worden seien; doch ist es nicht bekannt, ob und auf welche Weise sie die Verfolgung fortsetten; so viel ist nur gewiß, daß es ver­gebens war, wenn sie es thaten.

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In P... schwebte man lange namentlich wegen des Wagenmeisters in Besorgniß über die Folgen dieses Tages; doch beruhigte man sich endlich; denn auffallenderweise wurden nie mehr Nachforschungen über den Zusammenhang der Sache von den oberen Behörden angestellt, und die unzweifelhaft nach­weisbare Saumseligkeit der Bürger-, Post- und Wagenmeister blieb ungeahndet. Vielleicht wollte man der gegen den beliebten Minister gerichteten Maßregel keine zu große Oeffentlichkeit geben, um die Gemüther des Volks nicht noch mehr zu reizen.

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Zwanzig Jahre nach den oben erzählten Vorfällen konnte man in dem Dorfe A.... zwei schöne massiv gebaute Pachthöfe sehen. Bei beiden zeugte Alles von Wohlhabenheit, Fleiß und Ordnung. Die Gebäude waren weiß getüncht und die rothen Ziegeldächer glänzten schon von weitem. Vor jedem Wohngebäude war ein freundlicher Blumengarten, in welchem zwei große sorg­sam gepflegte und beschnittene Lauben standen. Zwischen beiden Bachthöfen, doch etwas zurück, lag das herrschaftliche Schloß, ein altes, wohlerhaltenes Gebäude; alle drei bildeten einen Halbkreis. Wer die durch das Dorf am Schlosse vorüberführende Land­straße passirte und jene drei Gebäude betrachtete, konnte keinen Augenblick zweifeln, daß die Bewohner derselben in angenehmer, freundlicher Verbindung mit einander standen.

Und so war es.

Das Schloß bewohnte der ehemalige Flüchtling, Minister von Stein, wenn er im Sommer einige Monate seines arbeits­vollen Lebens der Erholung widmete. Er hatte die Freude ge­habt, sein Vaterland von der Herrschaft des Korsen befreit zu sehen. Er genoß mehr als je das Vertrauen des ganzen Volks.

In dem einen der Pachthöfe wohnte der frühere Wagen­meister von P...; das Luftschloß, das er vor der Thür des Gast­wirths P. an jenem stürmischen Winterabende baute, ist jetzt zur Wirklichkeit geworden, doch durch ein besseres Mittel, als das war, welches er damals in Gedanken anwandte. Er hatte das Gütchen gegen einen mäßigen Zins in Erbpacht. Seine zehn Kinder lebten alle: der älteste Sohn sollte das Gut übernehmen, vier waren als tüchtige Handwerker versorgt und fünf Töchter verheirathet. Eine, die älteste, hatte der Nachbar im zweiten Pachthof zur Frau. Dieser Nachbar war aber Niemand anders, als der Postillon Niklas, welcher den Minister in jener Nacht nach W.... gefahren. Er saß gleichfalls in Erbpacht. Wenn man an schönen Sommerabenden an den Pachthöfen vorüberging, sah man immer beide Familien vor dem einen oder dem andern Wohnhause in der Laube versammelt, und oft war der Kreis zu einer gewissen Zeit im Jahre durch eine dritte Familie vermehrt die des Ministers, welche sich gern unter jenen bewegte.

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Der traulichen Unterhaltung eines solchen Abends verdanken wir unsere Erzählung.

Die Schwalbe.

Von R. Schulz.

Mit dem Osterfeste ist auch die Natur von ihrer Winter­ruhe erwacht. Mild wehen die Frühlingswinde über das Land, der vom Schnee gebleichte Na sen färbt sich grüner, Knospen schwellen an Baum und Strauch  , lauter plätschern die Bächlein, an deren Ufer die schon zurückgekehrten Staare sich lustig umhertummeln, und jubelnd klettert die Lerche an ihren hellen Frühlingsliedern in die klare, azurblaue Luft. Der Lenz scheint aller Orten seinen Einzug gehalten zu haben, aber noch traut der Landmann nicht dem heitern Himmel, denn der wahre Frühlingsbote, die Schwalbe, hat sich ja noch nicht eingestellt. Endlich kehrt sie von ihrer langen Winterreise zurück ins heimische Dorf, ins alte Nest. Wie jubelt Groß und Klein bei ihrem Anblick! Von Mund zu Mund tönt die frohe Kunde, und Aller Herzen schlagen höher, denn nun scheint es besiegelt zu sein, daß des Winters Macht ge­brochen. Zwar kennt Jeder das Sprüchwort des Aristoteles, wonach eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, aber der einen folgen andere und mit ihnen kehrt auch die schöne Jahres­zeit mit ihrer Lust und Freude wieder. Deshalb ging in frühern Zeiten der westfälische Bauer mit seinem ganzen Hause der ersten Schwalbe entgegen, ja in Hessen   war es gebräuchlich, daß die Ankunft derselben von der Ortsbehörde öffentlich bekannt gemacht wurde, eine Ehre, die keinem andern Vogel zutheil geworden.

Und selbst bei den gebildeten Völkern des Alterthums finden wir diese Sitte. Nicht blos ihre Dichter besingen die Schwalbe als Lenzesverkündigerin", sondern auch das Volk feiert ihre Ankunft. In dem klüftereichen Thracien, wo sie besonders heimisch gewesen zu sein scheint, ging ihr die Jugend entgegen und be­grüßte sie mit lautem Liederschall, eine Sitte, die sich noch bis

Wo Schwalben flattern, brüten und verweilen, Ist lind und lieblich stets die Luft."

Shakespeare  .

auf unsere Zeit in Griechenland   erhalten hat, indem die Kinder am 1. März mit einer aus Holz geschnitzten Schwalbe bettelnd von Haus zu Haus ziehen und reichliche Gaben einheimsen. Auch auf der Insel Rhodus   herrschte ein ähnlicher Gebrauch, den der weise Kleobul bei einer ausbrechenden Hungersnoth eingeführt haben soll. Selbst der nachdenkliche, ernste Schwede gibt sich der Freude hin, wenn er die erste Schwalbe erschaut.

Und in wie hohen Ehren steht die Schwalbe im deutschen Volksglauben! Sie ist der heilbringende, gefeite Vogel. Wo sie ihr Nest aufschlägt, zieht gewiß Heil und Glück ins Haus, denn sie ist ja das Herrgottsvögelein" und schützt vor Feuer und Blizz. Niemand darf sie tödten und ihr kleines Haus zerstören, weil ihm sonst das Unglück auf den Fersen folgt. Der Himmels­strahl zündet sein Haus an oder die anderen Schwalben speien auch Feuer auf dasselbe. Gönnt man ihnen jedoch die Eckchen in der Fensternische und läßt sie sechs Jahre lang ungestört brüten, so lassen sie im Neste den Schwalbenstein zurück, der ein gepriesenes Heilmittel für allerlei Krankheiten ist und besonders wohlthuend bei Augenübeln wirkt. Es würde zu weit führen, wollten wir aller Züge der Verehrung im Volksglauben gedenken, denn es gibt kaum ein Thier, das derselbe über die Schwalbe zu stellen wüßte. Sie ist die wahre Nebenbuhlerin der Nachti­gall", wie sie von dem gemüthvollen britischen Naturforscher Humphrey Davy genannt wird. Dem Araber ist sie sogar eine Botin des Paradieses, die einst den aus demselben verstoßenen ersten Menschen im Elend folgte. Auch der griechische Mythus  umgibt die Schwalbe mit einer gewissen Ehrfurcht, denn hiernach ist der ruhelose Vogel die zungenlose Profne, die unwissend ihren eigenen Sohn getödtet. Jammernd fliegt sie jetzt mit dem Blut­mal auf der Brust unstät und ohne Nast umher, in langgezogenen Klagetönen ihren Schmerz offenbarend. Auch der Name, mit dem man in Peru   dieses Thier bezeichnet( palomitas de santa Rosa, Täubchen der heiligen Rosa), deutet darauf hin, daß man die Schwalbe für ein überirdisches Wesen hält.

Selbst in der Geschichte hat die Schwalbe schon einmal eine