Mr. 142.
Diese Zeitung erscheint dreimal wöchentlich,
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Mittwoch, den 1. Dezember 1875.
Neuer
5. Jahrgang.
Rebaction n. Expedition:
Berlin , SO., Kaiser Franz- Grenadier- Bl. 8a
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Wir machen darauf aufmerksam, daß man auf unser Blatt für den Monat Dezember bei allen Postanstalten für 0,54 Mart, so wie in Berlin bei unseren Spediteuren für 0,65 Mark frei in's Haus abonniren kann.
ist. Muß uns nicht die Schamröthe in's Gesicht steigen, wenn die Gerichtshöfe des Landes so häufig Beamten, die wegen Unterschlagung angeklagt sind, mildernde Umstände zubilligen, weil sie unter dem unwiderstehlichen Druck von Nahrungssorgen gehandelt haben? Sind das noch irgendwie gesunde Zustände?"
Man spricht so häufig davon, daß die Social- Demokratie die Achtung vor dem Staate untergrabe; nun, wird ein Im Post- Zeitungs- Katalog ist unser Blatt unter Staatswesen, das Zustände, wie die oben geschilderten, nicht
Nr. 2554
eingetragen, worauf wir hiermit besonders aufmerksam machen.
Wir hoffen, daß unsere Freunde und Parteigenossen diese Gelegenheit zu einem zahlreichen Abonnement benutzen werden.
Die Expedition des Neuen Social- Demokrat".
Inhalt.
immer
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Vorläufige
,, Sparen" und Sparen". Die liberale Presse. Arbeiter- Verunglückungen. Italienische Zustände. Aus dem Leben des Petersburger Hofes. Die Haussuchungen werden epidemisch. Berhaftung des Parteifreund Moje in Altona. - Der flüchtig gewordene Kassirer der Wieher Vorschußbank.
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Die unteren Beamten.
In der vorlegten Sigung des deutschen Reichstages kam durch den Abgeordneten Hasselmann wieder einmal die Lage der unteren Beamten, speciell die der Briefträger und unteren Postbeamten, zur Sprache. Das Bild, welches dieser social- demokratische Reichsbote daselbst enthüllte, war ein recht trübes; daß es auch ein vollkommen richtiges war, bewies die außergewöhnliche Aufmerksamkeit und Ruhe des Hauses.
So hat es sich denn herausgestellt, daß ein Landbriefträger nicht mehr als 1%, Mark täglichen Gehalts bezieht, und in der Stadt Berlin Postboten angestellt werden, welche mit 3 Mart täglich sich und ihre Familie ernähren sollen. Die höheren Beamten beziehen fortwährend Wohnungs- Entschädigungen und Gehaltszulagen, das Beamten- Proletariat bekommt fast nichts.
Es muß als eine furchtbare Thatsache hingestellt wer den, daß bei der Preissteigerung der Lebensmittel um 100 pCt. die Gehälter dieser Unglücklichen kaum eine Aufbesserung von 15 pCt. erfahren haben.
Und trotz alledem muß der Subaltern Beamte zufrieden sein. Nur ja nicht raisonniren!
Wenn man einmal an den Gehältern„ sparen" will, so möge man oben anfangen.
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Als einst Friedrich II. von Preußen sein erster von Preußen sein erster Postdirektor den Vorschlag machte, die Löhnung der Postreuter" zu kürzen, da dadurch ein ganz nettes Sümmchen zu Stande kommen würde, gab Friedrich darauf zur Antwort: Nun gut, ich bin damit einverstanden, wenn Sie sich selbst zuerst 1000 Thaler von ihrem Gehalte abziehen; Sie werden so jedenfalls mit einem guten Beisriele vorangehen." Der Postdirektor schwieg und verzichtete auf Theorien à la Camphausen.
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Jedenfalls werden wir im Reichstage die schönsten Phrasen über die Beamtennoth zu hören bekommen, aber nur einen Pfennig mehr zu bewiligen, daran denken diese Herren nicht. Was sollen sich auch die Vertreter des Kapitals, aus denen mit weniger Ausnahmen unser Reichstag besteht, um solche arme Hungerleider bekümmern?
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Die Staatsbürger- 3eitung", welche eben dieselbe Frage in ihrer legten Sonnabendsnummer behandelt, schreibt diesbezüglich:
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Die Gefahr, welche dem ganzen Staatswesen aus der wirthschaftlichen Noth unserer Beamten erwachsen kann und schließlich erwachsen muß, liegt auf der Hand. Kein Staat, auch wenn er darch äußere Unfälle niedergeschmettert am Boden liegt, ist ganz verloren, so lange er ein intaktes Beamtenheer hat, und umgekehrt trägt auch der anscheinend mächtigste Staat den Keim unheilbarsten Siechthums in sich, sobald in die Reihen seiner Beamten Korruption und Unzuverlässigkeit Einlaß gefunden haben. Unsere eigene Geschichte bietet dafür überzeugende Beweise.
Man rede uns auch nicht von der Ehre und Pflichttreue unserer Beamten, welche das Unzureichende ihrer wirthschaftlichen Lage ausgleiche! Ehre und Pflichttreue find Pflanzen, die nur auf einem Boden gedeihen, der durch feste Schranken gegen übermenschliche Versuchungen geschützt
beseitigt, in den Augen der Bürger an Ehre gewinnen? Sicherlich nicht! Wenn der Beamte seine Geschäfte mit Widerwillen treibt, dann kann man sich den Schaden berechnen, welchen die Allgemeinheit dadurch davonträgt.
gestanden; sie haben Feldzüge mitgemacht und VerwundunJahre lang haben viele kleine Beamte bei der Fahne gen davongetragen; furz und gut, sie haben dem Staate Opfer gebracht und werden endlich mit einem solchen Lohne abgespeist. |
Unter solchen Umständen kann man sich wohl denken, welche Veränderung zum Schlechteren unser Beamtenthum erfahren wird, da der Beamte, um seine Familie zu ernähren, zu allerhand Nebenbeschäftigungen greifen muß und Bestechungen leichter sein Ohr leihen wird.
Der Staat muß seine Diener gut ernähren können, und ein Wunder müßte es geradezu sein, wenn PreußenDeutschland, das fo groß im Bezahlen der Steuern dasteht, seinen unteren Beamten nicht eine ausfömmliche Gristenz schaffen könne.
Oder sollte es doch wirklich so faul in Staate Dänemart sein, wie uns Viele erzählen?
Die erste Lesung des Gesetz- Entwurfs, betreffend die Erhöhung der Brausteter. ( Fortsetzung.)
Präsident: Der Herr Kommissarius des Bundesraths, Geheimrath Huber, hat das Wort.( Pause.) Derselbe verzichtet.
Der Herr Abgeordnete Dr. Löwe hat das Wort.
Abg. Dr. Löwe: Meine Herren. Die Ausführungen, die uns der Herr Reichskanzler vorgelegt hat, treffen ohne Zweifel in ihren Ideen überall im Hause und, wie ich überzeugt bin, auch in dem Lande auf die größte Sympathie. Wir können stinen Ausführungen nur darin beipflichten, wenn er den Gedanken der Einheit der Verwaltung, und wie sie hier hergestellt werden kann, auf das Eindringlichste betont. Wir können auch nur seinen Gedanken zustimmen, die er im
Allgemeinen über das Verhältniß der direkten und der indirekten
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Steuern ausgedrückt hat. Auch ich bin überzeugt, daß wir noch lange im Staate wirthschaften müssen, ehe wir daran denken können, die in direkte Steuer durch die direkte Steuer zu ersetzen. Aber an der Stelle, an der er auf die speziellen Punkte eingeht, die uns in diesem Augenblick beschäftigen, nämlich darauf, ob wir die Matrikularbeiträge ganz aufgeben und sie durch Steuern ersetzen sollen, oder ob wir sie mehr oder weniger groß beibehalten sollen nur in diesem Bunft, glaube ich, trifft er nicht auf Zustimmung hier im Hause. Wir haben bei den Matrikularbeiträgen niemals aus dem Auge verloren, daß, wie er sie nennt, sie eigentlich eine rohe Steuer bilden, die ohne Rücksicht nach der Kopfzahl erhoben wird. der Steuerkraft des einzelnen Landes und seiner Bewohner einfach Wenn aber der Herr Reichskanzler sich dieser Rücksichtslosigkeit bei der Vertheilung der Lasten gegenüber auf andere Steuern bezieht, die nicht so ungerecht vertheilt sind, so muß ich doch sagen, daß er eine der Steuern, die alle Fehler der Matrikularbeiträge theilt, zufällig nicht erwähnt hat; das ist die Salzsteuer. Auch sie wird ohne die geringste Rücksicht auf die Steuerkraft von jedem Einzelnen erhoben, ja sie ist eine Steuer, der sich absolut Niemand entziehen kann, auch nicht einmal der Almosenempfänger fann sich ihr entziehen. Die Klagen aber über diese ungerechte Vertheilung sind so alt und so zahlreich gewesen, daß sich die Ohren der Meisten nachgerade daran gewöhnt haben, und daß der taktische Vortheil, die Steuer ohne großen Verdruß von jedem einzelnen zu erheben, gleichgültig gemacht hat gegen das Interesse der Gerechtigkeit in der Vertheilung der Steuerlaft. Doch steht dem Verlangen der Aufhebung dieser Steuer noch zur Seite, daß es eine Steuer auf einen Rohstoff ist, der für die Landwirthschaft und das Gewerbe von der größten wichtigkeit ist. Denn die Erleichterung, die Landwirthschaft mit dem Bichsalze und der Industrie mit dem denaturirten Salze gewährt ist, ist in den meisten Fällen mehr für die großen Wirthschaften vorhanden, als für die kleinen; der Kleine Eigenthümer kommt, sei es aus Mangel an Einsicht, sei es aus Trägheit des Geistes, sei es aus Bequemlichkeit, sei es aus Mangel an Zeit, schwer dazu, die Vortheile, sich das billige Salz zu verschaffen, wahrzunehmen. Er verwendet es entweder gar nicht oder er verwendet es mit Unterbrechungen, also in wirthschaftlich unvollkommener Weise, oder er verwendet das Speisesalz, also das versteuerte, zu hohem Preise. Man sagt nun wohl, daß er fich ja darum kümmern könnte, daß er seine Wirthschaft aufmerksam einrichten sollte. Dieser Vorwurf forrespondirt in einer sonderbaren Weise mit dem Vortheil, den man darin findet, daß die Salzsteuer so leicht erhoben werden kann, weil der Zahler es nicht merkt. Herren, wenn man auf der einen Seite darauf rechnet, daß diese Steuer leicht erhoben werden kann, weil es Niemand merkt, so sollte man auch auf der anderen Seite doch wenigstens den Leuten das zu gute halten, was sie zu unwissend oder zu geistesträge sind, um sich der Steuer zu entziehen.
Meine
Ich erwähne nun diese Steuer hier nicht beiläufig etwa nur als ein Exempel, sondern ich bin der Meinung, daß jede Reform der indirekten Steuer mit der Salzsteuer, das heißt mit der Abschaffung der Salzsteuer, beginnen muß, und daß wir auf einen ganz falschen Weg in der Reform der indirekten Steuern gerathen würden, wenn wir immer neue Steuern auf die bestehenden darauf setzen und es der Zukunft überlassen wollten, daß vielleicht später irgendwo einmal eine Steuer erleichtert werden könnte. Wenn wir eine Steuerreform, wie
sie durch solche Steuervorlagen nothwendig angezeigt wird, beginnen wollen, so müssen wir natürlich uno actu und das ist gewiß eine große Arbeit die Steuern umgestalten, und bei dieser Umgestaltung würde nach meiner Meinung in erster Linie die Aufhebung der Salzsteuer nothwendig sein.
Was nun die Matrikularbeiträge an sich betrifft, so haben dieselben für uns in dem gegenwärtigen Zustande die politische Bedeutung, daß sie die einzelnen Staaten an unserem Finanzleben im Reiche ganz direkt intereffiren und zwar in der Weise, daß sie, da ihre Vertreter im Bundesrathe das Budget aufzustellen haben, sich schon früher leb
haft bewußt werden, daß das, was sie an Mehrausgaben uns vorschlagen, zu einem Theile wenigstens durch Matrikularbeiträge gedeckt werden muß. Wir sind aber, abgesehen von dieser allgemeinen Betrachtung, um so weniger in der Lage, die Matrikularbeiträge ganz und gar aufzuheben, als es ja noch immer gewisse Staaten in Deutsch land giebt, wo es dem Volke der Einzelstaaten, auch nicht einmal der Staatskasse, dem Budget des einzelnen Staats, gar nicht zu gute kommen würde, wenn die Matrikularbeiträge nicht erhoben würden, sondern wo, wenn ich recht unterrichtet bin, z. B. in Mecklenburg , nur die Kasse des Fürsten dabei gewinnen würde. Nur diese würden durch die Aufhebung der Matrikularbeiträge einen Gewinn machen.
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Was nun die hierbei angeknüpfte Frage wegen der Reichsministerien kanzler in seinen Jbeen über die Organisation der Reichsministerien. betrifft, so sympathisiren wir ja auf's Höchste mit dem Herrn ReichsWenn der Herr Reichskanzler über die ungerechtfertigten Betrachtungen wegen seiner Abwesenheit, die über ihn gemacht sind, sich beklagt, so kann er darauf rechnen, daß er die größte Anerkennung für seine Leistungen nicht blos in diesem Hause, sondern auch in der ganzen Nation findet. Aber die Betrachtungen über die übermäßigen Lasten, die ihm aufgebürdet sind, werden so häufig und so allgemein angestellt, daß ich es wohl aussprechen kann, was in der öffentlichen Meinung des Volkes Towohl, wie in Gesprächen des Hauses sich als das Schwerste für ihn herausgestellt hat, was man wenigstens als das Größte sich vorstellt. Es ist nicht das multum, das ihm auferlegt ist. wir wollen hoffen im Interesse unserer Nation, daß er größere Lasten noch zu tragen im Stande ist; aber es sind die multa, die von allen Seiten auf ihn gehäuft find, die ihn zu erdrücken drohen und von denen er sagt, daß er die Verantwortlichkeit dafür nicht tragen könne. Man ist allgemein der Meinung, daß diese multa so vertheilt werden, wie es nur bei einer regelmäßigen Organisation von Reichsministerien möglich ist. Sie wissen ja sehr wohl, daß nicht blos wir und die Nation im Allgemei nen in einem Uebergangsstadium uns befinden, sondern daß auch der Herr Reichskanzler mit seiner Verwaltung selbst in einem Uebergangsstadium sich befindet, in welchem es schwer ist, die Einheit in der Verwaltung herzustellen. Wir haben die Ueberzeugung, daß eine Verwaltung, wie der Herr Reichskanzler sie mit den Reichsministern im Reiche, und der preußische Ministerpräsident mit den preußischen Ministern in Preußen zu führen hat, von einer einheitlichen großen Jdee geleitet werden muß, bei der auch ferner eine Uebereinstimmung über die Mittel und Wege, die zur Verwirklichung gehören, nothwendig ist. Wir fürchten, er trifft in vielen Punkten auf Schwierigkeiten; aber ich kann wohl sagen, diese Schwierigkeiten haben wir immer bei der Beurtheilung der Vorgänge und Verhältnisse mit in Rechnung gestellt. Ueber die leitenden Ideen wie über die Wege, auf denen, und die Mittel, mit welchen gearbeitet werden soll, muß eine vollständige Uebereinstim mung herrschen. Wenn dann der Herr Ministerpräsident in Preußen oder Reichskanzler im Reiche mit einem Minister oder mit dem Chef eines Departements nicht vorwärts kommen kann, weil derselbe anderen Ideen folgt, andere Ziele erstrebt und in anderer Weise arbeitet, als man bei der Bildung der Verwaltung übereingekommen ist, dann muß der betreffende Minister weichen, und der Herr Reichskanzler muß nach einem anderen Mitarbeiter suchen, dem er einen Theil der Verantwort lichkeit im guten Glauben überlassen kann, ohne daß er ihn in jedem einzelnen Falle zu kontroliren nöthig hat. Das ist das Natürliche im fonftitutionellen System. Wenn darin Schwierigkeiten sich bei uns finden und ich glaube, sie finden sich, wie eine gewiffe Korrespondenz ergiebt, die kürzlich veröffentlicht ist, nur gar zu häufig wenn Schwierigkeiten sich finden, werden wir uns erinnern müssen, daß wir Alle in einer Uebergangszeit leben und miteinander Geduld haben müssen. Das darf uns aber nicht abhalten, bei jedem Schritt, den wir thun, das Ziel, eine festorganisirte Reichsregierung zu erlangen, fest im Auge zu behalten. Der Herr Reichskanzler darf, was die Steuersache betrifft, deshalb nicht von uns erwarten, daß wir auf eine unbestimmte Hoffnung hin, die uns eine unbestimmte Zukunft erst einmal realisiren soll, Schritte in der Gegenwart und für die Gegenwart thun, die nicht mit diesem System in Uebereinstimmung sind und nicht auf dieses Ziel zuführen.
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Ein solcher Schritt würde es nach unserer Meinung sein, wenn wir jetzt die Matrikularbeiträge aufgeben wollten, um dem Reiche durch eigene Steuern einen Körper zu schaffen, wie der Herr Reichskanzler vorschlägt. Ja, ich gestehe es zu, das Reich ist ein großer Kopf mit einem lächerlich dünnen, ganz schattenhaften Körper, und ich bin bereit, nach allen Seiten hin dem Reiche mehr Körper zu verschaffen; wenn aber der Herr Reichskanzler uns warnt, nicht das Gute aufzugeben, d. h. diesen ersten Schritt zur Reform, weil wir Besseres, nämlich ein entschloffenes Vorgehen auf dem Reformwert wünschen, so fürchte ich, er ist selbst in Gefahr, in diesen Irrthum zu verfallen, indem er glaubt, die Staaten als solche durch die Beseitigung der Matrikularbeiträge zu entlasten, sei das beste Mittel und biete den kürzesten Weg, um zur Reform der Reichsverwaltung und des Steuerwesens zu gelangen. Wir fürchten, wenn die Einzelstaaten erst frei von den Matrikularbeiträgen sind und der Partikularismus also kein direktes Interesse an dem Reichshaushalt mehr hat, sondern nur noch ein indirektes in Bezug auf den Wohlstand und die Steuerkraft seiner Bewohner, daß dann der Partikularismus noch viel hartnäckiger fich zeigen wird, als er bis jetzt schon gewesen ist, und daß wir uns dann nicht auf dem Wege zu einer glücklichen Reformbewegung befinden, sondern im Gegentheil, daß wir dann noch recht lange warten müssen, bis besondere Ereignisse uns die Reform bringen.
Was nun die mit der vorgeschlagenen Steuererhöhung versuchte Reform betrifft, so hat sich unglücklicherweise der Bundesrath gerade an eine Steuer gemacht, die nach vielen Punkten hin große Schwächen und Mängel zeigt, wenn ich auch zugestehe, daß die Biersteuer an sich eine angemessene Einnahmequelle bietet. Ich gestehe, wie gesagt, von vornherein zu, Bier ist ein angemessenes Objekt für die Besteuerung; ich gestehe ferner zu, Bier wird schwächer bis jetzt bei uns besteuert, liefert weniger Steuerertrag, als in den meisten anderen Ländern, auch in den anderen deutschen Staaten, liefert; ich gestehe drittens zu, daß unsere Verfassung uns besonders darauf hinweist, daß wir, sobald wir Steuerprojekte vornehmen, unsere Aufmerksamkeit gerade auf diese Steuer richten sollen, weil wir bei ihr die Ausgleichung mit den füd