Darum fann fich ein Krieg nicht mehr auf zwei Staaten beschränken, es werden jetzt auch die anderen in Mitleidenschaft gezogen. Diese gegenseitige Abhängigkeit nimmt ständig zu und wird eines Tages so weit gegangen sein, daß bei einem Kriege alle Menschen dem Berderben ausgeliefert wären.

Es zeugt darum von geringer Ueberlegung und von Verkennung des Berantwortungsgefühles, von der Unmöglichkeit eines Belt friedens zu sprechen. Wir müssen von der Zuversicht durchdrungen sein, daß der Krieg einst aus der Welt geschafft wird. Wir dürfen den Glauben an das Gute im Menschen nie verlieren; denn die Entartungen, welche in dem Krieg und feinen Folgeerscheinungen hei den Menschen untereinander sich auswirken, sie sind erzeugt durch falsche Erziehung und bewußte Irreführung. Nicht nur die Deutschen , sondern auch alle anderen haben sich irreführen laffen. Darum dürfen wir in den Menschen der anderen Länder nicht unsere Feinde sehen, sie unterlagen nur der gleichen Beeinflussung wie wir. Noch immer sind wir zum Haffen geneigt, wo wir Liebe fäen sollten, noch haben wir zu wenig der Wahrheit und Erkenntnis in uns aufgenommen.

Aber noch ist es nicht zu spät für uns, für die Abschaffung des Krieges einzutreten. Nur müssen wir Geduld haben; denn es kommt darauf an, daß alle Menschen von innen heraus zur Berurteilung des. Blutvergießens gelangen. Wenn wir uns alle einig werden in dem Streben nach Verbreitung der Wahrheit, einig in der Liebe zu allen Menschen, dann gehen wir den richtigen Weg. Nicht unser Leben das ist widernatürlich, sondern ein Lebenswerk wollen wir den anderen geben.

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Weder mit dem Christentum, noch mit den natürlichen Begriffen von Sittlichkeit und Moral läßt sich der Krieg rechtfertigen, darum wollen wir, die Jugend, Kämpfer werden für die Verwirk lichung der Friedenside el Charlotte A. E. Krüger.

Arbeitende Jugend und Reichsverfassung.

Im alten monarchistischen Staat war die arbeitende Jugend das Aschenbrödel der Gesellschaft. Ihr Jugendleben, ihre Erziehung, war eine schematische Prägung zum Menschen der untersten Stufe in der Gesellschaft. Systematisch zum wirtschaftlichen und politischen Untertan erzogen zu sein, das war die bittere Erkenntnis der Arbeiterjugend im wilhelminischen Deutschland . Diese schmählichen Erfahrungen haben in der Jugendarbeiterschaft den Gedanken der Selbsthilfe geweckt und die Jugendorganisationen geschaffen. Trotzig flangen die Forderungen:

Schutz den jungen Händen vor Ausbeutung! Schutz den jungen Köpfen vor Verdummung!

Bergebens versuchten die Behörden des Obrigkeitsstaates die Jugendorganisationen zu vernichten. Erst der Weltkrieg zerriß diese junge Bewegung. Vier Jahre tobte der Mord durch die Welt. Not und Elend wuchs von Tag zu Tag. Mit verzweifelter Kraft wurden an jenem Novembertag vom Bolte die Ketten zerrissen. Aus Millionen zermarterten Menschen stieg zukunftsgläubige Hoffnung. Auch die Arbeiterjugend grüßte die neue Zeit; endlich hoffte fie aus den Fesseln geistiger und wirtschaftlicher Unterdrückung befreit zu werden. Es ging daher eine mächtige Erregung durch die gesamte freie Jugendbewegung, als die Nationalversammlung nur wenige grundlegende Maßnahmen zum Wohle der Jugend schuf. Nur einige Artikel der Reichsverfassung sind es, die von Jugendschuh und Jugendrecht reden. Nachstehende Artikel sind von grundlegender Bedeutung:

Artikel 122. Die Jugend ist gegen Ausbeutung, sowie gegen fittliche, geistige oder förperliche Berwahrlosung zu schüßen. Staat und Gemeinden haben die erforderlichen Einrichtungen zu treffen.

Artikel 143. Für die Bildung der Jugend ist durch öffent­liche Anstalten zu forgen. Bei ihrer Einrichtung wirken Reich, Länder und Gemeinden zusammen.

Artifel 148. In allen Schulen find fittliche Bildung, staatsbürgerliche Gesinnung, persönliche und berufliche Tüchtigkeit im Geiste des deutschen Volkstums und der Völkerverföhnung zu erstreben.

Sieben Jahre sind seit der Verfassungsannahme ins Land gegangen. Die Durchführung obiger Bestimmungen wird immer noch von der Jugend vermißt. Bis heute hat die Republik noch feine ausreichenden Mittel und Wege gefunden, um jungen begabten Arbeitern den Aufstieg zu den höchsten Bildungsstätten zu ermöglichen. Noch entfalten Lehrer eine umfangreiche Heiz- und Haßpropaganda gegen andere Völker. Es ist kein Jugendschutz, wenn man der Arbeiterjugend die wenige freie Zeit, die fie zur Entfaltung ihrer geistigen, sittlichen und körperlichen Kräfte braucht, beschneidet. Es ist falsche Sparsamkeit, daß man die Durchführung des Jugendwohlfahrtgefeßes größtenteils außer Kraft feßt, wie es durch die Verordnungen auf Grund des Ermächtigungsgefeßes ge­schehen ist. Das muß anders werden! Mit aller Kraft muß für die Durchführung der Rechte und Forderungen der jungen Arbeiter schaft eingetreten werden.

Nach dem furchtbarsten Krieg aller Kriege, nach diesem wirt schaftlichen Zusammenbruch hat die Republik die heiligste Pflicht, sich um den Nachwuchs der Nation in erster Linie zu fümmern, denn die Jugend ist das kostbarste Gut eines Boltes. Soll die Republik fest und unerschütterlich gebaut werden, dann muß sie in den Hirnen und Herzen der Jugend felsenfest verankert sein. Die besten Fun damente und die festesten Brücken in die Zukunft aber find eine gut ausgebaute Jugendwohlfahrt und Jugenderziehung, denn sie öffnen unzähligen Menschen den Weg in ein neues Leben, ja, fie sind eine lebensnotwendige Boraussetzung für die Heranbildung einer neuen Generation, die der Republik den neuen Inhalt geben kann.

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Am 11. Auguft haben tausende Jugendliche in allen Teilen des deutschen Reiches an den Verfassungskundgebungen teilgenommen. Gemeinsam mit ihren Bätern und Müttern haben sie den Ruf: Für die Republik gegen die Reaktion" erhoben. Diese jungen Republikaner sind die kommende Generation, die die hohe Aufgabe hat, die junge Republik auf- und auszubauen und den Geist der Weimarer Verfassung durchzuführen. Darum her mit dem aus. reichenden Jugendschutz! Gerd Bothur.

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Die andere Jugend.

Während die sozialistische und friedliebende Jugend der ganzen Welt fich müht, die Wunden, die der Weltkrieg geschlagen hat, u schließen und durch eine Verständigung der Völker einen neuen Massenmord zu verhindern, sind schon wieder Kräfte am Werk, die Jugend, die das Elend des großen Krieges nicht bewußt erlebte, zu erfüllen mit Kriegsbegeisterung und billiger Berherrlichung des legten großen Erlebnisses eines Volkes", des Krieges. Die Zeit schrift des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes Blätter für junge Raufleute" hat ihre Augustnummer als Kriegs. nummer herausgebracht. Es werden Tagebuchblätter und Stizzen von Gefallenen gebracht, die den Krieg und das Soldatenleben ver herrlichen. Die erste Tagebuchnotiz heißt z. B.:

" Das Refrutenleben ist unglaublich fein, gesund und lehrreich. Abends ist man wohlig müde, wie durchgefnetet am ganzen Leibe. Bis jetzt geht es noch spielend. Dann der Hunger. Und Schlaf! Wie die Götter."

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In einer Schlußbetrachtung wird als der Sinn dieses Heftes hingestellt:

" In diesem Heft unternehmen wir den Versuch, das Gewal tigste der gewaltigen Zeit vor unsere Seele zu stellen: den Krieg selbst mit seinem wogenden Leben und grausen Sterben, feinem Siegen und Verlieren, feinem Stolz und feiner Trauer. Nur wenige unserer jungen Freunde werden persönlich einen stärkeren Eindruck von jenen Jahren des Kampfes haben. Die meisten haben wohl mit dem Worte Krieg nur mehr eine verstandesmäßige Bora stellung und kennen ihn allenfalls unter dem Schlagwort verweich lichender, utopischer Phrase:" Nie wieder Krieg!" Das Erleb nis des Krieges als die Form des letzten, größten und schwersten Kampfes um das Leben und die Zukunft des Boltes aber ist ihnen fremd. Sie werden zu wenig berührt von dem Heldentum, das in den Jahren des Kampfes zum Ausdruc fam. So bringen wir Notizen aus den ersten Tagen des Krieges bis zu Niederschriften über die wilden Kämpfe der letzten Monate. Welche Härte spricht aus der Schilderung Jüngers! Welche Kraft, was für eine feelische Stärke müssen die Menschen besigen, die in einer solchen Hölle noch den Glauben an das Leben, an den Sieg ihres Kampfes inmitten folch ungeheuren Materials haben. Diese Zuversicht solcher Stunden, aus denen Wille und Energie fließt, erscheint uns als das Größte. Wer nur das Elend sieht oder gar aus der Frische des Kampfes Luft an der Vernichtung liest, wie es unsere Pazifisten tun, empfindet weder das Heldenhafte noch die zwingende Notwendigkeit dieser letten Handlung. Das ist mit ein Teil der Größe, daß zu solchem Kampf feine Menschen der Halbheiten, sondern nur Männer der Tat fähig sind. Diese Werte wollen wir für uns von den vielen, heldischen Leistungen des Krieges ableiten."

Ja, es ist eine herrliche Sache um den Krieg. Wir spüren noch heute feine Segnungen. Hunderttausende Krüppel und millionen Arbeitslose rufen die große Zeit" immer wie der in unsere Erinnerung zurück!

Und wir begreifen den Sinn für das Heldentum, das der Krieg im einzelnen weckt, wenn wir an jene Kompagnien in Frankreich denken, die überrascht wurden vom Gasangriff des Gegners und tampflos dahinfanten wie ein Mann. Diese Frische des Kampfes" soll die Jugend nie vergessen.

Ich halte dafür, daß in einer wohlgeordneten Re. publit am meisten Menschenwürde, Menschenwert, allgemeine Ge­rechtigkeit und allgemeine Glüdfeligkeit möglich ist. Wo nicht der Knabe, der diesen Abend in der letzten Strohhütte geboren wurde, einst rechtlich das erste Amt seines Vaterlandes ver­walten kann, ist es Unsinn, von einer vernünftigen Republik zu sprechen. Privilegien aller Art sind das Grab der Freiheit und Gerechtigkeit.

Seume .