Beilage zu Nr. 1 des Neuen Social- Demokrat".

Selt

Duisburg  , 24. Dez.( 3ur Reichstagswahl.) einigen Tagen weilt der Vereinspräsident Hasen clever, der in unserem Kreise bekanntlich von den Arbeitern als Kan­didat für den Reichstag   aufgestellt ist, in unserer Mitte. Am vergangenen Freitag war in Meiderich   eine Arbeiterver­sammlung, welche wegen nicht genügender Bekanntmachung nur schwach besucht war; trotzdem hat dieselbe aber ihre Wir­tung gethan, weil die früheren Wähler Hasenclevers, nen be geistert, mit aller Kraft bei der Wahl für ihn wirken wollen. Die auf Sonnabend für Ruhrort   angesetzte Versammlung und die auf Sonntag in Duisburg   und Stockum abge­haltenen Versammlungen waren hingegen äußerst zahlreich be­sucht und legten Zeugniß ab für den guten Geist, der sich in der hiesigen Arbeiterbevölkerung befindet. In Stertrade lüfte am Montag der überwachende Gensd'arm eine große Voltsversammlung auf gerade zum Schlusse der Hasenclever­schen Rede, indem er in seiner polizeilichen Weisheit meinte, die Besprechung des Wahlgefeßes gehöre nicht zur Arbeiterpartei." Das Volk trenute sich unter stürmi. schen Hochrufen auf Hasenclever. Der Herr Gensd'arm hat uns durch seine ungefeßliche und so töftlich motivirte Auf­lösung mehrere Hundert Stimmen bei der Wahl verschafft; er hat oque Besoldung von unserer Seite sehr brav fitr uns durch jen Auflösung agitirt. Die Arbeiter sind voll Ver trauen auf den Sieg. Das Arbeiter- Wahlcomité.

Lübeck  , 16. Dezember.  ( 3ur Wahl.) Am Sonntag, den 14. Dezember, fand die Volksversammlung statt, in wel­cher Herr Hartmann seine Kandidatenrede hielt und welche für Lübeck   von großes Wichtigkeit ist. Wir geben daher den wahrheitsgetreuen Bericht der Lübecker Zeitung" wieder. Derselbe lautet:

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Die geftrige große Bolfsversammlung, deren Tagesord nung Der 10. Januar 1874" bildete, und zu der man mit dem kategorischen Imperativ: ,, Alle Arbeiter und Bürger miffen präzise erscheinen", eingeladen hatte, war so start be­sucht, daß der dafür gewählte Saal der Deutschen Reichs­halle" vollständig gefüllt wurde. Nachdem der Vorsitzende, Herr Alb. Joschenned, die Bersammlung für eröffnet erklärt, begann sofort der von den Social Demokraten für Lübeck   als Vertreter im Reichstag bestimmte Herr W. Hartmann aus Hamburg   seine Kandidatenrede. Derselbe wendete sich zu­nächst gegen das Schreckbild, welches man der übrigen Welt von den Plänen und dem Thun der Socialdemokraten vormale, während sie die Bertheidiger der nenen Rechtsgrundsätze mit ihrem richtigen Namen genannt zu werden verdienten, gab dann einen hiftorischen Ueberblick, wie sich die mensch­lichen Rechtsanschauungen und Institutionen vom Sclaven­thum der alten Zeit bis zu den heutigen Zuständen stets und stets weiter entwickelt hätten und gelangte dann zum eigent lichen Kern und Thema seines Vortrage: Was im Reichs. tag für das Bolt zu thun sei", und stellte in dieser Hinsicht folgende Forderungen auf: 1) Allgemeines direktes Wahlrecht, beginnend mit dem 20. Lebensjahre, nicht nur für den Reichs­tag, sondern file Landtags, communale 2c. Wahlen. Das gegenwärtige Wahlgesetz für den Reichstag bezeichnete Redner als ein Geschenk des ,, Reaktionärsten aller Reaktionäre", des Fürsten Bismard, der das scheinbar liberale und direkte Wahlrecht( durch Nichtbewilligung von Diäten 2c.) so ver tlausulirte, daß doch nur die reichen grundbesitzenden Klassen gewählt werden konnten, und die Arbeiter, das Volt, ausge­schloffen bleibt. 2) Freies Volksschulwesen. Die Schulen müßten so eingerichtet werden, daß jedes Kind sich eine unt­verselle Bildung von dem untersten Unterricht bis zur Uni­versität aneignen könne, und nicht für ein bestimmtes Hand­werk nur mit dem dürftigsten unterricht ausgestattet und dressirt werde; die Schullehrer seien ebenso, ja noch wichtigere Personen, wie Generale, und es dürfe nicht mehr vorkommen, daß dieselben so schlecht bezahlt wirden, daß in Preußen gegenwärtig 4000 Schullehrerftellen vacant jelen, weil fich Niemand für die Hungerämter fände. Lassen Sie lieber die Generale hungern und machen Sie die Lehrer satt", schließt Redner diesen Punkt. 3) Allgemeines Vereins- und Bersammlungsrecht, damit dieselben nicht mehr, wie zahlreiche Beispiele aus der Gegenwart beweisen, von der Wiütür und Gesetzesunkenntniß des Staatsanwalts, von Polizeibeamten abhängig wären. 4) Diäten für die Reichstagsabgeordneten. 5) Der Reichstag muß nicht nur eine berathende, sondern auch eine beschließende Stimme haben; er foll eine Vertre tung sein, deren Willen um jeden Preis durchgesetzt werden müsse, wobei Redner als Beispiel auf die gegenwärtige fran zöfifche Nationalversammlung hinweist, deren Beschlüssen un­bedingte Geltung verschafft werde. Daß die obersten Gewalt­haber entgegen den Beschlüssen des gegenwärtigen deutschen Reichstags doch thäten, was sie wollten, tommt nach der Ansicht des Redners eben daher, daß dieser nicht als der Repräsentant des ganzen Voltes angesehen werde; stehe aber endlich einmal dieses hinter ihm( was bei der Einführung des allgemeinen direkten Wahlrechts der Fall sein werde), dann werde selbst Kaiser Wilhelm   mit Freuden ble Beschlüsse des Reichstags ausführen laffen. Als sechsten Punkt stellte der Kandidat, Herr Hartmann, die Abschaffung des Institute der stegenden Heere, die nur eine Schußmaner der gegen wärtigen Gewalthaber selen, und dafür Einführung der Voltsheere. Den Einwurf, daß ein Staat allein nicht sein stehendes Heer abschaffen könne, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen wolle, ale Wehrloser dann von Anderen überfallen zu werden, sucht Redner dadurch zu widerlegen, daß man durch die Gesandten und Botschafter, welche jetzt hauptsächlich nur bet Hoffestlichkeiten und Foten Verwendung fänden, mit den anderen Staaten Verträge abschließen, damit die stehen­den Heere von der ganzen Welt verschwänden; dann würde der junge Soldat nicht durch den dreijährigen Dienst so lange seiner bürgerlichen Beschäftigung entzogen werden, das noth wendige Exercitium, das jetzt dem Rekruten erst mühselig eingedrillt werden müsse, würde dadurch ersetzt, daß schon in den Unterricht der Jugend militärisches Turnen und leben mitaufgenommen würde; dann bekäme man ein Voltsheer, wie die Schweiz   es besitze. Die Liebe zum Vaterland sei nur in solchen zu ganzer Kraft ausgeprägt und würde das ganze Bolt so begeistern, daß es Mann an Mann stehend den Feind aus dem Lande treibe, dann brauche man teine toftspielige Festungen 2c., feine Offiziere, die den Soldaten sie Nasen verbrennen, die sogenannten Paradeheere würden

Sonntag, den 4. Januar 1874.

aufhören. Die stehenden Heere seien außerdem eine beständige Provokation zum Kriege; dies beweise am besten der letzte deutsch  - französische Krieg; wo Napoleon   wegen der spanischen  Thronkandidatur, die uns schon spanisch vortam, Deutschland  , den Krieg erklärte, wozu er ohne stehendes Heer die Franzosen nie überredet hätte; mit Hilfe des stehenden Heeres brachte er es aber fertig, daß sich die beiden Kulturvölker durch zwei Jahre den Mordstahl in der Bruft umwandten. Das stehende Heer müßte daher vermindert und endlich ganz abgeschafft werden. Mit einem Volksheere würde man nicht eine, son­dern zehn Millionen Soldaten haben; auch sei der Werth eines Volksheeres größer, als der eines stehenden Heeres; dies habe die Geschichte der Befreiungsfrlege von 1813 und 1815 bewiesen, wo, nachdem die preußischen Soldaten schon längst in Schlachten geschlagen worden und mit den Festun gen tapitulirt hatten, das deutsche Volksheer in der deutschen  Landwehr an fland und den französischen   Feind aus dem Lande trieb, nachdem es nicht länger gewillt war, sich dessen Bedrückungen gefallen zu lassen; ein ferneres Beispiel biete das französische   Voltsheer der ersten französischen Republik  , welches gegen die vereinten Heere der auswärtigen Mächte ( Rußland  , Preußen, Defterreich, England) fiegreich kämpfte, welche ihm den König Ludwig XVI.   oftroyiren wollten. Die Abschaffung des stehenden Heeres sei auch schon deshalb noth­wendig, weil dasselbe dem deutschen Reich 100 Mill. Thaler tofte, man also zwei Drittel der Steuern des Volkes nur für die Soldaten ausgebe. 7) Die Frauen und Kinder­arbeit muß abgeschafft werden. Hinaus das Weib aus der Fabrit, und hinein in das Haus, an die Wiege, das Kind hinaus aus der Fabrit und hinein in die Schule! Ein Kind vor dem 14. Lebensjahr zur Fabrit 2c. Arbeit anzuhalten, sei wider die Vernunft; dasselbe müsse zuerst ausgebildet und ulcht zum Fabriksclaven gestempelt werden. Fabrikanten, welche, um schnöden Erwerbs halber, eine Petition beim Reichstage eingebracht, daß die Kinder schon mit dem 10. und nicht erst mit dem 12. Jahre in der Fabrik verwendet werden dürfen, beabsichtigen dadurch, die unschuldige Kindheit um ihre Spielzeit zu berauben. Gott   sei Dank herrschen in Lilbeck nicht solche Zustände, aber was man hier in dieser Sache thue, gelte für die ganze Welt, zu der Lübeck   auch ge­hört, und der Druck von Außen, könnte anch hier schließlich zur Geltung kommen. Man müsse nur die Männer in Fabrikdistrikten: Schlesien  , Elberfeld   2c. sehen, deren ganze Kraft schon mit dem 30. Lebensjahre dahin sei und wo von 100 nicht 10 zum Soldaten taugen. Es gelte also, einen richtigen, normalen Arbeitstag für die Männer festzustellen, die Frauenarbeit so viel als möglich zu verpönen, damit sei nicht gesagt, daß die Frau nicht arbeiten solle, nur dürfe sie da nicht arbeiten, wo der Mann arbeite, nicht mit ihm ton­turriren und so seinen Lebenserwerb vernichten; die Kinder­arbeit muß aber gauz und gar gesetzlich verboten sein, und seien für die Zuwiderhandlung Geldstrafen nicht genügend, sondern denjenigen Fabrikanten, in dessen Fabrit ein Kind arbeitend betroffen würde, müsse man auf ein Jahr in's Zuchthaus schiden, indem er die Menschheit in ihrem inner­ften Nero angreife. Redner resumirt fodaun, es sei Aufgabe des Reichstags, die Gesetzgebung zu dem von ihm entwickel­ten Programm zu reformiren, worin er eine Ueberzeugung ausgesprochen und wofür er auch im Reichstage auftreten würde. Andererseits thuen aber auch Sie ihre Schuldigkeit am Wahltag." Redner tommt dann auf den anderen hier aufgestellten Kandidaten zu sprechen, der aber nicht frei wie er auftrete, sondern vielleicht in dem Augenblicke ein Wahl­propramm mit feinen Freunden bei einer Flasche Champag ner ausarbeite. Wer aber im Reichstage auftrete, spreche vor der ganzen Welt, und da sei es dessen verfluchte Pflicht und Schuldigkeit, auch vor seinen Wählern frei aufzutreten, oder man müsse sagen, er habe nicht das Zeug dazu. Würde der Gegenkandidat jedoch auch in der Bersammlung vor die Anwesenden hintreten und dieselben eines besseren belehren, dann würde Redner selbst sagen: geben Sie ihm ihre Stimme, denn er versteht es beffer, wie ich. Der Gegenkandidat scheine jedoch seinen Sieg davon zu erwarten, weil er wohlhabend sei und hier mehr Einfluß habe, als der Hamburger Schufter­geselle Hartmann. Es fel ferner nicht nothwendig, daß man einen Lübecker wähle, denn im Reichstage gelte es nicht, die Stadt Lübeck   zu vertreten, well, was man im Reichstage mache, nicht nur für Lübeck  , sondern für das ganze deutsche Reich gelte. Die eigentlichen Interessen der Stadt könnten nur in der Bürgerschaft gewahrt werden. Redner schließt endlich mit den Worten: Es gilt für Sie, am 10. Januar zu beweisen, wer und was das Lübecker Bolt ist, ob Sie Demokraten find oder ob Sie mit dem zufrieden sind, was man ihnen zu geben beliebt." Die vielfach von stürmischem Beifall unterbrochene Rede erfährt auch am Schluß eine folche Ovation. Nachdem noch der Vorsitzende, Herr Joschon­neck darauf hingewiesen, es gelte für Lübeck  , am Wahltage dafür Zeugniß abzulegen, daß es sich von den Ideen der modernen Geldwirthschaft und Herrschaft emancipire- sprach noch ein Herr Schöning aus Harburg   die Bitte um Agitation für den Kandidaten Hartmann aus, worauf die Versamm lung nach einem dreimaligen Hurrah auf die Social- Demo­traten von dem Vorsitzenden geschlossen wurde."

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Die Wahlbewegung geht flott. Bürger erklärten in der letzten Nummer der Lübecker Nachrichten": Der Gegen tandidat, Herr Dr. Kligmann, sei uichis weniger als liberal, sondern sei ein fleritaler Muder, und deshalb wolle man fich der Stimme enthalten, oder für den Social Demstraten ftimmen. Nun war die Volksversammlung überwiegend von Bürgern besucht, und es wird Hartmann in der Stadt sicher die Majorität haben. Travemünde   ist gleichfalls unser, da­selbst war auch am Sonntag Nachmittag Volksversammlung. Für Travemünde   ist es charakteristisch, daß daselbst die Ar­belter den ganzen Gemeinderath aus ihrer Mitte gewählt haben und ebenfalls auch Hartmann wählen wollen. Es äußerte in der Volksversammlung in Travemünde   ein Hotel­befizer, die Arbeiter wären nicht fähig, dem Gemeinderath vorzustehen und ebenfalls selen sie nicht fähig, in den Reichs­tag zu ziehen; kaum hatte er dieses gesagt, so saßen dret nervige Seemannsfänfte an seinem Nacken. Wir bearbeiten den ganzen Wahlkreis nach Kräften. Mit social- demokratischem Gruß Th. Schwart.

Oggersheim, 23. Dezember.  ( 3ur Wahlagitation.) Samstag, den 22. Novbr., hielten wir hier im Saale des Herrn Schmitt eine Voltsversammlung ab mit der Tages­ordnung: Die bevorstehende Reichstagswahl. Herr Stödel aus Hamburg   referirte unter allgemeinem Beifall. Sonntag, den 21. dfs., hatten wir wieder eine Volksversammlung elu­berufen, mit der Tagesordnung: Die Arbeiterbewegung, der deutsche Reichstag. Referent war Herr Schulze aus Offen bach, der Zeit in Ludwigshafen  . Außerdem sprachen noch die Parteigenossen Krebs von hier und Neumann aus Lud. wigshafen. Folgende von Herrn Krebs eingebrachte Reso lution wurde einstimmig angenommen: In Erwägung, daß feine der übrigen Parteien die Interessen des Volkes vertritt, und daß der bisherige Abgeordnete des Wahlkreises Speler Frankenthal ebensowenig für Volksrechte eingetreten ist, be schließt die heutige Volksversammlung, mit aller Energie da­für wirken zu wollen, daß der Arbeiterkandidat Herr Adam Heuser, Cigarrenarbeiter aus Offenbach  , durchgebracht wird." Zum Schluß wurde ein Hoch auf Herrn Heuser ausgebracht, in welches alle Anwesende begeistert einstimmten. Eine Tellersammlung hat die Summe von 7 Gulden 43 Kreuzer ergeben. Parteigenoffen! Zeigen wir, daß wir als Männer zu kämpfen verstehen und nicht länger gesonnen sind, uns durch eine Hand voll Menschen bevormunden zu laffen. Den Parteigenossen zur Notiz, daß bei Herrn Jat. Schmitt, Wirthschaft zur Pfalz  ", der Neue Social- Demokrat" aus­liegt. Mit social- demokratischem Gruß

Im Auftrage des Arbeiter- Wahlcomité's: J. Queva.

Minden  , 24. Dez.( Wahlagitation.) Freunde und Parteigenoffen! Am Sonntag, den 21. dss., hielten wir eine stark besuchte Volksversammlung in dem benachbarten Städt­chen Petershagen   ab. Herr Glebe aus Hannover   refe rirte zur Zufriedenheit der Anwesenden. Herr Otto Kapell wurde einstimmig als Reichstagskandidat aufgestellt und eine Resolution dahin gehend, die Wahl desselben zu unterstützen, einstimmig angenommen; wir hatten einen glänzenden Er­folg. Zur selbigen Zeit hatten wir auch in Dehnhausen eine Volksversammlung, wo Herr Schröder aus Hannover  referirte. Bartelgenossen, nur muthig vorwärts mit der Pa­role: D. Kapell." Freitag, den 25. dss., ist Versamm lung in Hahlen  , Sonntag, den 28., in 2 bede. Herrn Glebe unseren herzlichsten Dank; wir werden ihn ftets that träftig unterstüßen. Den Parteigenossen von Petershagen  rufen wir die Worte des Herrn Glebe zu: Haltet fest am Bunde!" Mit social- demokratischem Gruß

Das Arbelterwahlcomité Minden- Lübecke: J. A.: Karl Schübeler. Hamburg  , 27. Dez.( Allgemeiner deutscher For­merbund.) Die Former an der Eisengießerei in Herborn  befinden sich schon in einer so drückenden Lage, daß fie taum eristiren können. Vielen von ihnen ist es nicht mög­lich, am Sonn- und Feiertage einen Rock zu tragen. Der Eisengießereihefiber, der von Tag zu Tag retcher wird, ließ fich vor einiger Zeit herab, den Arbeitern seiner Fabrit circa 50 Prozent vom Lohn abzuziehen. Leute, die schon so taum ihr fümmerliches Dasein fristen könner, die vom frühen Mor gen bis in die Nacht hinein schwer arbeiten müffen, daß fie ftets im Schweiß gebadet sind, diesen armen Leuten wurden noch 50 pet. von ihrem tärglichen Lohne   abgezogen. Dieses aber war noch nicht genug. Der Fabrikant traf noch mehr Einrichtungen in seiner Fabrik, um dieselbe vollends in eine 3wingburg umzuwandeln. Die Arbeiter, welche in dieser Fabrit arbeiten, haben meistentheile weite Wege zu gehen, sie müffen deshalb in der Fabrik bleiben und ihr Effen einneh men, welches aus Brod und Waffer besteht. Zur Aufbewah rung desselben hat Jeder einen kleinen Schrank in der Gießerei an seinem Plate befestigt. Nachdem nun nochmals Lohnab­züge gemacht, wurde der Gesundheitspflege" halber, wie der humane Herr sagt, zwischen der Düngergrube und dem Komptoir, aus einer alten Schmiedewerkstätte, ein Lokal er ristet, in welches nun die sämmtlichen Schränke der Arbei­ter hineingebracht wurden. Diese Schränke, in welchen sich das Brod der Arbeiter befindet, werden nur des Morgens bis 7 Uhr, des Mittags von 12 bis 1 Uhr und des Abends bon 7 bis 0 Uhr geöffnet. Die Arbeiter triegen natürlich feinen Schlüffel zu diesen Schränken in Händen, tönnen des halb nicht einmal zu ihrem Eigenthum tommen. Soweit haben die Herren es nun schon gebracht, daß selbst den Ar­beitern ihr Brod eingeschloffen wird, damit auf Kommando des Ausbeuters die lebenden Maschinen geschmiert werden tönnen. Nun aber kommt noch hinzu, daß, da die Leute von außerhalb nicht so viel verdienen, um in der Stadt schlafen zu können, deshalb gezwungen sind, in der angebanten Schmiedewerkstätte, oder wie der Herr sagt, in der ,, C Gesund­heitspflegeanfalt", zu schlafen. Der humane Herr, der so biele hübsche Einrichtungen getroffen hatte, wollte nun seinen Arbeitern zeigen, daß er sie noch mehr tnebeln wollt. Er stellte sich deshalb mitten in die Gießerei und prahlte fitrch. terlich: Ich will euch schon mürbe kriegen! Ihr habt nichts von mir zu fordern! Was ich euch gebe, damit müßt ihr zufrieden sein! Wenn es euch nicht past, so werfe ich euch vor die Thüre!" Trotzdem die Arbeiter nun wußten, daß der Winter vor der Thüre sel, versprachen sie sich, feft zu stehen und eine solche Schmähung entschieden zurüd zu weisen. Sie wählten eine Kommission, welche dem Fabri tanten die Sache vorstellen, und auf giüttlichem Wege schlich­ten sollte. Als die Kommission zu dem Fabrikanten fam, wurde sie sofort vor das Thor der modernen Zwingburg ge worfen. In Folge dessen beschlossen sämmtliche Former, fort zu gehen. Unter solchen Umständen wird kein vernünftiger Mensch es den Arbeitern Herborns verdenken können, die Arbeit nieder zu legen. Nun, Parteigenoffen und Kollegen, Ihr seht, wie unbarmherzig die Großfabrikanten ihre Arbel­ter behandeln; deshalb ersuche ich Euch, allerorts Sorge zu tragen, daß der Zuzng von Herborn   fern gehalten werde, anch bitte ich um möglichste Verbreitung dieser Zeilen. Durch diese schlechte Behandlung Seitens des Fabrikanten find viele unferer braven Kollegen den schrecklichsten Entbehrungen aus­gesetzt. Der Fabrikant verachtet, wie Ihr gesehen, die fried­liche Vorstellung. Die Bevollmächtigten für Hamburg  und Hagen   find hierdurch bestätigt. Die Mitgliedstarten für das Jahr 1874 find abgesandt; diejenigen Bevollmächtig­

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