Einzelbild herunterladen
 

?lrbeiterfugenö unö Such. Gedanken zum weihaachtsfest. Nur noch wenige Wochen trennen uns von dem Tage, an dem mr Menschen, die uns nahestehen, eins Freude bereiten wollen. Wir wollen ihnen etwas schenken, was ihrer Persönlichkeit gerecht wird und zugleich ein wertvolles Andenken ist. Dabei soll ober berücksichtigt werden, dah von dem kargen Einkommen des Arbeiters mir sehr wenig für Geschenkzwecte übrig bleibt. Mit diesem Wenigen geht dann das Kausen los. Das eine ist zu teuer, das andere taugt nichts, dieses paht nicht und das gesüllt nicht. Es soll sür wenig Geld etwas möglichstGroßartiges" sein, dosnach was aussieht", wie man ost hört. Meist ist es dann minderwertig, ober es präsentiert und das ist der Zweck. Hier sehen wir eine Rückständigkeit in der Arbeiterschaft: man will mehr scheinen auch beim Geschenk als man ist. Wer kennt nicht den Proleten im abwaschbaren Gummi- kragen, der alles andere eher braucht als diesen. Stolz ist sein Gang, als wäre er dergemachte Mann". Für dies« Leute ist das Wort vomverhinderten Kapitalisten" geprägt worden. Es soll hier nicht untersucht werden, wer schuld ist an dieser salschen Per- sönlichkeitsgeltung, die sich gerade in den Arbeiterkreisen findet, denen jede Wirkung»- und Entfaltungsmöglichkeit fehlt. Wir sehen hierin lediglich eine Auswirkung der heutigen Gesellschaftsordnung, die jede Menschen- und Eigenblldung, im Jnteresie des Prosit» unterdrückt. Gegen diese verlogene Kultur des Aeußerlichen macht sich bei Jung und Alt eine gesunde Opposition geltend, die den Inneren Menschen wecken will. So gibt es Arbeiterkulturkartelle, Proleta- rische Feierstunden und Kunstausstellungen. Auch die Jugendbewe- gung, die dieser Opposition ihren Aufstieg mitverdankt, hat in allen Orten Fuß gefaßt. Aber eins wird immer noch viel zu wenig beachtet und das ist d a s g u t e B u ch. Das Buch, das uns so viel geben könnte und von so wenigen gesehen wird, begleitet uns treu- lich durch ganze Leben. Wer hat nicht gern in seiner Kindheit vor dem Bilderbuch gesessen und Gestalten hineingesehen, die die Phan- tasie ihm eingab? Wer kennt aus seiner Jugend nicht Grimmsche Märchen oder die Götter- und Heldensagen oder Parsisal oder Don Quichotte ? Aber später, dann kam die Fabrik mit ihrem harten Muß, dem niemand entgeht, sein Leben lang. Uns blieb nur die kurze Zeit nach Feierabend, die können wir einteilen nach unserem Belieben. Wie sie eingeteilt wird, davon reden die Kinos und Bergnügungs- stätten eine deutliche Sprache. Ein Buch nehmen die wenigsten zur Hand. Und wenn, in wieviel Fällen ist es dann einspannender Kriminalroman" oder eine süßlich sensationelle Geschichte von Grasen und Baronen, blinkenden Uniformen und Monokeln! Das kann jeder beobachten, der mit der Straßenbahn oder sonst einer Bahn fährt, wo die jungen Menschen in Ihre Literatur verliest sind. Ihre Wirkungen auf das menschliche Gemüt zu schildern, wäre Aufgabe eines besonderen Aussatzes. Aber es ist nicht alles so grau, wie es hier geschildert wird. Langsam, aber stetig erobert sich auch die Arbeiterschast das Buch. In diefeiti Zeichen stand auch die Grofchenbüchermesie der Berliner Gewerkschaften, die mehrmals verlängert wurde. Gerade wir brauchen das Buch als geistige Erfrischung, wir wollen am Abend nach- holen, was wir am Tage versäumten. Es gibt jedem, was er sucht: historische, Entwicklungs- und Gesellschastsromane oder Novellen und Erzählungen, klassische oder moderne Dichtung, kurzum, sür seden Geschmack ist etwas Hervorragendes zu finden. Auch die wissen- schaftliche Literatur, die die Probleme des Lebens, der Natur und des gesellschaftlichen Lebens erörtert, soll nicht vergessen werden und wird sicher als Geschenk viel Freude bereiien. Im Vordergrunde müssen aber sür uns die sozialistischen Schriftsteller stehen. Sie gaben unserer Bewegung ja erst die wissenschaftliche Grundlage und sind heute und stets zur Vertiefung und Ausbreitung unserer Ideen unentbehrlich. Darum lest und schenkt Bücher! Sie sind zwar äußerlich nicht ausdringlich wie mancher nutzlose Tand. Aber was geben sie an Freude, Anregung und Wissen. Ein gutes Buch lesen, ist ein Er- lebnis, das weiterklingt im Menschen. Dieses Erlebnis vielen, ja allen mitzuteilen, ist das Buch berufen. Darum: Lest und schenkt Bücher! Erwin Tenschert, Derlin-Brltz. Die öegegnung. Bon Max Barth« l. Kurz vor dem ersten Mai kam ich in meine Heimatstadt zurück. Ich suchte die Freunde auf, und wir saßen lange über alten Erinnerungen zusammen. In dieser Stadt traf ich auch den früheren Leutnant Funke. Nun gab es viele Fragen und Gegenfragen mit Weißt du noch," undJa, damals an der Mühle zum Toten Mann". Auch über Anfperg sprachen wir, über Paulus und Munck. Klinger," sagte Funke,ich bin jetzt Buchhändler geworden, und wenn ich mir die letzten Kriegsjahre überlege, da muß ich doch sagen, daß Paulus der Wahrhastigste unter uns war. Du weißt, ich kam nach der Verhandlung in eine Sturmkompagnie. Dort hatte ich den Heimatschuß schon in den ersten drei Tagen. Weißt du. wir haben hunderttausendmal den Krieg verflucht, ja, mit dem Maul, doch Paulus ist aus der Reihe getreten und machte nicht mehr mit. Er hat sich geopfert. Das ist der Unterschied. Wir wurden geopfert. Auch Munck hat sich geopsert, Funke," antwortete ich.Denkst du noch an dieTote Tochter" und den Mann, der vor dem Graben schrie?" Ich höre ihn auch jetzt noch manchmal durch meine Träume schreien." erwiderte Funke.Und Munck? Ich denke daran. Klinger. Und setzt frage ich mich, hat die Menschheit den Krieg schon wieder vergessen? Schau sie an, die Narren, wie sie nach neuen Metzeleien brüllen. Das ist doch Wahnsinn! Und jetzt: Warum verständigen sich die Völker auch heute noch lieber durch Fliegerbomben und Granaten?" Die Völker," fiel ich ein,Funke, die Völker könnten sich schon brüderlich verständigen, wenn die unersättliche Raubgier ihrer Herren nicht wäre. Sieh doch an, wie im eigenen Land die Ober- klasse gegen die Arbeiter steht! Solange sich ein Mensch von dem anderen ausbeuten lassen muß, kann kein Frieden kommen. Da» gilt natürlich auch für die Völker." Du magst recht haben," sagte Funke,..natürlich hast du recht. Klinger. Aber," und feine Augen gingen über ein grünes Saatfeld und sein Mund zuckte,aber muß denn dos sein? Siehst du die schöne Erde? Ueberall ist Glanz und Frieden. Die Blumen blühen. Die Wälder sind grün und aus den Feldern wächst das Brot. Brot und SchönheitI Für alle Menschen, Klingcr, sür alle! Und denkst du daran: Morgen ist der erste Mai!" Ich denke daran," antwortete ich.doch mein Herz ist immer noch auf Wanderschast. Ich denke an Viktoria..." Nun war das Wort gefallen, das uns auf der Seele lag. Viktoria!" rief Funke,ja Viktoria! Aber weißt du auch, daß Viktoria Sieg bedeutet? Siehst du, sie lebt über dos Grab hinaus. Ja, Klinger, Viktoria sei unsere Losung." Viktoria!" rief auch ich,ja Funke, Viktoria sür die arme getretene Menschheit!" Und morgen ist der erste Mai," sagte Funke. Wir verabredeten uns und ich bummelte noch eine Stunde durch die Stadt. Aus der Hauptstraße sah Ich einen älteren Mann, der wie Christus gekleidet war und dünne Hefte vertäust«, in denen in verzückter Sprach« der Untergang der alten Welt angezeigt wurde. Der Mann ging langsam hin und her und blickte kindlich verwundert in das lebendige Leben der Stadt. Ab und zu verkaufte er auch Büchlein. Viele Leute blieben stehen und betrachteten den sonder- baren Heiland. Ein Herr im Pelz, der im blitzenden Auto vorbei- huschte, beugte sich zu seiner Dam« im weißen Schleier und zeigte den asketischen Schwärmer. Di« Dame im wehenden Schleier winkte lachend mit der Hand. An diesem Tage erlebte ich die Stadt in einem neuen Licht. Sie war ein steinernes Meer, in dem sich die Straßenzüge ver- wirrend kreuzten. Straßen des Lebens, Straßen des Schicksals. Ich sah durch die Fassaden der Häuser und sah Lustspiele und Tragödien, Brutalitäten und Gemeinheiten, aber auch die heldischen Romane rollten sich vor meinen inneren Augen ab. Auf meiner Wanderschaft war ich auch«>einmal in Pompeji gewesen. Aus den antiken Straßen, Häusern und Wandgemälden tonnte ick das Leben der versunkenen Stadt ablesen. Jahrtausende wurden lebendig. Auch jetzt mußte ich wieder an Pompeji denken. Plötzlich übersiel mich der Gedanke, daß doch eigentlich jede Stadt ein wieder ausgegrabenes Pompeji sei, daß man auch aus den Gesichtern der Menschen das Leben ablesen könne. Und ich sah mir die Menschen an. Zuerst blieben die Gesichter verschlosien, doch manchmal sah ich den Frost einer Berechnung, den Purpur einer Verzückung darüber gehen. Dann tonnte ich In allen Gesichtern lesen. Die Wolken der Schwermut sah ich, die Daseinsangst, die Flamme eines Hasies. Aber ich sah auch Lebensmut und in vielen Gesichtern leuchtete die Bereitschaft zur neuen Erde. Aus den vielen, wechseloollen Gesichtern formte ich dos Antlitz der kommenden Zeit. Viele Menschen trieben vorüber, geliebte und ungeliebte, und ich sah auch euch, ihr jungen Adlergesichter in der grausen Langeweile des Geldverdienens. Dann kam der erste Mai. Das Arbeitervolk eroberte sich die Stadt. Auch Ich marschierte mit Funke in einem der herrlichen Züge. Mein Herz flog den ungezählten Millionen voraus, die heute an dem einen Tag über die Weitstraßen dröhnten. Siehst du. Klinger," frohlockte Funk«, als wir durch die Stadt marschierten,in den Fabriken stehen heute alle Maschinen still. Unsere Macht und unser Wille haben sie gelähmt. Und wir sind auch mächtig genug, dte verdammten Maschinen eines neuen Krieges abzustellen. Millionenhändig!" Es liegt in unserer Macht," antwortete ich.Die Gewehre denken ja. Wenn geschossen werden soll, wissen sie, wohin sie schießen müssen. Meinst du, wir würden uns noch einmal wie Vieh abschlachten oder wie Ungeziefer vergiften lasten? Nein. Wir erobern uns die Welt. Mit dem Herzen und mit dem Gehirn. Und mit unseren eisernen Fäusten, wenn es sein muß."Ja," sagte Funke,und was wird dann sein? Ewiger Friede? Das Paradies?" Nein, nicht das Paradies!" antwortete ich.Die Erde wird sein, die blühende, schöne, fruchtbare Erde. Das Volk wird sein und die Menschheit wird sein und das Leben mit allen Wundern und Wirklichkeiten, die vielleicht die größten Wunder sind. Auch der Kampf ist noch da. der heftige und heitere Kampf zur vollkomnienen Form und Gestaltung aller Dinge. Der Krieg wird nicht mehr sein," fuhr Funke fort,aber Brot und Schönheit. Das alles wird sein und noch vieles mehr, Genossen," sagte mit lauter Stimme ein junger Arbeiter neben uns.Das alles aber zwischen Leben und Sterben wird die Freiheit sein..." Ein brausendes Lied stieg auf und riß alle Worte und Gespräche in jene