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mitfühlend gewesen, dieser Mann war von der christlichen Ordnungspartei getödtet und sein Andenken gebrandmarkt worden, einerseits als das eines blutdürftigen Revolutionärs von Handwerk, den nur die gerechte Strafe für seine Verbrechen ereilt habe, anderseits als das eines eingebildeten, unreifen, kezerischen Schwärmers, der Gott beleidigt und den wahren Glauben geschändet. Nun- ganz dasselbe ist auch den ersten Christen, ist überhaupt allen Kommunisten und Reformern aller Zeiten von dem gebildeten und ungebildeten Böbel nachgesagt worden. Die Welt hat stets ihre Besten verleugnet, wenn sie kamen, und jede Wahrheit ist noch in blutigen Boden gepflanzt und bei ihrer ersten Ausbreitung mit Lügen überschüttet worden.
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So laßt sie denn ruhen, unsere Märtyrer, welche die Welt noch nicht kennt, ebenso wenig wie sie vor achtzehnhundert Jahren den gekreuzigten Kommunisten von Galiläa kannte, ihn, der mit den Enterbten wohnte, die Ausgestoßenen zu seinen Freunden machte und gegen die Heuchelei, Fäulniß und Ungerechtigkeit der damaligen Gesellschaft predigte, oder, um in moderner Sprache zu reden, Haß und Verachtung gegen die herrschenden Klassen erregte und zum Umsturz des Bestehenden aufwiegelte.
Der Tod meines Freundes hat mir eine Wunde geschlagen, die nie vernarben wird. Ich bin vereinsamt und von Zweifeln bedrängt. Nicht blos der Freund fehlt mir, auch der Rathgeber, an dessen sicheres Urtheil ich mich anlehnen konnte. Ich stehe wieder vor der alten, quälenden Frage: Hat die christliche Welt Unrecht, oder ist die Verwirklichung des Christenthums in Staat und Gesellschaft unmöglich? Ich sehe Menschen, die sich ernst und aufrichtig der Sache der Menschheit geweiht, und höre, daß sie von der Welt verdammt werden. Ich sehe Andere, die ernst und aufrichtig für die christliche Lehre sind, aber in Tobsucht verfallen, wenn diese Lehren zur That werden. Diese eifrigen Christen denken nicht nur nicht daran, die Ursachen des Elends und Verbrechens durch Aenderungen in den sozialen Verhältnissen zu beseitigen, nein, sie bekämpfen und verfolgen Jeden, der Elend und Verbrechen aus der Welt zu schaffen bemüht ist, sie stempeln ihn zum Feind der Ordnung, der Sittlichkeit, und brüllen das: Kreuzige! Kreuzige! mit derselben unduldsamen
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Wuth wie vor achtzehn Jahrhunderten die Vertreter der herrschenden Klassen in Jerusalem . Sie reden von der Gleichheit der Menschen vor Gott , nennen ihre Mitmenschen ,, Brüder in Christo", wer aber die Lehren der Gleichheit und allgemeinen Brüderschaft, für welche Christus und seine Apostel gelebt haben und gestorben find, ins Leben einführen will, den erklären sie für einen Anarchisten, einen Hochverräther, und denunziren ihn womöglich der Polizei oder dem Strafrichter. Was bedeutet dies Alles? Wie soll ich mich aus diesen Widersprüchen herausfinden? Wenn die Lehren der bürgerlichen Dekonomie wahr sind, wenn der unerbittliche, durch nichts gemilderte Kampf ums Dasein, der Krieg Aller gegen Alle, die Ausbeutung, Unterdrückung, Todtschlagung des Schwachen durch den Starken, unabtrennbar zur menschlichen Gesellschaft gehört, gut, dann sei man wenigstens so ehrlich, zu gestehen, daß das Christenthum mit seinem Gebot der Unterstützung des Armen und Schwachen, mit seiner Barmherzigkeit und unterschiedslosen Menschenliebe eitel Narrethei war; und lasse den heuchlerischen Schein eines Glaubens fallen, der weder unsere staatlichen noch unsere gesellschaftlichen Einrichtungen im Geringsten beeinflußt und auch nach dem Willen der Herrschenden nicht beeinflussen soll. Wenn Christus Recht hatte, hat unser christlicher Staat und unsere christliche Gesellschaft Unrecht; wenn die herrschenden Staats- und Gesellschaftsgrundsätze wissenschaftliche Wahrheit sind, dann lehrte und wirkte Jesus von Nazareth nicht nur umsonst, sondern verging sich auch gegen unabänderliche Gesetze.
Wohlan, was ich nicht kann, werden Andere zu Stande Die Er bringen. Die Zeit wird diese Widersprüche lösen. kenntniß bricht sich immer mehr Bahn, verbreitet sich in immer weiteren Kreisen. Ich schließe diese Erzählung mit den Worten, die Josua bei einer Gelegenheit kurz nach unserer Rückkehr von Paris zu mir sprach:„ Meine Augen sind nicht scharf genug, den Weg deutlich zu sehen, aber klar und hell steht vor mir das hehre Ziel, dem Gerechtigkeit und Nothwendigkeit zudrängen: die Bermenschlichung des Staats und der Gesellschaft, die allgemeine Verwirklichung des Menschheitsgedankens, der Kommunismus."
Der Mensch.
Von J. Most.
IV. ( Schluß.)
Die Entwicklung des Eies geschieht zunächst dadurch, daß der Inhalt der Eizelle den merkwürdigen Prozeß der sogenannten Dotterfurchung oder Dotterklüftung durchmacht, wobei die vorher formlose Dottermasse durch fortwährende Theilung und Wieder theilung unter Theilnahme des Kernbläschens und dessen Kerns in einen Haufen elementarer Bausteine oder sogenannter Em bryonal- Zellen zerfällt, welche nun ihrerseits zu allen möglichen weiteren Umgestaltungen fähig sind, und aus denen sich der fünftige Organismus unter fortwährend zunehmender Bildung neuer Zellen aufbaut... Jeder Theil, jedes Organ wird im Anfang nur roh, wie aus Stücken formlosen Thons herausgebildet und in seinen Umrissen angelegt; alsdann wird es genauer ausgearbeitet u. s. w., bis ihm endlich und zuletzt der Stempel seiner bleibenden Bildung aufgedrückt wird.
" Dieser Vorgang geschieht nun im Anfang und bis in eine ziemlich weitgehende Epoche des embryonalen Lebens hinein bei den verschiedenen Thieren und Thiergattungen in einer so gleichmäßigen Art und Weise, daß die Jungen aller nicht blos in der äußeren Form, sondern auch in allen Wesentlichkeiten der Bildung einander fast vollständig gleichen oder ähnlich sehen- so verschieden auch die später aus ihnen hervorgehende bleibende Form des Thieres sein mag. Die Keimlinge verhalten sich also hierin grade so, wie das Ei selbst, welches ja auch überall faft
ganz mit gleicher Form und Größe auftritt. Von einer gewissen Periode des embryonalen Lebens ab treten allerdings die Verschiedenheiten der einzelnen Formen mehr und mehr und um so deutlicher hervor, je mehr sich das betreffende Wesen seiner bleibenden Bildung und dem Zeitpunkte seines Geborenwerdens nähert. Aber auch hiebei findet der sehr bemerkenswerthe Umstand statt, daß, je mehr sich einzelne Thiere im ausgewachsenen Zustande einander gleichen, auch ihre Embryonen oder Keimlinge während des Fruchtlebens um so länger und inniger einander ähnlich sehen, während diese um so früher und deutlicher einander unähnlich werden, je unähnlicher oder verschiedener die ihnen entstammenden Thierformen während ihres späteren Lebens sind. So sehen sich z. B. die Embryonen einer Schlange und einer Eidechse als zweier einander verhältnißmäßig nahe stehender Thierformen länger einander ähnlich, als die einer Schlange und eines Vogels, als zweier von einander sehr entfernt stehender Thiere.
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Was zunächst das menschliche Ei betrifft, so ist dasselbe in allen wesentlichen Beziehungen denjenigen aller anderen Säugethiere gleich und höchstens durch seine Größe um ein Geringes verschieden. Sein Durchmesser beträgt den zehnten oder zwölften Theil einer Linie und ist daher so klein, daß man es mit bloßen Augen nur als ein feines Pünktchen wahrnehmen kann."