berufen und alle Diejenigen um sich versammelt, für welche die Tuilerien Frankreich repräsentirten; kurz, sie hatte ihre Vertheidigung organisirt, während das Volk seinen Angriff vorbereitete, und war hoffnungsvoll eingeschlafen; aber das Morgenroth stieg blutig herauf und weckte sie zu einem bitteren Erwachen.
Auf dem Carousselplatz, auf dem Pont Royal, in den Zugängen der Tuilerien, überall drängte sich das Volk, das Volk, das nur noch einen Glauben hatte, den an die Freiheit, nur einen Gedanken, den, zu siegen oder zu sterben; das Volf, welches den Kanonen des Absolutismus Kanonen und Pflastersteine, den Bajonetten der Schergen Bajonette und Piken entgegenstellte; das Volk, das soeben auf der Rüstkammer des Hotel de Ville die Peitsche gefunden hatte, die Ludwig der Vierzehnte in der Hand hielt, als er das Parlament auflöſte.
Die Vorstädte strömten ihre Volkswogen aus; die Föderirten, die Marseiller, mit nackten Armen und erbarmungslosen Herzen, hatten, von denen jedoch, als es galt, nur sehr wenige am Blaze waren. Der Name rührt davon her, daß einige der betreffenden„ Ritter "( die meisten waren sogenannte„ Ludwigsritter") bei einem früheren Krawall mit Dolchen, die sie versteckt trugen, abgefaßt worden waren.
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waren erschienen, die Nation, von der schweren Last der Steuern und Abgaben befreit, richtete sich auf und rüstete sich, wie ein blutlechzender Tiger, zum Sprunge.
Die Energie Danton's hatte sich blitzschnell und gewaltig, wie der elektrische Funke, der Menge mitgetheilt; das Volk hatte nur eine Fahne, und auf diese Fahne schrieb es: Tod oder Freiheit!
Wehe dir, wehe dir, alte Monarchie! Dir bleibt nichts übrig, als zu sterben. Die Fremden sind noch fern und deine Geschütze werden vor der allmächtigen Begeisterung des Volkes verstummen müssen.
Als Ludwig der Sechzehnte diese empörten Volksmassen, in Waffen starrend, seinen Palast umdrängen sah, überkam ihn die Furcht, denn er las seine Verurtheilung in den erzürnten Mienen. Er suchte einen Zufluchtsort in der gesetzgebenden Versammlung, die nach seinem Falle unter dem rollenden Rade der Revolution zermalmt werden sollte, und kaum hatten die Thüren sich hinter ihm geschlossen, als eine furchtbare Gewehrsalve ihm sagte, daß der Sturm losgebrochen sei, der in ganz Frankreich wiederhallen ( Fortsegung folgt.)
sollte.
Abgerissene Bilder aus meinem Leben.
Von Joh. Ph. Becker.
I.
Der Demagogenwolf, Verhaftungs, Gefängniß- Scenen und ein Fremdwort, das Tod oder lebenslängliches Zuchthaus bedeutet. ( Fortsetzung.)
Hier bin ich an einer Stelle meiner Erzählung angelangt, an der es mich, ehe ich fortfahre, innig drängt, meinen Freunden und Lesern ein offenes Geständniß über meine dem Feinde gegenüber nicht wenig verschmißte Handlungsweise abzulegen:
fuseste Zeug herzuschwätzen, so daß er mich anfänglich ganz verwundert ansah und sich schließlich sammt seinem Schreiber des Lachens kaum enthalten konnte. Dabei dünkte es mich, daß ich bei dem gestrengen Herrn eine Miene des Mitleids über sein sonst so regungsloses Gesicht gleiten gesehen. Sagte er doch unmittelbar darauf, sich gegen seinen Schreiber wendend, mit sehr gedämpfter Stimme, aber für meine gerade sehr gespitzten Ohren noch laut genug: Der Dr. Wirth hätte wohl den dummen Teufel aus dem Spiele lassen können, statt die Behörde mit deffen Blechköpfigkeit so arg zu foppen." Ganz plötzlich überfiel mich aber auf diese Worte hin ein so peinliches Gefühl der Demüthigung, daß ich nicht blos gleich aus der Haut hätte fahren mögen, sondern auch nahe daran war, völlig aus der Rolle zu fallen und auf dem Punkte stand, den„ dummen Teufel" dem von mir so arglistig übertölpelten Hochverrathsschnüffler stolzen Selbstgefühls an den Blechkopf" zu werfen. O, wie tief empfand ich in diesem Augenblick, welch' enorme Selbstverleugnung und Selbstüberwindung zu solchy' berechneter Dummheitsrolle erforderlich sind! Doch faßte ich mich rasch wieder und dachte: er hat mir ja eigentlich nur mit seinen Worten meinen Sieg über ihn verkündet, er selbst hat mir ja unbewußt zugestanden, daß er der Blechkopf gewesen, daß ich mehr Berechtigung habe ihn, als er mich, zu bemitleiden und daß wir in moralischer Beziehung mindestens quitt sind. Und als er mir denn gar im Gegensatz zu seinem anfänglichen schnurrigen Auftreten ganz gelassen und fast sanftmüthig sagte:„ Sie sind entlassen und können nach Hause gehen," da fühlte ich mich durch meinen Triumph für alle Schmerzensmomente meiner Dummheitsrolle tausendfach entschädigt.
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Als ich nämlich zum ersten Male von Gensdarmen den häuslichen Verhältnissen entrissen wurde, um dem oftgenannten Untersuchungsrichter vorgeführt zu werden, kam mir die aus der Progymnasialschulzeit her bekannte Rolle des römischen Revolutionsmannes Brutus, die Rolle des Dummen zu spielen, in den Sinn. Und so dachte ich, daß wohl das, was der weltberühmte Mann zur Erreichung seines Zweckes ohne sittliche Bedenken gewollt und durchgeführt, sicher aus denselben Gründen zu wollen und zu vollbringen auch mir erlaubt wäre. Indessen brauchte ich mir ob solcher Rolle umsoweniger Gewissensskrupel zu machen, als der außerordentliche Untersuchungsrichter schon außerhalb des Gesetzes stand, indem er mich meinem ordentlichen Richter entzogen, weil die reaktionäre Regierung diesem nicht traute, oder vielmehr nicht zutraute, er werde zu Gunsten der Staatsgewalt die Gesetze umgehen. Und so begab es sich, daß ich vor meinem ,, Außerordentlichen" so dumm und unwissend erschien, daß er mir trotz seiner angestrengtesten Bemühungen keine seiner Fragen recht begreiflich zu machen vermochte und ich demgemäß auch nie eine richtig zu beantworten verstand. Doch mein Herr Mollitor, der damals als der schlanköpfigste und fangsüchtigste Fußsteller und Fallenleger politisch Verdächtiger im ganzen Reiche gegolten, so daß er dem in solchen Dingen nachher berühmt gewordenen Herrn Stieber wohl als erhabenes Vorbild gedient haben mochte, hatte sicherlich mein Verhalten im Hinblick auf meine damalige Beschäftigung als Bürstenbinder für ganz natürlich erachtet. Galt es doch in jener Zeit für unerhört, wenn sich ein Handwerker Um nun nach dieser Abschweifung den Faden meiner Ermehr mit politischen Dingen, die ja das Privilegium studirter zählung wieder aufzunehmen, muß ich in Erwähnung bringen, Leute waren, als mit dem Wein- und Bierglase befaßte. Ich daß eben diese ganze Verhörgeschichte mir zur Verlängerung gestand zwar ein, auf dem Hambacherfest wie viele andere Leute meiner Schlaflosigkeit glühend heiß im Kopf herum ging. Immer laut gesprochen zu haben, was mir gerade in den Kopf gekommen, und immer wieder stellte ich mir die Frage: ob ich, wenn aber doch nicht ganz so wie es in der Festbeschreibung gedruckt mich Herr Mollitor in die Hände bekäme, abermals die Dummstünde, was auch insofern wahrheitsgemäß war, als der Verfasser topfsrolle spielen solle und spielen können würde, und ob der derselben, Dr. G. A. Wirth, vorsichtigerweise die gravirendsten nun wohl gewißigte Verhörrichter sich von mir nochmals zum Stellen weggelassen. So recht naiv sing ich da an, eine Art Narren halten lassen werde? Aber auch immer und immer blieb Rede zu halten und, ihm teck in's Gesicht schauend, das kon-| ich mir eine bestimmte Antwort schuldig; ich konnte zu keinem