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1. Beilage zumBoritwrts" Berliner   Bolksblatt. Mr. 225. Sonnabend, den 26. September 1891. 8. Jahrg. Korrespondenzen nnd Uarteinachrichten. Die Konferenz der Sozialdcmakraten NordbayernS frat am Sonntag in Nürnberg   zusammen. Zn derselben waren 63 Delegirte erschienen, welche 33 Orte verlraten. Grillen- b erg er und Oerie l reserirten über die Agitation. Ersterer führte ans, taktische Fragen verhinderten es, die gesammte Orga- nisation für Bayern   in die Hand eines einzigen Vereins zu legen. Deshalb müßten der Nord- und der südbayerische Agitations- verein getrennt von einander arbeiten, selbstverständlich aber in größeren Fragen wie bei den Landtagswahlen ec. Hand in Hand gehen. Was die Agitation in den fränkischen und ober- pfälzischen Wahlkreisen betreffe, so habe dieselbe von Seiten einer oberen Leitung aus zu geschehen. Die sozialdemokratische Partei sei eine Kampfpartei, die zentralistisch organisirt sein müsse, so lange dieser Kamps währe. Sie müsse nach bestimmtem Plane bandeln, damit alle Kräfte Fühlung mit einander haben. Die Ägitation sei in Bayern   eine sehr schwere. In Norddeutschland sei Ae viel leichter, da dort die Bevölkerung gleichartiger nnd zum großen Theile in religiöser Beziehung vorgeschrittener sei. In Bayern  , das im Verhältniß zu seiner Größe ein schwach bevölkertes Land sei, habe man mit dem verschiedenartigsten Menschenmaterial zu rechnen. In vielen Gegenden wie z. B. in der Obcrpfalz bestehe die Bevölkerung größtentheils aus Ackerbautreibenden, Elementen, die künstlich auf einer tiefen Kulturstufe erhalten werden, aber instinktiv ihre Lage fühlen, wenn sie auch noch kein Verständniß für die sozialistischen   Prinzipien haben. Denen müsse erst das Alphabet unserer Lehre beigebracht werden und es sei deshalb die Agitation auf Grund dessen einzurichten. Die Gegner hätten allenthalben, wo wir Versammlungen arrangirten, die Säle abzutreiben gesucht, was ihnen größtentheils auch gelungen sei, und bei diesem Bestreben wären Schwarze und Liberale brüderlich Hand in Hand gegangen. Deshalb müsse man sich fragen, ob sür solche Gebiete nicht eine andere Art der Agitation als die bisherige zweckmäßiger sei, z. B. die schriftliche Agitation durch Flugblätter u. dergl. Dadurch blieben mehr agitatorische Kräfte für die festeren Kreise verfügbar. Um den Maßregelungen der Gegner aus dem Wege zu gehen, müsse man an den Hauptsitzen unabhängige Leute aus- findig zu machen suchen, welche dem Agitalionsvcrein als Mitglieder beitreten und für unsere Sache wirken, ohne ruinirt werden zu können. Wir hätten gesehen, daß aus Wahlkreisen, die nur von auswärts bearbeitet werden, meist nichts werde, dieselben müßten sich aus sich s e l b st heraus entwickeln. Es sei oft der Vorwurf erhoben worden, daß sämmtliche fränkische Wahlkreise von Nürnberg   mit Kandidaten versehen wurden; deshalb müsse dafür gesorgt werden, daß späterhin die Wahl- kreise ihre Kandidaten aus ihrer eigenen Mitte stellen. Die Kreise, wo diese Aussicht noch fehle, müßten jetzt schon mit Kan- didaten besetzt werden, welche die Kreise gründlich zu bearbeiten und Versammlungen abzuhalten hätten, in denen nicht allein die Wahlen, sondern auch aktuelle Fragen, die aus dem politischen Leben herausgegriffen werden, behandelt würden, wie das neueste Meisterstück der Gesetzgeberei. das Trunksuchtsgesetz, das Militärgerichtsverfahren, die Getreidezölle, Gewerbe- gerichte u. f. f. Mit besonderer Macht müsse man sich auf die bayerischen Landtagswahlen werfen. In der Hauptsache habe man es in Bayern   ja mit der ultramontanen Gesellschaft zu thun: von den 22»ordbayerischen Wahlkreisen käme in nur süns derLiberalismus" in Betracht. Die Agitation gegen die Ultramontanen   sei gar nicht so schwer, als man glaube; man habe den Leuten nur begreiflich zu machen, daß die Schwarzen die Religion lediglich als Deckmantel für ihre volksfeindlichen Bestrebungen benützen. Die Religion selbst könne man ganz und gar aus dem Spiele lassen. Wenn das Volk aufgeklärter sei, werde es von selbst daraus kommen, daß die Religion von den ultramontanen Agitatoren nur dazu benützt werde, die volks- feindlichen Schandthaten des Zentrums zu verdecken. Werde jedoch von den Gegnern selbst das religiöse Gebiet betreten, so müsse man dem Landvolke klar machen, daß wir nicht be- absichtigen, ihm die Religion zu nehmen, sondern nur bezwecken, dasselbe von der Bevormundung und dem Druck der Pfaffen. Herrschaft zu befreien. Redner empfiehlt, den Agitationsverein als Zenlralpunkt für die vier Kreise anzncrkennen, selbstverständlich unter Kontrolle aller Genossen. O e r t e l führte aus, die Agitation sei bis jetzt nicht ein« heitlich betrieben worden; die heutige Konserenz habe den Zweck, Wandel zu schaffen. Der Agitationsverein für Franken und die Oberpfalz   habe in den schwärzesten Gegenden, wie in der Ober- Pfalz, Versammlungen arrangirt, die kolossal besucht waren und den besten Verlauf nahmen. Ties zeigt, daß auch dort der Boden für uns günstig und nur bearbeitet zu werden braucht. Auch in Oberfranken   sei geschehen, was geschehen konnte. Von den 22 Reichstags-Wahlkreisen des nördlichen Bayerns gehöre uns aber nur einer, der Wahlkreis Nürnberg  -Altdorf  . Die 21 anderen Kreise müßten nun gründlich bearbeitet werden, damit wir bei den nächsten Wahlen einen großartigen Erfolg verzeichnen könnten. Die vorzunehmende Agitation bestehe 1. im Abhalten von Versammlungen, 2. dem Vertheilen von Broschüren, 3. der Agi- tation von Mann zu Mann. der mündlichen Agitation. Ter beste Agitator sei natürlich die Presse, welcher besondere Auf- merksamkeit gewidmet werde» müsse. Wo Versamnilungen möglich seien, müßten solche- abgehalten werden, wo dies nicht angeht. Broschüren und Flugblätter Bresche schießen, um ein späteres Nachdrängen zu ermöglichen. Um die Saalabtreibereien zu verhüten, empfahl Oertel, bei Abmachungen mit den Saalbesitzern die bereits abgefaßten und in den Druck gegebenen Mielhsverträge zu benühen, in denen im Falle der Nichteinhaltung der gegebenen Zusage eine Konventional» strafe festgesetzt ist. Man soll« aber die Wirthe, die wirthschast- lich von denAutoritäten" am Orte fabhängig sind, durch einen Boykott nicht hineinreiten. Ferner empfiehlt er, an jedem Ort einen Vertrauensmann zu bestimmen, der mit dem Agitationsvereln sich in Verbindung zu setzen hat: oder es sollen besähigte Ge- nossen dem Agitationsverein als Mitglieder beitreten, aber nicht mehr als je ein Mitglied an jedem Orte, da sonst die Polizei einen Verein konstruiren könnte und nach dem bayerischen Vereinsgesetz ja ein Jnverbindungtrcten politischer Vereine zu deren Auflösung führe. Man solle Wahlvercine gründen, welche die örtliche Agitation betreiben, selbstverständlich aber nicht mit dem Agitationsverein in Verbindung treten. Die Genosten müßten dafür sorgen, daß die Adressen von Leuten, die uns nicht unsympathisch gegenüber stehen, dein Agitationsverein übermittelt werden, um ihnen Material zusenden und sie für unsere Sache prinzipiell heranziehen zu können. Ein speziell für die schwarze Oberpfalz berechnetes Flugblatt sei bereits im Druck und solle dann en nmsso hinausgeworfen werden. Später wurden dann weitere auf die Verhältnisse zugeschnittene Flugblätter folgen. Nachdem die Dclegirten Bericht erstattet hatten, woraus zu entnehmen war, daß überall der Boden für unsere Bewegung ein guter ist, die Schwierigkeiten, welche der Agitation entgegen- stehen, aber sehr erheblich sind, und der Tagesordnungspunkt Die Presse  " sehr reiflich erörtert worden war, erklärte die Kon- ferenz einstimmig dasBayerische Wochenblatt I zum Parteiorgan für das gesammte nördliche Bayern   und ver- pflichtet sich, für weiteste Verbreitung desselben in den seitherigen Leserbezirken, sowie für immer weitere Ausdehnung dieser Kreise ununterbrochen thätig zu sein, soweit nicht dieFränkische Tages- post"(Fürther Bürgerzeitung") in den betreffenden Bezirken verbreitet ist oder deren Verbreitung aus taktischen Gründen wünschenswcrther erscheint, als die eines wöchentlich ecscheinenden Blattes. Die Vertrauensleute der Partei sollen mit allen Kräften dahin zu wirken suchen, daß nicht nur in den Arbeiter- kreisen ihrer Wohnorte für das Abonnement eines der beiden Blätter systematisch gewirkt wird, sondern ins- besondere solche in den öffentlichen Lokalen, in Städten und auf dem Lande, in denen Genossen verkehren, aufgelegt werden. Die Konserenz beschloß serner, daß im nächsten Jahre, im Laufe des Septembers, wieder eine Konferenz der Sozialdemokraten ?tordbayerns stattzufinden hat. Die Einberufung dieser Konferenz ist dem Agitationsverein, der auch die Tagesordnung festzustellen hat, übertragen. Weiler wurden einige Parteigenossen beauftragt, sich mit dem südbayerischen und dem pfälzischen Agitationskomilee ins Einver- nehmen zu setzen, um im Laufe des nächsten Frühjahrs einen all- gemeinen bayerischen   Parteitag einzuberufen, der sich hauptsäch- lich mit den nächsten Landtagswahlen zu beschäftigen haben wird. Wegen Beleidigung eines Kürassier-Sergeanten soll der Redakteur Ewald von derBrandenburger Zeitung" 20 M. Strafe und die Kosten bezahlen, wird jedoch Revision anmelden. Der Soldat hatte als Führer einer Patrouille sich eines Haus- sriedcnsbruchs schuldig gemacht, was das Gericht auch zugab. DaS Gratisbrot, welches bisher den Güsten   der meisten Restaurants in beliebiger Menge zu den Speisen geliefert worden ist, fängt an, den Gastwirthen Kopfschmerzen zu machen. Der Verbrauch desselben hat in der letzten Zeit bedenklich zugenommen. Die Ursache ist natürlich in der Steigung der Preise für Lebens- mittel und in der damit Hand in Hand gehenden Schmälerung des Geldbeutels der Konsumenten zu suchen. Falls der Gastwirth die Preise für die Speisen nicht gleichfalls erhöhen will, was ihm übrigens die Konkurrenz kaum gestattet, sieht er sich genöthigt, die Portionen kleiner zu machen. Die Folge davon ist, daß der Gast, dem sein Geldbeutel gerade in Zeiten der Roth   eher eine halbe als eine doppelte Portion rathsam erscheinen läßt, dem Brote fleißiger zuspricht, und da dieses auch noch von Tag zu Tag kleiner wird, so muß er ihm doppelt fleißig zusprechen. Die Berliner   Gastwirths-Jnnung hat sich bereits mit dieser Frage beschäftigt, und es ist der Vorschlag gemacht worden, das Zubrot in Zukunft besonders zu berechnen. Sollte dieser Vorschlag angenommen und die Maßregel all- gemein eingeführt werden, so dürften zwei Klassen von Gästen davon nicht betroffen werden: die ganz reichen und die ganz armen. In denfeinen" Restaurants wird so wenig Brot zu den Speisen gegessen, daß es gegenüber dem Preise des Diners oder Soupers gar nicht in Betracht kommt, und es wird wahr- scheinlich selbst in den theuersten Zeiten nie einem Wirth ein- fallen, das Brot hier besonders berechnen zu wollen. In den gewöhnlichen" Restaurants, denBudiken", ist niemals Gratis- brot geliefert worden. In diesen Restaurants wird jedem Gast sein wohlabgemeffencs Stück Schwarzbrot hingelegt, und wer mehr haben will, hat die Stulle mit 5 Pf. zu bezahlen. Tie Gäste, welche in denBudiken" verkehren, haben selbst in guten" Zeiten stets einen so hungrigen Magen, daß der Wirth bei Lieferung von Gratisbrot bald auf den Hund kommen würde. Die Mitberechnung des Gratisbrotcs dürste sich am meisten für den Proletarier im besseren Rock fühlbar machen, dem sein Stand" nicht erlaubt, in eineBudike" zu gehen, und der bisher in densoliden, bürgerlichen" Restaurants das magere Menu durch reichlichen Genuß von Zubrot aufzubessern gesucht hat. Vielleicht wird von jetzt an mancher von diesen Gästen in dieBudike" hinabsteigen, wo es weder Tischtuch, noch Serviette, noch Speisenkarte aiebt; denn wenn er das Zubrot schon bc- zahlen muß, dann kann er es da so gut wie dort bezahlen. Die zunehmende Theuerung und der wachsende Nothstand drückt die Lebenshaltung des Einzelnen immer mehr. herab. Der sogenannte Mittelstand" wird bald ein Lied davon zu singen wissen. Natürlich haben die Gäste derBudiken" nicht die geringste Veranlassung, darüber zu frohlocken, daß sie von dieser Brotfrage unberührt bleiben. Sie haben die allgemeine Theuerung schon viel früher merken müssen; denn die Speiseportwnen und das ubrot, das sie bezahlen mußten, sind längst kleiner geworden. erade sie mußten den Ausfall durch vermehrte Ausgaben decken, den der Besucher desbürgerlichen" Restaurants bisher noch durch ein größeres Quantum von Gratisbrot ausgleichen konnte. Schreiberelend. Während die Organisation den Fach- arbeitern gegen maßlose Ausbeutung Schutz gewährt, sind die papiernen Tagelöhner, weil sie nicht zusammenhalten, gezwungen, zu jedem Preis, den der Arbeitgeber dillirt, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Nicht nur der Mangel jeglichen Widerstandes durch eine feste Organisation, sondern auch der erschreckliche Ueberschuß an Arbeitskräften macht es den Unternehmern leicht, ihre An- gestellten auf das schamloseste auszunutzen. Das System der Lehrlingszüchterei ist bei keiner Kategorie von Arbeitern so aus- gebildet und dabei so rentabel, wie bei den Schreibern. In vielen Bureaus und Komtoirs sind gegen eine monatliche Ver- aütung, die sich höchstens auf 30 M. beläuft, ausschließlich Lehr­linge oder sogenanntejüngere Schreiber" beschäftigt, welche nach kurzer Zeit schon dieselbe Arbeit leisten wie aus- gelernte Schreiber und dazu noch erstaunlichbillig" sind. Was aus ihnen wird, wenn ihre Lehrzeit beendigt und sie höhere Gehaltsansprüche zu machen berechtigt sind, darnach fragt kein Mensch. Wenn sie sich nicht mit einem armseligen Lohn von 6070 M. begnügen wollen, finden sie überhaupt keine Stellung. Manche Gerichtsvollzieher und Rechtsanwälte zahlen noch weniger. Dabei dauert die Bureauzeit gewöhnlich 12 bis 11 Stunden mit kurzer Unterbrechung in der Mittagszeit und er- fordert das Jnstandhalten der Garderobe viel Geld, so daß zum Leben nicht viel übrig bleibt. Ten Gipfel der Ausbeutung aber erklimmen die Löhne der Adressenschreiber. 1000 Adressen wer- den jetzt mit 22,50 M. bezahlt, während man vor sechs Jahren 45 M. erhielt. Bedenkt man, daß eine geübte Hand in einer Stunde kauin 70 herstellen kann, so ivird man den obigen Akkord einen wirklichen Hungerlohn nennen müssen. Wann endlich werden die Lohnarbeiter mit der Feder an- gesichts dieser traurigen Zustände ihre Gleichgiltigkeit fahren lassen und einmüthig gegen ihre grenzenlose Ausbeutung Front machen. Moderne Raubritter. Spektakelstück in 2 Akten. Ort der Handlung Basel  . Die Mitwirkenden bleiben vorsichtig hinter den Kulissen ans Zartgefühl. Die Angefallenen auch aber aus Schamgefühl. Den Beifall besorgen die Kapitalistenorgane aller Länder und Schattirungen. Wenn Herr Wildenbruch aus diesem Vorwurf ein Spektakel-Drama reimen will, wir stellen ihm die Daten zur Verfügung. Weitere Details kann er aus unserem Redaktionsarchiv auch noch beziehen, wenn ihm das Nachfolgende nicht genügen sollte. In Basel   eristiren zwei Banken. Die Baseler Checkbank und die Allgemeine Kreditbank. Diese hat ihren eigenen Pionier, das WinkelblattKapitalist", das in der ganzen Schweiz  , auch aus die Dörfer, verschickt wird. Der Pionier mußte Wochen lang die Lage der Checkbank grau in grau schildern. Der Köder muß sehr wirksam gewesen sein, denn die Leute bissen darauf an und verkauften Checkbank- Aktien in enormen Summen auf Zeit(die vollendetste Form des modernen Welt- Handels- Systems nennt man bei uns diese Institution). Als nun genug Gimpel auf die Leimruthe gegangen waren, d. h. als einige Tausend Aktien mehr verkaust waren, als in Wirklichkeit existiren, wurde die Schlinge zugemacht. DerKapitalist" mußte jetzt die Lage der Checkbank grüu in grün, den Farben der Hoffnung, malen. Die wirklichen Aktien befanden sich in festen Händen, nämlich denen der Allge- meinen Kreditbank und ihrer Mannen, der Raubritter. Das Kesseltreiben konnte beginnen. Im Handumdrehen steigerte man den Kurs der Checkbank-Aktien um mehr als 1000 Frks. Die auf Zeit verkauft hatten, konnten natürlich keine Wanre an- schaffen. Die Raubritter bestanden auf Lieferung, die Aktien stiegen also weiter und weiter, bis sie die schwindelnde Höhe von 1500 Frks. pro Stück erreicht hatten. Wahr- scheinlich hätten jetzt die Ritter den Bogen noch straffer gespannt, wenn nicht der Verwaltung der Checkbank selber das Gewissen geschlagen hätte. Sie fühlte sich jetzt zu erklären ver- anlaßt, daß ihre eigenen Aktien nur ca. 600 Franks werth seien. Gleich dem Suppen-Kaspar wollte sie von der Suppe nicht weiter essen, und nach berühmtem Varziner Muster spuckte sie den Rittern in die Suppe. Freilich, etwas spät! Etwas sehr spät sogar! Denn die Raubritter waren schon gesättigt. Wie Shylock  auf seinem Schein, bestanden sie auf ihrem Schlußschein. Sie forderten von den Ausgeplünderten Lieferung der Stücke a tout prix. Da geschah etwas Unerwartetes, Unerhörtes, das sogar den weisen Rabbi   den Akiba dementirte. Der Basler   Börsen- Vorstand glaubte die Würde und das Ansehen des Basler   Jobber- tempels bedroht und dekretirte, was folgt: Zur Vermeidung des öffentlichen Skandals und um die Börse(ach, die reine!) aus der Schußlinie des Spektakels zu bringen, sind die Basler   Check-Bank-Aktien von der Börse zu entfernen. Sie sind verbannt." Punktum!!! In der Praxis hatte die Bannbulle natürlich nichts mehr zu bedeuten, denn, ob mit oder ohne Notiz an der Börse, die Ver- käuscr müssen die Aktien liefern; und wenn sie sie nicht von der Börse mehr beziehen können, dann müssen sie sie eben von den Entrepreneuren des Schwindels, den Raubrittern selber, kaufen, die ihnen nunmehr den Preis hierfür ohne Mitwirkung der Börse vorschreiben. Thätsächlich soll die Mehrzahl der Leidtragenden denn auch bereits zu den höchsten Tageskursen die schuldigen Stücke von der Allgemeinen Kreditbank im Wege des Kompromisses an- gekauft haben. Die Säumigen werden hingehen und das Gleiche thun. Dann werden die Aktien wieder auf 600, vielleicht auch 300 Franks fallen, die Bannbulle wird aufgehoben werden, der Börsenvorstand hat den Schein der Tugend gerettet, er hat An- fpruch auf die römische Tugendrose, und der Vorhang kann fallen. Das Stück ist aus------------ Aber wir sagten schon. Es hat zwei Akte. Der zweite spielt auch bei uns. Dieses schamlose Ausplündern von ahnungs- losen Kapitalisten durch Vorspiegelung falscher Thatsachcn, sollte man meinen, würde bei uns einen Sturm der Entrüstung hervor- rufen. Zum Mindesten hatten wir geglaubt, würden die wasch- echten Antisemitenblätter vom Schlage desReichsboten" und derVossischen Zeitung" sich bekreuzigen und ausrufen:Herr Gott, wir danken Dir, daß wir nicht so sind, wie die in der Schweiz  ." Aber nichts von dem ist uns zu Gesicht gekommen. Und die Unabhängigen? Wo sind sie, die aus ihre reine Börsen- moral, auf ihre absolute Unabhängigkeit pochen, dieKölnische". dasTageblatt" et tutti quanti? Sie schweigen, weil sie in dem Checkbank- Korner einen ganz legalen Handel erblicken, oder weil sie die Skandalosa aus Rücksicht auf das Hans Burgstraße 23 nicht weiterverbreiten wollen. Und endlich der Unabhängigen Unabhängigster, dieFrankfurter Zeitung  ". Sie entblödet sich nicht zu schreiben: Hiernach hat sich also in Basel  , nachdem durch Beschluß des Börsenvorstandes die Checkbank-Aktien aus der Börse entfernt worden sind, ein Markt außerhalb der Börse gebildet; Verkäufer und Käufer treten auf, und Abschlüsse werden gemacht, ohne daß für Nachfrage und Angebot, wie für Bemessung des Preises die öffentliche Kontrolle besteht, welche der Verkehr innerhalb der Börse bietet. Damit bestätigt sich von Neuem, daß es zu weit- gehend und nicht zu billigen ist, wenn in Basel   dem Börsen- vorstände das Recht zusteht, ein dort offiziell nottrtes Papier lediglich wegen eines Korners aus dem Koursblatte zu streichen." Das heißt eine Verurtheilung des immerhin ehrbar ge- dachten Vorgehens des Baseler Börsenvorstandes in optima forma. Wahrlich,«in eklatantes Beispiel für die Kapitalistennatur unserer gesammte» Bourgeoisblätter. Schabt nur an ihnen und ihre wahre Kapitalistennatur kommt stets zum Vorschein. Daß sich die Angestellten der Zigarrenhändler gegen die Beschneidung der Sonntagsruhe zu wehren suchen, scheint die Chefs arg zu verschnupsen. DieDeutsche Tabak-Zeitung" pole- misirt gegen die Veröffentlichung der Firmen, welche die be- treffende Petition zur Unterschrist auslegen, mit der Begründung, daß durch den strengen Sonntagsschluß Hunderte von Gehilfen brotlos werden würden." Das soll nur die Thatsachen ver- schleiern. Der Geschäftsverkehr, der sich jetzt bis zu siebzehn Stunden den Sonntag über Hinzieht, wird auf fünf Stunden beschränkt; das Bedürsniß der Konsumenten bleibt unberührt nnd wird dann Sonnabends oder am Sonntag Vormittag befriedigt werden, wo ja dann der zu starke Geschäftsverkehr dieselben Konsequenzen haben müßte, die dieDeutsche Tabak-Zeitung" für den Sonntag Nachmittag deduzirt, nämlich einen Mehrbedarf von Hunderten von Gehilfen. Wenn übrigens den Zigarren- Händlern die stellenlosen Gehilfen so sehr am Herzen liegen, so ist es ihnen ja unbenommen, für jeden Gehilfen, der jetzt siebzehn Stunden arbeitet, zwei Gehilfe» mit der Hälfte der Arbeitszeit schichtweise zu beschäftigen. Das würde besser wirken, als frag- liche Petition. Im klebrigen verweisen wir nochmals auf den Sprechsaal. Ein schwerer NugliickSfall hat sich gestern Morgen in der achten Stunde auf dem Neubau Brunneustr. 17 ereignet. An der soeben erst fertiggestellten steinernen Treppe klopfte im vierten Stockwerk ein Maurerlehrling herum, als dieselbe, da die Ver- bände noch nicht genügend erhärtet waren, infolge der Er- schütterung in sich zusammenstürzte und die Trümmer den Burschen bis ins unterste Stockwerk mit sich hinabrissen. Stark blutend und anscheinend schwer verletzt wurde der Verunglückte vermittelst Droschle nach der Charitee überführt.