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Mr. 140.
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breimal wöchentlich,
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werden bei allen Bostämtern, in Berlin bei der Expedition, sowie bei jedem Spediteur entgegengenommen.
Freitag, den 26. November 1875.
Neuer
5. Jahrgang.
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Wir machen darauf aufmerksam, daß man auf unser Blatt für den Monat Dezember bei allen Postanstalten für 0,54 Mart, so wie in Berlin bei unferen Spediteuren für 0,65 Mark frei in's Haus abonniren kann.
Im Post- Zeitungs- Katalog ist unser Blatt unter Nr. 2554
eingetragen, worauf wir hiermit besonders aufmerksam machen.
Wir hoffen, daß unsere Freunde und Parteigenossen diese Gelegenheit zu einem zahlreichen Abonnement benutzen werden.
Die Expedition des ,, Neuen Social- Demokrat".
Inhalt.
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Politische Uebersicht: Ein neuer Fall à la Hofferichter. Don Carlos. Türkisches. ArEin Geschenk des legten Krieges. Frankfurt a. M.- Dana
beiterelend.
brück.
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Wieder eine Muster Fabrikordnung. Feuilleton: Ueber die Kost in öffentlichen Anstalten.( Forts.)
"
Zagen den gefeßlichen Kampf aufnehmen. Und durch Verfolgungen, wie wir sie gegenwärtig seitens des Herrn Tes sendorf u. s. w. gewohnt sind, wird unserer Partei auch nicht der geringste Schaden beigefügt.
Zügen liegen! Aber mit dem Todtmachen der Social- DeD, wie gern sähe der Philister uns in den letzten mokratie hat es seine eigene Bewandtniß. Jeder Vernichtungsstreich, welcher gegen sie geführt wird, trägt zu ihrer Werden Vereine als wider das Gesez Stärkung bei. verstoßend aufgelöst, so bilden sich neue zahlreichere Vereine, welche sich die möglichste Mühe geben, dem Geseze bis auf's Titelchen zu genügen. Wird ein Socialist zu beschaulichen
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Betrachtungen hinter die eisernen Gardinen gesett, so geht in's Loch und kommt als Beelzebub wieder heraus. Mit er wie ein Parteigenosse treffend sagte als Teufel einem Wort, die Ueberzeugungstreue trozt jedem Un
gemach.
Wenn also die Verfolgungen von jetzt ab in noch verstärkterem Maße die Arbeiter treffen, so werden sich nur mit um so größerem Erfolg ihre Ideen verbreiten.
Die Strafgeset- Novelle, die allerdings der Strick für die Social- Demokratie genannt werden kann, mag am Ende ausfallen, wie sie will, den Socialismus wird sie nicht aus der Welt zu schaffen im Stande sein.
Rezept, sparsamer und wirthschaftlicher zu werden", sehr wohl am Blaze wäre, man möge deshalb nur auch diese hohen Gehälter herabsetzen.
Es kommt hier in Betracht: Ich muthe der Majorität des Reichstages nicht zu, einen solchen Beschluß zu fassen. Ich weiß sehr wohl, dieselbe würde dem Herrn Reichskanzler eher das Ich glaube aber, bei den gegenwärtigen Nothfällen und dann, Doppelte der jetzigen Position bewilligen, als diese streichen. wenn die Regierung ausdrücklich auf ihren Schild schreibt, daß die Löhne herabgedrückt werden müssen, da wäre es für dieselbe logischer, nicht zu verlangen, daß der arme Webergeselle zuerst sich einzuschränken anfängt, sondern selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, und ich würde es sehr schön finden,
wenn der Herr Reichskanzler die Erklärung abgäbe, für das. nächste Jahr auf sein Gehalt zu verzichten.
( Große allgemeine Heiterkeit.)
Ich glaube ganz gewiß, daß sehr viel hohe Beamten ihm nachfolgen würden, und es würde jedenfalls ihm einen größeren Lorbeer in der Geschichte einbringen, als so manche andere That, die man heutzutage in dieser Weise behandelt.
Ich habe schon vorher erwähnt, daß die Parole, welche in der schroffsten Weise seitens der Regierungskreise ausgegeben ist, nicht blos einzelne Arbeiter schwer drückt, sondern thatsächlich zu einer Kalamität geführt hat. Ich habe es ihnen vorgeführt, daß man gegenwärtig fast in jeder einzelnen Nummer der Berliner Zeitungen Selbstmordfälle aus Nahrungssorgen reproduzirt findet. In England ist dies seit langer Zeit an der Tagesordnung ge= wesen. In Deutschland sprach man immer von ,, glücklichen deut schen Verhältnissen". Aber jetzt ist ganz im Stillen dieses englische Elend auch über Deutschland gekommen. Ich schreibe allerdings nicht einigen wenigen Personen die Schuld an der Han
Die Noth und das Elend des Volkes wachsen ja von Tag zu Tag, der Schwindel und die Korruption in den ,, höheren" Klassen greifen stärker und stärker um sich und es ist also kein Wunder, daß die Socialisten mehr und erfolgreicher denn je auf die Auswüchse der heutigen Gesell- delsfrisis zu. Nein, nicht einzelne Personen tragen dieselbe, sonschaft hinweisen. Mag sie dann auch Gefängniß treffen, mögen bei ihnen Haussuchungen, Konfistationen und ähnhöchstens vor dem Einschlafen bewahren. liche Ereignisse tagtäglich sich wiederholen, es wird dies sie
Seit der großen" Haussuchung vom 8. Juni 1874 in der Redaktion und Expedition des„ Neuen SocialDemokrat", sowie bei verschiedenen Berliner Socialisten, hat die Kaiserstadt keine ähnliche wieder gesehen, wie die, welche am 22. und 23. dss. stattfand, und zwar war die gegenwärtige eine noch viel umfangreichere, als die erstgeschafts- Organisation vorhanden ist. nannte. Nachdem am 22. Abends der Kassirer des Berliner Socialistischen Arbeiter- Wahl- Vereins, Breuel, sowie Parteifreund Heinsch bereits einen polizeilichen Besuch erhalten hatten, der besonders in der Wohnung des Letteren gründlich aufräumte, entlud fich am Morgen des 23. das Haupt Gewitter über nicht weniger als circa 20 Rebellen", sowie die Redaktionen und Erpeditionen des Neuen SocialDemokrat", des„ Grundstein" und" des„ Pionier". Fast zu gleicher Zeit in der elften Stunde klopften bei den Parteifreunden Frizsche, Wißmann, Köhler, klopften Rathenau , Finn, D. Kapell, Grottkau , Baumann und Anderen, deren Namen wir in nächster Nummer mittheilen werden, die Wächter des Gesezes an und zwar stets zu fünf oder sechs Mann, von denen einer resp. zwei, wie auf der Expedition unseres Blattes, die Ausgänge besetzten", während die übrigen vier sich der Pulte, Commoden, Koffer u. f. w. erbarmten".
Wohl können in der heutigen Gesellschaft einige mißliebige Personen hinter Schloß und Riegel ,, unschädlich“ gemacht werden. Aber der Nothstand unter dem arbeitemden Volte wird nur weichen, wenn eine gerechte Gesell
Herr Tessendorf mag uns daher nur mit solchen kleinen Aufmerksamkeiten weiter beehren, wir werden ihm da für sicher nicht undankbar sein. Druck erzeugt Muth!
" 1
Die Beute, welche die Abgesandten der Justiz für Herrn Tessendorf machten, läßt sich augenblicklich noch nicht übersehen. Dem Parteifreunde Rackow wurden auf der Erpedition 12 Briefe mit Beschlag belegt und außerdem wurde ein Aufruf konfiszirt. Ob das Gewünschte sich aber dabei befunden hat, ist sehr fraglich, wiewohl die Wächter des Gesetzes und der Ordnung fast zwei Stunden die Redaktion und Expedition des„ Neuen Social- Demokrat" mit ihrer Gegenwart beehrten.
Darnach scheint es in der That, als ob die neue Strafgesez- Novelle im Bundesrathe bereits ihre Schatten voraus würfe.
Was sich da die liberale Presse freuen wird! Haben doch die letzten Wahlerfolge der Socialisten deren Gegnern manche Nuß zu fnacken gegeben. Und speziell sind es die Berliner Socialisten, welche trotz der vielen Auflösungen, Haussuchungen, Verhaftungen u. s. w. noch immer verstockt Find, von dem Vereinsrecht nach Kräften Gebrauch machen wollen und jetzt gar die Absicht haben, vom 1. Januar ab eine neue große täglich erscheinende social- demonuar ab eine neue große täglich erscheinende social- demofratische Zeitung herauszugeben.
Da fann nu in Anbetracht solcher Ueppigkeiten" der Spießbürger nicht thig zusehen, und wird laut jubeln, wenn er hört, daß neue ussuchungen vollzogen sind. Ob die Herren Beamten befriedigt von dannen gegangen sind, wissen wir ber nicht. Wie früher, so wird man auch diesmal bei den ösen Rothen Nichts gefunden haben, was zu Hoch- und Lan esverraths- Prozessen Ursache geben
fönnte.
Anklagen wird's vielleicht geben, aber die Ansichten des Gerichtshofes werden hoffentlich andere, als die des Herrn
Staatsanwalts sein.
Obschon man mit der neuen Strafgeseh- Novelle unserer Partei offen den Krieg erklär: hat, werden wir doch ohne
Der Strom der Zeit rauscht vorwärts allen Reaktionen zum Troß, und wer sich ihm wohl gar in selbstgefälliger Machtvollkommenheit entgegenwerfen will, der wird hinweggeschwemmt. Die Wahrheit siegt, ihr eifrigster Feind muß zuletzt dem Fluche der Lächerlichkeit verfallen und pater peccavi sagen, wenn die Geschichte über ihn das Urtheil spricht. peccavi fagen, wenn die Geschichte über ihn das Urtheil
Deutscher Reichstag.
Sigung vom 23. November.
Die heutige Reichstags- Sigung begann halb 1 Uhr. Auf der Tagesordnung standen verschiedene Kapitel des Etats. Zu Kapital I.( Reichskanzler- Amt) ergriff unter Anderen der Abgeordnete Hasselmann das Wort und motivirte den Gehalt des Fürsten Bismard( 54,000 Mark).
Nach dem stenographischen Bericht lautet die Rede Hasselmann's, wie folgt:
Meine Herren! Ich hätte zu diesem Titel nicht das Wort ergriffen, wenn nicht seitens der Regierungsgewalt im letzten Jahre eine Haltung eingenommen worden wäre, welche Zehn tausende von Arbeitern um Lohn und Brod gebracht hat und in Folge deren der Arbeiter zum Schaden noch den Spott hat. Es handelt sich nämlich um das Rezept der Herren Minister Camphausen und Achenbach: Die Löhne herabzusehen und die Arbeitsleistungen zu steigern. Es fällt mir nicht ein, hier blos in einem speziellen Falle die Höhe des Gehaltes zu bemängeln, ich meine vielmehr, wenn ein solches Sparsystem" offiziell proklamirt wird und wenn in Folge deffen diese Parole in die Industrie hinüber dringt, so daß die Arbeiter massen weise auf das Straßenpflaster geworfen und die Löhne so herabgedrückt werden, daß Fälle von Hungersnoth, Fälle von Selbst mord aus Nahrungssorgen gewissermaßen alltäglich sind daß daß man alsdann damit anfangen könnte, an den hohen Gehältern der höchsten Staatsbeamten zu sparen". Gerade das Rezept, welches der Herr Finanzminister Camphausen hier im Reichstage seiner Zeit entwickelt hat, läßt sich ausgezeichnet auf den vorliegenden Fall anwenden. Dasselbe lautet wörtlich:
Diese Rettungsmittel( gegen die Handelskrisis) liegen vor Allem darin, daß die Industrie wohlfeiler zu produziren lerne. Wir werden aber wohlfeiler produziren, wenn wir anfangen, fleißiger, sparsamer, wirthschaftlicher zu werden. Es wird sich ich spreche das unverholen aus für Deutschland die Nothwendigkeit ergeben, mit einer anderen Regulirung der Arbeitslöhne vorzugehen, die Anforderungen an die Arbeiter zu steigern und den Lohn nicht zu erhöhen, sondern in manchen Fällen herabzusetzen."
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Nun, meine Herren, wie steht es mit der Arbeitsleistung gegenwärtig in Betreff des Reichs- Haushalts- Etats. Ich benke, auch dort sind wir vom Deficit bedroht. Ich denke, auch dort heißt es in diesem Augenblick:„ Die Steuern sollen erhöht werden!" Und ich für meine Person meine, daß dort dieses
dern die ganze herrschende Klasse der liberalen Bourgeoisie. Cs trifft daher vor allen Dingen die Träger des Systems die Schuld.
Hier unterbricht der Präsident. Forckenbeck den Redner mit der Bemerkung, daß der Hinweis auf die Handelskrisis nicht zur Sache" gehöre.
Hasselmann replizirt darauf, wie folgt:
Ich wollte meine Vorschläge begründen, indem ich anführte, daß die heutigen Zustände unerquicklich seien, und ich wollte ferner ausführen, daß, weil sie unerquicklich sind, jene Persönlichkeiten, welche einen großen Theil der Schuld mittragen, um so eher eine moralische Veranlassung haben, auf die yohen Gehälter Verzicht zu leisten.
Der Präsident unterbricht den Redner nochmals mit der Bemerkung, daß trotz dieser Motivirung er eine Besprechung der Handelskrise nicht zulassen werde.
Hasselmann fährt daher fort:
Gut, dann sage ich nichts weiter, als„ noblesse oblige", und denke, daß der Herr Reichskanzler auch einmal als diätenloser Abgeordneter leben kann.
( Allgemeine große Heiterkeit.)
Ein weiterer Redner meldete sich nicht zum Wort und der Gehalt des Reichskanzlers wurde somit genehmigt.
Abg. Prof. Beseler übernahm es, die deutschen Professoren gegen die Angriffe Reichensperger's in Schutz zu nehmen. Ein erneuerter Schlußantrag des Abg. Valentin wurde wiederum abgelehnt. Abg. Reichensperger vertheidigt sich gegen den Abg. Beseler, trat für die Universitäten und ihre Wirksamkeit ein.
Der Schluß der Debatte wird angenommen, aber nicht ohne von einem wahren Kreuzfeuer persönlicher Bemerkungen gefolgt zu sein.
Abg. Reichensperger bemäkelt bei Gelegenheit des für die Universität Straßburg ausgeworfenen Betrages von 400,000 Mark die Zusammensetzung des Professoren- Kollegiums und be
fürwortet, entsprechend dem neuen ultramontanen französischen Unterrichtsgeseh, die freie Konkurrenz und die Freigabe der Gründung höherer Bildungsanstalten. Im weiteren Verlaufe kritisirte Redner das sog. Studium der Studenten, das darin bestehe, daß man so lange nichts thue, bis man vor dem Eramen stehe. Die ganze Kontrole Seitens der Universität bestehe nur darin, zu kontroliren, ob die Studenten die Kollegien belegt hätten, d. h. ob. die Professoren ihre Honorare bekämen, das Studiren sei Neben fache.
Die Ausführungen Reichensperger's riefen die Replik eines der Bundeskommissare und des Abg. Bamberger hervor, auf die Abg. Reichensperger wieder antwortete. Abg. Valentin begann hierauf das traurige Geschäft des Schlußantragstellens, fand aber bei der Majorität diesmal feine Gnade.
Eine Reihe von Posten wurde ganz ohne Debatte oder ohne erwähnenswerthe Debatte angenommen, bis zu Punkt 3 über Gesandtschaften( den Gehältern der deutschen Gesandtschaft in Brüssel ) Hasselmann das Wort ergriff und die Behandlung bes Parteigenossen Alexander Schlesinger in Brüssel zur Sprache brachte.
Die Rede Hasselmanns lautet nach dem stenographischen Bericht:
Meine Herren! Es wird hier von uns verlangt, die Summe von 62,400 Mark für die Gesandtschaft in Brüssel auszuwerfen. Nun, ich dächte, wenn das Reich solche Summen bewilligen soll, daß dann die Gesandtschaft in Brüssel den Staatsbürgern Deutschlands auch Nußen gewähren muß. Aber ich habe hier einen merkwürdigen Fall zu konstatiren, aus dem hervorgeht, daß es wahrscheinlich besser wäre, wir hielten dort in Brüssel einen einfachen Konsul; ich glaube für meine Person, daß es dann dem