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flüssige Nahrung, schon daraus hervor, daß er sie fortwährend,| ohne Unterbrechung, so lange er lebt, zu sich nehmen muß, während er die festen und flüssigen Nahrungsstoffe nur in gewissen Zeiträumen neu zu sich zu nehmen braucht. Während ferner der Mensch sehr leicht zu viel flüssige und feste Nahrung verzehren und dadurch Störungen in seinem Wohlbefinden herbei-, führen kann, kann er nie zu viel Luftnahrung verzehren. Selbst der reichlichste Genuß derselben führt keine Beschwerden herbei. Der Mensch wird dann nur vielleicht etwas weniger Fett ansetzen, aber an seinem Wohlbefinden keinen Schaden erleiden. Die alten Inder hatten dies schon lange vor unserer Zeitrechnung erkannt. Kalidasa drückt es kurz und bestimmt in seinem Gedicht ,, Safuntala" mit den Worten aus:
Wer mager wird durch Ausscheidung der Säfte, Der wird dadurch auch leicht und arbeitstüchtig." Aber damit noch nicht genug. Wie man regelmäßig feste und flüssige Nahrung zu sich nehmen und doch allmählich an Verhungerung sterben kann, wenn man nämlich eine zu kleine Menge Nahrung zu sich nimmt, oder die Nahrungsmittel derart sind, daß sie nicht genug Nahrungsstoff enthalten, so kann man auch fortwährend athmen und doch an Luftverhungerung sterben, wenn die eingeathmete Luft nicht die richtige Beschaffenheit hat. Und es sterben sehr viele Menschen an Luftverhungerung, mehr als du, lieber Leser, glaubst. Viele Krankheiten haben darin ihre einzige oder hauptsächliche Ursache. ( Schluß folgt.)
Aus der alten und der neuen Welt.
Der 18. März 1871.
( Commune Aufstand.)
Schwarz liegt es, dumpf und gewitterschwer
Weit über der heiligen Stadt",
Kaum grauet der Morgen,
durch's Nebelmeer Blickt schüchtern die Sonne und matt.
Doch unter den Wolfen sturmgepaart, Bereit zur entscheidenden Schlacht,
Hält, dicht um die Fahne der Freiheit geschaart, Das Volt, das geknechtete, Wacht.
Es stehen die Männer in finsterem Muth An ihre Kanonen gelehnt;
Im troßigen Blick der Begeisterung Gluth, An Kampf und Entbehrung gewöhnt.
Da zuckt ein Bliz aus den Wolfen schwer Hell auf den Montmartre herab, Bajonette blinken von unten her Aus dem düsteren Häusergrab.
Gespenstisch wälzt sich der Truppen Zug Her gegen die„ Garde nationale"*), Auf bebenden Lippen verhaltnen Fluch, Im Herzen des Brudermords Qual.
Horch! Plöglich wirbeln die Trommeln wild, „ Marsch!" hört das Kommando man gell'n; Und Reiter sprengen durch's düftre Gefild, Die Freiheit, die junge, zu fäll'n.
Laut heulet der Sturm, der Donner kracht, Und Blize zucken darein.
Ergebt euch!"
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so tönt es ,, der Uebermacht,
Versailles ' gewaltigen Reih'n!"
Hoch Freiheit, Gleichheit!" schallt es zurück, Stolz flattert das Banner roth, Begeist'rung im flammenden Zornesblick, Erwarten die Tapfern den Tod.
Da lösen sich drüben die eisernen Reih'n, Rings donnert's in stürmischem Chor: Wir wollen ein Volk von Brüdern sein, Kameraden die Kolben empor!"
Durchbrochen des Hasses verderblicher Bann; Umsonst alles Wehren und Müh'n
Der Führer;
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es herzen sich Mann und Mann, Wildfreudig die Augen erglühn.
Kein Morden, kein Schänden des Menschenthums,
Kein Hüben", kein„ Drüben" mehr!
So windet die Kränze des höchsten Ruhms
Vereint sich das Volk und das Heer.
Und flammend glühte zum Osten weit
Das mächtige Morgenroth hin.
Hoch Freiheit", scholl es ,,, und Brüderlichkeit Und Gleichheit" und
*) Lies: Gard nasional.
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,, Vive la Commune!"**)
**) Lies: Wiew la tommühn.
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Maximilian Robespierre *)( siehe das Portrait S. 121) wurde geboren zu Arras im Norden Frankreichs am 6. Mai 1758; der Sohn gebildeter Eltern, genoß er eine sehr sorgfältige Erziehung. Er widmete sich dem Advokatenstand, die Revolution riß aber den 31jährigen Mann, dessen Geist sich in die Schriften Rousseau's vertieft hatte, aus seiner bürgerlichen Laufbahn; 1789 in die Generalſtände" gewählt, welche sich sehr bald zur verfassunggebenden Nationalversammlung entwickelten, ist von nun an sein Leben vollständig mit der Revolution verwachsen. Er gehörte zu den Wenigen, welche inmitten der Sturmfluth den Ueberblick nicht verloren, und auf den tosenden Wogen zu schwimmen verstanden. Wir können nicht in Einzelheiten eingehen: Robespierre's Lebensgeschichte ist bis zu einem gewissen Punkt die Geschichte der französischen Revolution, mit deren hervorragendsten Ereignissen und Personen wir uns gelegentlich eingehend beschäftigen werden. Allmächtig im Jakobinerklub, hielt er sich bis zum Herbste des Jahres 1793, mit geringen Ausnahmen, an der Spize der Bewegung. Um diese Zeit wandte er sich gegen die Hebertisten( siehe Nr. 9), die ihm zu weit gingen", und wurde reaktionär, nach der Logik der Thatsachen, die jeden nach links Frontmachenden zum Gehülfen oder Werkzeug der von rechts Andrängenden machen. Im Frühjahr 1794 schickte er die Hebertisten und Dantonisten aufs Schaffot, schlug aber mit deren Köpfen auch den„ Ast" ab, auf welchem er selbst saß", und wurde vier Monate später, am 9. Thermidor( 27. Juli) 1794 mit Leichtigkeit von seinen Gegnern gestürzt, ohne daß ihm das höchste Wesen", das er wenige Wochen vorher durch Majoritätsbeschluß wieder eingesezt hatte, zu Hülfe gekommen wäre. Die Arbeiter von Paris erhoben natürlich keine Hand für den Mörder der Commune und der Hebertisten. Am 10. Thermidor wurde er guillotinirt.
*) Sprich: Robespjär.
Sprüche aus dem Munde der Völker. Gesammelt von E. J. ( Italienisch.)
Amore è il vero prezzo, con che si compra amore. Wer Liebe will, der kauf' um Liebe Liebe ein: Der Liebe wahrer Preis kann nur die Liebe sein.
Le razioni del povero non pesano.
Und wenn das Recht auch zehnfach für ihn spricht: Des Armen Gründe haben kein Gewicht.
Ognuno sarebbe buon giuocator, se vedesse le carte del compagno. Ein guter Spieler ist Jedermann, Wenn Nachbars Karten er sehen kann.
Sacco vuoto non può star in piedi .
Ein leerer Sack hat kein Gewicht,
Auf seinen Füßen steht er nicht.
Chi alteri tribola, se non posa. Wer Andre jagen will,
Der sizet selbst nicht still.
Inciampa un cavallo, che hà quattro gambe. Ein Mensch kann leicht zum Sturze kommen hier, Stürzt doch das Pferd und hat der Beine vier.
"
Berichtigung. In Sozialistische Briefe über Erziehung und Unterricht", Nr 11, Seite 98, Spalte 2, muß es statt ,, nationale Erziehung", was ein Unsinn ist, heißen: rationelle( vernünftige) Erziehung.