Er zitterte für seine Blume, versuchte nicht mehr zu schlafen und erwartete, auf dem feuchten Stroh sizend, mit unsäglicher Angst den ersten Tagesschein. Endlich drang ein schwacher Schimmer in den Kerker, und Friedrich stieß einen Freudenschrei aus. Seine Blume senkte zwar matt das Köpfchen, ihrem goldigen Kelche fehlten einige Blätter, aber sie war nicht geknickt und zu seinen Füßen fand er auch die Blättchen wieder, die der Sturm ihr entrissen hatte.
Jetzt erschien auch der Schließer, begrüßte den Gefangenen mit dem Namen„ Bürger" und brachte ihm Alles, was er am Abend vorher verlangt hatte.
,, Welche Zeit ist es?" fragte Friedrich.
,, Das fragen sie Alle," antwortete der Mann mit rauhem Ton. ,, Es ist 10 Uhr."
,, Was giebt es Neues?"
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,, Vor der Hand noch nichts aber haben Sie nur Geduld." Diese Worte durchzuckten Friedrich's Herz mit trüber Ahnung; unwillkürlich sah er nach seiner Blume, sie hatte sich völlig wieder aufgerichtet.
,, Sind neue Verhaftungen vorgenommen?" f
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denn die Preußen sind in
geht gar lebhaft zu in Paris Verdun aber nur Geduld..." „ Die Preußen sind in Verdun ?..." schrie Friedrich auf. Und ich bin hier gefangen! O, dort, in Verdun wäre mein Platz." ,, In Verdun ?." sagte der Schließer, einen Schritt zurückweichend. Man hatte mir doch gesagt, daß Sie ein guter Sansculotte wären."
,, Wer hat Dir dies gesagt?"
,, Jemand, der sich nicht vor Ihnen fürchtet... nun, er kann sich auch täuschen, wie ich sehe."
,, Nein, mein Freund," sprach Friedrich.„ Er hat sich nicht getäuscht. Ja, ich möchte in Verdun sein, aber um für mein Vaterland zu kämpfen."
,, Das lasse ich gelten!" erwiderte der Schließer und drückte mit seiner schwieligen Hand die Rechte des jungen Mannes. Topp, schlagen Sie ein, vielleicht marschiren wir zusammen." ,, Wirst Du denn auch ausrücken?"
,, Das Vaterland ist in Gefahr," sprach der Alte langsam und feierlich, und in diesem Augenblicke erschien der häßliche, griesgrämige Alte fast schön durch die Begeisterung, die aus
,, D! man weiß nicht mehr, wo man die Menschen Alle seinen Augen strahlte; und als er seine Schlüssel gleich einer unterbringen soll, aber nur Geduld!"
Friedrich erbebte von Neuem.
,, Ohne Zweifel werden wir bald verhört werden," fragte er. „ Ja, damit man Euch auch freispricht wie den Verräther Montmorin, nicht wahr? Die Richter sind von den Royalisten bestochen und die Aristokraten dort oben schreien ganz ungescheut, daß die Preußen kommen und sie befreien werden. Ja schreit nur! bis dahin kann noch viel Wasser durch den Pont- neuf fließen."
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„ Oder auch Blut," dachte Friedrich.
,, Sie tanzen und jubeln dort oben aber habt nur Geduld," sagte der Schließer nochmals, indem er die Thür öffnete, um sich zu entfernen.
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Man gewährt dem zum Tode Verdammten Alles, was er begehrt, dachte Friedrich wohlan, so will ich denn zum letzten Male zu Marien sprechen und dann an Danton schreiben: ich will gern sterben, da sie nicht mehr leben darf, aber Einer wenigstens soll wissen, daß ich kein Verräther war. Er schrieb seine beiden Briefe, und als der Schließer zur gewohnten Zeit fam, übergab er ihm dieselben zur Besorgung.
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,, Die Bürgerin Marie ist nicht mehr da," sagte der Schließer, nachdem er die Aufschrift gelesen.
,, Wie? ist sie schon verurtheilt?"
Waffe schwang, fühlte man, daß dieser Arm den Feinden des Vaterlandes noch furchtbar werden könnte.
Friedrich wurde von seiner Begeisterung angesteckt. ,, Nein!" rief er, die Feinde werden nicht in Paris einziehen und sollten wir Alle bis auf den letzten Mann fallen... aber was sage ich? Ich bin ja gefangen und warum kann ich nicht mit Euch ziehen?" ,, Wir sind noch nicht fort," sagte der Schließer mit einem schlauen Lächeln. Es giebt noch etwas in Paris zu thun, ehe wir fort können".
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,, Noch etwas zu thun? Was wäre das?" frug Friedrich von banger Ahnung erfaßt. Das darf ich noch nicht sagen; aber nur Geduld," sagte der Alte, indem er die schwere Thür in's Schloß warf.
Friedrich warf seine Briefe in einen Winkel und begrub den Kopf in seine Hände; ein ungeheurer Schmerz ergriff seine Seele und verzweifelnd rief er aus: O Marie, Marie! wo bist Du, was haben sie Dir gethan?"
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,, Nicht, daß ich wüßte, Bürger Danton hat sie abführen vereinigte sich, ihn in einen fieberhaften Zustand zu versetzen, lassen, weiter fann ich nichts sagen."
Ich muß Danton sprechen, lassen. Sie nur den Brief." ,, Schon gut, wenn er kommt, soll es ihm gesagt werden." ,, Aber ich muß ihn noch heute, gleich jetzt sprechen." Was da, glauben Sie denn, daß Danton nichts weiter zu thun hat, als an Sie zu denken? Er ist in der Commune und wird schon kommen, haben Sie keine Angst. Sehen Sie, es
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Wer seid aber Ihr?
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Ihr habt gedonnert hinaus in die Welt Im achtundvierziger Jahre
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Der Freiheit Sänge sie sind zerschellt Lebendige Leichen zur Bahre!
Wenn überall die Fahne weht
Da braucht der fallende Boet
Für Gleichheit, Völkerbefreiung,
Nicht erst der Musen Weihung.
Sein schlechtster Vers wird zum Gesang Und ras't und donnert in's Weite:
Triumphgeheul und holder Empfang
Im Kittel, in Sammet und Seide.
Der Rausch verrauscht die Reaktion
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Erhebt die schwarzen Schwingen;
Jegt gilt's, du Dichter, du Musensohn,
Der Freiheit Hymnen zu singen.
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Sein Blick irrte wieder zu der kleinen Pflanze empor; neue Knospen hatten sich erschlossen, und eine leise Hoffnung schlich sich in sein Herz; aber die Nacht brach herein, und mit ihr kehrten all' seine trüben Ahnungen, seine schmerzlichen Gedanken zurück. Er warf sich auf sein Lager, aber die Erregung, die Angst um die Geliebte, die Schlaflosigkeit der letzten Nacht Alles dies durch welchen die zwei schmerzlichen Eindrücke, die er zuletzt empfangen, sich verschmolzen und verwirrten.„ Marie, Marie! wo bist Du?" rief er unaufhörlich und warf sich verzweifelnd zu Boden, um im nächsten Augenblicke mit den Worten: Die Preußen sind in Verdun zu den Waffen, zu den Waffen!" aufzuspringen und im Sturmschritt seine enge Zelle zu durchlaufen! ( Schluß folgt.)
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Ihr schweigt. Die Gartenlaube" ruft, Ihr singt ihr sonder Gleichen,
Ja, eure Lieder riechen wie Duft Reaktionärer Leichen.
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Kurt Mook.
Die Proklamirung der Commune( s. d. Bild) erfolgte Freitag den 31. März 1871 auf dem Plaz des Hotel de Ville ( Stadthaus), nachdem am 26. März von 490,000 Wählern 277,000, also die große Mehrheit der Gesammtbevölkerung von Paris , für die Commune ge stimmt hatten. Unser Bild zeigt uns den Vorübermarsch der National garde. Vor dem Stadthaus auf der fahnengeschmückten Estrade ( Erhöhung) befinden sich die 80 Erwählten des Volks; der Mann mit erhobenem Arm vorn an der Brüstung ist Beslay, der Alters präsident der Commune, welcher zur Menge spricht. Das Schau spiel war wahrhaft großartig, und wohl geeignet, die tiefste Wirkung hervorzubringen," sagt ein nicht sozianistischer Augenzeuge Mac Vernoll in der Pariser , Monde Jllustré" " Illustrirten Welt" vom 8. April 1871.
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