schwierigeren Vorrichtungen noch höher, mit vier Mark und darüber, bezahlt wird, ist selbstverständlich und nicht zu tadeln. Wenn aber die gemeine Handarbeit, z. B. das Beladen der Wagen, mit drei Mark bezahlt wird und es für diesen Preis noch zu Zeiten an Kräften fehlt, so ist dies ein deutliches Zeichen dafür, daß man das rothe Gespenst der Noth in frivoler Weise beschwört. Wirkliche Arbeitslosigkeit herrscht höchstens für einen kleinen Theil der Arbeitskräfte in Berlin und zwar durch den Stillstand der Maschinen- und Wagenfabriken. Die Ausdehnung der Berliner Maschinen- und Wagenfabrikation hat man indessen seit langer Zeit als eine Anomalie betrachtet, da dieser Industriezweig unnöthiger Weise eine hohe Lofalmiethe zahlt, ohne durch seine Abfagverhältnisse an die Hauptstadt gebunden zu sein. Eine Translokation dieser Industrie nach anderen Orten hat man schon lange als eine Nothwendigkeit betrachtet und man wird derselben jetzt, wo sie sich allmählich anbahnt, nicht entgegentreten können. Wenn in Berlin augenblicklich vielleicht ein jedenfalls nicht erheblicher Ueberschuß an Arbeitern vorhanden ist, so ist andererseits in anderen Gegenden ein Mangel vorhanden. Hier muß eine Ausgleichung stattfinden und ein Eingreifen durch die Gesetzgebung würde jedenfalls diese Ausgleichung verzögern. Die Aufhebung der Eisenzölle bedroht den Arbeiterstand nicht mit Arbeitslosigkeit und Noth. Weder der Kulturkampf, noch das rothe Gespenst haben mit dieser Frage etwas zu thun. Sollte ein Theil der Etablissements zum Stillstand verurtheilt werden, so wäre der Grund darin zu suchen, daß es diesen Etablissements eben so sehr an preiswerthen Arbeitskräften fehlt, wie an Absatz, und diesen doppelten hoffnungslosen Kampf auszufämpfen, kann ihnen freilich der Staat nicht helfen."
So schreibt die fortschrittliche Vossische Zeitung", ein Blatt, welches für die Volksinteressen einzutreten behauptet! Giebt es einen ärgeren Hohn auf die Tausende hungernder Arbeiter? Denn wer es Arbeitermangel nennen will, daß ein in der Wolle gefärbter Fabrikant keine Leute bekommen kann, wenn er die Löhne so tief herabdrückt, daß sie dabei verhungern müßten, der muß geradezu unvernünftig sein oder eine eherne Stirn befitzen. Auch wird es wohl sehr fraglich sein, ob die westfälischen Arbeiter 3 Mark Lohn bekommen, ebenso wie es eine bodenloſe Lüge ist, daß ein kleiner Theil" der Berliner Arbeiter brodlos auf dem Straßenpflaster liegt, während preiswerthe" Arbeiter fehlen. Uebrigens ist es ganz vortrefflich, daß die Berliner Fortschrittsblätter derart Farbe bekennen. Manchen Berliner Maschinenbauer, der bisher auf die Fortschrittler schwor, wird es zur Ueberzeugung der Arbeiterfeindlichkeit dieser Partei bringen.
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Wie das Volk ,, vertreten" wird, haben die letzten Dresde ner Stadtverordneten- Wahlen wieder einmal zur Genüge bewiesen. Bei der daselbst am 12. November stattgehabten Stadtverordneten Wahl haben sich von den wahlberechtigten Bürgern kaum 20 pCt. betheiligt. Rechnet man nun noch die nicht wahlberechtigten Bürger hinzu, so sinkt der Prozentsatz der Wähler noch tiefer und es zeigt sich, daß die Wahl nur von einem winzigen Bruchtheil der Bewohner vollzogen worden ist. Und das ist dann Stadtvertretung und verfügt über die Steuergelder aller Bewohner.
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Der Krach Strousberg trifft viele Gegenden schwer. Besonders sind es die kleinen Städte an der Hannover- Altenbekener Eisenbahn Strousberg hat bekanntlich diese Bahn gebaut- welche nicht selten bis zu 25,000 Thlr. verlieren. Interessant ist es übrigens, daß Strousberg während seiner Moskauer Haft an seinen sonstigen Lebensbedürfnissen wenig einbüßte. Ja, es wurden sogar zu Ehren des Gefrachten am Gefängniß neue Laternen angebracht und sonst in jeder Beziehung dafür gesorgt, daß Herr Strousberg nur gar keinen Entbehrungen ausgesetzt werde.
Parteigenoffe Dr. H. Tauschinski in Graz befindet sich nun schon seit Anfang Juni v. J. in Haft. Die Hälfte dieser Zeit brachte er in Folge seiner Verurtheilung im Landesgerichte zu, die andere Hälfte verschlangen die mannichfaltigen Untersuchun gen. Mitte Oktober wäre die letzte Strafe Tauschinski's eigentlich zu Ende gegangen; aber da verfiel der Mann wieder auf den ,, unglücklichen" Gedanken, im Arreste ein Gedicht oder eine Art versificirten Aufrufes an die Arbeiter zu verfassen, durch dessen Inhalt nach der Ansicht des Staatsanwalts das Verbrechen des Hochverraths begangen worden sein soll. Das Gedicht wurde aus dem Arreste geschmuggelt, die Arbeiter legten es in Druck und verbreiteten es unter ihren Gesinnungsgenossen, die Polizei konfiszirte einige Eremplare und so fam es zur Einleitung einer neuen Untersuchung, beren Ergebniß nun eine förm liche Anklage auf Hochverrath, sowie auf das Verbrechen der Störung der öffentlichen Ruhe ist. Dem Vernehmen nach hat die Anklage übrigens auch noch den seiner Zeit in Marchegg abgehaltenen Arbeiter Kongreß, ja sogar die gesammte Thätigkeit der österreichischen Arbeiterpartei in Wien , Graz, Brünn , Linz , Salzburg u. f. w. zum Gegenstande. Außer Tauschinski selbst sollen mehrere Arbeiter als Angeklagte bei der Schlußverhandlung erscheinen, die am 1. Dezember stattfindet.
Die erquicklichen deutschen Preßzustände haben die fran zösische Regierung nicht schlafen lassen und ist diese auch mit einem Preßgesez- Entwurf hervorgetreten, der selbst der feilen französischen Presse wenig schmackhaft erscheint. Ein sogenannter Sturm von Protesten hat sich zwar gegen diesen famosen Entwurf erhoben, aber es hat dies Alles Nichts zu bedeuten. Wie bei uns die Reichstreuen aus Bismarck's Händen fressen und im Reichstage die nationalliberale Fraction eine bloße Ja- Sage- Maschine ist, so werden wir auch in Frankreich es binnen gar nicht langer Zeit erleben, daß, was Herr Mac Mahon und seine Helfershelfer zum Wohle der Nation ersonnen, von der Volksvertretung ohne jede Aenderung angenommen wird. So lange nur eine Regierung die Geldschränke der Bourgeois respec= tirt, so lange findet sie auch in dieser Klasse die gefügigsten Werkzeuge für ihre Pläne.
* Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan, der Mohr kann gehen dieses Sprüchwort findet nirgends eine bessere Anwendung, als auf den heutigen Lohnarbeiter. So entnehmen wir dem bekannten Fabrikantenblatte ,, Concordia" folgende Notiz: " Nach einer dem konservativen ,, Reichsboten" aus den rheis nischen Fabrikgegenden zugehenden Notiz, werden dort auf verschiedenen Werken jetzt, wo das Angebot ber jugendlichen Arbeiter aus allen Gegenden sehr groß ist, die alten Arbeiter, welche 10 bis 20 Jahre lang auf den Werfen gearbeitet haben, entlassen und junge, fremde Kräfte an ihren Platz gestellt. Auf diese Weise sind viele Familien brodlos geworden. Mehrere dieser alten entlassenen Arbeiter haben sich deshalb um Schutz an die Behörden gewendet; auf diese Vorstellungen der Behörden haben jedoch die Arbeitgeber erwidert, sie hätten keinerlei Verpflichtung, für die älteren Arbeiter zu sorgen, da dieselben für ihre jahrelange Arbeit auch eben so lange ihren Lohn erhalten hätten." Der christlich konservative, Reichsbote", wie die fromme ,, Concordia", beide haben kein Wort des Abscheits und der Ver
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achtung für ein solches Vorgehen. Ueber Thierquälereien können unsere Augen verdrehenden Mucker und Pietisten Thränen vergießen und Jammerartifel schreiben, aber mit dem Arbeiter, den fie Jahre lang ausgebeutet, haben sie, wenn seine Kräfte erschöpft, kein Mitleiden. Liberale und Konservative, mögen sie in noch so vielen politischen und religiösen Fragen auseinandergehen, in dem Einem: in der Herrschaft des Kapitals über die Arbeit, sind sie ein Herz und eine Seele.
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* Unsere Invaliden. Am 9. November wurde aus dem Kölner Bürgerhospital der Soldat Adam Charlier von Köln entlassen. Derselbe wurde am 2. Auguſt bei Saarbrücken durch eine feindliche Kugel im rechten Oberschenkel schwer verwundet, was seine Aufnahme in das Saarbrückener Lazareth zur Folge hatte. Dort verblieb er 13 Monate, wurde dann nach Köln gebracht und dem Garnisons- Lazareth übergeben. Am 1. März 1872 war der Unglückliche so weit wieder hergestellt, daß man ihn der Pflege seiner Eltern übergeben fonnte. Allem sein Zustand verschlimmerte sich nach einiger Zeit wieder, und am 15. Oftober warf ihn sein Leiden wieder auf das Schmerzenslager. Am 7. Dezember 1874 fand der Unglückliche Unterkommen in dem Bürgerhospitale. Unter der Hand des Ober- Arztes Herrn Dr. Bardenheuer trat hier nach einiger Zeit in Charlier's Krankheit eine glückliche Wendung ein, und von da ab schritt die Heilung seines verwundeten Beines, wenn auch langsam, doch stetig vorwärts, so daß der hoffentlich letzte Verwundete von 1870", auf zwei Krücken zwar, denn das wiederhergestellte Bein ist 4 Boll fürzer als das andere, das Hospital verlassen konnte. Die reichsfreundliche Köln . Zeitung" begleitete diese Notiz mit folgender Bitte: Möchten edle Menschenfreunde dem braven Vierziger, der höchst wahrscheinlich sein Leben lang arbeitsunfähig bleiben wird, für das Opfer seiner Gesundheit und seines Jugendglückes ihre werkthätige Liebe entgegentragen und demselben, wozu die ihm ausgeworfene Pension nicht ausreicht, ein sorgenfreies Dasein schaffen!" In Nr. 314 schrieb dasselbe Blatt:" In einer Lokalnachricht in Nr. 311 dieses Blattes wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß der eben aus dem hiesigen Hospital entlassene Adam Charlier der letzte Verwundete aus den Kriegsjahren von 1871-1871 fein möge. Leider trifft der Wunsch noch nicht zu; denn aus Hörde wird uns geschrieben:„ Der Bergmann Friedrich Möller von Zeche Schürbank bei Sölderholz, Grenadier der 4. Comp. des 2. Garderegiments zu Fuß, der Zeit im St. Joseph- Hospital hier, hat noch immer die Kugel von Gravelotte im linken Oberschenkel stecken, um deren Entfernung Chirurgen ersten Ranges sich vergebens bemüht haben, und welche von Zeit zu Zeit noch so schlimme, mit Schüttelfrösten eintretende Knocheneiterung und langdauernde Fistelgänge verursacht, daß eine fortwährende Spitalspflege nöthig ist. Da nun seine Penfion nur 9 Thlr. monatlich beträgt, also weniger als der geringste Pflegesatz der Krankenhäuser, so mag es im Interesse des armen Mannes liegen, daß diese Thatsache bekannt wird." Dank
bares Vaterland, du hast gesehen, daß Diplomaten und Feldherren, die keine Wunden davon getragen haben, reichlich dotirt worden sind, erbarme dich doch der armen Invaliden!
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* Ein Betriebs- Direktor der rumänischen Eisenbahnen bezieht ein Gehalt von 48,000 Mart. Wenn bei diesem Manne das Camphausen'sche Rezept in Anwendung käme, so hätten wir nichts dagegen.
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Die Sigung beginnt um 11 Uhr. Nach vorgenommener Abstimmung über den Gesezentwurf betr. die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen" tritt das Haus in die erste Berathung des Landeshaushalts für Elsaß- Lothringen ein, welche in der Donnerstagssigung durch eine einstündige Rede des Regierungskommissars Herzog eingeleitet worden war. Gegen dessen Ausführungen wandte sich der Elsässer Guerber und entrollte von den beispiellosen Zuständen im Reichslande" ein Bild, dessen Wirkung jedoch durch das Hervorfehren des klerikalen Standpunktes sehr wesentlich abgeschwächt wurde. Herr Duncker that der Regierung den Gefallen, Kulturfämpferei zu treiben, und im Namen des Fortschritts Polizeibienfte zu leisten, indem er nach Kräften das System der ReichsRegierung in Schuh nahm.
Herrn Dunder folgte der Regierungskommissar Herzog, der seine ganze Aufgabe aber nur darin erblickte, in einigen persönlich drastischen Bemerkungen gegen den Abgeordneten Guerber sich zu ergehen, dagegen die zahlreichen, die Zustände compromittirenden Thatsachen, die derselbe angeführt, mit keinem Wort berührte.
Abgeordneter Reichensperger ging in geschickter Weise dem die Regierung in Schuh nehmenden Abg. Dunder zu Leibe. Letzterem sowohl, wie seinen Parteifreunden, waren die zum Theil sehr treffenden Ausführungen des ultramontanen Abge ordneten höchst unangenehm, und sie suchten denselben durch zahlreiche Dhorufe zu unterbrechen. Nach Reichensperger kam NieNach Reichensperger fam Niemand mehr zum Wort. Die Majorität hatte es fatt, noch weitere Klagen über die Behandlung des liebsten Kindes der Mutter Germania " anzuhören, sie schloß die Debatte und verwies die Vorlagen an. eine Kommission von 21 Mitgliedern.
Den dritten Punkt der Tagesordnung bildete die erste Berathung des Reichshaushalts- Etats für das Jahr 1876. Die Debatte eröffnete der Präsident des Bundeskanzler- Amts, Delbrück , welcher eine Uebersicht des muthmaßlichen Finanzabschlusses für das Jahr 1875 gab, deren Resultat war, daß trot einer Etatüberschreitung von ca. 8 Millionen Mark, wovon allein wieder 7 Millionen auf das liebe Militär kommen, die indirekten Steuern noch einen Ueberschuß von ca. 23 Millionen ergeben. Und dennoch neue Steuern! Der scheinbare Widerspruch erklärt sich, wenn man feststellt, daß trotz einer Mehrforderung von über 7 Millionen für die Armee und von über 3 Millionen für die Marine für das nächste Jahr, die Militär- und Marineverwaltung glaubt sehr sparsam gewirthschaftet zu haben, so sparsam, daß sie es in fünftigen Jahren in gleicher Weise nicht mehr thun fann.
Welcher Art die Begriffe von Sparsamkeit im Militär- Etat in den maßgebenden Kreisen sind, dafür mögen Zahlen sprechen. Der Militär- Etat sollte für dieses Jahr 311,394,000 Mart betragen, die, wie oben bemerkt, aber um 7 Millionen überschritten find; für das nächste Jahr ist er auf 318,416,000 Mark angesetzt, und daß dann abermals Ueberschreitungen vorkommen, erscheint, nach der bisherigen Erfahrung, so gut als sicher. Marine verlangte für das laufende Jahr 18,047,000 Mark; für das nächste Jahr verlangt sie 21,068,000 Marf.
Die
Weiter kommen hinzu an außerordentlichen Ausgaben für militärische Zwecke 21,186,000, für die Marine 10,000,000 Mark.
Aber diese Zahlen erschöpfen noch nicht die Summe der Ausgaben für militärische Zwecke. Es kommen hinzu an Ausgaben für den allgemeinen Pensionsfond 23,403,000, für den Invalidenfond 28,710,000 Mark.
Im weiteren Verlauf seiner Rede suchte Herr Delbrück nachzuweisen, wie troy alledem höhere Ausgaben nicht zu vermeiden feien und deshalb neue Steuern eingeführt werden müßten, fand aber mit diesen Plänen, wenigstens vorläufig, selbst bei den senst so gefügigen Nationalliberalen nur durch Murren ausgedrückte Widersprüche, und am Schlusse seiner Rede von keiner Seite ein 3eichen des Beifalls.
Abg. Ridert brachte die Unzufriedenheit seiner engeren Parteigenossen, der Nationalliberalen, zu lebhaftem Ausdruck, verschwieg aber, daß, wenn heute das Reich finanziell in der Klemme sißt, die Ursache hauptsächlich der Haltung seiner Parteigenossen zuzuschreiben ist, welche für die Politik ihres Herrn und Meisters seit Jahren nur Bewunderung, Anerkennung und Zustimmung hatten. Jeßt, wo die Früchte dieser Politik zu Tage tommen, schrecken sie vor ihren Folgen zurück.
Schärfer als der Abgeordnete Rickert ging der Abgeordnete Schorlemer Alst dem Etat zu Leibe, der sich namentlich gegen die Mehrforderungen des Etats und die projektirten neuen Steuern wendete. Eine sehr drastische Wirkung machte seine Aeußerung, daß er unter keinen Umständen die Brausteuer bewilligen werde, weil es nicht geschehen könnte, daß der Arbeiter, wenn er sein durch die Steuer vertheuertes Glas Bier trinke, sich sage, daß er in dieser Steuer, die er im Schweiße seines Angesichts aufge= bracht habe, die Gage für die 250 neu geschaffenen Stabsoffiziere zahle.
Nach der Nede Schorlemer's beschloß der Reichstag die Vertagung. Der Abg. Liebknecht, der sich Namens der Socialisten gemeldet, gelangte heute nicht zum Wort; ob es ihm morgen gelingen wird, das hängt von der Gnade der Majorität ab, die bereits bei der Debatte über den Invalidenfond die an= gemeldeten socialistischen Redner todtdrückte.
Protest
gegen die Entwürfe eines Geseges, betreffend die Abänderung des Titels VIII der Gewerbeordnung*). ( Fortsetzung.)
Gesetz über die gegenseitigen Hülfskaffen. In Betreff der Regierungsvorlage schlagen wir folgende Verbesserungen vor.**)
Statt§ 2 der Regierungsvorlage schlagen wir vor:
§ 2. Die Kaffe hat einen Namen anzunehmen, welcher von dem aller anderen, an demselben Drte oder in derselben Gemeinde befindlichen Hülfskaffen verschieden ist und die zusätzliche Bestimmung:„ eins getragene gegenseitige Hülfskaffe" enthält.
Für§ 3 al. 3, 5 und 6 der Vorlage beantragen wir folgende Streichungen:
§ 3. Das Statut der Kasse muß Bestimmung treffen:
3. über die Höhe der Beiträge, welche von den Mitgliedern zu entrichten sind,[ und, falls die Arbeitgeber der Letzteren Zuschüsse zu feisten haben, über deren Höhe. fällt fort].
5. über die Bildung eines Borstandes,[ die Vertretung der mit Zuschüssen betheiligten Arbeitgeber in demselben,... fällt fort] sowie über die Legitimation seiner Mitglieder und dem Umfang seiner Befugniffe;
6. über die Zusammensetzung und Berufung der Generalversamm lung, über die Art ihrer Beschlußfassung[ und über die Stimm berechtigung der mit Zuschüssen betheiligten Arbeitgeber... fällt fort]. Motive.
Wenn den Arbeitern die freie Verfügung über ihr Eigenthum vollständig gewahrt bleiben soll, ist zu verhüten, daß die Arbeitgeber Vorrechte in der Kasse erhalten. Auf Grund ihrer höheren Beiträge jedoch würde, wenigstens scheinbar, für sie ein Recht auf größeren Einfluß auf die Verwaltung hergeleitet werden können.
Für§ 4 schlagen wir nachstehende Fassung vor: delsgericht[ höhere Berwaltungsbehörde § 4. Das Statut ist in doppelter Ausfertigung bei dem Han... fällt fort] zur Eintragung in das Genossenschafts- Register einzureichen. Dieses hat über die Zulassung der Eintragung[ Kasse fällt fort] zu entscheiden. Die Zulassung darf nur versagt werden, wenn das Statut den geseglichen Anforderungen nicht genügt, oder wenn nach dem einzuholenden Gutachten des Reichs- GesundheitsAmtes feines Sachverständigen... fällt fort] die statutenmäßigen Beträge zur Gewährung im Statut gewährleisteter Unterstützungen nicht ausreichen können.
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Wird die Zulassung versagt, so sind die Gründe mitzutheilen. tuts, versehen mit dem Bermerte der erfolgten Eintragung[ SulasWird die Zulassung ausgesprochen, so ist eine Ausfertigung des Sta jung fällt fort] zurückzugeben und in dem für die Bekanntmachun gen des Handelsgerichts[ Aufsichtsbehörde fällt fort] bestimm ten Blatte auf Kosten der Kasse unverzüglich bekannt zu machen, daß die Zulassung der Kaffe als eingetragene gegenseitige Hülfskaffe" erfolgt ist. Abänderungen des Statuts unterliegen den gleichen Vorschriften. Motive. Wenn wir uns auch gegen die Unterstellung der Hülfskassen unter die polizeiliche Bevermundung der Verwaltungsbehörden erklärten, so sind wir doch nicht gegen eine richterliche Entscheidung darüber, ob die Kassen, welche das Recht einer juristischen Person beanspruchen, ihren übernommenen Verpflichtungen nachkommen können, und ob die jenigen Formen gewahrt sind, welche die Mitglieder der Kassen gegen Zu diesem Zwecke willkürliche Handlungen der Vorstände 2c. schüßen. aber genügt es vollständig, wenn man diese Kassen den Erwerbsgenossenschaften, Konsum- und Sparvereinen u. dergl. gleichstellt.
In Bezug auf das abzugebende Gutachten sind wir der Meinung, daß dem Bedürfniß hierfür am besten genügt werden kann, wenn man im Reichs- Gesundheitsamt eine Abtheilung für Krankheits- und SterbeStatistit errichtet und diesem alsdann die Begutachtung von Staatswegen durch Gesez überträgt, nicht aber Private als Sachverständige anerkennt und es in das Belieben der einzelnen Behörden stellt, wen sie als Sachverständigen gelten lassen wollen. Auf Grund gemachter Erfahrungen können wir behaupten, daß diese sogenannten Sachver ständigen oft von der Sache gar nichts verstehen, sondern einfach nach einer Schablone die Krankheits- und Sterbefälle berechnen, gleichpiel welchem Gewerbe die Betreffenden angehören, während doch nach dem Ausweis der Statistik die Sterblichkeit in dem einen Gewerbe größer als in dem andern ist und auch die Krankheitsfälle häufiger und nachhaltiger in dem einen als in dem andern Berufszweige auftreten. 3u§ 6 beantragen wir folgende Streichung:
§ 6. Der Beitritt der Mitglieder erfolgt mittelst schriftlicher Er klärung oder durch Unterzeichnung des Statuts.
[ Den Mitgliedern darf die Betheiligung an anderen Gesellschaften oder Vereinen nicht zur Bedingung gestellt, sowie die Verdflichtung zu Handlungen oder Unterlassungen, welche mit dem Kaffeazweck in feiner Berbindung stehen, nicht auferlegt werden... fällt fort.]
Motive.
Es ist ein gewiß nicht zu rechtfertigender Grundsatz, Jemandem durch ein Gesez in einem bestimmten Falle etwas zu verbieten, was durch Gesetz ihm als Recht zuerkannt ist, also ist es auch den Rechtsprinzipien zuwider, zu bestimmen:
welche im Auftrage der Berliner Kommission der Krankenkassenvorstände *) Dbige Vorlage eines Protestes gegen den Hülfskaffen- Gesetzentwurf, ausgearbeitet ist, übergeben wir auf Wunsch der Deffentlichkeit.
**) Gesperrt gedruckte Worte bedeuten Zusätze zur Regierungsvorlage. Eingeflammerte Worte sind zu streichende Bestimmun gen der Regierungsvorlage.