Sind wir Anhänger solcher phrasenreichen Ideen? Nein, wir lehnen sie ab. Mit einem systematisch geschulten Organisationstörper, in dem jeder so unterrichtet ist wie der Führer selbst, wollen wir den Kampf führen gegen alle Reaktion, gegen die gesamte Bourgeoisie. Dann erst sind wir geistig unabhängig geworden. Posttive Taten werden folgen, und der materiellen wie ideellen Unabhängigkeit geht es entgegen. Der Führer, der dann aus bösem Willen oder mangelnder Schulung eine Politik treibt, die nicht zum Wohle der Allgemeinheit ist, wird von der geschulten Masse unweigerlich erkannt, und ein anderer, fähigerer Mensch wird an seinen Platz gestellt werden.
Nur auf diese Weise können wir verhindern, daß Menschen ganz zu Unrecht Posten bekleiden, die einem anderen viel eher gebührten Nur so wird sich aus einer solidarischen Kontrolle allgemeines Vertrauen heben. Nur so wird wahre Autonomie bestehen tönnen, indem sie aus einer Bewegung wächst, in der gesunder Geist steckt, der nicht von irgendwelchen Führerschichten, sondern von einer geschulten und unterrichteten Masse bestimmt wird.
In diesem Sinne laßt uns arbeiten; dann ist es Wahrheit, wenn wir fingen:
,, Den Feind, den wir am tiefften hassen, Der uns umlagert schwarz und dicht, Das ist der Unverstand der Massen, Den nur des Geistes Schwert durchbricht."
Reinhard Vogel, Charlottenburg .
Religion, Kirche und Sozialismus.
In der heutigen sozialistischen Bewegung bewahrt man zur Frage der Religion offiziell Neutralität, sieht man die Religion als Privatsache an. Es fann aber nicht dabei bleiben; wir müssen vielmehr auch zu diesen Problemen eine flare und eindeutige Stellung gewinnen, da jede geschichtliche Epoche neben bestimmten Formen ihres wirtschaftlichen und staatlichen Lebens auch ihre eigenen Ideen auf fulturellem und weltanschaulichem Gebiet erfordert. Diese Klärung ist gerade jetzt notwendig, weil die innerhalb der Bewegung bereits bestehenden verschiedenen Strömungen auf religiösem Gebiet dazu beigetragen haben, daß diese Fragen, und zwar mit besonderer Stärke in der sozialistischen Jugend, lebhaft diskutiert werden.
Bevor wir diese einzelnen Strömungen betrachten, erscheint es angebracht. zunächst einmal über den Begriff der Religion Klarhelt zu gewinnen; denn erst dadurch werden wir erkennen fönnen, inwieweit jene Richtungen sich wirklich in der Sache unterscheiden und nicht nur einen Wortstreit mit einander führen. Für den Bürgerlichen ist die Religion begrifflich nicht wesentlich von der Konfession verschieden. Ein einheitlicher Religionsbegriff ist für ihn daher unmöglich, und das Gemeinsame der verschiedenen Konfeffionen ist lediglich der Glaube an ein beherrschendes, übersinnliches Wesen, von dem alles menschliche Schicksal abhängig ist. Dem gegenüber finden wir im sozialistischen Lager Auffassungen vom Wesen der Religion, die über jenen Rahmen hinausgehen: indem man nicht nur das Gefühl der Bindung an ein übersinnliches Wesen als Religion bezeichnet, sondern jegliches Verbundenheitsgefühl überhaupt, also auch das der Verbundenheit in und mit der menschlichen Gemeinschaft; oder indem man, noch weiter gehend, alles das, was wir nicht wissenschaftlich ergründen fönnen, aber bennoch bejahen, also gläubig hinnehmen, als Religion anerkennt. Haben wir so die begriffliche Grundlage geklärt, so wollen wir uns jetzt mit den einzelnen religiösen Richtungen innerhalb der sozialistischen Bewegung beschäftigen, und zwar wollen wir uns zuerst ben religiösen Sozialisten zuwenden, da sich diese wenigstens teilweise noch am meisten an die bisherigen Formen anlehnen. Es gibt unter ihnen wiederum zwei Richtungen, von denen die eine der Ansicht ist: wir müßten in der Kirche bleiben, in sie eindringen, um sie so zur Volkskirche zu machen. Die Ber: treter dieser Meinung wollen also von dem Glauben an ein über sinnliches Wesen nicht Abstand nehmen, sie wollen nur die Organisation dieses Glaubens, die Kirche, sozial und volkstümlich gestalten. Die andere Richtung der religiösen Sozialisten vertritt fol= genden Gedankengang: Jeder Mensch versucht, mit Hilfe der verschiedenen Wissenschaften alle an ihn herantretenden Fragen zu lösen. Bei einer Frage findet er aber keine Antwort, nämlich bei der nach Sinn und Zweck des menschlichen Lebens. Diese Frage taucht bei jedem Menschen auf, und das Forschen nach der Antwort auf sie ist Religion. Bezeichnend ist, daß diese sicherlich sehr tiefgründige Anschauung jede Anlehnung an die heutige Kirche schroff ablehnt.
Betrachten wir nun einmal das Freidenfertum, das in unseren Reihen sicherlich am stärksten vertreten ist. Nach ihm ist Religion für uns ein überholter Begriff. Wir müssen uns von jedem Glauben, von jedem religiösen Gefühl frei machen. Wir erstreben eine menschliche Gemeinschaft mit einer ihr eigenen, selbständigen Gemeinschaftskultur. Das Gefühl der Gemeinsamkeit und Solidarität, das diese Gemeinschaft verbunden hält, ja trägt, ist eine Weltanschauung, nicht aber eine Religion.
Ich will nun versuchen, unabhängig von jenen Strömungen eine Ansicht zu begründen, die viele Genossen, oft unbewußt, teilen, und die die meine als junger Sozialist ist. Wir wollen eine neue Weltordnung aufbauen; wir fämpfen darum auf dem Gebiet der Wirtschaft und Politik. In der sozialistischen Gemeinschaft sollen alle Menschen gleiche Entwicklungsmöglichkeiten haben. Zu diesem großen Kampfe um und für die sozialistische Gemeinschaft brauchen wir Menschen, die nicht aus irgendwelchen materiellen und ähnlichen Gründen Sozialisten sind; sondern Menschen, welche verstandesmäßig den Sozialismus erkannt haben, aber auch mit ihrem
ganzen inneren Leben, mit ihrem Gefühl bei der großen Sache sind, und dieses, eben die Erfassung des ganzen inneren Menschen für den Sozialismus, ist meine Religion. Religion, gewiß, wir fönnten Ueberzeugung oder Weltanschauung sagen; aber diese Be griffe sind zu eng, denn sie berühren ja nur den Berstand, während das Gefühlsmäßige dabei nicht berücksichtigt ist. Gerade Religion, nicht in dem Sinne, wie sie von der heutigen Kirche vertreten wird, sondern in dem Sinne der Erfassung des ganzen inneren Menschen für den Sozialismus, ist etwas, was uns einen sicheren und festen Halt im Kampfe um die sozialistische Gemeinschaft gibt. Günter Heing.
doc
Aus der Bewegung
Tagung der Verbandsleitung der SAI.
Ende Juni fand in Berlin eine Sigung des Hauptvorstandes unseres Verbandes statt. Zuerst erfolgte die Konstituierung nach der Neuwahl des Vorstandes in Hildesheim . Es wurden gewählt: 1. Vorsitzender Mar Westphal, 2. Vorsitzender Ludwig Diederich, Kassierer August Albrecht, Schriftführer Erich Ollenhauer . Als Mitglieder des Erekutivkomitees der Sozialistischen Jugend- Inter nationale wurden die Genossen Max Westphal und Otto SchröterLeipzig gewählt.
Die Spende des Verbandes für die italienische Organisation wurde auf 500 M. festgesetzt.
Beschlossen wurde die Herausgabe einer ganzen Reihe neuer Schriften im Arbeiterjugend- Verlag. In der Reihe der Arbeiter dichter werden Gedichtbände von Lersch, Engelke, Preczang, Thieme und Schenk erscheinen. Außerdem erscheinen eine Reihe neuer Jugendspiele und Sprechchöre sowie das Volksliederbuch in neuer Auflage.
Die nächste Sigung des Reichsausschusses wird im Anschluß an die Kulturtagung des Reichsausschusses für sozialistische Bildungsarbeit, die Anfang Oktober in Blankenburg in Thüringen ver anstaltet wird, am 4. Oktober in Tännich stattfinden. Ihr folgt vom 5. bis 7. Ottober die diesjährige Bezirksleiteraussprache, die sich vor allem mit der Neuordnung unserer Erziehungsarbeit auf Grund der geänderten organisatorischen Verhältnisse beschäftigen wird.
Rundschau
BOD
Reichstagung des katholischen Jungmännerverbandes. Anfang Juni fand in Essen ein Verbandstag des Verbandes der katholischen Jugend- und Jungmännervereine Deutschlands statt. Die Tagung beschäftigte sich vorwiegend mit sozialpolitischen Fragen. Es wurde gesprochen über den sozialen Menschen in der sozialen Wirtschaft, über soziale Bildung und über das Verhältnis der Jungmännervereine zu den Arbeitervereinen. Weiter wurden behandelt die sozialen Forderungen für die arbeitende Jugend und die Stellung der Jugend zu den Gewerkschaften.
Die Aussprache über die Referate erfolgte in Arbeitsgemeinschaften, in denen dann auch die Ergebnisse der Debatte formuliert wurden. Die Tagung bekannte sich erneut zu den sozialpolitischen Forderungen des Reichsausschusses der deutschen Jugendverbände, und wandte sich entschieden gegen die Bestrebungen, die Sonntagsarbeit wieder einzuführen.
Jugendorganisation ist bezeichnend, daß das Tagungslokal mit den Für die politische Einstellung dieser größten katholischen Reichsfarben geschmückt war, und als im Laufe der Debatten von ciner Seite der Wunsch geäußert wurde, man möge bei Kundgebungen und Umzügen die Reichsfarben weglassen, erhob sich nach dem Bericht der" Germania " stürmischer und entrüsteter Widerspruch. zum Reichsbanner„ Schwarz- Rot- Gold" wurde folgende EntschlieBung angenommen:
„ Einem Antrag des Bezirks Dortmund , der Verbandstag möge die Zugehörigkeit der Mitglieder zum Reichsbanner ab= lehnen, kann der Verbandstag nicht zustimmen. Die Vereine sollen sich je nach den örtlichen Verhältnissen oder Schwierigkeiten entscheiden. Der Verbandstag wünscht, daß junge Menschen, die noch nicht die politischen Rechte befizen, auch keiner politischen Rampforganisation angehören."
Der Verbandstag war von mehr als 500 Delegierten beschickt. Der Verband umfaßt gegen 4394 Vereine mit 382 500 Mitgliedern. Mit dieser Mitgliederzahl steht der Verband an der Spitze der deutschen Jugendverbände. Interessant ist die Alterszusammensetzung der Mitgliedschaft. 205 000 stehen im Alter von 14 bis 17 Jahren, 129 000 find zwischen 17 und 21 Jahre alt und rund 48 000 find älter. 30 Proz. der Mitgliedschaft rekrutiert sich aus der Landjugend.
Die Menschen sind nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, fommnung ihrer geistigen, sittlichen und körperlichen Fähigkeiten zu an die Gesellschaft die Anforderung zu stellen: Sie durch Vervoll. immer höherem, reinerem Glücke zu führen. Richard Wagner .
Ich bin schon seit einer Reihe von Jahren Sozialist und werde mit jedem Tage mehr Sozialist. Ich bin Sozialist, weil der Sozia lismus die Gerechtigkeit ist; ich bin Sezialist, weil der Sozialismus die Wahrheit ist; der Sozialismus wird aus dem Lohnsystem so unvermeidlich hervorgehoben, wie das Lohnsystem der Leibeigenschaft folgte. Anatole France .