. legendes Durchgangsalter zum Mann- oder Frausein ft.
Wir brauchen über Form und Leben der heutigen proletarischen Familie und über die Wohnungsnot des Proletariats teine ausführliche Darstellung zu geben. Die Verhältnisse sind im allgemeinen bekannt; es ist nur daran zu erinnern, um daran anschließend feftzustellen: die Mehrzahl der proletarischen Jugend hat teine Heim statt, weber räumlich noch feelisch. Ihre Lebensstätte, b. b. ble Stätte, wo sie außerhalb der Arbelt ihr Leben verbringt, ft ble Straße, von der fte, wenn sie über ein paar Pfennige verfügt, ins platte Bergnügen" des Kinos und des Tanzfalons flüchtet. Diese Jugend geht unter in der Maffe, im großen Heer der Indifferenten. Das Proletariat aber braucht seine Jugend, barf sie nicht der Straße und den Lastern der Unterdrückten" überlassen; es muß sich auch in feiner Jugend höher arbeiten. Jede Proletartergeneration muß nicht nur im wirtschaftlichen und politischen Rampf neue fad liche Erfolge erzielen, sondern auch gleichzeitig für das durch bie Erfolge vergrößerte Wirkungsfeld des Sozialismus, für bie neuen Aufgaben befähigte und geschulte Rämpfer heranbilden. Das Aufgabengebiet des sozialistischen Rämpfers ist ja längst nicht mehr wie zu Anfang der Bewegung auf die eigene Organisation beschränkt, sondern wir sind zu gestaltender Arbeit im Voltsganzen vorgerückt, find in Wirtschaft und Verwaltung vertreten als Betriebsräte, Elternräte, Gemeinde- und Staatsbeamte, arbeiten in der Genossenschaftsbewegung, in der Wohlfahrtsarbeit u. a. m. Alle diese Aufgaben müssen im sozialistischen Geifte durchgeführt werden, das bedeutet, baß es nicht genügt, die Tätigkeit nur einfach auszuführen, sondern wir müssen umgestaltend wirken, zu neuen sozialistischen Formen zu streben. Das alles tann nur erfüllt werden, wenn jebe neue Proletariergeneration über die vorhergegangene Generation an Leiftungsfähigtelt hinauswächft.
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ganze Freizeit ausgefüllt. Werktagsfeierabend und der Sonning erhalten burch die Beranstaltungen der Jugendorganisationen thre Inhalt, ber von bem, was ble Straße bietet, weit unterschieden Es herrscht der Bille, nicht nur ein besonderes Interessengeblat wahrzunehmen, sondern bas ganze Leben zu durchbringen und neuer Gestaltung zu führen. Das tft fehr wichtig, denn solange nic alle Sozialisten mit Lelb unb Seele bel ber Sache sind, it as um die Verwirklichung sozialistischer Ideale schlecht bestellt. Diefer Bille darf natürlich nicht an Aeußerlichkeiten haften bleiben. Ge tft 3. B. ble Kleidungsreform nur ein sehr äußerliches Zeichen He thn. Bedeutungsvoller ist, die sozialistische Weltanschauung in bea Röpfen und Herzen zu verankern. Die Arbeitermaffen gewinnen Be meistens in einfachsten Formen im barten Daseinstampf. In der Jugendorganisation fann die Jugend, die sich im bildungsfähigsten Lebensalter befindet, die gerade die Periode des Erwachens zur Weltanschauung durchlebt, frühzeitig in die sozialistische Gebanten welt eingeführt werben. Die Gebanten fönnen fester Wurzel schlagen; fte führen die Jugendlichen zu einem Lebensziel, zu bewußter Lebensführung im Dienst einer großen Aufgabe. Das gibt ihnen ein startes, stolzes Lebensgefühl. Sie werden zu fampfbereiten, von tbealem Lebenswillen erfüllten Broletariern und Sozialisten..
Das Wissen allein aber tut's nicht! Sein Träger muß ein charakterfester, verantwortungsbewußter Mensch sein, mit einem. ftets wachen sozialen Gewissen. Bu solchen Eigenschaften soll neben anderer birefter Beeinflussung durch die Führung der Gruppen auch ble Selbstverwaltung der Jugend in ihrer Organisation führen. Der weltverzweigte Organisations- und Funktionärbienft ist teine bureaufratische Spieleret, sondern Dienst für die Gemeinschaft, verantwort ltches Handeln für die Gesamtheit. Gerade vom Jugendlichen, ber nach des Tages Werken am Abend Abwechslung und Erhelterung fucht, fordert die Arbelt als Funktionär Opfermut, Pflichttreue und Berantwortungsgefühl. Aber er wird eben in diese Schule geftelt, um in diesen Eigenschaften start zu werden, die unentbehrlich find für den Sozialisten.
Auch starte politische Erziehungswerte entsprießen aus dieser Selbstverwaltung der Jugend. In der Jugendgruppe herrscht bes Befeß der Demofratte, gilt ble Gleichberechtigung wie Gleichver pflichtung der Geschlechter. Die Demokratie wird zur Lebensform, zur Selbstverständlichkeit. Der einzelne lernt bie Einordnung ins Banze, ohne ble teine Gemeinschaft bestehen kann. Der Wille der Gemeinschaft hat in der Jugendorganisation alleinige Geltung. Bon thm wird nicht nur die Entscheidung tattischer Fragen, sondern, wle schon weiter oben erwähnt, auch das persönliche Leben bes einzelnen weitgehend beeinflußt.
Dieses starte Hineinziehen der Jugend in ein Gemeinschaftsleben ist eine sehr wichtige Borarbeit für die Zukunft. Der einzelne bewußt eingegliedert ins Ganze. Es ist sogar so, daß vielfach bis Familiengemeinschaft, sowelt sie noch besteht, vor diefer großen Ge meinschaft zurücktritt. Die Verbindung zum Kreis der Genossen wird häufig stärker als Bindung der Familie; über die Bande des Blutes hinaus wächst die Berbundenheit durch die Gesinnung. Die Wett wirb brüberlicher, well nicht mehr nur leibliche, sondern mehr no die geistige Bruderschaft gilt.
Für dieses Wachsen und Reifen ist die sozialistische Jugendorganisation ble Stätte. Ste fchafft aber gleichzeitig für ble prole- Der Sozialismus fordert die Gleichberechtigung ber Geschlechter. tarische Jugend eine neue Lebensbasis. Durch die Jugendorgant- Es ist häufig bemängelt, daß dieser Forderung in der Arbeiterbewe Jation wird nicht nur die proletarische Jugend für den foglaltstischen gung selbst wenig Folge geleistet wird. In der Jugendorganisation Rampf mobilisiert, wird nicht nur die Stampffront verlängert, fondern liegen die Dinge schon beffer, und es ist die Hoffnung berechtigt, bas In ihr vertörpert sich auch ein neuartiges Wirten für den Sozialts. durch ihr Wirken der bedeutsame Befreiungsfampf der Frau nicht mus. Die Organisation wird Lebensstätte, Lebensgemeinschaft. Die wenig gefördert wird. Schon die zahlenmaßige Beteiligung des Jugendorganisation ist wohl die erfte fozialistische Organisation, die weiblichen Geschlechts ist in der Jugendorganisation stärker als in ben alle ihre Mitglieder, nicht mir die Funktionäre, ganz beansprucht Verbänden der Erwachsenen. Während in der Gründungszett der und ganz erfüllt. Man vergleiche nur die Zahl der Partel- oder Jugendorganisationen der Anteil der Mädchen nur 5 Proz. betrug, Gewerkschaftsveranstaltungen mit der Zahl der Jugendveranstalift er heute auf faft 50 Broz. gestiegen. Und, was bedeutungsvoller tungen. Hier werben die Mitglieder nicht nur zu gelegentlichen Berjammlungen beansprucht, hier wird von der Organisation ber die
ist, im gleichen Verhältnis bewegt sich auch die Teilnahme der Mädghen an den Beranstaltungen und an der Organisationsarbeit.