ab. Gut! Aber man ließ sie nicht Jahre lang hin­schmachten und hinsterben." Später jedoch, als ihm der Tod näher gerückt war, schien er sich bereits von allen irdischen Banden losgerissen zu haben, und mit gehobner Sprache, deren Worte die erhabensten Stellen der Bibel ins Gedächtniß riefen, ergoß sich seine Seele in religiöse Phantasien.

,, Auf die erste Nachricht von seiner Krankheit eilte seine Ver­lobte an das Krankenbett ihres Bräutigams. Die Nähe der Geliebten leuchtete freundlich in seine Träume hinein, und seine sichtbar freudige Bewegung weckte einen letzten Schimmer der Hoffnung bei denen, die ihm nahe standen. Aber es war nur ein kurzes Aufflackern des verglimmenden Lebens! Von Lands­

67

leuten und Freunden umgeben, starb er am 19. Februar, Nach­mittags gegen 4 Uhr, und seine treue Braut schloß ihm das gebrochene Auge. Sein Verscheiden war schmerzlos und sanft, denn der Segen der Liebe ruhte auf ihm!"

Es bricht die müde Brust in Staub! Und mit ihr wieder eine Freiheitsstüße; Aufs stille Herz fällt die gelähmte Hand, Daß sie im Tod noch vor der Welt es schüße! Und die so reich vor seinem Geiste stand, Er darf die Zukunft nicht zur Blüthe treiben Und seine Träume müssen Träume bleiben; Ein unvollendet Lied sinkt er ins Grab, Der Verse schönsten nimmt er mit hinab.

Im Elend.

Lose Blätter aus einem großen Bilderbuche".

,, Mein Weib! mein Kind!"- brach es noch in herzzer reißendem Ton aus seiner Brust hervor und mechanisch streckte er die Arme aus. Aber schon sank das Haupt entkräftet zurück, und auf dem bleichen Antlitz, in welches die nagende Sorge ihre Furchen gezogen, lag der Hauch des Todes.....

Das geschah in einer jener elenden Kellerwohnungen, worinnen in den Vorstädten Berlins so Manche ein ärmliches Dasein fristen müssen. Der Schmutz, den die Füße der Vorübergehenden empor­spritten, haftete an den leicht verhangenen Fenstern, durch welche nur selten ein freundlicher Sonnenstrahl in das traurige Dunkel des Zimmers hereinlachte. Kärgliche Möbel standen umher; hier einige schlichte Holzstühle,-va ein alter, morscher Tisch, worauf sich thönernes, braunes Kochgeschirr befand.

-

-

Auf dem seltsamen, von Lumpen überdeckten Ding dort, welches sich Sopha nennen möchte, liegt ein etwa einjähriges Kind, weinend die kleinen Händchen in die Höhe streckend und nach der Brust der Mutter verlangend. Die Mutter aber -da kniet sie an dem harten Lager, auf welchem eben der Tod ihrem Gatten die Augen zugedrückt. Ihre Hand hält krampf­haft die des Verblichenen umschlossen, und in wildem Schmerz preßt das arme Weib ihre Stirn gegen den Rand des Kranken­lagers. Keine wohlthuende Thräne bricht aus ihren glanzlosen Augen, diese Augen haben schon so viel geweint, daß sie kaum noch weinen können.... Furchtbare Gedanken durchziehen jetzt ihre Seele. Nicht blos der Schmerz um den verlorenen, geliebten Gatten ist's, der qualvoll in der innersten Tiefe des Herzens brennt und siedet, diese Gedanken, welch heiße Glut jagen sie durch ihre Schläfe, und wie zehren sie an Mark und Bein!... Er hatte nun Alles überstanden, der gequälte Mann, den seit Wochen eine schwere Krankheit auf das Lager geworfen; aber das kleine, unglückliche Geschöpf dort, was wird nun aus diesem werden, und sie selbst, wie soll sie sich nun durch das Dasein Kämpfen?

-

Die Menschen,

-

-

-

-

-

er wird

ach ja, sie weiß wohl, was man von ihnen zu erwarten hat; allein, verlassen weilt sie nun unter ihnen, und der kleine Wurm da das ahnt sie schon jetzt, ihr viel, viel Kummer bereiten. Das Kind weint noch immer; draußen scheint keine Sonne mehr, dunkel, ganz dunkel ist es in der kleinen, kalten Stube geworden. Jetzt beugt sich die Arme über den Todten und birgt das Haupt an seiner Brust. Und rinnt da nicht etwas aus ihrem Auge,- sind das nicht Thränen?

-

Ja, sie quellen und strömen, die milden, besänftigenden,

o du Unglückliche, es wäre noch das Beste, wenn du immer so weinen könntest!

Die Leiche des Gatten ist kaum zur Thür hinausgetragen worden, da tritt auch schon ein Mann mit finsterem, strengem Gesicht herein....

-

Das arme Weib schaudert zusammen: sie weiß, was Der will! Er war also nicht wieder gesund geworden, der kranke

-

|

Von Max Vogler.

, Denn ein Recht zum Leben, Lump, Haben nur, die etwas haben." H. Heine .

Mann; es war keine Aussicht vorhanden, daß er durch seine Arbeit das Geld zusammenbringen würde, um den noch schuldigen Miethzins zu bezahlen.

Hier, schreiben Sie auf!" spricht der Grausame zu einem Andern mit blanken Knöpfen und schimmernder Kopfbedeckung, der hinter ihm über die Schwelle getreten. Schreiben Sie auf! Ich muß meine Gläubiger auch befriedigen!"

Und er würdigt dich kaum eines Blickes, er läßt dir alles nehmen, was noch deine letzte Habe ist, unglückliches Weib.... Nun magst du dein in Lumpen gehülltes Kind nehmen und das Haus verlassen, und den lieben Gott" um Hülfe bitten. Der hilft ja gar so gut....

*

*

*

Wenige Tage vor Weihnachten ist's. Die grünen Tannen­bäume duften in den Straßen der Residenz, die glänzend erhellten Schaufenster der Verkaufsläden stroßzen von Kostbarkeiten; dann und wann rauscht eine Equipage heran, und heraus schlüpft eine elegant und warm gekleidete Gestalt nach der andern, um in dem Lichtermeer zu verschwinden, welches da drinnen in den weiten Räumen strahlt. Und auf den Trottoiren ist ein Rennen und Jagen, in welchem man für seinen Kopf besorgt sein muß: Alles rüstet, um das ,, Fest der Liebe" würdig zu begehen.

Da biegt dort eine dunkle Gestalt in eine etwas weniger belebte Seitenstraße ab. Ein äußerst dürftig gekleidetes Weib ist's, und wenn man ihr näher kommt, bemerkt man, daß sie ein noch ganz kleines Kind im Arme trägt. Niemand achtet ihrer in der großen Stadt.

Jetzt ist sie am Ende der Straße angekommen; nach allen Richtungen sieht sie hier die Wege auseinander laufen. Welchen soll sie einschlagen?

Sie muß wohl Jemanden darum fragen.... Hier steht ein Mann mit blanken Knöpfen und

Nein, an diesen wendet sie sich nicht; denn just so einer war's ja, der Alles aufgeschrieben".... Wo die Bartelstraße sei,

Anderen.

-

richtet sie ihre Frage an einen

immer die Straße links

-

lautet die in ziem=

Da müsse sie noch weit gehen entlang und sich dann wieder erkundigen, lich mürrischem Tone gegebene Antwort. Und sie keucht weiter, das zitternde Kind in dem zerlumpten Tuche dichter an sich ziehend. Lange ist sie wieder zwischen den einförmigen Häuserreihen hingeschritten.

Nun fragt sie wieder. Mißtrauische Blicke gleiten auf die ärmliche Gestalt und auf das blasse Kind, welches sie im Arme trägt.

,, Da müssen Sie immer diese Straße entlang gehen, und wenn Sie am Ende derselben angekommen sind, wieder fragen," - so berichtet sie der, an den sie sich jetzt gewendet, in gleicher Weise fast wie der Vorige....