Nr. 38.

[ Diese Zeitung erscheint dreima wöchentlich, und zwar:

Dienflags, Donnerstags und Sonnabends Abends.

Abonnements- Preis:

Für Berlin   incl. Bringerlohn vierteljährlich prae­aamerando 1 Rm. 95 Pf., monatlich 65 Pf., ein gelne Nummern 10 Pf; bei ben Bostämtern in Deutschland   incl. Berlin   1 8m. 60 Bf., frei in's m Sans 2 Mart.

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Kreuzband- Abonnements pro Quartal n. Eremplar Für Deutschland   und Desterreio 3 stm. Pf. Niederlande   und Belgien   3 60- England und Frankreich   450- Amerita( Berein. Staaten) 5 50. Bestellungen auf Kreuzband- Abonnements find nur bei ber Expedition aufzugeben und mäffen prae­numerando gezahlt werben.

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Berlin  , Sonntag, den 28. März 1875.

Neuer

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Social- Demokrat

5. Jahrgang.

Redaktion und Expedition:

Berfin,

67

Oranienstraße Nr. 8, SO.

Bestellungen werden bei allen Bostämtern, in Berlin   bei der Expedition, sowie bei jebem Spebi teur entgegengenommen.

Inferate

( nur in der Erpebition anfzugeben)

alfamation of dead in towerben pro finfgespaltene Petitzeile mit 50 Pf.

Eigenthum der Lassalleaner. berechnet. Berſammlungsannoncen bie 5- gespaltene

Betitzeile ober deren Raum 20 Pf. Sogenannte Stellame- Anzeigen werben nicht aufgenommen.

Die heutige Nummer ist die letzte in diesem Quartal. Die nächste Nummer erscheint der Feiertage halber erst Freitag, den 2. April.

000

An unfere Abonnenten und Leser.

nigstens zu effen und brauchen ihre vielfach hartherzigen Mit­menschen nicht demüthig anzuflehen um ein Städchen Brot. Doch haftet dann ein Matel auf dem der Haft entlassenen Arbeiter, dem es bei besseren Zeiten nunmehr schwer wird, Arbeit zu erlangen er hat ja wegen Vagabondirens im Gefängnisfe gefeffen! -die durch

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tiefften Schatten unterbrochen, wenn wir das Gebiet des Egois mus betreten und der Unterschied, reich oder arm", die Men fen in Klassen theilt, welchen das gemeinsame Streben und Jutereffe fehlt.

Das ist die Moral der heutigen Gesellschaft Kälte und. Hunger zum Bitten und Flehen gezwungenen Gefchen, der Staatsbürger dem Staatsbürger, sondern der

Wir stehen am Ende des ersten Quartals und können stolz und mit Genugthuung auf unsere Thätigkeit im verflos- fellschaftsglieder werden gebrandmarkt für alle Zeiten. fenen Quartal zurückblicken. Doch allein haben wir dies Re­sultat nicht erzielt, sondern alle Leser und Abonnenten des ,, Neuen Social- Demokrat" haben durch Opferwilligkeit, Aus­dauer und zahlreiches Abonnement mit zu dieſem günftigen Resultat beigetragen. Wir rechnen Euch Parteigenossen dies um so höher an, weil wir wissen, welchen Druck der große Krach" gerade auf Euch, auf unseren Leserkreis, ausübt.

Sollen die Leute vielleicht einen Diebstahl begehen, um den Hunger zu fillen Betteln und Stehlen ist verboten, Bers ungern hingegen ist erlaubt.

Es ist ja bekannt, wie gerade der Arbeiter die Sünden der heutigen Gesellschaft büßen muß, und deshalb gerade wird Euer Opfermuth bei alle Denen, die es sich zur Aufgabe ge­macht haben, für Eure Rechte, für die Rechte des vierten Standes, zu kämpfen, um so mehr Hochachtung und Anerken­mung finden.

Es wird für uns ein neuer Sporn sein, im kommenden Quartal mit erneutem Muth an die Arbeit, in den Kampf zu gehen, und hoffen wir dann von Euch, daß ihr uns auch fer­ner mit Opferfreudigkeit entgegenkommt; dies aber könnt Ihr nicht besser bethätigen, als durch ferneres zahlreiches Abonne­ment auf den Neuen Social- Demokrat" und die Social­politischen Blätter". Die Preffe, wie sehr sie auch noch be­schränkt ist, ist doch unsere gewaltigfte Waffe. Darum frisch auf zum Abonnement!

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Boffisien Zeitung", welche auch kulturfämpferlich gegen

Aber welch ungeheurer Widerfinn liegt in der Notiz der

Innerhalb der modernen Gesellschaft tritt in der allerdren­nendsten Frage, nämlich dort, wo es fich um den 2ebenannter halt, um die Existenz handelt, nicht der Mensch dem Men Käufer der Waare gegenüber. Es zerreißt dadurch das sitt liche Band, welches die Menschheit verknüpfen soll, und Jeder fragt nur nach feinem egoistischen Vortheil. Der, welcher die fociale Macht, das heißt den Befis des Kapitals, in seiner Hand dadurch zur Ohnmacht verdammt ist. hat, ist allmächtig gegenüber Jerem, welcher Nichts befißt und Der Arbeiter muß seines den Ratholizismus eifern zu müssen glaubt, wenn fie die Ar- Lebensunterhalts halber seine Arbeitskraft verkaufen, der Fabrikant beitsfeu in einer Zeit der gänzlichen Arbeitslosigkeit den spekulirt taltblütig nach Angebot und Nachfrage, um den möglichst fatholischen Fefttagen tu die Schuhe schiebt! Schaffe man ge- geringsten Preis für dieselbe zu zahlen. Und die Folge ist nur nügende ordentliche Arbeit, dann wird nicht viel von der Arzu selbstverständlich: Noth, Unwissenheit und Knechtsfing beitsschen übrig bleiben; höchftens wird der Posener Korres- auf der einen Seite; Schäße, Genußsucht und Uebermath tikel doch nur eine Folge von Arbeitsschen gewesen sein kann. pondent der Boff. 3tg." von ihr behaftet bleiben, da jener Ar- auf der anderen. Dentfaulheit und Arbeitsschen sind ja von jeher die hervorragen den Eigenschaften der liberalen Zeitungsschreiber gewefen.

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Die Polizei giebt sich nun wohl überall die erdenklichste aber mächtiger als fle. Ein verfolgter Bettler wird allerdings Mühe, gegen die Bettelei einzuschreiten; Roth und Hunger find leicht ein Dieb, aber dadurch ist die Gesellschaft der Ordnung noch mehr gefährbet. Möge die hochweife Polizei auf die Noth und den Hunger fahnden und fie in Nummer Sicher bringen, dann ist die Bettelei verschwunden.

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In allen Kulturftaaten, wo der Nationalreichthum fich in Sänden Einzelner befindet, wo durch gierige Spekulation Arbeits­trifen entstehen, wird die Bettelet immer mehr anwachsen.

Es giebt kein Land der Welt, wo mehr Almofen gespendet werden, wo mehr Stiftungen für Arme existiren, als das gefeg nete Eiland in der Nordsee  , dos folze Großbritannien  .

Alle Postanstalten nehmen Bestellungen entgegen auf den Neuen Social- Demokrat", pro Quartal für 1,60 m.( 16 Sgr.), Wir sind die ärgsten Feinde der Bettelei, weil sie berthiert in Berlin   alle Zeitungsspediteure pro Quartal 1,95 m. und das Voit kriechend macht; die Polizei kann ber hier nicht ( 19% Sgr.), pro Monat 65 Pf.( 6%, Sgr.) Die Social- ingreifen, sondern einzig und allein eine veränderte Produktions­politischen Blätter" foften pro Quartal bei der Post 1 Mark ( 10 Sgr.). Die Redaktion und Expedition.

Es ist unerhört.

Inbalt.

Fabrikantenspiegel.( Fortsetzung).

Politische Uebersicht: Die herrschende Geschäftsfrisis.-Berliner  Breßreptile. Bur socialen Frage. Liberale Any fmichelet. Ein

Stückchen weißen Sclavenhandels..

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Die Auswanderung nach Amerika  .

Aus Altona  . Schulzustände in Baiern  . England. Belgien  . Nachträgliches zum Prozeß Ofenheim. Ein neues Stückchen Kul

turkampf".

walt.

am Rhein  .

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Loyalität und Geschäft. Ein bumaner" Oberstaatsan Ein widerwärtiger Schacher. Die Marseillaise   und die Wacht

An die Parteigenossen.

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Korrespondenzen: Ludwigshafen  . Remscheid  . Bremen  .

Hamburg  .

Eine falsche Adresse.

Ich werd' ein gottesfel'ger   Mann.( Gedicht.)

Ein Gang durch die Berliner   Proletarierwohnungen. Landwirthschaftliche Verhältnisse in England. Ostern 1525.( Gedicht.)

Vermischtes.

Feuilleton: Die blutigen Ostern zu Weinsberg  .

Es ist unerhört,

mit welchem Reichtsinne, um kein härteres Wort zu gebrauchen, die liberalen Zeitungen gegen die Arbeiter hrpen.

Die in Berlin   erscheinende, im Allgemeinen anftändige ,, Boffische Zeitung" läßt fi nämlich in ihrer Nammer vom 25. März folgendermaßen vernehmen:

us Posen schreibt man uns unter dem 23. März: 3n Folge des strengen Nachwinters und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit hat hier die Bettelei einen solchen Umfang angenommen, daß das Polizeidirektorium eine Aufforderung an die Bürgerschaft erlassen hat, die Maßnahmen der Behörden ge­genüber diesem Unfuge zu unterstützen. Leider dienen auch die vielen tatholischen Feiertage zur Unterstüßung der gewerbemäßigen Bettelet und zur Förderung der Trunksucht und Arbeits­schen unter der ärmeren Bevölkerung."

In wenigen Zeilen ist wohl felten ein solcher Ballast von Blödflun und Widersprüchen zu finden, als in ebigem Citat. Die Bettelei ist also hauptsächlich die Folge des firengen Winters und der Arbeitslosigkeit! Sind die Arbeiter, die Armen und Elenden Schuld an dem ftrengen Winter? Haben sie die Arbeitslosigkeit herbeigeführt?

Und nun sollen fle büßen für die Särte der Natur, fie follen Füßen für den Gründer- und Schwindlerunfug, für die Meberproduktion, welche nur von den Bevorzugten der Gesellschaft aus dem Teleb nach Sold und Neichthum hervorgerufen worden ist. Die Polizeibehörde ruft die Bürger um Hülfe an, dem Un. fuge der also entstandenen Bettler ftenern zu helfen; das heißt, die Bürger sollen tie Bettler und Armen denunziren oder er greifen, damit sie in Haft gebracht werden. Allerdings find die Wermsten dann wobler daran, als in der Freiheit, fie haben we­

weise.

Bis die socialistische Idee zum Durchbruch gelangt ist, wer­den wir immer solche krankhaften Erscheinungen haben: Bettelei, Zuchthäuser, Irrenhäuser und Kafernen.

Die Boffische Zeitung" ober möge fi in Zukunft doch etwas mehr in acht nehmen mu felchen blödfinnigen Korrespon­denzen, da fie sonst doch wost leicht den Raf eines anständigen Blattes verlieren könnte.

Fabrikantenspiegel.

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( Rezupunkte des socialen Nebels. Der Ruin der Bolretralt.)

Wer noch an der Existenz dieser Lafter unserer Gesellschaft zweifelt, der werfe einen Blid auf die Ursachen, aus welchen ihre dentlichsten Früchte, nämlich die Verbrechen, bervorgehen; er wird dann ftets eine dieser Triebfedern finden.

heit vergiften, bleiben nicht ohne fichtbare eittragende Folgen.

Die Lafter und fociale Feindschaft, welge die ganze Mensch­

Waare ist Waare. Ob der Schlächter ein Schaf oder einen Ochsen schlachtet, ift ihm gleich, ma er nur möglicft großen Gewinn zieht. So drängt auf die egoistische Produktionsweise nur nach Gewinn; je billige die Waare Arbeitskraft zu haben ift, defto beffer; alle übrigen Betrachtungen find überflüssig. Das ift die Lofung der Gegenwart, und wahrlich, sie ist verderben­bringend genug!

Wenn der männliche Arbeiter eine zu theure Arbeitskraft auf den Markt bringt, dann kauft sich der Fabrikant einfach die Arbeitskraft von Frauen oder Kindern, und da das Geschäft glidt, fo hat er auch heutigen Begriffen ganz recht gehandelt. Ratii bleiben die Folgen ni ht aus, die Arbeiterfamilie wird oatsächlich zerstört, die Frauen und Kinder leiden die schwersten Schäden an Gesundheit wie an Sittlichkeit durch die aufreibende Arbeit und die gemischte Umgebung. Man blicke nur hin auf die industrielle Arbeiterbevölkerung, wie das ganze Geschlecht aus­gemergelt ift; man erwäge, daß die Statistik lehrt, daß kaum ge nügend fräftige junge Leute daraus zum Militärdienft ausgehoben werden können. Für gute Erziehung und Shulbildung fehlt von vorn herein die in erster Linie nothwendige Vorbedingung, frischer Sinn und Jugendkraft. Der ftrebsamste Geist wird im Reime erdrückt durch den unerbittlichen, übermächtigen Rampf um's Brod.

Ee bringt sodann die heutige Produktionsweise die mit schrecklicher Regelmäßigkeit eintretenden Arbeitsstodungen. Der Ihre moralischen Folgen find ärger, als die materiellen. Mannesmuth der Menschen, welcher vergebene nach Brod ringt, wird gebrochen und zur Sclavenfeele entmannt, setu Leib ist sous­los den Krankheiten des Elends preisgegeben.

Schlimm genug ist schon der von uns im vorigen Abschnitt vorgeführte Verlust an Gütern, welchen die menschliche Gesella schaft durch die planlose egoistische Jagd nach Reichthum erleidet; Mit einem Wort, das, was die egoistischen Triebe und Ges unberechenbar viel größer ist aber der Schaden, welchen die Gesellschaftseinrichtungen aus der Menschheit gemacht haben, ist sundheit, die Bildung und die Tüchtigkeit der Böller durch ein Zerrbild, ein Sohn, auf Gerechtigkeit, Freiheit und Wohl­diese Zustände erleiden.

In der That finden wir auch hier, daß aller Fortschritt, welchen die Menschheit auf diesem ihrem wichtigsten Kulturgebiet gemacht hat, nur durch das gemeinsame Jutereffe und Wirken, also durch eine communistische Geistesströmung, erreicht wor­den ist. Die nugbringendften und wichtigsten Einrichtungen der Gegenwart find hier zu verzeichnen.

Was ist beispielsweise der allgemeine obligatorische Boltsschulunterricht anders, als die, wenn auch sehr unge­nügende Verkörperung der communistischen Idee, daß die Ge­fammtheit verpflichtet ist, für Erziehung und geistige Ausbil bung der heranwad senden Geschlechter zu sorgen, and deshalb auch berechtigt ist, diese einzelnen Glieder zu den nöthigen Leiftun gen anzuhalten. Alles, was fi als gut bewährt hat im Schul­wefen, die allgemeine Schu'pflicht, der unentgeltliche Unterricht, die leberwachung des Schulwesens durch die Gesammtheit, ist Durchführung des erwähnten communistischen Prinzips; während die Schäden des Schulwesens, die Trennung der Boltsschulen von den besser fituirten Schulen der reicheren Klasse, und in Folge deffen die ungenügende Verwendung von Gelemitteln für die Bolteschulen und deren Lehrer, auch die Einmischung der religiö­fen Setten, umgekehrt von jenen dem communistischen Geift feind­lichen Einflüssen der heutigen und der überlebten feudalen Gesell­schaft herrühren.

Desgleichen ist es nur ber communistische Trieb für das Gemeinwohl, welcher die genialen Männer angetrieben, wenn fte die Wissenschaft pflegen, die Erfindungen mehren und so die Grundsteine legen, auf welchen überhaupt das Gebäude der hen tigen so überaus glänzenden Gesellschaft fich aufbauen tann. Die Pflege der Wissenschaft ist ohne gemeinsame Geistesarbeit der Männer aller Nationen geradezu uudenkbar und ihre gegenwär­tigen angemeinen Triumphe können nicht nur als Vorläufer, son­dern als erste Errungenschaften der gemeinsamen Arbeit des fos­smopolitischen Communismus angesehen werden.

D'efe Lich feite auferer Gesellschaft wird nun fofort vom

ergehen.

Das Monopol des Besizes der Arbeitsmittel fei tens einer Klasse und der selbstfüchtige Kampf der tonturrirenden Menschen das find die Kernpunkte, ans welchen alle focialen Uebel hervorgehen. Und hier, an diese Wurzel des Uebels maß die et angelegt werden, wenn es beffer werden foll.

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Politische Uebersicht.

Berlin  , den 27. März. Ueber die herrschende Geschäftskrisis besteht jetzt nur noch die Meinung, daß dieselbe nicht schnell beigelegt werden kann. Nach einem dem Handelsministerium ans Köln   vom 6. d. M. zugegangenen authentissen fachverständigen Bericht haben fich auch im Februar die Stimmung und der Geng der Handels­verhältniffe nicht gebessert. Dazu kommen die Zahlungs­einstellungen einiger bisher für sehr folid gehaltenen Firmen, welche das Bertrauen immer mehr erschüttern. Unter jenen Um ftänden und den Einschränkungen, welche manche Familien fl auferlegen müssen, flocken auch fleinere Geschäfte. Ueberproduks tion, daraus entstandener Arbeitsmangel fle find die Ursache. Weit zwingender Nothwendigkeit kommen die socialistischen Ideen zur Geltang. Defto findischer erscheint es uns, wenn ein Ge lehrter" ben haarsträubendendsten Unfinn über die Krifts hervor bringt. Die" Post" schreibt nämlich: Ueber die von Frankreft gezahlte Rrlegetontribution der 5 Milliarden hielt Professor Laffon im Verein ehemaliger Schüler der Lousenstädtischen Realschule einen Vertrag, in welchem er die Vortheile, die uns aus dieser Einnahme erwachsen find, beleuchtete and a. A. die Ansicht zu rückwits, daß die Ueberspekulation der dem Kriege fol­genden Jahre einzig und allein ihren Grund in dem Empfang jener Summe zu suchen habe. Wenn auch mit