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Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

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Erscheint wöchentlich. Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.

In Heften à 30 Pfennig.

[ 1876

Die wahre Geschichte des Josua Davidsohn.

6. Kapitel.

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( Fortseßung.)

Mary Prinsep war, was die Welt ,, verloren" nennt ein schlechtes Mädchen" eine Ausgestoßene, sie hätte aber eine Heilige sein können mit der ihr angeborenen Güte. Ich habe Grund, von ihr Gutes zu sagen, denn ihr danken wir Josua's Leben. Bald nachdem wir sie kennen gelernt, wurde Josua in der elenden Kammer, die wir bewohnten, frank. Weder er nocy ich wünschten, daß er ins Hospital gehe. Wir Beide hatten eine große Abneigung dagegen, die Barmherzigkeit der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen, und so sagte ich ihm, er solle nicht ins Hospital gehen, ich würde doppelt angestrengt für uns Beide arbeiten. Aber meine vermehrte Arbeit- ich arbeitete Ueber­ stunden zwang mich, ihn täglich zwölf Stunden und mehr allein zu lassen, und Mary Prinsep, deren Freundin" sich grade von ihr getrennt hatte, um in ein Kleidergeschäft im Westend einzutreten, tam herüber und pflegte ihn und rettete sein Leben. Sie machte das Feuer an, kochte ihm Suppen und andere Speisen, gab ihm die Arznei, wusch seine Kleider und pflegte ihn in jeder Weise. Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, fand ich sie da, und Alles war so hübsch hergerichtet, wie nur ein Weib es vermag: Josua's Bett gemacht und für die Nacht in Ordnung, mein Abendbrot bereit und warmes Wasser, damit ich mich reinigen könnte wir hatten nämlich zusammen nur eine Stube- und dann konnte ich keinen tugendhaften Abscheu vor ihr empfin­den, sie war unsere Schwester unsere Schwester in Kummer, Armuth und Elend.

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Mit Freuden würde Josua sie ihrem Leben entzogen und in eine reinere Atmosphäre gebracht haben. Er war aber selbst so arm und gab von einem Wenigen so viel weg, daß er mit dem Rest sich nur aufs Knappste durchschlagen konnte, und was das Heirathen anbelangt, so war das ganz außer Frage. Unter diesen Umständen vermochte er ihr weder eine unabhängige Stellung, noch ein Heim zu verschaffen, das die Welt nicht mißdeutet hätte. Indeß thaten wir, was wir konnten. Ich sage absichtlich wir, weil dies Denjenigen unser Verhältniß klar machen wird, die

unverdorben genug sind, es nicht absichtlich falsch aufzufassen. Wir halfen ihr und sie half uns, wie und wo wir konnten. Wir arbeiteten für ihren Unterhalt, und sie verrichtete unsere häus­lichen Arbeiten. So enthoben wir sie der Nothwendigkeit, ihr trauriges Gewerbe fortzusetzen. Es gab dies aber die Veran­lassung zu allerlei Gerede; man zieh uns des Umgangs mit schlechten Frauenzimmern, man sagte uns sogar nach, wir lebten theil­weise von Mary's Prostitution, und selbst unsere Arbeitsgenossen sahen uns über die Achsel an. Josua war jedoch fest entschlossen, zu thun, was er für Recht hielt; und was die Leute von ihm sagten, welche die Thatsachen und Beweggründe nicht kannten, das machte so wenig Eindruck auf ihn, wie Hunde, die einen Schatten anbellen. Die Sache war ihm Alles, der Schein gleich­gültig; was die Leute urtheilten, beirrte ihn nicht. Mary Prinsep war ihm nur eine Gelegenheit, seine Grundsätze zu bethätigen.

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Eines Tages wurde er in meiner Gesellschaft auf der Straße sehr derb mit seiner Person" aufgezogen; er antwortete den Spöttern mit Ruhe: Kameraden! Ihr nennt euch Christen wohlan! sagt, nahm Christus die Maria Magdalena und alle Sünder zu sich oder that er es nicht? Wenn er es that, und bin ich dann zu daß er es that, werdet ihr nicht leugnen gut, ihnen zu helfen?" Man verspottete ihn noch ärger,, rempelte" ihn, bewarf ihn mit Schmuz. Das brachte ihn aber nicht aus dem Gleichmuth; indem er den Schmutz von seinem Rock ab­wischte, sagte er zu mir: Du fürchtest dich doch nicht, John? Du wirst doch fortfahren, den rechten Weg zu gehen, was auch kommen möge?" Nicht ein Wort auch nur der Ungeduld gegen Diejenigen, die uns mißhandelten, uns Heuchler, Scheinheilige, Lumpen und Schlimmeres nannten, kam über seine Lippen. Ich beruhigte ihn. Nein, ich fürchtete mich nicht; ich würde Schulter an Schulter mit ihm Allem die Stirn bieten; wohin er mich führte, würde ich folgen, und wenn wir bis zum Hals in den Sumpf der Verleumdung einfänken. Und davon waren wir wahrhaftig nicht weit entfernt.

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