uns zum Beispiel gegeben wurde, nicht buchstäblich und mit Gewissenhaftigkeit folgen, wie es das Evangelium vorschreibt? Und er glaubte, daß Gott ihm die Kraft verleihen würde, das Evangelium nicht allein in seiner Person zu verwirklichen, sondern auch die Gesellschaft auf den Standpunkt des Evangeliums zu erheben und zur Wahrheit zu führen. Er wartete auf ein himmlisches Zeichen und zweifelte nicht, daß es ihm werden würde.
Man darf nicht vergessen, er war damals noch sehr jung: ein Schwärmer, mit wenigen oder gar keinen wissenschaftlichen Kenntnissen, aber mit der Logik des Fanatismus, unfähig, darüber zu entscheiden, was möglich und was unmöglich, und das direkte Eingreifen Gottes über die Naturgeseze stellend. Das Bibelwort, daß der Glaube Berge versetzen könne, nahm er im wörtlichen Sinn, und hielt die Verwirklichung nicht nur für möglich, sondern für sicher. Wenn der Glaube vorhanden war, mußte auch der Berg sich bewegen.
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Eines Abends ging er hinunter in das„ Felsenthal", um die Probe zu machen, ob Gottes Versprechen sich bewahrheiten werde. Er glaubte fest. Er hatte den ganzen Tag gefastet und gebetet, und im Dämmerlicht, nachdem die Arbeit gethan war, stieg er hinab mit dreien seiner Gefährten mir und noch zwei Anderen, wir Alle überzeugt, daß die Wahrheit des Worts sich offenbaren, und Josua Berge versehen werde mit seinem Glauben. Er betete zu Gott, daß er diese Offenbarung uns gewähren und sein Versprechen einlösen möge. Er glaubte fest, nicht der Schatten eines Zweifels kam über ihn. Als er so dastand, in dem fanften Zwielicht, die Hände über den Kopf erhoben und das Auge dem Himmel zugewandt, glänzte sein Antlig, wie einst das des Moses . Er schien begeistert, emporgetragen über sich selbst und die Menschheit. Im Namen Gottes und weil Christus es versprochen, befahl er dem Felsen, sich zu bewegen. Wir knieten neben ihm nieder, zitternd vor Erregung, weil wir uns in Gottes Gegenwart fühlten und nicht zweifelten, daß er uns sein göttliches Wort halten würde. Aber der Felsen stand still, und ein Vögelchen, das geflogen kam, setzte sich darauf.
Ein anderes Mal nahm er eine Natter in die Hand, indem er die Bibelstelle anführte:" Sie sollen Schlangen aufheben," aber das Thier biß ihn und er war einige Tage lang krank. So aß er auch eine Handvoll Tollkirschen, und wäre um ein Haar an deren Gifte gestorben. Er hatte die Natter angegriffen und die Beeren gegessen in demselben festen Glauben, der ihn getrieben hatte, dem Felsen zu befehlen, er solle sich fortbewegen. Als der Arzt gerufen wurde und Josua ihm kindlich Alles erzählt hatte, was, warum und in welchem Geiste er es gethan, schüttelte derselbe bedenklich den Kopf und sagte zu Josua's Mutter, ihr Sohn sei verrückt, er müsse besser beobachtet werden. ,, Nein, nein, mein Herr, ich bin nicht verrückt, weil ich an die Bibel glaube und entschlossen bin, ein Leben nach Christi Beispiel und Wort zu führen," sagte Josua .
Bah! dummes Zeug!" erwiderte der Doktor. Was du zu thun hast, mein Junge, ist, dein Holz glatt zu hobeln und dauerhafte Arbeit zu liefern. All' diese religiösen Narretheien haben feinen Sinn. Ich sage dir, dein Gehirn wird verdreht. Du bist jetzt schon wahnsinnig und wirst noch wahnsinniger, unheilbar toll werden, wenn du nicht bei Zeiten den Kram einstellst." " So sagte Festus zu St. Paul, er war aber nicht wahnfinnig, ebensowenig wie ich."
,, Aber was willst du thun?" sagte der Doktor mit gutmüthiger Ungeduld. Was für eine Schraube ist in deinem armen thörichten Kopf los, daß du diese Dinge nicht leicht nehmen kannst?" ,, Ich will herausfinden," antwortete Josua ,,, was wahr ist: die Bibel, die bestimmte Lebenswege vorschreibt, oder die christliche Welt, die ihr nicht gehorcht. Wenn Christus Gott war, so gibt's nur einen Weg für uns Alle. Er konnte uns kein unvollkommnes Beispiel hinterlassen, das wir nach Gutdünken verbessern, hier etwas zusetzend, dort etwas wegnehmend, wie es uns für die Gesellschaft nüßlich und passend erscheint. Entweder ist Christus Gott oder er ist Mensch; der jetzigen Welt ist er weder Gott noch Mensch; wir haben weder einen Christus, noch Christen- und ich möchte die Wahrheit wissen."
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Höre auf meinen Rath," sagte freundlich der Doktor ,,, schlage dir diese Gedanken so rasch wie möglich aus dem Kopfe. Suche dir Arbeit in einer andern Gegend, verliebe dich in ein hübsches Mädchen, heirathe sie, sobald du kannst und schaffe ihr ein anständiges Heim. Lasse für einige Zeit die Bibel Bibel sein, lies statt der Bibel erheiternde Geschichten, Reisebücher und dergleichen; iß keine giftigen Beeren mehr und nimm keine Nattern in die Hand. Das, glaube es mir! ist das geeignete Leben für Dich, und obgleich ich kein Theologe bin, getraue ich mir doch zu sagen, daß, wenn man in dem Stande, den Gott uns angewiesen hat, rechtschaffen arbeitet, fleißig in die Kirche geht, keine Wirthshäuser besucht und überhaupt so lebt, wie es ehrbaren Leuten geziemt, dies weit besser und vernünftiger ist, als all' die hochfliegenden religiösen Ideen, mit denen du dich abquälst. Verlasse dich darauf, unsere beste Religion ist unsere Pflicht zu thun und die Sorge für unser Seelenheil Denen zu überlassen, deren Amt es ist, sich darum zu bekümmern."
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,, Ich danke Ihnen, mein Herr," sagte Josua ,„ Sie meinen gut, aber Gott hat mir andere Gedanken gegeben, denen ich gehorchen muß ,. will ich nicht gegen den heiligen Geist sündigen." Später äußerte der Doktor gegen Herrn Grand, daß er von der Sanftmuth und eigenthümlichen Gemüths- und Gedankenrichtung des jungen Menschen lebhaft gerührt gewesen sei und viel darum gegeben hätte, wenn er ihn Knall und Fall zur Kur in ein Irrenhaus hätte schicken können, wo er für einige Zeit verpflegt und allmählich wieder in Ordnung gebracht worden wäre. Das Fehlschlagen der Glaubensproben hatte uns Alle graufam enttäuscht, und Josua's Schmerz ist schwer zu beschreiben. Nicht viele Menschen haben wohl größere Seelenqualen erlitten, als Josua zu dieser Zeit. Es war ihm, wie wenn die Sonne sich plötzlich verfinstert hätte, und der Zweifel, in den er plötzlich geschleudert ward, brachte ihn dem Wahnsinn viel näher, als sein einfacher Glaube gethan; aber noch rechtzeitig erhob er sich wieder zum Licht. Er konnte nicht glauben, daß Gott sein Gebet von sich gestoßen habe. Gott , der sein Herz kannte, würde, dessen war er gewiß, fein Streben mit Erfolg gekrönt haben, wenn es mit dem göttlichen Weltplan im Einklang gewesen wäre. Es war der erste Kampf zwischen Glauben und Gesetz, zwischen Offenbarung und Natur, den jeder forschende Geist durchzumachen hat, und es war ein bitterer Kampf.
Mehrere Wochen lang ließ er nichts von diesen Gedanken verlauten, die seine Brust stürmisch bewegten. Es war nicht in seiner Natur, rasch Schlüsse zu ziehen; er überlegte mit Aengstlichkeit, grübelte und ließ seine Gedanken reif werden, um mir diesen Ausdruck zu erlauben. Eines Abends, als wir nach der Arbeit zusammensaßen, sprach er sich endlich aus.
,, Freunde," sagte er, es scheint mir, und ich glaube, ihr Alle seht es auch ein, daß Gottes Wort nicht buchstäblich genommen und nicht in allen Einzelheiten gelebt werden kann. Die Naturgesetze sind über Alles erhaben und unantastbar, selbst der Glaube kann sie nicht ändern. Sollte es möglich sein," fuhr er feierlich fort,„ daß Vieles in der Bibel nur ein Gleichniß ist, daß Christus nur, wie er sagte, der Eckstein war, nicht aber das ganze Gebäude? Daß wir sein Werk wohl in seinem Geiste fortführen müssen, aber in unserer Weise, und daß es thöricht ist, seine Handlungen nachäffen zu wollen?"
Auf eine solche Rede waren wir nicht vorbereitet. Wir blickten einander verlegen an, selbst dem wenigst Scharfsinnigen unter uns war es flar, wohin solche Grundsätze führen mußten; Jeder begriff, daß unser bisheriges Steuerruder damit zerbrochen, und daß wir, ehe ein anderes Steuerruder gefunden war, hülflos auf dem Meere des Lebens umhertreiben würden. Josua sagte indeß Nichts weiter. Er wünschte uns bald darauf gute Nacht und es dauerte lange, ehe er diesen Gegenstand wieder berührte. Wir Alle fühlten, daß wir auf einem gefährlichen Wege waren. Hatten wir es uns nicht zur Aufgabe gemacht, Christus in unserm Leben zu verwirklichen? Hatte uns dabei nicht die Ueberzeugung von der buchstäblichen, der absoluten Wahrheit jedes Wortes des Evangeliums geleitet? Einer Wahrheit, die nicht wegerklärt, durch keine weltliche Weisheit oder Erfahrung umgewandelt und abgeschwächt