Nr. 149.

Diese Beitung erscheint

breimal wöchentlich,

unb war:

Dienstags, Donnerstags und Sonnabends Abends.

Bestellungen

werden bei allen Bostämtern, in Berlin   bei der Expedition, sowie bei jebemt Spebiteur entgegengenommen.

Freitag, den 17. Besember 1875.

Neuer

Social- Demokrat.

Organ der Socialistischen Arbeiter- Partei Deutschlands  .

68

5. Jahrgang.

Redaction n. Expedition: Berlin  , SO.,

Raiser Franz- Grenadier- Pl. 8a.

Inserate

( nur in der Expedition aufzus geben) werden pro fünfgespaltene Petit geile mit 50 Pf. berechnet. Vers sammlungs- Annoncen die fünfs gespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Sogenannte Res flame- Anzeigen werden nicht aufgenommen.

Abonnements- Preis: Für Berlin   incl. Bringerlohn vierteljährlich praenumerando 1 Am. 95 Pf., monatlich 65 Pf., einzelne Nummern 10 Pf.; bei den Bostämtern in Deutschland   incl. Berlin   1 Rm. 60 Pf., frei in's Haus 1 Rm. 95 Pf. Kreuzband- Abonnements pro Quartal und Exemplar: für Deutschland   und Defterreich 3 Nm., für Niederlande   und Belgien   3 Nm. 60 Pf., für Frankreich   4 Rm. 50 Pf., für England und Amerika   3 m. 55 Pf. Bestellungen auf Kreuzband- Abonnements sind nur bei der Expedition aufzugeben und müffen praeuumerando gezahlt werden.

-

Inhalt.

Anständiges und unanständiges Geschäft.

Deutscher   Reichstag  .

Politische Uebersicht: Die Erfolge der Socialdemokratie.

Unsere braven Kathedersocialisten.

-

-

-

-

-

Deutsche Bildung. Aus Paris  . Russisches. Altona  . Die Kreuzzeitung. Papst und Sultan. - ,, Eigenthum ist Diebstahl". Die Kaiserglocke. Junere Parteiangelegenheiten. Korrespondenzen: Eilenburg  . Berlin  . Lübeck  . Rottbus.

-

-

Harburg.

-

Minden  .

-

Anständiges und unanständiges Geschäft. Unseren Lesern ist aus der vorigen Nummer das ent­setzliche Unglück bekannt geworden, welches sich in Folge einer Explosion in Bremerhaven   ereignete. An Todten und Verwundeten hat es, wie wir jetzt erfahren, nicht weniger als 170 Opfer gekostet. Bis auf den höchsten Grad steigert sich aber nun die Erregung der öffentlichen Meinung, da bekannt geworden ist, daß nicht eine frevle Fahrlässigkeit die Schuld an der Schreckensscene ist, sondern die That eine absichtliche war. Ein gewisser Thomas, entweder ein Wahnsinniger, oder, wie die Zeitungen bisher annehmen, ein Schurke, welcher nach Zerstörung des Dampfers auf hoher See sich mittelst übermäßig versicherten Gepäcks einen verbrecherischen Gewinn verschaffen wollte, hatte eine Höllenmaschine konstruirt, welche nur zu früh explodirte. Wäre es den Absichten des Uebelthäters gemäß ergangen, so wäre das Schiff mit Hunderten von Menschenleben ver­nichtet worden.

Wir geben hier in möglichster Kürze nach der Bre­merhafener Zeitung" den Thatbestand. Der betreffende Thomas, welcher einen Selbstmordversuch beging, gewiß eine geringfügige Sühne, hat ein Geständniß abgelegt, wel­ches im Allgemeinen dahin geht, daß er die erplodirte Dy= namittiste als Passagiergut aufgegeben, noch in Bremen   in seinem Hotel in eine größere Kiste umgepackt habe. Er soll nun aber in die Mosel  " eine Menge Kisten bis zum Be­trage von 1800 Tons haben verladen und dieselben sehr hoch versichern lassen; der Inhalt dieser Kisten soll se= doch werthlos sein. Man ist jetzt unter polizeilicher Auf­sicht damit beschäftigt, diese Kisten wieder aus der Mosel  " zu heben, um ihren Inhalt dann zu untersuchen. Thomas beabsichtigte dann, nur bis Southampton   mit zu fahren, dort aber zurückzubleiben. In der Dynamitkiste soll sich ein Uhr­werk befinden, welches Thomas in Bremen   aufgezogen und deffen Gangzeit sechs Tage dauert; sowie aber dieses Uhr­werk wäre abgelaufen gewesen, so hätte die Kiste erplodiren müssen, die Mosel  " wäre dann im Nu gesprengt gewesen und Schiff und Mannschaft und Ladung von der Welt ver­schwunden: Thomas aber hätte seine ungeheure Versiche­rungsprämie für die verunglückten" werthlosen Waaren erhalten und wäre so plößlich zu einem sehr reichen Manne geworden.

-

"

Thomas soll endlich eingestanden haben, im Besitz von noch mehr Fässern zu sein, mit denen er also vermuthlich ein ähnliches Spiel getrieben haben würde, wenn ihm die­ses Spiel geglückt wäre. Behufs Besorgung und Expedi­tion dieser Dynamitfässer, welche bekanntlich für Eisenbah­nen und Dampfschiffe verbotene Transportgüter sind, hat derselbe anscheinend Helfershelfer, die eben wissen müssen womit sie umgehen, damit sie vorsichtig sind und es nicht explodirt. Diesen Helfershelfern versucht man durch den Telegraphen auf die Spur zu kommen.

Der Starke schreitet über den Schwachen hinweg; vergeblich krümmt jener sich unter dem vernichtenden Tritt und ruft die christliche Bruderliebe an, er muß untergehen und der Starke geht als Sieger aus dem Konkurrenzkampfe hervor.

An der Börse kennt man teine Moral" ist schon ein geflügeltes Wort, ausgesprochen von einem Vertheidiger der Börse in einem gefeßgebenden Körper; aber nicht nur an der Börse, sondern in der ganzen Gesellschaft sind die moralischen Scrupel verschwunden. Der Geldgewinn recht fertigt den Gewinner, und hätte jener mit dem Aermel am Zuchthaus gestreift, und wären zahllose Menschen in's Ver­derben gestürzt. Ist es da ein Wunder, wenn ein Hab­gieriger va banc spielt und zum Verbrechen greift, welches ihn der Gefahr der Schande und Strafe zwar aussetzt aber moralisch nicht verwerflicher macht, als so mancher heuch lerische Ausbeuter ist. So ist selbst das Verbrechen, welches heute Bremerhafen   mit Leichen und Verwundeten erfüllt, nur eine Frucht der rücksichtslosen Jagd nach Reichthum und des schamlosen Egoismus der Bourgeois- Gesellschaft.

Und nun Hand auf's Herz! Weil es ein Verbrechen gilt, deshalb sträubt sich das Haar des Alltagsmenschen, aber tausend erlaubte Handlungen giebt es, die in der­felben Weise die öffentliche Meinung in Feuer und Flam­men sezen müßten. Da ist der Dampfer ,, Deutschland  ", wel­cher, wie unsere Leser sich erinnern werden, mit schrecklichen Opfern an Menschenleben jetzt untergegangen ist. Wenn die Ausrüstung des Schiffes ein Tadel träfe, wenn es sich die Ausrüstung des Schiffes ein Tadel träfe, wenn es sich bestätigen sollte, daß durch den Bruch der zu schwachen Schraube der Schiffbruch erfolgte wäre alsdann nicht ein ebenso schändliches Verbrechen verübt, wie das in Frage stehende? Wie viel Eisenbahnzüge, wie viel Passagiere verunglücken, weil eine Achse aus schlechtem Eisen bricht nun wohl, sind dann die Lieferanten des schlechten Materials nicht schurkischen Raubmördern zu vergleichen? Und endlich, wie viel Taufende von Arbeitern kommen alljährlich um durch Unfälle oder Arbeiterkrankheiten; man nennt das eine statistische Nothwendigkeit, wir aber heißen es indirekten Mord!

-

-

Der gemeine Verbrecher, der Schinderhannes  , begeht ein in den Augen der Welt unanständiges Geschäft; Geldgewinn, bei dem Hunderte zu Grunde gehen, ohne daß ein Gesez verlegt wird, gilt aber als anständiges Ge­schäft. Laßt uns darum den Verbrecher verdammen, aber schäft. Laßt uns darum den Verbrecher verdammen, aber dreimal schärfer jenen heutigen Zustand verurtheilen, welcher dem viel gefährlicheren indirekten Verbrechen Thür und Thor öffnet!

Deutscher   Neichstag.

Sigung am 13. Dezember, Vorm. 11 Uhr. Es kommt zunächst zur Verhandlung die Interpellation des Abg. Rapp, folgendermaßen lautend: ,, 1. Welche Schritte gedenkt die Reichsregierung zu thun, um die Interessen der deutschen   Schifffahrt bei der Untersuchung der Strandung des norddeutschen Lloyd- Dampfers Deutschland  " zu wahren, welcher am 6. d. M. bei Kentish Knock vor der Themse­mündung auffuhr?

##

2. Wann wird dem Reichstag   ein Gefeßentwurf, betreffend die Untersuchung der Seeunfälle deutscher   Schiffe, vorgelegt werden? 3. Wie kommt es, daß derartige in einer Entfernung von etwa fiebenzehn Seemeilen von der englischen   Küste sich ereignende Unglücksfälle ausschließlich von den englischen Behörden unter­sucht werden?"

Sollten sich diese allgemeinen Gerüchte bestätigen, und wohl ist es möglich, so hätten wir es mit einem Verbrechen und einer Verbrecherbande zu thun, ärger als die ruchloseste Räuberbande. Wir aber sind keine Häscher von Tages- gebenen Signale recht wohl bemerkt habe. Es sei indessen ein Rettungs­neuigkeiten; wir wollen unsere Leser nicht mit aufregenden Ereignissen fibeln   und verachten sentimentale Heulmeierei über die Verderbtheit von Verbrechern.

Deshalb wollen wir nicht im Styl der übrigen Presse die große Trommel rühren, sondern der Ursache des Ver­brechens nachforschen; und diese Ursache ist leicht genug fest zustellen, da jeder menschliche Charakter nichts mehr und nichts weniger ist, als das Produkt der heutigen Ge­sellschaft. Fragen wir uns daher, ob in ihr, ob in den Zeitströmungen genügend Beweggründe vorhanden sind, daß die Unmenschlichkeit daraus emporsprossen kann, welche das Leben Hunderter jämmerlich endet, Geldgewinnes halber, und welche kaltblütig den teuflischen Plan schmiedet. Und fragen wir uns dann zweitens, ob eine solche Scheußlichkeit allein dasteht, oder ob sie nicht vielmehr ihre Gegenstücke in Hülle und Fülle besitzt, welche gleich schrecklich, gleich verdammenswerth sind und nur, als tägliche Ereignisse, feine Sensation verursachen.

In der That bietet nun unsere Gesellschaft ein Mo­ment bar, welches aus jeglicher ihrer Regungen hervor­leuchtet und gewissermaßen ihr ganzes Leben durchtränkt; dies ist der Egoismus der rücksichtsloseste Egoismus.

-

Der Interpellant ergeht sich zunächst in Lobpreisungen des Nord­ deutschen Lloyd   und seiner Kapitäne. Er will, daß bei Schiffbrüchen, wie der oben angeführte, die Untersuchung des Thatbestandes nicht lediglich von den englischen Gerichten geführt, sondern Vertreter der deutschen   Intereffen zugezogen werden. Auf den Unglücksfall selbst eingehend bemerkt Interpellant, daß das Schiff 30 Stunden ohne jede Hilfsleistung von der Küste geblieben sei, obwohl man dort die abge­boot in Kentisch Knock nicht vorhanden gewesen und man habe sich ohne ein solches nicht auf die See gewagt. Redner behauptet, der Bundes­rath habe sich, ohne Zustimmung des Reichstages, der Justizhoheit in solchen Fällen zu Gunsten Englands begeben. Ein Bundescommissar bestreitet dies; zwar habe man den englischen Behörden die erste Unter­suchung solcher Fälle, wie der jetzt besprochene überlassen, nicht aber deutscher   Seeoffizier an Ort und Stelle abgegangen. Englische Juſtiz­die endgiltige Erledigung der Sache und so sei denn auch schon ein hoheit bestehe nur bis zu drei Meilen von der Küste, dies sei aus­drücklich bei den diesbezüglichen Verhandlungen festgestellt worden. Abg. Mosle benußt die Strandung des Deutschland  " zur Entfesselung seiner nationalen Gefühle. Er spricht von dem nationalen Stolz der deutschen   Nation, welcher angeblich durch die Maßregeln der Regierung verletzt ist, bezweifelt die Unparteilichkeit der englischen Richter, weil sie sich von einer gewissen Voreingenommenheit gegen die deutschen   See­leute nicht frei machen könnten, da die letzteren den englischen allen­thalben vorgezogen würden.

Der Fortschrittler Dr. Zimmermann spricht sich sehr verständig und objectiv über die Sache aus. Es seien Leichen an die englische Rüfte getrieben worden und damit die Untersuchung englischerseits voll­kommen gerechtfertigt. Damit ist die Interpellation erledigt. Hierauf folgt die zweite Lesung des Muster- Schutzgesetzes.

Sigung des 14. Dezember.

Die Sigung beginnt 11% Uhr. Vor Eintritt in die Tages­ordnung ertheilt der Präsident, welcher nun Zeit gehabt hat, sich den Fall zu überlegen, dem Abg. Stumm das Wort( in der

bekannten Affaire des entfernter Versuchs eines entfernten und unblutigen Duells). Herr Stumm fagt, er habe Recht gehabt, dem Abg. Bamberger   Infonsequenz und Widerspruch mit früherer falls das Wort erhielt, bestreitet, daß Herr Stumm Recht gehabt. Haltung vorzuwerfen; und Herr Bamberger  , der natürlich eben­

Nun: Welcher Recht hat, weiß ich nicht, doch es will mich schier bedünken, daß die Herren Stumm und Bamberger   fich nicht schießen werden, nicht einmal mit Antimonkugeln.

-

Nach dieser Episode tritt das Haus in die zweite Berathung der nicht in die Justizkommission verwiesenen Paragraphen der Strafgesez- Novelle, zunächst der Nummern 4 und 5 des Artikel I., welche die strafrechtliche Verfolgung von Ausländern oder im Auslande lebenden Deutschen   behandelt( darunter der famose Duchesne- Paragraph).

Opus; ebenso der Herr Justizminister Leonhardt. Beide waren Fürst Bismarck   sprach zweimal, ziemlich erregt, für sein nicht glücklich; Letzterer hatte das Pech, daß ihm von dem Abg. Eberty, unter dem Gelächter des Hauses seine vor 19 Jahren veröffentlichten Kommentare zum Hannoverschen Strafgesetzbuch, das, was er heute vertritt, als allen Rechtsgrundsäßen zuwider­laufend, energisch bekämpft hat.

11

Der betreffende Baffus findet sich S. 68 des Kommentar über das Kriminal- Gesetzbuch für Hannover  . Von Dr. Adolph Leonhardt. Hannover   1846" und lautet: Was dagegen die mangelte es an jedem Rechtsgrunde, diese dem Strafrechte von Ausländern im Auslande verübten Verbrechen betrifft, so des inländischen Staats zu unterwerfen, selbst wenn sie gegen diesen oder seine Unterthanen gerichtet ist.*) Hier mag die Hand­lung als eine feindselige erscheinen und Rechte des verletzten Staates begründen, als eine Uebertretung des inländischen Straf­gesetzes kann sie nicht aufgefaßt werden und straft der inländische Staat dennoch, so thut er es lediglich jure belli( nach dem Kriegsrecht).

Herr Leonhardt verbesserte seine nicht beneidenswerthe Lage damals nur" Grundsäge entwickelt und sei jetzt auch noch dadurch, daß er mit der ihm eigenen Eleganz erklärte, er habe grundsätzlich seiner früheren Meinung. Es half Alles nicht: Der neue Leonhardt war vom alten Leonhardt gründlich ge= macht".

Mittlerweile war Valentin in Thätigkeit getreten: man sieht ihm an, er betrachtet sich heute als Hauptperson; und mit Recht. Wenn wir die französische   Sitte nachahmen wollen, um den ereignißvollen Tagen( journées) einen bezeichnenden Namen zu geben, so müssen wir die heutige Reichstagssitzung St. Valen tinstag nennen.

Trotz Bismarck  ( mit dem Lasfer ein kleines Gefecht hatte, durch dessen, dem Reichskanzler nicht günstigen Verlauf, der Abg. Bamberger   zu einem Vertrauens- Votum veranlaßt wird), troh Leonhardt und trotz Valentin wurden die zwei Paragraphen mit großer Mehrheit abgelehnt. Desgleichen der nun zur Debatte ftehende§ 44( Verschärfung der Strafe für versuchtes Ver= brechen).§ 55, der in der Regierungsvorlage, wie folgt, lautet: ,, Wer bei Begehung der Handlung das 12. Jahr nicht vollendet hat, kann wegen desselben nicht strafrechtlich verfolgt werden. Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der landesgesetz­lichen Vorschriften die zur Besserung und Beaufsichtigung geeigne­ten Maßregeln getroffen, insbesondere kann von den Polizei­und Vormundschaftsbehörden die Unterbringung in eine Erzie hungs- oder Besserungsanstalt verfügt werden" wird in nach­stehender Fassung angenommen: Wer bei Begehung der Hand­lung das 12. Lebensjahr nicht vollendet hat, kann wegen dersel­ben nicht strafrechtlich verfolgt werden. Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der landesgefeßlichen Vor­schriften die zur Besserung und Beaufsichtigung geeig­neten Maßregeln getroffen werden. Insbsondere kann die Unterbringung in eine Erziehungs- oder Besse=" rungsanstalt erfolgen, nachdem durch Beschluß der Vormundschaftsbehörde die Begehung der Handlung festgestellt und die Unterbringung für zulässig erklärt worden ist."( Antrag Struckmann, Bähr u. Gen.)

Zu einer längeren Debatte führt§ 68 der Vorlage: Jede Handlung der Staatsanwaltschaft oder des Richters, welche wegen der begangen That gegen den Thäter gerichtet ist, un­terbricht die Verjährung. Die Unterbrechung findet nur rück­sichtlich desjenigen statt, auf welchen die Handlung sich bezieht. Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung." Die zwei gesperrt gedruckten Worte: ,, Staatsanwalt oder" sind dem jetzt gültigen Gesetzesparagraphen eingefügt. In welchem Maße sie die Machtvollkommenheit der Staatsanwälte ausdehnen, be= greift sich auf den ersten Blick. Bei allen politischen Vergehen 3. B. kann der Staatsanwalt nach dieser Fassung die Verjäh­rung einfach unmöglich machen.

Der Paragraph wird mit großer Majorität abgelehnt. Dagegen wird angenommen§ 70, betr. Verjährung( ziemlich harmlos). Der Reichstag   tritt nun in die Debatte über drei der bösartigsten politischen" Paragraphen, 85, 110 und 111, ein, oder vielmehr nicht in die Debatte, denn Valentin ist in der Arbeit, und nach einer Vertheidigungs­rede des Herrn Leonhardt mit einigen Bemerkungen des( con­servativen) Abgeordneten Malzahn, wird Schluß angenommen und es den Socialisten, in deren Namen sich Liebknecht   zum Wort gemeldet hatte, unmöglich gemacht, ihren Standpunkt zur Geltung zu bringen. Dieser neue Valentinsstreich wird zur Folge haben, daß der seit längerer Zeit von den socialistischen Abgeord­neten vorbereitete Antrag gegen den Mißbrauch der Schlußan= träge die, bisher vorenthaltenen, Unterschriften bekommt und vor

*) Wächter Lehrb., Bd. 1, S. 61; Mittermaier zu Feuerbach§ 31 ff.; besonders Heffter  , Archiv f. Kr.- Recht v. S. 4834, Abhdlg. 23.