deutschen Staaten suchen sollen, deren Bierbesteuerung eine andere ist. Aber, meine Herren, in jeder dieser Beziehungen ist das Steuerprojekt, das uns vorgelegt ist, sehr mangelhaft. Es bietet erstens wenig Ausficht, die Erträge um so viel zu steigern, wie sie durch die erhöhten Steuern gegeben zu sein scheinen und ich werde Ihnen das aus der Erfahrung beweisen, daß die erhöhte Steuer durchaus nicht einen verhältnißmäßig erhöhten Ertrag verbürgt; fie eröffnet ferner auch nicht den richtigsten Weg, der zu einem Ausgleich mit Bayern führen könnte, weil die Schwierigkeiten dieses Ausgleichs weniger in der Diffe renz der Höhe der Steuer liegen, als in der verschiedenen Methode, mie die Steuer erhoben wird. Am wenigsten aber, meine Herren, bietet uns diese Mehrbesteuerung eine Aussicht, daß wir eine Verbesse rung des Bieres herbeiführen, wie sie der Herr Reichskanzler erwartet, der meint, daß das Bier eher besser als schlechter dadurch werden wird. Wir haben ja schon mit der Biersteuer experimentirt; bem Malz haben wir die Malzsurrogate als Steuerobjekte hinzugefügt, und wir glaubten, daß wir dadurch einen bedeutend höheren Steuerertrag erhalten würden. Ja, meine Herren, wir nehmen ja jetzt mehr von der Steuer ein, denn der Herr Reichskanzler hat Recht, wir trinken jegt mehr Bier in Norddeutschland und weil wir mehr Bier trinken, ist der Ertrag im Ganzen gestiegen. Wenn man aber die Berechnung so anstellt, wie viel Steuer fällt auf jeden einzelnen Hektoliter Bier, so fin det man, daß die Steuer, trotz der Erhöhung derselben, die durch die Besteuerung der Surrogate bewirkt ist, doch abgenommen hat. Ich habe mir erlaubt, diesen Punkt schon im vorigen Jahre hier zur Sprache zu bringen; ich habe Ihnen damals gesagt: auf den Hektoliter Bier fiel vor der Besteuerung der Surrogate 871, Reichspfennig Steuer, nach der Besteuerung der Surrogate brachte der Hektoliter nnr noch 85% Reichspfennig Steuer und jetzt legen uns die Motive der Vorlage die Ziffer 83 Reichspfennig Steuer pro hektoliter vor. Also, nachdem wir die Surrogate besteuert haben, von denen damals angenommen wurde, daß sie nach den gewöhnlichen Säßen mindestens 2 Million einbringen sollten, erfahren wir jetzt, daß eine solche Zunahme des Ertrags gar nicht eingetreten ist. Das Publikum sagt aber, das Bier wäre viel schlechter geworden; und für diese Meinung des Publikums liegt auch ein äußerlich greifbarer Beweis vor, nämlich bei der Uebergangsabgabe, die von dem füddeutschen resp. bayerischen Bier erhoben wird, wenn es bei uns in die Steuergemeinschaft eingeführt wird. Sie ist nämlich viel schneller und stärker verhältnißmäßig gewachsen, als die Einnahme aus der Steuer bei uns selbst. Also das Publikum hat die Kritik geübt, daß es, wenn es das fremde Bier irgend hat bezahlen können, lieber das theure importirte Bier getrunken hat, als das, was hier unter der gegenwärtigen Steuer gebraut wird, das es jekt schlechter findet, als es unter der früheren Steuer gewesen ist. Nach den Erfahrungen also, die wir mit den Folgen der Steuerhöhung bisher gemacht haben, finden wir den derselben den Weg nicht, der zu einem Ausgleich führt. Um dem Zustande in Bayern näher zu kommen, müssen wir uns demnach fragen: ist es nicht besser, die Methode der Besteuerung anzunehmen über den Grad der Besteuerung zu sprechen ist ja später Zeit, wie sie in Bayern geübt wird, bei welcher die Produktion zu eineb so großen Vollkommenheit in dem Produkt selbst und zu einer so großen Rentabilität für die Produzenten geführt hat?
Meine Herren, der Gedanke liegt so nahe, daß jetzt selbst unsere Brauer sagen: wir sind so verdächtigt mit den Surrogaten, und es hat ein so übles Vorurtheil bei dem Publikum erweckt, daß wir es vorziehen würden, wenn die bayerische Methode eingeführt, also die Surrogate ganz verboten würden. Dazu kommt noch ein anderer Bunkt. Von den Surrogaten behauptet man, und sachverständige Gutachten haben es außer Zweifel gestellt, daß Surrogate, wie Traubenzuder, Stärkezuder, noch in einem viel späteren Stadium dem Biere beigemischt werden können, um eine alkoholische Gährung herbeizuführen; dann entzieht es sich vollständig der Besteuerung, und daß eine solche Behandlung gerade nicht dazu dient, das Bier zu verbessern, liegt auf der Hand. Ob das unter Umständen in Bayern freilich nicht auch geschieht, fann ich nicht behaupten. Die Vorlage bringt einen Paragraphen, der ohne Zweifel mit diesem Verdacht in Verbindung steht, nämlich bie Bestimmung, daß auch die Lagerräume noch der Kontrole der Steuerbehörde unterworfen werden sollen. Wenn nun aber das Bier schon aus der Brauerei herausgeschafft, schon beim Schankwirth ist und der Schankwirth thut dies, was dann? Die weitere Kontrole würde also wahrscheinlich nur den Zeitpunkt einer solchen Beimischung hinausschieben, würde ihn in ganz unsachverständige Hände mit sehr mangelhaften Vorrichtungen bringen, sicherlich wieder zum Nachtheil der Qualität des Bieres. Will man also mit einem solchen Steuersatz dem fistalischen, sowie dem gesundheitlichen Interesse dienen, eine Aufgabe, der sich doch die Steuergesetzgebung nicht entziehen kann, so muß man die Sache anders angreifen. Der große Vortheil, den wir für die Sittlichkeit von dem Bier gehabt haben, ist bekanntlich der, daß es den Branntwein verdrängt hat, indem es den Geschmack daran gewöhnt hat, ein Genußmittel zu nehmen, welches nur ein geringes Quantum Alfohol enthält gegen das starte Quantum, welches im Branntwein, als Genußmittel genommen, enthalten. Was thun nun aber die Surrogate? Durch das Malz erhält man in erster Linie auch die alkoholische Gährung, also Erzeugung von Alkohol, außerdem giebt es aber noch seinen Extractivstoff ab, der dem Bier den Geschmack von Fülle giebt, welcher dem Trinker die Befriedigung gewährt, die er von einem wirklichen Genußmittel zu erwarten berechtigt ist. Untersuchen Sie aber die Biere, die bei uns im Norden gebraut werden, so sind fie fehr mangelhaft in Bezug auf diesen Extractivstoff, der eben das Gefühl der Befriedigung auch bei einem geringen Grade von Alkohol gewährt. Sie sind aber viel stärker im Alkoholgehalt, weil die Surrogute gar keinen Extractivstoff oder nur einen sehr geringen enthalten. Sie werden nämlich nur für den Alkoholgehalt im Biere verwandt. Will man also den verderblichen Wirkungen des Alkohols überall entgegentreten, so muß man es dadurch zu erreichen suchen, daß der Geschmack des Biertrinkers nicht dadurch gefälscht wird, daß die Güte und die Stärke des Bieres nur nach der Menge des Alkohols beurtheilt, der in demselben enthalten ist. Wir haben aber auch noch das wichtige Interesse, für die Gesundheit zu sorgen. Wenn nachträglich die Surro gate zugemischt werden, so sind die Sachverständigen der Meinung, daß dann der Gährungsprozeß ein mehr oder weniger verfälschter ist, und die guten Brauer sagen selbst: ,, Wir würden glücklich, wenn wir nicht unter der schlechten Konkurrenz zu leiden hätten, die dadurch herbeigeführt wird, daß diese schlechten Biere auf den Markt gebracht werden."
Neben dem Malz ist aber noch ein anderer Stoff im Bier, das ist der Hopfen, und es haben sich von allen Seiten gerade im Interesse der Gesundheit die Stimmen gegen die Surrogate des Hopfens erhoben; sie verlangen, daß, wenn man Malzsurrogate verbietet, dann auch zugleich die Hopfensurrogate verboten werden sollten. Der medizinische Kongreß in Brüffel, der in diesem Herbst abgehalten ist, hat sich mit dieser Frage über Bierproduktion und Bierbesteuerung eingehend beschäftigt; er hat ausgezeichnete Vorarbeiten, auf deren Grundlage er seine Verhandlungen eröffnet hat, beseffen, und die Verhandlungen selbst sind von sachkundiger und wissenschaftlicher Seite mit großem Scharfsinn geführt. Das Resultat dieser Verhandlungen ist gewesen, daß der Kongreß sagt: wenn man Geseze über das Bier machen und Bier besteuern will, muß man zuerst das Wort„ Bier" definiren. Was ist Bier? Bier ist nicht jede beliebige braune, mehr oder weniger dunkle oder helle Flüssigkeit, die unter diesem Namen von irgend Jemandem verkauft wird, sondern Bier ist ein Gebräu von Malz und Hopfen. Was darüber ist, das ist vom Uebel! Was außerdem in das Gebräu hineingethan wird, das ist eine Fälschung des Gebräues und muß als solche verfolgt werden. Wenn Jemand Bier verkaufen will, dann darf er nur ein Gebräu von Malz und Hopfen verkaufen. Wenn außerdem irgend ein gewandter Industrieller aus grüner Stärke oder Fieberklee oder Herbstzeitlose ein schönes Getränk glaubt machen zu können, so soll er es als das ankündigen, was es ist; er soll aber nicht sagen, daß es Bier sei, was er verkauft, und das Publikum hat einen Anspruch auf Schuß, weil es, was im Augenblick des Trinkens durch den Geschmack nicht sogleich zu erkennen ist, ihm als eine Fälschung dargeboten wird. Es liegt darin eine Täuschung des Konsumenten, der Bier verlangt und für Bier bezahlt und nicht für irgend einen anderen Stoff.
Die Motive unserer Vorlage gehen sehr leicht darüber hin, daß die Dualität des Bieres schlechter werden könnte. Herr von Schorle mer- Alst besorgt, daß, wenn diese Steuer eingeführt würde, die Gläser immer dicker werden, so daß das Volumen immer fleiner wird. Ich
befürchte noch viel mehr, daß der Inhalt immer dünner und schlechter wird und dadurch den Zwecken, für die das Genußmittel dienen foll immer weniger entspricht. Wenn aber ein solches Konsumtion mit.el etwas schlechter ist, so tann man nicht sagen, es ist nur etwas weniger werth, also durch die Steuer etwas theurer geworden. Rein, wenn es schlecht ist, ist es häufig gar nichts werth, vielleicht sogar weniger als nichts, wenn es der Gesundheit schädlich ist.
Ich bin deshalb der Meinung: wenn wir an die Brausteuer herangehen, so sollen wir uns Bayern darin nähern, daß wir die Malzsurrogate beseitigen und zu gleicher Zeit ihm den Vortheil weiter bieten, daß auch die Hopfensurrogate beseitigt werden. Diejenigen, die etwas Anderes als Getränk liefern wollen, mögen sagen, was es ist. Dann wird es sich finden, ob es steuerbar ist oder werden soll, oder nicht. Jedenfalls sollen sie das Ding bei seinem rechten und eh.uchen Namen nennen.
Wenn wir diese gemeinsame Grundlage gewonnen, so haben wir uns dann mit Bayern , Württemberg, Hessen , Baden und Elsaß- Loth ringen zu berathen, welche Steuer für das Bier genommen werden soll, damit wir endlich die inneren Zollschranken loswerden und die Uebergangsabgabe auf Bier beseitigen. Die Uebergangsabgabe hat ja zmei Nachtheile: einmal ist es ein Verkehrshinderniß im Innern des Reiches und eine durch seine Belästigung vermehrte Vertheuerung, die Niemand, auch nicht dem Staate, zu gute kommt, und dann zahlt, so viel ich weiß, die bayerische Regierung noch eine Bonifikation für das Bier, als Entschädigung für die gezahlte Steuer, welches exportirt ist. Wir haben auf allen Gebieten die schlechtesten Erfahrungen mit diesen Bonifikationen gemacht in Bezug auf die Wirkung, die sie auf die Moralität der Betheiligten üben, und ich würde es also auch im Interesse von Bayern schon hoch anschlagen, wenn wir bei einer gleichmäßigen Einrichtung bei der Steuer nicht mehr nöthig hätten, eine Uebergangsabgabe zu erheben, und es somit seinerseits davon befreit würde, eine Bonifikation zu erheben. Ich kann auch den Grund gegen die einheitliche Steuer für Reichszwecke, daß Bayern ein so viel stärkerer Konsument ist, nicht für so bedeutend anerkennen, daß wir darum von dem Versuch abstehen sollten, um so weniger, als wir verschiedene besteuerte Konsumtionsartikel haben, die mit ihren Steuererträgen in den gemeinsamen Säckel hineingehen, die bei uns im Norden einen viel höheren Ertrag pro Kopf geben, als im Süden und speziell in Bayern . Wir haben zum Beispiel den Kaffee, der gerade in den ärmsten norddeutschen Ebenen sehr stark konsumirt wird, während Bayern verhältnißmäßig wenig verbraucht. Wir haben außerdem den Zucker, der ein viel nothwendigeres Lebensmittel ist, als das Bier, das doch in der That nur ein Genußmittel ist, das entbehrt werden kann.
Ich zweifle aber daran, daß wir schnell und verhältnißmäßig leicht den Weg großer Steuerreformen beschreiten können, wenn wir uns nur erst entschließen, die Salzsteuer als die unbedingt ungerechte und wirthschaftlich schädliche fallen zu lassen, und uns dann andererseits ent schließen, eine Steuer zu nehmen, die einen bedeutenden Ertrag zu. liefern im Stande ist. Ich spreche es offen aus, wenn die eine Steuer gefallen ist, bin ich der Meinung, daß wir aus dem Tabak eine be= trächtlich höhere Steuer erzielen sollen, als bisher. Ob es bei dem Tabak nur in der Weise möglich ist, daß man ein Regal daraus macht denn den Tabaksbau zu verbieten, würde ich für ganz unzulässig halten 71 oder ob die Wege noch nicht erschöpft sind, und ich glaube, es ist nicht der Fall, auf denen ein richtiges Steuersystem des Tabaks erzielt werden kann, welches zu einem höheren Ertrage führt, lasse ich dahingestellt. Ich glaube, daß es zweckmäßig wäre, als Vorbereitung zu einer Steuerreform, die uns zu beschäftigen hat, diese Wege von Neuem in Betracht zu ziehen und zu untersuchen.
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Ich bin also der Meinung, daß diese Art der Erhöhung der Braufteuer aus finanziellen und aus allgemein wirthschaftlichen Gründen nicht zulässig ist, daß wir darauf nicht eingehen können, besonders auch deshalb nicht, weil der Grund, die Matrikularbeiträge im Augenblic so viel zu verminden, daß sie nicht mehr empfindlich für die einzelnen Staaten sind, uns richt bestimmen darf, auf eine Erhöhung von indi retten Steuern einzugehen, die neue Belastungen bieten, ohne daß auf der anderen Seite eine Erleichterung geboten wäre.
Wort.
Präsident: Der Herr Abgeordnete Dr. Lucius( Erfurt ) hat das
Abgeordneter Dr. Lucius( Erfurt ): Meine Herren, wenn ich auch nach dem bisherigen Verlauf der Diskussion befürchten muß, daß dieselbe nur wesentlich ine akademische Bedeutung hat, so sehe ich mich doch genöthigt, durch die Angriffe, welche theilweise aus diesem Hause, theilweise aus der Press, gegen die Fraktion, der anzugehören ich die Ehre habe, erfolgt sind, insere Stellung zu den Steuervorlagen kurz zu präzisiren.
Auf unserer Seite esistirt ebensowenig eine Neigung oder gar eine Schwärmerei für die Bevilligung neuer Steuern wie anderwärts. Gewiß sind wir mit den Herren von der anderen Seite des Hauses der Ansicht, daß alte Steuem weniger drückend als neue Steuern, daß neue Steuern nicht einge ührt werden können ohne den Nachweis einer dringenden Noth, eines dringenden Bedürfnisses, oder daß durch Einführung neuer zweckmäßigerer Steuern alte unzweckmäßige ersetzt wer den sollen. Wir haben mit Ihnen im preußischen Abgeordnetenhause dahin gewirkt, die unterste Stufe der Klassensteuer zu beseitigen, wir haben mit Ihnen die Mahl- und Schlachtsteuer abgeschafft, die wir für eine wenig erträgliche hielten, für eine solche, deren Erhebungskosten zu hoch waren im Verhältniß zu dem, was sie einbrachte. Wir stehen deswegen der Tendenz dieser beiden Steuervorlagen feineswegs feind lich gegenüber, weil wir darin die Tendenz suchten und fanden, durch dieselben neue Steuerquellen für das Reich zu eröffnen und dadurch die Matrikularbeiträge zu vermindern. Wir sind auf dieser( rechts) Seite des Hauses der Meinung, daß es des Bandes, welches die Matrikularbeiträge sein sollen, für die deutsche Einheit nicht bedarf. Wir sind der Meinung, daß es eine Illusion ist, wenn man meint, das Gefühl der Staatsangehörigkeit durch die Erhöhung direkter Steuern besonders steigern zu können. Meine Herren, in einem Staate der allgemeinen Wehrpflicht, wie es das deutsche Reich ist, brauchen wir dieses Mittels nicht. Außerdem glaube ich, ist es, wenn es richtig ist, daß die Matrikularbeiträge auf ungerechten Grundsätzen beruhen, daß in den einzelneu Staaten sehr verschieden wirken, doch unser gemeinsames Intereffe, die Matrikularbeiträge nicht großen Schwankungen auszusetzen, fie womöglich auf einem gleichen Niveau zu erhalten oder, wenn es geht, sie ganz zu beseitigen. Daß danach immer noch bewegliche Punkte im Etat bleiben, an denen der Reichstag sein Budgetrecht üben kann, scheint mir zweifellos, und wir würden, wie neulich schon der Herr Abgeordnete Richter angedeutet hat, und wie es in früheren Budgetberathungen schon geschehen ist, uns keineswegs gegenüber der Idee der Einführung einer allgemeinen Reichseinkommensteuer unter gewissen Voraussetzungen ablehnend verhalten.
Ein anderes Moment, was zu Gunsten der vorliegenden Sieuerprojekte nach unserer Meinung sprach, ist der Gesichtspunkt, daß sie unter die Kategorie der indirekten Steuern fallen. Es ist ja theoretisch über den Werth der direkten und indirekten Steuern viel gesprochen worden, aber das Faktum ist unbestreitbar, daß, wenn wir in Preußen und wahrscheinlich auch in anderen Partikularstaaten über den Steuerbruck überhaupt klagen, diese Klagen wesentlich bedingt sind durch die
Höhe der direkten Steuern.
Es kommt dazu, daß bei uns die Kommunen wesentlich darauf angewiesen sind, ihre Bedürfnisse durch Zuschläge zu den direkten Steuern zu gewinnen, und daß diese Zuschläge in einzelnen Städten und auch schon in ländlichen Kommunen eine Höhe erreicht haben, die an das Unerträgliche grenzt. Das wird Jeder zugeben, der in der Kommunalverwaltung, sei es in einer städtischen oder in einer ländlichen Kreis- Kommunalverwaltung, steht. Sie begegnen dem größten Widerstreben, ja geradezu einem Sturm der Entrüstung, wenn Sie für die nothwendigsten und zweckmäßigsten Dinge Vorschläge machen, ich meine nur Wegebau, Schul- und Armenpflege, zu deren Verwirkli chung die Voraussegung eine Steigerung der Kreissteuern bildet.
Wenn man in Frankreich , auf dessen Verhältnisse vielfach exemplifizirt ist, auch heute wieder, keine Klagen über Steuerdruck hört ich habe noch im letzten Sommer Gelegenheit gehabt, auf einer Reise dorthin dieselbe Beobachtung persönlich zu machen so liegt das, wie ich glaube, wesentlich auf dem Gebiet: Sie haben in Frankreich direkte Steuern für Kommunalzwecke überhaupt nicht. Die kommunalbedürf nisse werden sämmtlich durch indirekte Steuern gewonnen und wenn Sie die verschiedenen Steuerprojekte Revue passiren lassen, die Frank reich sowohl für den Staat, wie für die Kommunen seit dem Kriege
goracht hat, so werden Sie fast ausschließlich zuschläge zu den Zöllen, zu den indirekten Steuern finden. Die Mehrbedürfnisse Frankreichs seit dem Kriege betragen jährlich nach Kolbe's Statistik 760 Millionen Franken. Die Nationalversammlung hat im Jahre 1871 die Steuer auf Zucker pro 100 Kilo auf 50 Franken erhöht, Kaffee 150, Thee 200, Rafao 100 u. 1. w., genug, die Gesammtheit der indirekten Steuern beträgt in Frankreich 79 Prozent sämmtlicher Staatseinnahmen, die direkten Steuern nur 18 Prozent; also taum/ sämmtlicher Steuern wird in Frankreich auf diesem Wege aufgebracht, und abgesehen davon find die Kommunen nicht genöthigt, selbst noch direkte Steuern zu erheben.
Es scheint mir daher in der That sehr erwägenswerth, ob wir uns nicht diesem System nähern sollen, welches in einer weniger drückenden Weise dem Staate, dem Reiche neue Finanzquellen eröffnen würde. Meine Herren, wir und die Fraktion, der ich speziell anzugehören die Ehre habe, sind daran gewöhnt, daß uns Vorwürfe gemacht werden, schutzöllnerische Tendenzen zu haben. Ich für meine Person und auch für die Mehrzahl meiner Parteigenossen stelle das auf's Entschiedenste in Abrede.( Hört, hört!) Wir sind für die Finanzzölle, und ich glaube, gerade die Erfahrung anderer Länder empfiehlt dieselben. Ich werde den Herren dankbar sein, wenn sie mir sagen, wo der Finanzzoll überhaupt aufhört und wo der Schutzzoll anfängt. Jeder Finanzzoll wird von einem gewissen Punkte ab Schuzzoll, wenn er ein Produkt be steuert, was wir im eigenen Lande hervorbringen. Der höchste Zoll, den wir haben, der Kaffeezoll selbst, wird für die Kaffeesurrogate als Schutzoll wirken, das ist unvermeidlich. Ich bin keineswegs für die Prohibitivzölle, aber daß man Zölle, die einen hohen Ertrag liefern, ohne Weiteres abschaffen soll, das ist mir von dem Momente an bedenklich, wo die Nothwendigkeit hervortritt, sie durch Zuschläge zu den direkten Steuern zu ersetzen. Wir werden uns mit den Vertretern der Freihandelspartei einigen, auf dem Gebiete eine Vereinfachung des Zolltarifs herbeizuführen. Es ist bekannt, daß ungefähr 68 Prozent der sämmtlichen Zollerträge durch 15 Artikel geliefert werden; 8 Artikel liefern allein 65 Prozent; wir werden uns also keineswegs gegen über einer Reform des Tarifs nach der Richtung hin feindlich verhalten, eben weil wir für die Finanzzölle sind. Wenn in zweiter Linie ein Zoll zu Gunsten der einheimischen Industrie wirkt, so ist das doch keineswegs ein Grund, sich dagegen feindlich zu verhalten. Wir haben ein sicheres Interesse, unsere einheimische Industrie zu fördern, die Steuerkraft und den Wohlstand des Landes zu steigern, und wir werden darin kein Motiv finden können, den Zoll herabzusehen, weil mög licherweise derselbe einer oder der anderen Industrie förderlich ist; nicht in unbilliger Weise, nicht in der Weise, wie es die Prohibitivzölle thun. Meine Herren, der Herr Finanzminister hat in seinen neulichen Ausführungen unter dem Beifall des Hauses seine konstitutionelle Gefinnung betont, indem er den Sah ausgesprochen hat: die Regierung habe zu weichen, wenn eine Differenz zwischen dem Reichstage und der Regierung vorliege. Der Herr Abgeordnete Dr. Lasker hat ihm versichert, daß eine Differenz zwischen dem Reichstage und der Regierung nicht vorhanden sei, ich bin derselben Meinung und habe denselben Wunsch und dasselbe Bestreben, dieses Einvernehmen zu erhalten. Allein ich meine, dazu gehört doch, daß der Reichstag weiß, welche Ziele die Reichsregierung verfolgt. Dieses Verständniß wird aber erschwert, wenn uns Steuervorlagen gemacht werden und gleich mit der Vorlage eigentlich schon die Vertheidigung dieser Position aufgegeben ist.
Wir haben von dem Herrn Finanzminister eine herbe Verurtheilung der Diskontopolitik der preußischen Bank gehört. Ich glaube, nach dem Urtheile der Geschäftswelt ist die Leistung der preußischen Bank bisher als mustergültig betrachtet worden. Ist sie das nicht, so sollte man glauben, es könne der Herr Finanzminister, der sowohl dem preußischen Ministerium als auch dem Bundesrathe angehört, dem auch der höchste Chef der preußischen Bank ebenfalls angehört, eine Verständigung in dieser Frage erzielen. Der Reichstag kommt aber offenbar in schiefe Stellung, wenn er diesen Aeußerungen nothwendig entnehmen muß, daß hier Widersprüche obwalten. Ich glaube auch, der Verlauf in dieser Diskussion, wie auch damals bei der Berathung des Bank: gesetes, schiebt die Vorantwortung für die Vorlagen gewissermaßen auf die Reichsvertretung, er schiebt sie auf den Reichstag , während nach den konstitutionellen Ansichten doch sicher die Regierung die Initiative und die Verantwortung für die Finanzvorlagen, die uns zugehen, ge bührt. Ich glaube, die Regierung sollte überhaupt nicht Finanzvorlagen und Steuervorlagen in dieses Haus bringen ohne die zwingendsten Gründe, ohne die entschiedenste Ueberzeugung, daß Grund vorliegt, dies selben mit aller Energie durchzusehen, oder sie sollte überhaupt solche Borlagen nicht bringen. Handelt sie anders, so verliert nothwendig die Regierung die Initiative in den wichtigsten Fragen, sie schädigt ihr eigenes Ansehen und ihre Würde, sie desorganisirt die parlamentari schen Parteien, die es sich aufrichtig zur Aufgabe gestellt haben, die Regierung in der Politik zu unterstützen, sie beunruhigt ferner die großen Kreise der Gewerbtreibenden durch fortwährend neue Steuer projekte, die sie dann schließlich durchzuführen nicht die Absicht hat. Ich meine, das sind die Verhältnisse, die uns, die Reichsvertretung und gerade die Parteien, die mit der Regierung zu gehen wünschen, in die schiefste Lage bringen.
Der Herr Abgeordnete Richter hat neulich in seiner Rede wiederholt sich als Redner der Majorität bezeichnet; wenn er damit bezeichnen will, daß er Führer der Majorität ist, so glaube ich, wird er darin Unrecht haben. Ich glaube, die Majorität des Hauses folgt seinen Ausführungen, die auf den eingehendsten Etatstudien beruhen, stets mit der größten Aufmerksamkeit, und sie ist ihm auch zu Dank verpflichtet für die vielseitige Beleuchtung, die er dem Etat hat widerfahren lassen, für die Gelegenheit, die er der Regierung giebt zu Aufklärungen, allein die zuhörende und beschließende Majorität ist doch nicht identisch. Ich glaube, wir können sowohl für uns, als auch für die Fraktion der Konservativen im Gegentheil in Anspruch nehmen, daß wir im Verein mit den Nationalliberalen der großen Majorität angehört haben, die recht eigentlich der Träger der Gesetzgebung des deutschen Reichs gewesen ist seit Gründung des norddeutschen Bundes, während der Herr Abgeord nete Rihter mit seinen speziellen Parteigenossen sehr vielfach bei den größten and fundamentalsten Fragen sich in Opposition befunden hat. Ich meine deshalb, wir können es wohl von uns abweisen, in der, ich kann es nid anders sagen, wegwerfenden Weise behandelt zu werden, wie es bei er neulichen Diskussion über die Etatsberathung ge= schehen ist.
Wir werden uns fünftig wie bisher den vorliegenden Aufgaben nicht entziehen; wir werden mit Ihnen gemeinschaftlich die Finanzvorlage prüfen, wir werden unberechtigte Forderungen mit Ihnen ableh nen, wir werden aber auch ganz gewiß im Verein mit ihnen hoffentlich unverkürzt die Mittel bevilligen, welche dazu gehören, um das deutsche Reich auf der nationalen öhe zu erhalten, die es nur durch blutige Opfer der Gesammtheit des Volkes erkämpft hat.
( Schluß folgt.)
Sigung von 26. November. Auf der Tagesordnung teht die zweite Berathung des Reichshaushalts- Etats für as Jahr 1876.
Die Posten: fortdauernde Ausgaben und Einnahmen für den Rechnungshof und das Ober- Reichs- Handelsgericht werden stillschweigend genehmigt.
Beim dritten Punkt: Post- und Telegraphen- Verwaltung, nimmt zu Titel 1( Porto) Schmidt( Stettin ) das Wort, ohne daß es ihm jedoch möglich ist, die Aufmerksamkeit des Hauses auf sich zu lenken und verständlich zu werden. Er scheint zu wünschen, daß ein neuer Bertrag zwischen Post- und EisenbahnVerwaltung getroffen werden müsse, um größere Vortheile für das korrespondirende Publikum zu erzielen. Nebner wird, weil bas Telegraphenwesen noch nicht an der Reihe, zur Sache gerufen und schließt.
Hierauf erfolgte zwischen Liebknecht und dem GeneralPostdirektor Stephan eine scharf Controverse über Verlegung des Briefgeheimnisses; wir werden dieselbe nach dem stenographi schen Bericht bringen.
Bei dem Titel des Etats, we cher von den Gehältern der Poſtsekretäre, Briefträger und fontigen Angestellten handelt, nahm Hasselmann das Wort, um, wie im vorigen Jahre, dar