werden kann und die unentſtellt, nackt, vollständig, genau so, wie sie niedergelegt ist, angenommen werden muß. Eins oder das Andere. Entweder Christus oder die Gesellschaft; entweder die Bibel oder die Welt, Beides zugleich konnte es nicht sein. Aber einmal das Recht der Wahl, der Kritik zugelassen, wo war dann unser Prüfstein, unser Maßstab? Was konnten wir ins­besondere mit den Bibelsprüchen vom Glauben anfangen, nach dem die von uns angestellte Probe so traurig mißlungen? Und wenn unsere Theorie der Unfehlbarkeit nur im kleinsten Punkt falsch war, war sie dann nicht ganz hinfällig? Wenn es aber mit der absoluten Unfehlbarkeit zu Ende war, wurde dann nicht Christus zum gewöhnlichen zeitlichen Lehrer, der blos örtlich und für kurze Tage gelehrt, nicht allgemein und für alle Menschen und für alle Zeiten; und wurde Gott nicht zu einen stümper­

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haften Stückfarbeiter? Und wenn dem so ist und selbst die Offen­barung des Evangeliums nicht ewige Wahrheit besitzt, wo bleibt dann die absolute Nothwendigkeit der Annahme des Evangeliums? Wenn wir aber zu diesem Schluß kamen- und die Aussicht erschreckte uns dann mußten wir auch jeglichen Ankergrund aufgeben; das alte Schiff war zerschellt, wir mußten uns ein neues zurechtzimmern und zufrieden sein, ließ sich ein Bruchstückchen

des alten dabei verwenden.

Damals waren wir aber noch weit von solchen Schlußfolgerun­gen entfernt. Christi Leben, das Evangelium und die Verpflich­tung, des Herrn Schritten zu folgen: was er gelehrt, zu glauben; wie er gethan- waren immer noch die Hauptglaubenssätze für zu thun, Josua und das Ziel seines Strebens, und mit ihm auch des unsrigen. Fortsetzung folgt.

Georg Büchner .

( Nachstehende Skizze hat zur wesentlichen Grundlage tie von Louis Büchner verfaßte Biographie, welche sich in den Nachgelassenen Schriften von Georg Büchner , Frankfurt a/ M. bei Sauerländer 1850", findet.)

Georg Büchner , dessen Portrait wir in un erer ersten un'erer Nummer nach einer im Besitz der überlebenden Geschwister be­findlichen Zeichnung brachten, wurde am 17. Oftober 1813, am Schlachttage von Leipzig , in einem Dorfe unweit Da mstadt, wo sein Vater Arzt war, als erstes Kind der Familie gesoren. Der Vater wurde bald in eine höhere Stellung nach Darmstadt berufen, und Büchner erhielt auf dem dortigen Gymnasium seine Schulbildung. Sein frühreifer Geist ließ ihn hier berei& unter den Besten erscheinen, und als er im Herbste des Jahres 1831, in einem Alter von 18 Jahren das Gymnasium verließ, hielt er auf dem in Darmstadt üblichen Redeactus eine Rede, welche die Vertheidigung des Selbstmords Cato's von Urika*) zum Gegenstande hatte. In einer körnigen Sprache abgefaßt, ist sie ein Beweis für seine damals schon von politischem Ethusiasmus beseelte Geistesrichtung und befindet sich unter einer Reihe von Jugendarbeiten, die noch vorliegen und meist lyrischen Inhalts sind. In späterem Alter machte er niemals mehr Verse.

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Der Wunsch des Vaters und eigne Neigung best mmten ihn für das Studium der Medicin und der damit verwandten Naturwissenschaften. Als Studienort wurde, el enfalls auf den Wunsch des Vaters und als Ausnahme von der Regel, Straßburg gewählt, wohin sich Büchner im Herbst 1831 begab. Mit der französischen Sprache genau vertraut, besuchte er die in dieser Sprache vorgetragenen Vorlesungen über Chen: ie, Physik, Zoologie, Anatomie, Physiologie, materia medica 1. s.. w. Zugleich trieb er mit Vorliebe neuere Sprachstudien, namentlich Italienisch. An die Familie des Straßburger Pfarrers Jäglé, bei dem er Wohnung und Kost hatte, wurde er sehr bald durch seine Liebe zu dessen einziger Tochter Minna aufs Engste gefesselt. Theils dies, theils das rege Treiben der großen, lebendigen Stadt, verbunden mit häufigen Besuchen des Münster , theils die herzliche Aufnahme bei mehreren Straßiurger Ver­wandten, ließen ihm seinen Aufenthalt in Straßbur sehr an­genehm erscheinen, und seine Briefe aus jener Zeit 6 kunden die

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*) Cato von Utica , der jüngere Cato ( im Gege saß zu dem älteren Cato, oder Cato, dem Censor, dem unversöhnliche Feinde der Carthager, der seine Senatsreden mit dem berühmt geworden n caeterum censeo Carthaginem esse delendam übrigens bin ich der Ansicht, daß Carthago zerstört werden muß zu schließen pflegte, wurde im Jahre 95 vor der christlichen Zeitrechnung geboren, also z einer Zeit, wo der Auflösungsprozeß des römischen Reichs bereits in vllem Gange war. Ein glühender Anhänger der aristokratisch- republikani hen Staats­verfassung, ergriff er in den Bürgerkriegen zwischen Ponpejus und Cäsar die Partei des Ersteren, kämpfte mit Heldenmuth und zog, als im Jahre 47 v. Chr. der Triumph Cäsars entschieden wir, den Tod durch eigne Hand der Knechtschaft vor. Victrix causa:) iis placuit die siegende Sache gefiel den Göttern, die besiegte singt von ihm der römische Dichter.

sed victa Catoni dem Cato

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I.

heiterste Stimmung. Zugleich spiegelt sich in denselben häufig das Bild der damals in Folge der Julirevolution noch tief aufgeregten Zeit. Die damalige Stimmung Büchner's malt sich in einem Briefe aus dem Dezember 1831. Er schreibt da: .... Es sieht verzweifelt kriegerisch aus; kommt es zum Kriege, dann gibt es in Deutschland vornehmlich eine babylonische Verwirrung, und der Himmel weiß, was das Ende vom Liede sein wird. Es kann Alles gewonnen und Alles verloren werden; wenn aber die Russen über die Oder gehen, dann nehme ich den Schießprügel, und sollte ich's in Frankreich thun. Gott mag den Schafsköpfen gnädig sein; auf der Erde werden sie hoffentlich keine Gnade mehr finden....

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Sein Glück zu Hause und eine gewisse Schen vor geräusch­vollen Vergnügungen ließen Büchner nur selten Gesellschaften, Bälle und Dergleichen besuchen; dagegen machte er, den eine innige Liebe zur Natur beseelte, häufige Fußreisen in die naheliegenden Gebirge: Schwarzwald , Vogesen und weiter bis zum Jura. Unter seinen Straßburger Freunden nennen wir auth, den be­rühmten Professor der Anatomie, sowie Professor Reuß, den bekannten Orientalisten; mit ersterem machten ihn seine Studien, mit letzterem verwandtschaftliche Verhältnisse bekannt.-

Nach einem kurzen Ferienaufenthalt zu Darmstadt im Herbst 1832 kehrte Büchner nach Straßburg zurück, um seine früheren Studien mit Eifer fortzusetzen. Bei einem Besuche des Münster , dessen Bauart einen Gegenstand seiner Lieblingsstudien bildete, und den er immer bis in die höchste Spitze, die sogenannte Kuppel, zu erklimmen pflegte, wäre er, indem er sich rasch nach einem ihm entfallenen Fernglase bückte, beinahe ein Opfer seiner Unvorsichtigkeit geworden.- Daß Büchner , wie mehrfach er­zählt wurde, damals schon politisch handelnd aufgetreten und namentlich dem sog. Frankfurter Attentat( der versuchten Ueberrumpelung der Hauptwache in Frankfurt , dem Sitze des Bundestags, April 1833) nicht fremd gewesen sei, ist durchaus falsch; er erfuhr den Vorfall erst durch Mittheilungen von Hause, und spricht sich in einem Briefe vom 5. April 1833 darüber wie folgt aus:

,, Heute erhielt ich Euren Brief mit den Erzählungen aus Frankfurt . Meine Meinung ist die: Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Wir wissen, was wir von unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie be­willigen, wurde ihnen durch die Nothwendigkeit ab­gezwungen. Und selbst das Bewilligte wurde uns hingeworfen, wie eine erbettelte Gnade und ein elendes Kinderspielzeug, um dem ewigen Maulaffen Volt seine zu eng geschnürte Wickelschnur Es ist eine blecherne Flinte und ein höl­vergessen zu machen. zerner Säbel, womit nur ein Deutscher die Abgeschmacktheit be­( Weiter auf Seite 14.)