ante eintreten. Der preußische Partikularismus, der mächtigste und bei weitem gefährlichste, mit dem wir zu thun haben,( Heiterkeit) würde aufschnellen in einer ungemein lebensträftigen Weise. Also das Unglück, das Reich zu zerstören, ist für unsere deutsche patriotische Empfindung ein außerordentlich schweres; aber materiel ist eine Wiederherstellung einer dem alten Bundesverhältniß ähnlichen Einrichtung vielleicht für Jeden auszuhalten, der nicht etwa selbst BundestagsGesandter gewesen ist.( Heiterfeit.)
Ich sage dies nur, um Sie zu bitten, das Reich in seinen Institutionen nach Möglichkeit, auch in den leinen Dingen, zu schonen und zu pflegen und denen, die sich überbürdet fühlen und, wie ich glaube, mit Recht überbürdet fühlen, etwas mehr Liebe und Schonung und, nicht die rein theoretische Härte entgegenzutragen.
Ich kam über meine Gemüthsbewegung gegen partikularistische Bestrebungen von der Frage der Reform ab, um Ihnen zu sagen, wie ich sie verstehe. Ich glaube, daß ich die Pflicht habe, meine Meinung darüber darzulegen, und daß ich vielleicht Manches Ueberzeugung anſtoße, wenn ich mich von Hause aus wesentlich für Ausbringung aller Mittel nach Möglichkeit durch indirekte Steuern erkläre und die direkten Steuern für einen harten und plumpen Nothbehelf, nach Aehnlichkeit der Matrikular- Beiträge, halte, mit alleiniger Ausnahme, ich möchte sagen, einer Anstandssteuer, die ich von den direkten immer aufrecht erhalten würde, das ist die Einkommensteuer der reichen Leute, aber wohlverstanden, nur der wirklich reichen Leute. Die heutige Einkommensteuer, wie sie bis zum Vermögen von 1000 Thalern geht, trifft nicht blos reiche Leute. Es giebt Lagen des Lebens, in denen man mit 1000 Thalern wohlhabend ist, bas ist richtig; es giebt aber auch Lagen, in denen man mit 1000 Thalern sehr gedrückt und genirt lebt, wo man nur mit Mühe die Kindererziehung, die äußere Erscheinung, die Existenz, die Wohnung bestreitet. Sie werden sagen, es sind das Ideale, die ich vortrage. Ich glaube aber, Sie haben ein Recht, die Ideale Ihres verantwort lichen Beamten zu kennen.( Heiterkeit.)
Ich glaube, man sollte von den direkten Steuern als eine Anstandssteuer die Einkommensteuer beibehalten, aber nicht als Finanz steuer, mehr als Ehrensteuer. Dieselbe kann so ungeheuer viel nicht bringen, wenn sie nur von den wirklich Reichen gezahlt wird. Wenn Sie die Steuerlisten ansehen und streichen die Einkommensteuer von 1000 Thalern und bis zu 2000 Thalern und ziehen nur diejenigen zur Einkommensteuer heran, die unter allen Umständen als wohlhabend zu betrachten sind, dann halte ich die Steuer für eine richtige, aber nicht einträgliche. Jm Uebrigen aber ist das Jdeal, nach dem ich strebe, möglichst ausschließlich durch indirekte Steuern den Staatsbedarf aufzubringen.
-
-
Die
Ich weiß nicht, ob Sie eine französische Stimme vor Kurzem in den Zeitungen gelesen haben, die sich darüber wunderte, daß wir Deutsche , im Vergleich mit Frankreich , unsere Steuerlasten so ungedul dig trügen, Frankreich zahle doppelt so viel, hätte viel mehr Ursache zur Unzufriedenheit, und in Frankreich würde über Steuerdruck in feiner Weise gemurrt, während in Deutschland alle Blätter und alle parlamentarischen Aeußerungen darüber voll wären. Ich will über die Richtigkeit dieses Urtheils nicht streiten; die deutsche Geduld ist ja sonst sprichwörtlich, aber vielleicht nicht der eigenen Regierung gegenüber; ( Heiterkeit) ich glaube aber, daß es wesentlich darin liegt, daß in Frank reich wie in England die überwiegende Masse der Staatsbe= dürfnisse durch indirekte Steuern aufgebracht wird. indirekten was auch theoretisch darüber gesagt werden mag, faktisch ist, daß man sie weniger fühlt. Es ist schwer zu berechnen, wie viel der Einzelne bezahlt, wie viel auf andere Mitbürger abgebürdet wird. Von der Klassensteuer weiß er ganz genau, was auf ihn tommt, und es ist so wunderbar, wenn man bei indirekten Steuern mit einem Mitleid, was ich mir früher einmal als heuchlerisch zu be= zeichnen erlaubte ich will den Ausdruck heute nicht wiederholen, um nicht denselben Unwillen zu erregen von der Pfeife des armen Mannes, von dem Licht des armen Mannes spricht und demselben armen Manne seine Lebensluft, seinen Athem besteuert, denn die direkte Steuer muß er zahlen, so lange er athmet; wenn er stirbt, ist er frei bei direkter Steuer wird nicht darnach gefragt: kannst du deinen Trunk Bier unter Umständen entbehren? kannst du weniger rauchen? kannst du die Beleuchtung des Abends einschränken? sondern sie muß er zahlen, er mag Geld haben oder nicht, er mag verschuldet sein oder nicht. Und was das Schlimmste ist, es folgt die Exekution, und nichts wirkt auf die Gemüther mehr, als das Erequiren von Steuern wegen weniger Groschen, die für den, der sie zahlen soll, augenblicklich unerschwinglich sind; der Groschen ist gleich einer Million für den, der ihn nicht hat und ihn nicht im Augenblick der Fälligkeit erschwingen kann und der sich sagt, so und so viel triegt dieser Beamte Gehalt, so und so viel geht auf unnöthig scheinende Ausgaben, und ich werde hier um mein bischen Geld exequirt. Solches Elend kommt von direkten Steuern. Laßt mir die direkten Steuern den städtischen Verwaltungen, möchte ich als Landbewohner sagen, dann wird der starke Zuzug nach den Städten einigermaßen mit der Zeit aufhören. Für den Staat aber ist es meiner Ueberzeugung nach Aufgabe, nach Analogie von England, von Frank reich nach indirekten Steuern zu streben. In Frankreich kenne ich wohl die Grundsteuer; diese hat aber in ihrer dauernden Wirkung nicht mehr die Natur einer Steuer, sie hat bei der Auflegung nur die einmalige Wirkung einer Konfistation, eines bestimmten mäßigen oder unmäßigen Vermögensantheils; aber im Uebrigen hat sie nicht die Wirkung einer Steuer, fondern die einer Reallast, die der nächste Käufer oder Erbe übernimmt. Man hat sich daran gewöhnt und hat von Grund und Boden nichts mehr gesagt.
Ich bekenne mich unbedingt zu dem System der indirek ten Steuern; ich glaube auch, daß die indirekten Steuern sich viel mehr in das Niveau, das Gleichgewicht sehen in Beziehung auf die Frage, wer sie denn eigentlich trägt, als man gewöhnlich annimmt. Wenn ich, um mich von der Sache nicht zu entfernen, der Neigung, von der Schlachtsteuer zu sprechen, widerstehe und mich an die Bier steuer halte, so bin ich der Meinung, daß auch der Nichtbiertrinter an dieser Biersteuer seinen erheblichen Antheil tragen wird. Er braucht Dienstleistungen in großer Menge; nicht blos die direkten Dienstleistungen eines Domestiken im Hause, der doch auch an das Bier gewöhnt ist und dasselbe mit in seinem Lohn verlangt, sondern Dienstleistungen, die sich die Handwerker unterander leisten. Ich werde in dem Paar Stiefel das Bier, das der Schuhmacher zu trinken pflegt, und das zu seinen täglichen Bedürfnissen und Gewohnheiten gehört, vergüten müffen pro rata parte.( Heiterkeit.) Und so könnte man die Beispiele bis in's Unendliche vervielfältigen; durch versteuertes Brod, durch versteuertes Bier und durch versteuertes Fleisch wird eben jede der Dienstleistungen, die wir von einander verlangen, um so viel versteuert, als nöthig ist, um den Dienstleister respektive Verfertiger des gebrauchten Objektes in die Lage zu versetzen, daß er seinen Bedürfnissen nach existiren kann. Ich glaube, daß auf diese Weise die indiretten Steuern sich von selbst vollständig in's Gleichgewicht bringen.
Mein Bestreben wäre also Verminderung der Matrikularbeiträge, so weit es sein kann. Zur gänzlichen Abschaffung ist es noch sehr weit hin, und da möchte ich auch dem Motive der Beibehaltung entgegentreten, welches daraus entnommen wird, daß das Bewilligungsrecht eines Sages der Matrikularbeiträge eine parlamentarische Machtfrage wird. Die Macht des Reichstags beruht auf Recht, Gesez und Verfassung. Eine nicht bewilligte Ausgabe wird ganz sicher nicht geleistet, und mit einer Regierung, die unbewilligte Ausgaben zu leisten gesonnen ist, wird auf die Dauer kein verfassungsmäßiges Auskommen sein. Ihre Macht ist meines Erachtens vollständig gewährleistet; aber selbst, wenn Sie mehr bedürfen, so sollten Sie lieber suchen, diese Macht auf dem Gebiete der Territorialverfassungen zu üben; die stehen fester, und als Reichskanzler habe ich nicht dafür zu sorgen, wenn Sie von Ihrer Opposition bedrängt werden. Das Reich ist wirklich, ich wiederhole es, noch nicht in sich verwachsen genug, um der Boden zu sein, auf dem Kraftproben angestellt werden können. Indessen wir kommen diesem Bunkte noch lange nicht nahe; so viel ich mich an die Ziffern erinnere, handelt es sich hier um 13 oder 14 Millionen Mark für die beiden Steuern gegenüber den 87 Millionen Mark Matrikularbeiträgen. Es fragt sich blos, ob Sie uns helfen wollen, einen Schritt iu der Richtung einer Reform zu thun, wenn wir die ganze Reform nicht leisten tönnen die lettere wird in erster Linie immer im Reiche anfangen müssen, die Partikularstaaten können erst nach und nach folgen, auch die Zölle stehen dem Reiche zu daß wir in unseren Zöl
-
len, ganz unabhängig von der Frage, wie hoch jedes Einzelne besteuert werden soll, uns doch freimachen von dieser zu großen Masse von zollpflichtigen Gegenständen,( hört! hört!) daß wir uns auf das Gebiet eines reinen einfachen Finanzzollsystems zurückziehen hört!) und alle diejenigen Artikel, die nicht wirklich Finanzartikel sind, d. h. nicht hinreichenden Ertrag geben, über Bord werfen, die zehn oder fünfzehn Artikel, die die größte Einnahme gewähren, so viel abgeben lassen, mie wir überhaupt aus den Zollquellen für unsere Finanzen nehmen wollen. Als solche Gegenstände der Verzollung und zugleich einer entsprechenden Besteuerung im Inlande sehe ich im ganzen an diejenigen Verzeh rungsgegenstände, deren man sich, ohne das Leben zu schädigen, in gewiffem Maße wenigstens zu enthalten vermag, wo man in gewissem Maße den Regulator feiner eigenen Beiträge zum öffentlichen Steuersädel in so weit in der Sand hat, daß man weiß: wenn ich zwei Seidel trinte, so zahle ich zwei Pfennige, so viel mag darauf kommen, ich weiß es nicht, und wenn ich zehn Seidel brauche, so zahle ich zehn Pfennige. Dasselbe ist der Fall mit dem Kaffe und vor allen Dingen mit dem Tabak; ich kann Zeit faum erwarten, paß Labat höhere Summen steuere, so sehr ich jedem Raucher das Vergnügen gönne. Analog steht es auch mit dem Bier, dem Branntwein, dem Zucker, dem Petroleum und allen diesen großen Verzehrungsgegenständen, gewissermaßen den Lurusgegenständen der großen Masse. Die Lugusgegenstände der Reichen würde ich sehr hoch zu befteuern geneigt sein; sie bringen aber nicht viel: Trüffeln und Equipagen, was können sie bringen? Da kommen wir in eine Menge kleinlicher Gegenstände, ausländische Toilettengegenstände und dergleichen; ich würde sie mit dem Zolle, unter Umständen sehr hoch, faffen; sie sind ja eigentlich noch würdiger wie der Tabat, recht schwer belastet zu werden.
-
Indessen ich will darüber keine Rathschläge geben, sondern nur im Allgemeinen das System entwickeln, nach dem ich streben würde, wenn sich dieses Bestreben so leicht realisiren ließe wie die Gedanken, die eben im Kopfe bei einander wohnen, aber im Raume ftoßen fich fünfundzwanzig Regierungen; sie darüber einig zu machen und die verschiedenen Interessenten und die Parlamente, ja selbst schon die Ministerien in sich und die igenen Mitarbeiter, wie wir hier bei einander sigen, sehr einig unter uns, würden, vollständig ausgeschüttet, eine Menge einander bekämpfender Gedanken zum Vorschein bringen, ( Seiterkeit) die man um des Friedens willen sich verschweigt, und da ist die Herstellung einer Einigung über große durchgreifende Reformen eine Herkulesarbeit, für die eine ganze Compagnie von Heraklessen wenn der Plural erlaubt ist nicht ausreichend wäre; und wie aufreibend heutzutage eine ministerielle Existenz ist ich spreche gar nicht von der meinigen das sehen die Herzen vor sich, die im Landtag, im Reichsfag, im Bundesrath fortwährend beschäftigt sind. Wo soll denn die Zeit herkommen, in der irgend Jemand, geschweige die große Menge, die daran mitzuarbeiten hat, in voller Muße und mit derjenigen Besonnenheit, die ein diskussionsstichhaltiges Werk verlangt, der= gleichen auszuarbeiten im Stande wäre. Die Arbeit kann auch da durch nicht gefördert werden, wenn, wie der Herr Abgeordnete Richter empfahl, anstatt der jezigen reichskanzlerischen Verfassung dem Reiche ein kollegialisches Ministerium gegeben würde. Ein Jeder, der eine Zeit lang Minister gewesen ist, weiß, wie viel langwieriger, schwieriger, aufreibender und angreifender für jeden einzelnen Betheiligten ein Kollegialministerium arbeitet. Außerdem fällt ja die Verantwortlichkeit, auf die der Herr Abgeordnete Richter immerhin doch auch einen fonstitutionellen Werth legt, vollständig weg, sobald ein Kollegium entscheibet. Es ist eine reine Fiktion, daß dem kollegialisch abstimmmenden Ministerium die Verantwortlichkeit zufällt für das, was geschehen ist; ganz abgesehen davon, daß man in der Minorität sein kann, nicht blos bei positiven Vorschlägen, sondern daß man dasjenige, was man gewollt hat, um zur rechten Zeit üblen Zuständen vorzubeugen, vielleicht der Majorität gegenüber nicht hat durchsetzen können, daß man gar nicht über den ersten Anfang hinaustam. Daß man den passiven Widerstand, wie er sich in den unabhängigen übrigen Ministerien auszubilden pflegt gegen Anregungen, die nicht auf seinem Boden gewachsen sind, überwinden kann, dazu gehören doch technische Hülfskräfte in großer Menge. Nun denke man sich den preußischen Ministerpräsidenten angewiesen auf die Unterstützung von den beiden Ihnen aus dem Budget bekannten Räthen, dem Herrn Unterstaatssekretair und den zwei Hülfsräthen. Wenn die also ein Finanzprojekt auserbeiten sollten, zu dem das Finanzministerium an sich nicht geneigt wäre, so befinden sie sich in vollständiger Hülfslosigkeit und müssen acceptiren, was geboten wird. Deshalb sage ich, ist die Verantwort Itchkeit des Ministerpräsidenten für das, was in der Regierung geschieht, eine sehr beschränkte. Er braucht sich gar nicht darauf zu berufen, er sei irgendwo in der Minorität; er hat einfach nichts zu befehlen und nichts zu sagen; er hat kein Reffort. Alle Anderen sind wenigstens in ihrem Ressort unabhängig; der Ministerpräsident kann nicht einen Nachtwächter ernennen, er hat immer nur zu bitten, zu beschwören und zu vermitteln, wenn Meinungsverschiedenheiten sind, aber zu sagen hat er eben gar nichts. Zn einer so undankbaren Rolle, wie die eines Ministerpräsidenten in einem kollegialisch wirkenden Ministerium ist, würde ich mich, wenn ich nicht gewohnt wäre, aus alter Anhänglichkeit mich den Wünschen meines Königs und Herrn zu fügen, unter feinen Umständen weiter hergeben. So undankbar, so machtlos, so ohnmächtig und dabei doch so schwer verantwortlich ist diese Rolle. Verantwortlich fann man nur eben sein für das, was man selbst freiwillig thut; ein Kollegium ist für nichts verantwortlich, auch die Majorität nicht, sie ist später nicht aufzufinden. Man sagt, der einzelne Ressortminister sei da verantwortlich. Wo ist aber ein Ressort so gesondert, daß es nicht der Mitwirkung von zweien und dreien anderen zur Durchführung seiner Maßregel und Pläne brauchte, die es aber vielleicht nicht gefunden hat! Die ganze Verantwortlichkeit wird eine fittive, wenn sie einem Rolle= gium gegenüber geltend gemacht werden soll, ganz abgesehen davon, daß wir abstimmende Kollegien nachgerade im Reiche genug haben, den Bundesrath und Reichstag nicht blos, sondern sämmtliche parlamentarische Einrichtungen.
Es ist gewiß sehr bequem, ein Kollegium beschließen zu lassen und zu sagen, das Ministerium hat beschlossen, anstatt zu sagen: ich, der Minister trete ein; fragt man ein Kollegium: wie ist das eigentlich ge= tommen? so wird jeder achselzuckend es anders erzählen, wenn das Beschlossene mißglückt ist, Niemand wird verant
wortlich sein. Bei der Kollegial- Berfassung- daß dabei schneller und durchsichtiger gearbeitet wird, das wird Niemand einräumen, der beide Sachen mit durchgemacht hat schon die Repliken und Dupliken
-
und Duadrupliken und Duintuplifen unter verschiedenen Ministern, wo feiner entscheiden kann, als daß man schließlich zu dem Auskunftsmittel eines Konseils unter Vorsitz seiner Majestät, wozu doch sehr selten und sehr schwer geschritten wird, greift würden wir nie im Stande sein, ihnen das Reichsbudget zur rechten Beit vorzulegen, auch in diesem Jahre nicht, wenn wir nicht das Entscheidungsrecht eines allein verantwortlichen Kanz.ers hätten. Nur einer fann verantwortlich sein, die Anderen können nur dafür verantwortlich sein, so weit sie durch die kanzlerische Verantwortlichkeit nicht gedeckt sind. Ich verstehe die Verantwortlichkeit der Minister nicht in der Weise, daß ich in jeder einzelnen Branche die Einzelheiten damit glaubte decken zu können; ich glaube nur dafür verantwortlich zu sein, daß an der richtigen Stelle die richtigen Personen, achtbar und kundig ihres Geschäfts, sind, und daß äußerlich erkennbare prinzipielle Fehler, namentlich solche, auf die der Reichstag aufmerksam gemacht hat, nicht dauernd einreißen. Für Einzelheiten kann ich nicht verantwortlich sein, sondern da muß jeder Reichsminister denn wir haben deren und werden deren, wie ich glaube und wünsche, mehr bekommen- das auswärtige Amt, die Marine, die Eisenbahn Behörde , wir haben neuerdings die Poft und Telegraphie kurz und gut, es kann sich ja ausbilden, und ich wünsche z. B. dringend, daß die Verwaltung von Elsaß- Lothringen in derselben Weise selbstständig gestellt wird; ich kann in die Details der Landesverwaltung noch viel weniger hineinsehen, als in die Details der Reichsministerien wenn die personalen und anderen Fragen sich überwinden lassen, so bin ich der Erste, der den Tag mit Freuden be grüßt, wo meine Verantwortung auf das Maß des wirklich dem Lande verantwortlichen Premierministers reduzirt wird, und ich neben mir einen in erster Linie dem Kanzler und durch den Kanzler dem Lande, in den nicht durch den Kanzler gedeckten Phasen auch direkt dem Lande verantwortlichen Minister in Elsaß- Lothringen sehe ich will das nicht weiter analysiren. Ich will nur sagen, daß Sie die Sachlage nicht richtig beurtheilen, wenn Sie glauben, daß meine Abwesenheit leichter
1
zu verdecken oder zu vertreten wäre, wenn ein follegiales Ministerium bestände, oder daß die Geschäfte dabei irgend etwas gewinnen würden; das Reich würde an der raschen Aktionsfähigkeit, die es jetzt beszt, an der einheitlichen Festigkeit verlieren; die Reichsexekutive denn etwas Anderes ist ja nicht auf Seiten des Kanzlers und des Kanzleramts nach der ursprünglichen Verfassung würde in sich gespalten, gelähmt und uneinig werden, und auch für die Zeit, wo ich nicht mehr im eigenen Intereffe diese Rechte vertreten werde, möchte ich meine Herren Kollegen und die Mitglieder des Reichstages dringend warnen, von dieser sehr nüzlichen Einrichtung, die eines englischen Premierministers entspricht, nicht abzugehen. In Preußen ist es die Konglomeration von acht Refforts, deren jedes emen unabhängigen Staat bildet, und es wäre vielleicht nicht schlimmer, wenn jede der elf Provinzen ihren Minister hätte, wie es früher Minister von Schlesien gab, und diese miteinander zu berathen und zu beschließen hätten; daß wir vielleicht noch nicht so schlimm ständen, als bei dieser Todttheilung des Staats in Ressortsstaaten, wo jeder Einzelne sich auf seine ausschließliche Ver antwortlichkeit berufen kann, in der That aber Niemand verantwortlich ist, und kein Ressort in das andere hineinsehen kann. Berzeihen Sie, wenn ich weitläufig werde in dieser Sache, aber wes das Herz voll ist, davon geht der Mund über" davon kann ich keine Ausnahme machen. Aber wenn ich für Darlegung einer Steuerreform auf das nächste Gesetz insoweit übergreifen kann, so wünschte ich, daß auch die Stempelabgaben gerechter vertheilt werden, wie es durch jene Vorlage zum ersten Mal versucht wird. Es ist von Allen, auch von denen, die nicht Grundbefizer sind, anerkanntes Bedürfniß; die jetzige Be steuerung alles desjenigen Verkehrs, der den Grundbesitz betrifft, mit Stempeln, ist ja erstaunlich ungerecht im Vergleich mit der, welche die mobilen Kapitalien in allen Geldgeschäften, dem Ankauf von beweglichen Sachen, Quittungen und dergleichen, zahlen. Wenn ich für den Ver fauf eines jeden Immobile ein volles Prozent geben muß, wenn ich bei der Verpachtung eines Gutes die ganze Pachtsumme vorweg, also, wenn ich auf 30 Jahre verpachte, die im Jahre 1905 fällige Rate schon im Jahre 1875 verstempeln muß, als wenn sie baar auf den Tisch gezahlt würde, so sind das Ungerechtigkeiten, die den Grundbesitz treffen, die bei der Reform remedirt werden. In dieser Richtung wird also das demnächst folgende Stempelgesetz Ihnen eine Abzahlung, ein Entgegenkommen liefern. Und ich möchte Sie bitten, aus diesen Erörterungen alle Fragen der Macht und in Folge dessen der Verstimmung zu entfernen und allein mit sachlicher Prüfung der Sache näher zu treten.
-
Sie haben aus der Rede des Herrn Finanzministers, wie ich hörte, zum Theil entnommen, es läge ihm wenig daran, daß die Vorlagen durchgebracht würden. Ich kann Sie versichern, und er wird Ihnen gewiß die Versicherung auch geben, daß das ein Irrthum ist. Er hat sagen wollen, was ich eben auch sage: wenn Sie diesen unseren wohlgemeinten Versuch, die ersten Schritte auf der Steuerreform zu thun, ablehnen, ja, so sind Sie allerdings in ihrem Rechte, wir können nichts mehr machen, als das ruhig einstecken und sehen, wie wir uns helfen, und das nächste Mal werden wir wieder kommen, bis Sie die Ueberzeugung haben, oder bis sich unsere Ueberzeugung ändert und andere Personen an's Ruder treten, oder bis Sie bewilligen, was wir glauben im Interesse des Landes fordern zu müssen. Ich sage nur des halb, daß von Empfindlichkeiten, Kabinetsfragen und dergleichen bei dieser Gelegenheit nicht die Rede sein kann.( Bewegung.) Es ist Ihre Sache, die Steuern so aufbringen zu helfen, wie es dem Lande am nüßlichsten ist, und wenn Sie nicht unserer Meinung sind, so müssen wir uns mit der Hoffnung trösten, daß sie es fünftig werden wird. Also in diesem Sinne möchte ich Sie bitten, zunächst das Gesetz für die Bierbesteuerung anzusehen, das noch den großen Vortheil hat, daß es die Besteuerung für Nord- und Süddeutschland einander annähert, und daß es der erste Schritt und zwar in der Verfassung vorgesehene Schritt ist, auf der Bahn einer fünftigen Gleichstellung, die zwar noch immer nicht zu erreichen sein wird, so lange der norddeuts sche Verzehr im Biere dem süddeutschen nicht gleichkommt die Süddeutschen haben eine sehr viel höhere Einnahme, weil in Süddeutsch land viel mehr Bier getrunken wird pro Kopf es ist aber auch sehr viel besser.( Große Heiterfeit.) Ich glaube, daß die Erhöhung der Steuer vielleicht zu besserem Bier führen wird, und daß die elende Flüssigkeit, die in Norddeutschland zum Theil unter dem Namen Bier gegeben wird, die Steuer gar nicht werth sein wird, gerade so wie früher bei der Schlachtsteuer- Verpflichtung in den Städten kein schlechtes Fleisch auf den Markt kam, weil es die Steuer nicht lohnte. Ich gebe mich also der Hoffnung hin, daß die Steuer das Bier nicht verschlechtern wird, sondern im Gegentheil die Steuerzahler den Ernst des Geschäfts einsehen und ein besseres Bier als bisher brauen werden. In dieser Hoffnung bitte ich Sie, das Gesez anzunehmen.( Beifall.)
( Fortsegung folgt.)
-
Sigung des Reichstages vom 24. November. Auf der Tagesordnung steht zunächst der Bericht der Pe titions - Kommission über die Stuttgarter Ersagwahl. Der Referent von Benda giebt die begangenen Unregelmäßigkeiten zu und beantragt Gültigerklärung der Wahl, zugleich aber Ueberreichung des von dem Arbeiter- Wahlcomité eingesandten Protestes an den Reichskanzler zur Kenntnißnahme, event. zur Remebur der darin gerügten Unregelmäßigkeiten. Die Vorgänge sind den Lesern in frischem Gedächtniß: unverfrorenſtes Eintreten der Behörden für den nationalen" Kandidaten Hölder und gegen, Sie socialistische Partei, deren Wahlagitation in jeder Weise gehemmt wird.
Bebel, der den Antrag auf ungültigerklärung der Wahl Hölder's eingebracht hatte, führte aus, daß es sich nicht um die durch die vorgekommenen Unregelmäßigkeiten verloren gegangener Stimmen handeln könne, sondern um den moralischen Einfluß, den solche Beeinflußungen ausübten, der sich in Zahlen gar nicht berechnen ließe. Bei den fortgesetzten Wahlbeeinflußungen, die in jeder Session von Neuem zur Sprache fämen, sei es nothwendig, ein Erempel zu statuiren und jede Wahl für ungültig zu erklären, bei der sich ungesetzliche Beeinflußungen bemerkbar gemacht. Und das gelte von vorliegendem Falle, wie Redner aus verschiedenen Thatsachen nachweist.. Es scheine, als sollten die ungesetzlichen Wahlbeeinflußungen, die früher fast ausschließlich nur in Preußen stattgehabt, immer weiter um sich greifen und auch jetzt in Süddeutschland Praris erlangen. Damit stimme die Verfolgung, welche unsere Parteigenossen in Würt temberg, seitdem es in das deutsche Reich eingetreten, zu Theil werde. Preßprozesse und Verhaftungen, die früher in Württemberg eine Seltenheit gewesen, fämen jest dort ungemein häufig vor. So habe man z. B. den Arbeiter Dreesbach auf eine nichtige Denunziation hin, 6 bis 7 Wochen lang in Untersuchungshaft gehalten und ihn dann ohne einen Grund zur Anklage gefunden zu haben, entlassen müssen. Als es sich seiner Zeit im Norddeutschen Bunde um die Annahme des Allgemeinen Wahlrechts gehandelt, sei vielfach die Befürchtung aufgetaucht, die sogenannten niederen Klassen würden sich Terrorismus und Erzesse zu Schulden kommen lassen. Nun, das Wahlrecht bestehe seit neun Jahren, man habe seitdem vier allgemeine Wahlen gehabt und jedes Jahr eine Anzahl Ersaßwahlen, aber nicht eine einzige Thatsache habe jene Befürchtungen bestätigt. Dagegen würde der Terrorismus gerade von entgegengesetter Seite ausgeübt.
Abg. Windthorst spricht sich ebenfalls gegen die vorgetommenen Unregelmäßigkeiten aus.
Abg. Elben, Vertreter eines württembergischen Wahlbezirks, bestreitet, daß Hölder Seitens der Regierung unterstüßt worden sei, er bestreitet auch, daß die Freiheiten in Württemberg heute geringer seien, als vor dem Eintritt in das deutsche Reich.
Auf Letteres antwortet Abg. Sonnemann, daß früher eine Verurtheilung eines Redakteurs zu Gefängniß in Württem