Reich eingetreten war, meines Wissens höchst selten ein Redakteur eines Oppositionsblattes in's Gefängniß gekommen ist, daß aber seitdem die Redakteure der Oppositionsblätter fast niemals aus dem Gefängniß herauskommen.( Heiterkeit.)

Präsident: Der Herr Abgeordnete Windthorst hat das Wort.

Abg. Windthorst: Ich bin dem Herrn Abg. Elben zu Dank ver­pflichtet; meine Frage ist beantwortet, und ich habe daraus entnehmen können, daß die nationalliberale Partei   in Württemberg   in der glück lichen Lage ist, die Gensd'armen und die Polizei zu ihrer Dispofition zu haben.( Heiterkeit. Widerspruch.)

Präsident: Das Wort wird nicht weiter gewünscht; ich schließe die Diskussion.

Der Herr Berichterstatter hat das Wort.

Berichterstatter Abg. v. Benda: Meine Herren, ich wollte nur aus den Aften bestätigen, daß in denselben irgend eine formelle Er­flärung der württembergischen Regierung, welche den Abg. Hölder zu ihrem Kandidaten macht, nicht enthalten ist. Die Ausstellungen richten sich auch nicht gegen Staats- Executivbeamte, sondern gegen Amts- und Polizeibeamte, also im Wesentlichen gegen Kommunal- Polizeibeamte.

Ich kann im Namen der Abtheilung nur nach den stattgehabten Erörterungen, denen ich nichts hinzuzufügen habe, bei dem Antrage der Abtheilung stehen bleiben.

Präsident: Meine Herren, wir kommen zur Abstimmung. Um dem Antrage des Herrn Abgeordneten Bebel gerecht zu mer­Der Antrag der den, werde ich den Antrag der Abtheilung trennen. Abtheilung lautet:

Abg. Bebel: Meine Herren, meine Freunde und ich sind, wie Sie bereits aus dem von mir eben gestellten Antrag gehört haben, keineswegs mit dem Antrage der Kommission einverstanden. Wir ver­kennen zwar durchaus nicht, daß die Kommission in ihrem Antrage und bei der Prüfung der vorliegenden Wahl genau nach der Praxis ver­fahren ist, wie sie bisher im Reichstage üblich war, d. h. daß sie unter­sucht hat, ob die als ungültig oder als nicht rechtmäßig abgegebenen Stimmen eine so erhebliche Zahl ausmachen, daß sie die dem Gewähl­ten als Majorität zuerkannten Stimmen überragen und somit die Wahl als mindestens beanstandet erscheinen dürfte. Indessen, meine Herren, wir von unserem Standpunkte können diese Praris durchaus nicht für richtig ansehen. Wir sind der Ansicht, daß bei solchen Wahlbeeinflus sungen es absolut unmöglich ist, durch Zahlen auszudrücken, in wie weit die Wahlbeeinflussungen auf das Wahlresultat von Einfluß ge­wesen sind. Wer den Einfluß der Polizeibehörde, sowohl in den Städ­ten wie auf dem Lande, kennt, der weiß auch, wie mächtig derselbe ist, und was für eine Bedeutung es hat, wenn z. B. durch offizielle Be­hörden, sei es in der Stadt oder auf dem Lande, die Stimmzettel ausgetheilt werden, wenn, wie es hier in der vorliegenden Wahl vor­gekommen ist, auf einer Reihe oon Ortschaften der Polizeidiener des Ortes als im offiziellen Auftrage des Schultheißen   sich den ganzen Tag an das Wahllokal zu stellen hat und dort Stimmzettel ausgiebt. Ein derartiges Gebahren muß nothwendig auf die große Mehrheit der Wähler, die mit den gesetzlichen Bestimmungen leider selten vertraut sind, und die durch ihre sociale Stellung nicht die nöthige Unabhängig­teit besitzen, um einem solchen Vorgehen der Behörden offen entgegen­treten zu können, einen sehr großen Einfluß ausüben, der aber, wie gefagt, sich in Zahlen absolut nicht ausdrücken läßt. Es kommt weiter in Betracht, daß trotzdem, daß der Reichstag im Laufe seiner Eristenz bereits verschiedene Wahlen beanstandet, auch hier und da die schärfste Kritit über ungefeßliche Borkommnisse ausgesprochen hat, wir dennoch immer und immer wieder in jeder Session mit neuen Klagen und Be­schwerden behelligt werden. Ja, es scheint mir, daß immer bemerbarer werde, daß die ungesetzlichen Wahlbeeinflussungen, die bisher wesentlich im Königreich Preußen stattgehabt haben, immer mehr und mehr die preußische Grenze überschritten und jetzt sogar in ein Land gedrungen find, bas bis bato, wenigstens nach der allgemeinen Meinung, fich politischer Zustände erfreute, unter denen derartige Dinge für unmog­lich gehalten wurden. Es ist Thatsache, daß in Württemberg   bis zum Eintritt in das deutsche Neich ein Maaß der Preßfreiheit und der Ver­einsfreiheit gegolten hat, wie es in feinem anderen Lande Deutsch­ lands   der Fall war. Bebel Es ist ferner Thatsache, daß, seitdem Württem­ berg   zum deutschen   Reiche gehört, die Behörden in Württemberg   und speziell die Herren in Stuttgart   gegen Alles vorgehen, was irgendwie als Gesetzesverlegung aussieht. Auf Grund dieser Verhältnisse sind namentlich gegen meine Parteigenossen eine große Reihe von Anklagen und Verfolgungen eingetreten, die bis vor Kurzem in Württemberg  ganz unbekannt waren. Man hat Leute auf ganz oberflächliche und nichtssagende Denunziationen hin sofort verhaftet, obgleich gar kein Grund dazu vorlag. Man hat wochenlang Angeklagte wie das

z. B. dem Arbeiter Dreesbach in Stuttgart   6 bis 7 Wochen lang ge­schah in Untersuchungshaft gehalten und hat sie dann ohne Angabe weiterer Gründe aus der Haft entlassen. Derartige Vorkommnisse sind entschieden zu verurtheilen. Bei der diesmaligen Stuttgarter   Wahl sind Wahlbeeinflussungen von Seiten der Behörden im ganzen Wahl­bezirke ausgeübt worden. Es ist eine große Reihe von Thatsachen be­kannt, die das Wahlcomité hier nicht angeführt hat, weil die That­sachen ihrer Natur nach die Wirkungen der Wahlbeeinflussungen eben nicht durch Zahlen feststellen ließen. Sicher ist, daß diese Beeinflussun­gen auf das Wahlresultat von bedeutendem Einflusse gewesen sind. So ist z. B. behördlicherseits verschiedentlich der Oppofition Plakate anzuschlagen verboten worden und zwar gerade in den letzten entschei­denden Tagen vor der Wahl. Die vorgeführten Thatsachen, meine Herren, sind meines Erachtens genügend, um darzuthun, daß das Wahlresultat, wenn es auch ohne die ungesetzlichen Wahlbeeinflussungen vielleicht nicht grundverschieden von dem vorliegenden ausgefallen wäre, so daß z. B. der socialistische Kandidat oder überhaupt ein Oppositions­fandidat die Majorität bekommen hätte, sie doch so sind, daß sie sicher auf das gesammte Wahlresultat großen Einfluß ausgeübt haben.

Ich bin der Ansicht, meine Herren, der Reichstag   müßte einmal durch ein Erempel statuiren, daß er entschlossen ist, fernerhin schlechter: dings nicht mehr zu dulden, daß ungefegliche Beeinflussungen fortgesett stattfinden. Es nupt nichts, wenn man sich hier in allgemeinen Klagen über stattgehabte Uebergriffe ergeht, dabei aber nicht herzhaft die Sache anpact. Als seiner Beit das Wahlgesetz im norddeutschen Bunde   Ge­fegestraft erlangte, da wurden vielfach Bedenken ausgesprochen, dahin gehend, daß bei der Ausübung dieses Wahlgesetes es namentlich in den Kreisen der Arbeiter nicht an Terrorismus und Erzessen fehlen würde. Das Wahlgesetz ist gegenwärtig im neunten Jahre in voller Kraft. Wir haben jedes Jahr so nnd so viele Nachwahlen gehabt. Wir haben viermal allgemeine Wahlen gehabt, und mir ist wenigstens feine einzige Thatsache bekannt geworden, daß aus den Massen der Bevölkerung Terrorismus und Erzesse bei Ausübung des Wahlrechts vorgekommen wären. Dagegen, meine Herren, sind uns fortgesetzt bei Gelegenheit der Wahlprüfungen eine große Zahl von Fällen bekannt geworden, wo noch ein großer Theil Terrorismus gerade von Seiten Derjenigen ausgeübt worden ist, die nach dem Geseze verpflichtet ge= wesen wären, über dessen Aufrechterhaltung zu machen. Aus diesem Grunde habe ich mich für verpflichtet gehalten, den vorliegenden An­trag auf ungültigkeits- Erklärung zu stellen.

Präsident: Der Herr Abg. Windthorst hat das Wort. Abg. Windthorst: Dem Antrage, wie er eben gerechtfertigt worden ist, kann ich meinestheils nicht beitreten. Ich glaube nicht, daß Gründe angeführt sind, welche die Ungültigkeit der Wahl darlegten. Ich bin für den Antrag der Abtheilung und möchte mir noch eine Auskunft erbitten.

Eine wesentliche Beschwerde wird darin gefunden, daß Polizei und Gensd'armen aufgestellt worden seien und Bettel vertheilt hätten. Nun kann ich darin, daß ein Gensd'arm oder Polizeimann Zettel ver­theilt hat, an sich nichts Bedenkliches finden; es könnte der Betreffende ja der Kandidat der Polizei und Gensd'armen selbst sein. Das könnte nur dann bedenklich sein, wenn in Württemberg   officielle Kandidaturen aufgestellt würden; und ich möchte deshalb fragen, ob aus den Akten hervorgeht, daß der betreffende Abgeordnete als Kandidat der Regie­rung aufgestellt worden sei.

Präsident: Der Herr Abgeordnete Dr. Elben hat das Wort. Abg. Dr. Elben: Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Windt­horst die Antwort geben, allerdings nicht eine offizielle Antwort, aber die Antwort, die in Württemberg   Jedermann bestätigen wird, daß hier nicht eine officielle Wahl vorlag, sondern daß der gewählte Abge­ordnete der Kandidat der nationalen Partei in Württemberg   war. Er war in gar keiner Weise irgendwie officiell aufgestellt, sondern er war lediglich der Abgeordnete der großen Mehrheit, die für diese Richtung in Württemberg  , und speciell im 1. württembergischem Wahlkreise vor­handen ist.

Dem Herrn Abgeordneten Bebel möchte ich zwei Dinge erwidern, einmal: desselben Maßes von Freiheit, Preßfreiheit wie Vereinsfreiheit, dessen sich Württemberg   bis zum Eintritt in das deutsche Reich erfreut

hat, desselben Maßes erfreut es sich bis zum heutigen Tage.( Oh! Oh! von den Plätzen der social demokratischen Abgeordneten.) Wer an der Preßfreiheit in Württemberg   zweifeln möchte, den lade ich ein, die württembergischen Oppositionsblätter zu lesen. Ich glaube nicht, daß irgendwo in Deutschland   ein größeres Maß von Freiheit ist, als das, dessen sich diese Oppositionsblätter erfreuen. Zum Zweiten aber: Wenn auch alle die Wahlbezirke, von denen hier in der Eingabe die Rede ist, mit ihren Resultaten kassirt würden, so würde sich nicht das Mindeste ändern. Denn überall, in allen Wahlbezirken der Stadt, hat der gewählte Abgeordnete Hölder nicht etwa eine große Mehrheit er­halten, sondern es haben sich überall die Stimmen auf ihn und auf die beiden anderen Kandidaten so ziemlich in demselben Verhältniß vertheilt, wie auch das Gesammtresultat war. Wenn man also auch mit der Eingabe die Wahlen all dieser betreffenden Wahlbezirke kassiren wollte, fo würde das relative Verhältniß, d. h. die Ueberzahl der Stimmen Hölders über die absolute Majorität, ganz genau dasselbe bleiben, wie bei dem jezigen Gesammtresultat.

Präsident: Der Herr Abgeordnete Sonnemann hat das Wort. Abg. Sonnemann: Ich möchte nur gegenüber einer Bemerkung des letzten Redners konstatiren, daß, ehe Württemberg   in das deutsche  

Der Reichstag   wolle beschließen:

die im 1. Wahlkreise des Königreichs Württemberg erfolgte Wahl des Rechtsanwalts Hölder zwar für gültig zu erklären, dagegen den Protest des Arbeiter- Wahlcomités vom 13. Oktober d. J. dem Herrn Reichskanzler zur Kenntnißnahme, eventuell zur Remedur der darin gerügten Unregelmäßigkeiten zu über­reichen.

Ich werde zuförderst einfach fragen:

soll die Wahl des Rechtsanwalts Hölder für gültig erklärt werden?

Verneint der Reichstag die Gültigkeits- Erklärung, so folgt daraus die Ungültigkeit der Wahl bei der vorliegenden Sachlage von selbst. Würde diese ungültigkeit durch die Verneinung der Gültigkeitsfrage ausge­sprochen, so versteht es sich von selbst, daß ich den Herrn Reichskanzler nach der zweiten Hälfte des Antrages des Herrn Abgeordneten um Anberaumung einer Neuwahl ersuchen muß. Würde die Frage der Gültigkeitserklärung bejaht, würde also die Wahl für gültig erklärt, so würde ich den letzten Theil des Antrages der Abtheilung besonders zur Abstimmung bringen:

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den Protest des Arbeiter Wahlkomités vom 13. Oktober d. J. dem Herrn Reichskanzler zur Kenntnißnahme, eventuell zur Remedur der darin gerügten Unregelmäßigkeiten zu überreichen. Widerspruch gegen die Fragestellung erfolgt nicht; sie ist daher festgestellt, und wir stimmen so ab.

Ich ersuche daher zuförderft diejenigen Herren, welche die Wahl des Rechtsanwalts Hölder im 1. Wahlkreis des Königreichs Württem­berg für gültig erklären wollen, aufzustehen.( Geschieht.)

Das ist die große Mehrheit; die Wahl ist für gültig erklärt. Ich komme daher zum zweiten Theil des Antrages der Abtheilung. Ich ersuche diejenigen Herren, welche den Protest des Arbeiter­Wahlcomités vom 13. Oktober d. J. dem Herrn Reichskanzler zur Kenntnißnahme, eventuell zur Remedur der darin gerügten Unregel mäßigkeiten überreichen wollen, aufzustehen.( Geschieht.) Das ist die große Mehrheit; auch dieser Theil des Antrages, somit der ganze An­trag der Abtheilung, ist angenommen.

Damit wäre Nr. 2 der Tagesordnung erledigt.

Donnerstag, 2. Dezember, Mittags 12 Uhr. Auf der Tagesordnung steht als erster Punkt der Berathung eine Interpellation des Abg. Wiggers, welche bezweckt, die An­sicht der Reichsregierung zu hören, in wie weit dieselbe die Her­ſtellung von Wasserstraßen im Interesse der Landesvertheidigung wie des allgemeinen Verkehrs und auch der Fluß- und Wasser­3ölle, gemäß den Bestimmungen der Artikel 4, 8, 9 der Reichs­verfassung, praktisch wirksam zu machen gedente.

Abg. Wiggers macht darauf aufmerksam, wie wichtig es sei, wenn in Deutschland   das Kanalnet mehr als jetzt ausgedehnt werde, im Interesse des Handels sowohl, weil der Transport auf den Wasserstraßen bedeutend billiger sei, als auch bei einer etwaigen Landesvertheidigung. Beweis sei, daß Paris   während des Krie­ges 5 Monat durch seine Wasserstraßen verproviantirt werden fonnte.

Präsident des Reichskanzler- Amts Delbrück   erklärt, nur im Sinne der gestellten Interpellation, nicht aber auf die Ausfüh­rungen des Vorredners eingehen zu können, namentlich könne nicht auf Reichskosten das Kanatnetz Deutschlands   vervollständigt

werden.

Nach dem Vertreter des Reichskanzler- Amts nimmt, nach­dem durch Abstimmung festgestellt, daß die Sache zur Debatte gestellt werden soll, der Abg. v. Kardorf das Wort, und er= flärt sich sehr erfreut darüber, daß diefer hochwichtige Gegenstand durch den Abg. Wiggers einmal im Reichstage angeregt sei. Redner zieht bei dieser Angelegenheit die Eisenzollfrage mit in's Gebiet seiner Besprechung.

Wiggers verwahrt sich dagegen, dem Reiche den Ausbau des Kanalneges zugemuthet zu haben.

Der zweite Punkt der Tagesordnung betrifft die zweite Be­rathung des Gefeßentwurfs betreffend die Abänderung des§ 4 des Gesetzes über das Postwesen des deutschen Reiches vom 28. Oftober 1871.

Der Referent der Kommission, Abg. Berger, verwahrt die Kommission gegen verschiedene falsche Unterstellungen, welche ihr irrthümlicher Weise unterschoben seien; es handle sich nur um eine neue Begrenzung des Eisenbahn- und Post- Gesetzes.

Artikel 1 der Kommissions- Vorlage wird mit großer Majo­rität angenommen.

Zum Artikel 2 ist vom Abg. Grumbrecht der Antrag ge­ftellt, den Antrag der Kommission, wonach Briefpostsendungen, Zeitungen, Gelder und sonstige Poststücke nur bis zum Gewicht von 2 Kilogramm betragen dürfen, abzulehnen und nach der Regierungsvorlage ein Gewicht von 10 Kilogramm zuzulassen.

Abg. Nieper ist der Ansicht, daß zu Gunsten der Kleinstaa­ten die von der Kommission vorgeschlagene Beschränkung eintre­ten müsse, zumal es nicht gerade nothwendig sei, daß die Post eine so gewaltige Einnahmequelle, wie bisher, für das Reich bleiben müsse; es würde durchaus kein Unrecht sein, wenn der Ertrag der Reichspost auf die Selbstkostenverwaltung reduzirt würde. Abg. Grumbrecht spricht für seinen Antrag und wünscht, daß zu Gunsten einer einheitlichen Centralisation die Kleinstaaten ein Opfer brächten. Redner bezeigt noch seine Freude darüber, daß nach langen Jahren sein Freund Windthorst wieder einmal mit ihm übereinstimme.

Es sprechen ferner zu diesem Punkt noch die Abg. Haus­mann( Brandenburg  ) und Minnigerode. Parifius beantragt, anstatt 10 oder 2, 5 Kilogramm zu sehen.

Der Bundeskommissar bemerkt, daß für die Pflichten, welche den Eisenbahnen durch die Reichsbehörde hinsichtlich der Postbe­förderung auferlegt, die Eisenbahnen hinlänglich durch andere Bergünstigungen entschädigt seien. Parisius vertheidigt seinen Antrag.

Interessen eintrete, indem größere Sendungen, in Packete zu 10 Kilogramm zerlegt, der Post übergeben und nicht als Fracht­gut befördert würden.

=

General Postdirektor Stephan tritt dem entgegen, indem er hervorhebt, daß der Prozentsaz für die Packete der alte bleibe, und bei Berlegung größerer Packete das Bestellgeld für jedes einzelne in Betracht gezogen werden müsse.

Abg. Windthorst gerirt sich als Freund der Privat- Eisen­bahnen, will sie deshalb nicht schädigen, ist aber der Ansicht, daß bei einem geringeren Gewichtssaß die Konzessionen für die Privat­bahnen keine bessere würden, und daß man hier namentlich auf die bisherige Entwickelung des Postwesens Gewicht legen müsse. Referent Abg. Berger bemerkt noch, daß in den letzten 4 Jahren die Post einen jährlichen Netto- Ertrag von 11,000,000 Mark gehabt, und es deshalb nicht in's Gewicht falle, wenn diese Summe um 1%, Millionen verringert würde, die Ausbeutung zum Schaden der Eisenbahnen, durch Private würde durch die Regierungsvorlage zu gewaltige Dimensionen annehmen und müsse Redner deshalb an die Gerechtigkeit und Billigkeit des Reichstags um Annahme des Vorschlages von 2 Kilogramm ( Abg. Berger ist Inhaber von Aktien der bedeutendsten Eisen­bahnen) appelliren.

Die Regierungs- Vorlage wird schließlich mit großer Majori­tät angenommen.

Hierauf bricht plötzlich Feuer aus, worauf die Sigung Hals über Kopf vertagt werden muß.

Die Petititions- Kommission hatte am heutigen Morgen eine höchst interessante Berathung auf der Tagesordnung, nämlich die Petition betreffs Aufhebung des Zeugenzwanges, eingereicht vom Ausschuß des Journalistentages.

Der Referent in der Kommission, Abg. Dr. Hullmann ( I. Dldenburger Wahlkreis: Stadt Oldenburg  , Eutin   und Bir fenfeld), bezeichnete die Petition als zur Erörterung im Plenum für nicht geeignet.

Verschiedene Abgeordnete, welche, ohne Mitglieder der Peti­ tions  - Kommission zu sein, zugegen waren, stimmten mit dem An­trag des Abg. Hoffmann überein, wonach dem Reichstag   ein schriftlicher Bericht über die Petition zugehen und die Petition an die Justizkommission überwiesen wird. Der Antrag wurde mit großer Majorität angenommen.

Obige Ausführung ist für die Ansicht des Abg. Hullmann bezeichnend genug und bedarf keiner weiteren Kritik. Mögen sich die Wähler des betreffenden Herrn dies merken.

Politische Uebersicht.

Berlin  , 4. Dezember.

Gegen Graf Arnim ist das gerichtliche Verfahren wegen Landesverrath eingeleitet worden.

Die Noth unserer kleinen Beamten ist bekannttlich eine große und Hasselmann's Rede im Reichstag über die Post­Beamten- Misère hat den wunden Fleck wieder einmal empfindlich berührt.

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Das Hamburger Fremdenblatt", ärgerlich darüber, daß Hasselmann für die kleinen Beamten im Reichstag ein Wort ge­sprochen, läßt sich von einer Seite des Beamtenstandes" folgende Mittheilung machen:

Der social- demokratische Abgeordnete Hasselmann hat sich mit großer Emphase in der Freitags- Sigung des Reichstags der Subaltern- Beamten der Postverwaltung ob der geringen Besol­dung annehmen zu müssen geglaubt.( Welches Vergehen!) Wir bezweifeln, daß der prononcirte Socialist hierzu von der Beam tenwelt ein Mandat hatte. Wenigstens lehnt man in Hamburg  eine Fürspräche durch diesen Mund entschieden ab.( Hoho!) Die Anregung dieser Sache gravitirt auch nach einer andern Seite hin, als die Verbesserung der Beamtenlage herbeizuführen. Die Socialisten haben von je her die Beamten- Besoldungen cher bekämpft als gefördert( wo denn?); es ist die Bekämpfung nicht minder in agitatorischen Versammlungen als in den Organen ( Nur gegen die hohen des Social- Demokratismus erfolgt. Ministergehalte 2c.) Die plötzliche Wendung der Ansichten des Herrn Hasselmann mußte daher überraschen und hat das Ziel, worauf seine Rede hinaus wollte, vollständig verfehlt, nämlich die Subaltern- Beamten in das social- demokratische Lager hinüberzu­ziehen( sehr logisch). Der Beamtenstand, der an seiner inneren Gesundheit und Frische nichts verloren hat, bedankt sich für eine solche Gemeinschaft( wer lacht da?). Derartige Manöver werden an den Beamten völlig spurlos vorbeigehen und schaden nur gegenüber den Behörden(?). Es ist bisher noch von keiner Seite verkannt worden, daß die unteren Beamten, auf deren Ehrenhaftigkeit und Rechtlichkeit sich der Staat aufbaut und in feiner Zuverlässigkeit ein sicheres Fundament schafft, ungenügend besoldet werden, und wird jeder billig denkende Staatsbürger diesen Beamten eine höhere und sorgenfreie Existenz wünschen. ( Jawohl, blos wünschen.) Aber die Socialisten sind nicht die berufenen Vertreter der Beamten, eine Verbesserung ihrer Lage anzubahnen(!). Dazu besitzt der deutsche Beamtenstand innere Kraft und Intelligenz genug, um event. selbst auf dem geordne­ten Wege feine Rechte, resp. durch berufene Mandatare im Reichstage vertreten zu lassen. Herr Hasselmann und die Arbei­terpartei machen vergebliche Anstrengungen, wenn sie das Beam­tenthum nachdem die Arbeiter" vielfach die Fahne verlassen in die Parteibestrebungen hinüberzuziehen suchen."

Auch Berliner   Zeitungen, wie das Tageblatt", lassen sich angeblich aus Beamtenfreisen contra Hasselmann Berichtigungen schicken. So soll zum Beispiel, bem Tageblatt" nach, in Thü ringen ein Landbriefträger sich auf nahezu 1500 Mark stehen.- Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

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Die

Von den militärärztlich behandelten Kranken des preußi­schen Heeres, des 12. und 13.( sächsichschen und württembergi­schen) Armeecorps sind im Monat August 163 gestorben. meisten Opfer, nämlich 56, forderte der Typhus, aber auch die Lungenschwindsucht hat 23 Todte, die Lungenentzündung 11, die Brustfellentzündung 7, die Ruhr 14 und der Hißschlag 12 Todte gefordert. Einer ist an ,, Vergiftung" gestorben. Außer den vor­erwähnten 163 Todten kamen noch 51 Todesfälle vor, darunter 16 durch Selbstmord, eben so viele durch Krankheiten und 19 durch Verunglückungen, so daß im Ganzen 214 Todesfälle zu verzeichnen sind. Die Zahl der Selbstmorde ruft ernste Betrach= tungen hervor, ebenso die der Lungenkrankheiten, namentlich aber die der Erliegenden, da zu dieser doch die Anlage schon mitge bracht wird und der militärische Dienst dieselbe nur zur rasche­ren Entwickelung bringt.

Die Münchener   Polizei liebt es bekanntlich, nicht nur den Social Demokraten ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken зи Abg. von Benda spricht für den Antrag der Kommission, ohne indeß dadurch bisher einen nennenswerthen Erfolg er­Kilo- zielt indem behauptet worden, daß, wenn das Gewicht von 10 Kilo- zielt zu haben sondern auch solche Personen als Social- Demo­gramm eingeführt, eine erhebliche Schädigung der Eisenbahn  - kraten zu behandeln, welche in Gesellschaft wirklicher Social- De­

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